Bauarbeiten für Salzachkraftwerk Stegenwald liegen voll im Zeitplan10 min read
Lesedauer: 8 MinutenSeit dem offiziellen Spatenstich Ende Juni 2023 ist auf der Baustelle des neuen Salzachkraftwerks Stegenwald im Pongau viel geschehen. Ein Jahr nach Baubeginn stehen die wesentlichen Bauarbeiten vor dem Abschluss, bereits im August werden die ersten mechanischen Turbinenkomponenten montiert. Realisiert wird die Anlage von den Projektpartnern VERBUND und Salzburg AG, die ihre traditionelle Kooperation an der mittleren Salzach mit einem mustergültigen Ökostromprojekt fortführen. Schon im Frühjahr 2025 soll das Laufwasserkraftwerk, dessen zwei Kaplan-Turbinen im Regelbetrieb den Strombedarf von ca. 20.000 durchschnittlichen Haushalten abdecken werden, erstmals saubere Energie erzeugen.
Das Land Salzburg hat sich mit der Klima- und Energiestrategie „Salzburg 2050“ dazu verpflichtet, klimaneutral, energieautonom und nachhaltig zu werden. Das bedeutet: Null Prozent Treibhausgas-Emissionen und 100 Prozent Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen. Einen weiteren Schritt zum Erreichen dieser hochgesteckten Ziele bildet der Bau des neuen Wasserkraftwerks Stegenwald, das aktuell im namensgebenden Ortsteil der Pongauer Gemeinde Werfen am Entstehen ist. Beim offiziellen Spatenstich des Kraftwerks Ende Juni 2023 bezeichnete Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Aufsichtsratsvorsitzender der Salzburg AG, das Projekt als wichtigen Meilenstein für die Salzburger Energiezukunft: „Mit dem Bau des Kraftwerks Stegenwald machen wir in Sachen Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung als Bundesland einen entscheidenden Schritt vorwärts. Die aktuelle Situation zeigt uns, dass kein Weg daran vorbeiführt, Salzburg energieautonom zu machen. Dafür müssen wir vor allem den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung weiter vorantreiben. Mit dieser Investition setzen VERBUND und die Salzburg AG gemeinsam einen großen Schritt in Richtung regionaler, unabhängiger Energieerzeugung.“
Neues Kraftwerk an der mittleren Salzach
Das Kraftwerk Stegenwald befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Pass Lueg, an dem die Salzach einen klammartigen Durchbruch zwischen dem Hagengebirge im Westen und dem Tennengebirge im Osten durchströmt. Realisiert wird die Anlage durch eine Kooperation der Energieversorger VERBUND und Salzburg AG, die an der mittleren Salzach eine ganze Reihe von Kraftwerken betreiben. Beim Lokalaugenschein von zek HYDRO auf der Baustelle im Juli 2024 erörterte VERBUND-Projektleiter Hannes Badura die Projekthistorie: „Es wurden bereits in den 1970er Jahren erste Pläne für den Bau eines Ausleitungskraftwerks am Standort erstellt. Richtig konkret wurden die Planungen rund 40 Jahre später, als 2009 die Wasserrechtsverhandlungen für den Bau eines Laufwasserkraftwerks begonnen haben. Aufgrund von Beschwerden der Salzburger Umweltanwaltschaft gegen das Projekt sollte es mehrere Jahre dauern, bis die Baubewilligung ausgestellt wurde. Nachdem auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben waren, startete schließlich im Vorjahr die Umsetzungsphase des Projekts.“ Die zentrale Herausforderung des Projekts liegt Hannes Badura zufolge in der mit etwas mehr als zwei Jahren knapp bemessenen Bauzeit. Die Erd- und Betonarbeiten über das ca. 6 km lange Baufeld müssen mit Rücksichtnahme auf die Ökologie und die Niedrigwasserperioden exakt eingetaktet werden. Dabei darf auch die Thematik der Arbeitssicherheit nicht zu kurz kommen. Während der Wintermonate überwacht eine eigene Lawinenkommission die Gefahrenlage auf den angrenzenden Bergen und führt im Bedarfsfall entsprechend frühzeitige Lawinensprengungen durch.
Kompaktes Anlagendesign
Bei dem final ausgearbeiteten Projekt wurden laut Hannes Badura zahlreiche Forderungen aus den wasser- und naturschutzrechtlichen Bescheiden berücksichtigt. Starken Einfluss auf die finale Gestaltung des Bauwerks hatten zudem zukünftige Planungen der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), deren Gleise neben dem Kraftwerk vorbeiführen: „Der Streckenabschnitt am Pass Lueg bildet für die ÖBB seit jeher ein Nadelöhr, an dem Naturgefahren wie Lawinen, Steinschläge oder Hochwässer auftreten können. Um diese riskante Stelle zu entschärfen, planen die ÖBB für die Zukunft eine Linienoptimierung, wozu allerdings mehr Platz benötigt wird. Aus diesem Grund wurde für das neue Wasserkraftwerk ein innovatives Design gewählt, das eine kompaktere Ausführung des Bauwerks und somit mehr Platz für die zukünftige Schienenführung bietet“, erklärt der Projektleiter. Üblicherweise werden Laufwasserkraftwerke an der Salzach mit drei Wehrfeldern und zwei Turbinen gebaut. Beim Kraftwerk Stegenweld werden zur Gänze überströmbare Turbinen eingesetzt, wodurch die Wehranlage mit nur zwei Wehrfeldern ausgeführt werden kann. Bei den Turbinen kommen zusätzliche Zulaufklappen zum Einsatz, die eine zuverlässige Hochwasserabfuhr gewährleisten.
Modellversuch simuliert Kraftwerk
Die Situierung des neuen Kraftwerks wurde im Zuge einer Variantenstudie festgelegt. Laut Hannes Badura sprachen zwei wichtige Punkte für die Standortwahl. So herrschen in Stegenwald günstige geologische Bedingungen für die Errichtung eines Wasserkraftwerks, der berüchtigte Salzburger Seeton, der schon bei vielen Tiefbauprojekten im Bundesland Probleme bereitet hatte, tritt erst weiter flussabwärts auf. Zudem können am gewählten Standort die Bauarbeiten weitestgehend im Trockenen neben dem Flussbett durchgeführt werden, was in weiterer Folge weniger Aufwand im Hinblick auf die notwendigen Wasserhaltungsmaßnahmen bedeutet. Um das Kraftwerk mit einem Höchstmaß an Effizienz und ökologischer Verträglichkeit zu realisieren, wurde am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität Graz ein maßstabsgetreues Modell der Anlage erstellt. Neben dem Krafthaus und der Wehranlage wurden bei dem im Maßstab 1:40 gefertigten Modell auch der 460 m lange Oberwasserbereich und ein 240 m langer Abschnitt im Unterwasser simuliert. Bei den Modellversuchen im Grazer Wasserbaulabor wurden unter anderem die ideale Länge des Staubereichs und die Strömungsgeschwindigkeit ermittelt, also zwei zentrale Parameter, die sich auf die ökologische Verträglichkeit eines Wasserkraftwerks auswirken. Darüber hinaus wurde bei den Modellversuchen großer Wert auf das Geschiebemanagement des neuen Salzachkraftwerks gelegt, bekräftigt Hannes Badura: „Um das anfallende Geschiebe von den Turbinen fernzuhalten kommen mehrere Maßnahmen zur Anwendung. Oberwasserseitig gibt es eine Rampe, die die Stauraumsohle stützt und gleichzeitig als Geschiebeleiteinrichtung dient. Beim Einlaufbereich wurden zudem eigene Schwellen errichtet, die dem Sedimenteintrag entgegenwirken. Außerdem werden auch bei den Turbinenspiralen Spülmöglichkeiten für die Entfernung von Sedimenten geschaffen.“
Bewährte Unternehmen am Zug
Im Zuge der öffentlichen Ausschreibung qualifizierten sich eine ganze Reihe von bewährten Branchenspezialisten für die unterschiedlichen Bau- und Techniklose. Den Zuschlag für die Ausführung der gesamten Bauarbeiten sicherte sich die Ing. Hans Bodner Bau Ges. m.b.H. & Co. KG, deren Referenzliste eine ganze Reihe von Wasserkraftprojekten unterschiedlicher Bauart und Leistungsklassen beinhaltet. Beim Kraftwerk Stegenwald werden die Arbeiten von den Fachkräften der Bodner-Niederlassung in Salzburg durchgeführt. Mit den Planungsarbeiten wurde das interdisziplinär aktive Ingenieurunternehmen BHM INGENIEURE beauftragt. „Das Kraftwerk Stegenwald hat eine überströmte Maschinenhalle bzw. wird als überströmtes Kraftwerk ausgeführt. Dadurch konnte die Wehranlage um ein Wehrfeld reduziert und die Gesamtanlage schmäler ausgeführt werden. Eine wesentliche Projektherausforderung war die Errichtung der Baugrubenumschließung, bestehend aus Bohrpfahl- und Spundwänden, sowie die Herstellung der dichten Sohle mittels DSV-Verfahren. Der Auftrag von BHM INGENIEURE Linz umfasste die Änderung der Einreich- und Ausschreibungsplanung für die Baumeisterarbeiten sowie aktuell die Ausführungsplanung für die Errichtung der Kraftwerksanlage“, erklärt Gerhard Schönhart, Geschäftsführer von BHM INGENIEURE Linz.
Salzburger liefern Stahlwasserbau
Das gesamte Stahlwasserbauequipment der Anlage liefert der Salzburger Branchenspezialist GMT Wintersteller GmbH aus der nahe gelegenen Gemeinde Kuchl. Beim zek HYDRO-Lokalaugenschein in Stegenwald waren die GMT-Techniker mit der Montage der Schleifbleche an der Wehranlage beschäftigt. Wie bei Salzachkraftwerken üblich werden die zwei Wehrfelder mit Segmentschützen mit aufgesetzten Klappen ausgestattet. Mit dieser zigfach bewährten Ausführung wird gleichermaßen eine ordnungsgemäße Wasserhaltung im Oberwasserbereich sowie gleichzeitig eine sichere Hochwasserabfuhr gewährleistet. Ebenfalls im GMT-Lieferumfang enthalten sind sämtliche Absperr- und Regulierorgane, die ölhydraulischen Aggregate und Verrohrungen sowie die als Revisionsverschlüsse dienenden Dammbalken. Bei den beiden Einlaufrechen mit vertikalen Stabprofilen setzen VERBUND und Salzburg AG erstmals auf eine innovative Rechenreinigungslösung eines deutschen Unternehmens. Üblicherweise kommen bei Laufwasserkraftwerken auf Schienen verfahrbare Rechenreinigungsanlagen zum Einsatz. Beim Kraftwerk Stegenwald hingegen, bei dem die Einlaufrechen aufgrund des überströmten Anlagenkonzepts in einer annähernd horizontalen Position montiert werden, werden die Einlaufbereiche zukünftig durch eine frei auf der Wehrbrücke fahrbare Maschine von Treibgut und Geschwemmsel befreit. Im Prinzip handelt es sich bei der Maschine um einen Langstiellöffelbagger mit einer Rechenharke, der über GPS-Steuerung komplett automatisch den Kraftwerkseinlauf reinigt. Neben der automatisierten Betriebsweise kann die Maschine auch manuell gesteuert werden und ist somit ebenso für die Entfernung von größerem Treibgut bzw. für die Entfernung von Sedimenten entlang der gesamten Wehranlage geeignet.
Kaplan-Turbinen in Sonderausführung
Die elektromaschinelle Ausstattung des Kraftwerks weist ebenfalls eine Besonderheit auf. So werden die beiden vertikalen Kaplan-Turbinen mit einem Durchmesser von jeweils ca. 4 m, die von der oberösterreichischen Global Hydro Energy GmbH gefertigt werden, um 90 Grad gedreht und somit horizontal im Bauwerk positioniert. Mit dieser Variante werden die Einbaulängen und -tiefen der Maschinen wesentlich reduziert, damit kann das Bauwerk deutlich kompakter ausgeführt werden. Diese Lösung bringt laut Hannes Badura noch einen weiteren Vorteil mit sich: „Die geologischen Verhältnisse der Baugrube sind von hochdurchlässigem Schotter gekennzeichnet, der entsprechend aufwändige Wasserhaltungsmaßnahmen erfordert. Durch den gedrehten Einbau der Turbinen ergibt sich automatisch eine kleinere Baugrube, wodurch sich der Aufwand der Wasserhaltungsmaßnahmen deutlich minimiert.“ Als Verbindung zwischen den auf jeweils 101,5 m³/s Ausbauwassermenge und 8,14 m Bruttofallhöhe ausgelegten Kaplan-Maschinen und den Synchron-Generatoren dienen zwei zwischengeschaltete Getriebeübersetzungen. Unter Volllast werden die mittels Leitapparaten und verstellbaren Laufradflügeln doppelt regulierbaren Turbinen zukünftig ca. 14,3 MW Engpassleistung erzielen. Bereits fertiggestellt sind die aus Beton vergossenen Saugrohre der beiden Kaplan-Maschinen. Geliefert wurden die millimetergenau gefertigten Saugrohrschalungen von dem weit über den Wasserkraftsektor hinaus bekannten Branchenspezialisten Mitterfelner Schalungsbau aus Niederbayern. Die beiden Schalungen wurden mit elliptischen Rundungen gefertigt, wobei in Summe ca. 90 m³ Schnittware bei einer gesamten Schalfläche von rund 620 m² notwendig waren. Für die Anlieferung der aus 48 Einzelteilen bestehenden Schalungskonstruktionen waren insgesamt 12 Lkw-Transporte notwendig.
Projekt voll im Zeitplan
Selbstverständlich dürfen bei einem modernen Wasserkraftwerk auch die ökologischen Belange nicht zu kurz kommen. Beim Kraftwerk Stegenwald wird die Fischdurchgängigkeit durch ein kombiniertes System hergestellt, das im Wesentlichen aus einem naturnah angelegten Verbindungsgewässer und einem technisch ausgeführten Beckenpass besteht. Im Oberwasserbereich wird eine separate Fischabstiegseinrichtung geschaffen, die in das Verbindungsgewässer mündet. Darüber hinaus wird entlang des Projektgebiets eine ganze Reihe von weiteren ökologischen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt. Kurz vor dem Abschluss der Hauptbauphase kann Hannes Badura ein positives Zwischenfazit über den Projektverlauf ziehen: „Die Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen verläuft sehr gut, es ziehen alle an einem Strang, was bei einem Projekt dieser Größenordnung äußerst wichtig ist. Aktuell sind wir dem veranschlagten Zeitplan hinsichtlich des Baufortschritts sogar etwas voraus. Ich bin guter Dinge, dass die Anlage im kommenden Frühjahr wie geplant erstmals den Betrieb aufnehmen wird.“
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 4/2024
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