CKW beweist bei Realisierung von Luzerner Kleinwasserkraftwerk Waldemme langen Atem9 min read
Lesedauer: 7 Minuten18 Jahre sollte es von der ersten Konzeptstudie an dauern, bis das neue Luzerner Kleinwasserkraftwerk Waldemme erstmals Strom produzieren konnte. Im September 2023 hat die CKW AG das Kraftwerk in der Gemeinde Flühli, dessen Entstehungsgeschichte von zahlreichen Hürden gekennzeichnet war, schließlich feierlich eröffnet. Die Anlage nutzt das namensgebende Gewässer Waldemme, wobei das an der Wehranlage entnommene Triebwasser über eine knapp 2,1 km lange Druckrohrleitung DN1600 in die Kraftwerkszentrale geleitet wird. Ausgeführt wurde das komplette Stahlwasserbauequipment vom Branchenspezialisten WIEGERT & BÄHR. Im Maschinengebäude kommt eine Durchström-Turbine mit 1,4 MW Engpassleistung vom ebenfalls aus Deutschland stammenden Hersteller OSSBERGER zum Einsatz, die konstruktionsbedingt ein äußerst breites Betriebsband abdeckt. Das neueste CKW-Kleinwasserkraftwerk wird im Regeljahr genügend Strom für ca. 1.500 durchschnittliche Vier-Personen-Haushalte erzeugen.
Die Schweizer CKW-Gruppe hat sich in ihrem bald 130-jährigen Bestehen von ihren Anfängen als Stromproduzent aus Wasserkraft zu einem führenden Anbieter integrierter Energie- und Gebäudetechniklösungen entwickelt. Aber auch heute noch vorsorgt der zur Axpo-Gruppe gehörende Konzern mehr als 200.000 Endkundinnen und Endkunden in den Kantonen Luzern und Schwyz mit Strom. Ursprünglich hervorgegangen ist die CKW AG aus der 1894 gegründeten Elektrizitätswerk Rathausen AG, die zwei Jahre nach der Gründung das Laufwasserkraftwerk Rathausen an der Reuss fertiggestellt hatte. Noch heute befindet sich der Sitz der CKW-Gruppe direkt neben dem Traditionskraftwerk auf einer künstlich geschaffenen Insel in der Reuss. In Sachen Eigenenergieerzeugung setzt die CKW auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Ressourcen – Wasser, Wind, Biomasse, Photovoltaik, aber auch Kernkraft.
Anlage deutlich redimensioniert
Bei der Realisierung ihres neuesten Kleinwasserkraftwerks in der Luzerner Gemeinde Flühli galt es für die CKW einen langen Atem unter Beweis zu stellen. Immerhin sollte es von anfänglichen Vorabklärungen und der Erstellung erster Studien 17 Jahre lang dauern, bis der erste Spatenstich gesetzt werden konnte. Der primäre Grund für die außerordentlich lange Verfahrensdauer waren die Einsprachen gegen das Projekt von Seiten mehrerer Umweltschutzorganisationen und Fischereiverbänden. Ursprünglich war der Neubau in der Luzerner Region Entlebuch durch die Integration der lokalen Lammschlucht mit einer weitaus größeren Fallhöhe konzipiert worden, wodurch sich eine Engpassleistung von ca. 3,9 MW ergeben hätte. Die Nutzung der Lammschlucht war allerdings einer der Hauptkritikpunkte der Projektgegner, die eine Schubladisierung des Projekts forderten. In Zusammenarbeit mit kantonalen Stellen, der Gemeinde Flühli und Umweltverbänden erfolgte ab 2019 aufgrund veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine grundlegende Überarbeitung der Projektplanung. Die schließlich eingereichten Konzessions- und Bauansuchen bestanden aus einem erheblich redimensionierten Projekt, das die Lammschlucht nicht mehr betraf und somit die geforderten Umweltaspekte stärker berücksichtigte. Nach der 2021 durch den Regierungsrat des Kantons Luzern erteilten Konzession und dem anschließenden Ausschreibungsverfahren für die Vergabe der einzelnen Bau- und Techniklose konnte am 11. März 2021 der erste Spatenstich gesetzt werden.
Vorsicht bei der Rohrverlegung
Alexander Paulus, seines Zeichens Fachbereichsleiter für Projekte und Kundengeschäfte bei der CKW, betont, dass der Bau des Kleinwasserkraftwerks nach der langen Genehmigungsphase möglichst rasch umgesetzt werden sollte: „Damit die CKW mit der Anlage den geförderten Einspeisetarif (KEV-Vergütung) in Anspruch nehmen konnte, musste das Kraftwerk so schnell wie möglich ans Netz gebracht werden. Um dies zu schaffen, wurde weitgehend parallel an der Errichtung des Maschinengebäudes, der Wasserfassung und an der Verlegung der Druckrohrleitung gearbeitet.“ Eine der wesentlichen Projektherausforderungen stellte laut dem Projektleiter die Verlegung des knapp 2.100 m langen Kraftabstiegs dar, der zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) DN1600 vom Hersteller Amiblu besteht. Da sich die Trassenführung der Druckrohrleitung abschnittweise in unmittelbarer Nähe zur Erdgaspipeline der Schweizer Transportgas AG befindet, mussten bei der Rohrverlegung außerordentliche Sicherheitsrichtlinie eingehalten werden. Die seit 1974 in Betrieb stehende Hochdruckleitung verläuft von der italienischen Grenze durch den Schweizer Zentralraum und bildet im Norden eine Verbindung zu den deutschen und französischen Erdgasnetzen. „Bei der Verlegung der Druckrohrleitung mussten bei jenen Abschnitten, die besonders nahe neben der Gaspipeline verlaufen, aufwändige Grabenverbauungen vorgenommen werden. In manchen Bereichen beträgt der Abstand der Leitungen lediglich zwei Meter“, so Alexander Paulus. Selbstverständlich waren im Nahbereich der Erdgasleitung Sprengarbeiten für die Herstellung der Druckrohrleitung strengstens untersagt. Dort musste das zum Teil von hartem Felsgestein durchzogene Erdreich mit schwerem Gerät bearbeitet werden. Das ausgehobene Felsmaterial wurde lokal gebrochen und fand im Anschluss als aufbereitetes Bettungs- und Hinterfüllungsmaterial für die GFK-Leitung Verwendung.
Stahlwasserbau vom Branchenexperten
Die Wasserfassung der Anlage befindet sich am Standort einer bereits zuvor mittels Betonschwelle verbauten Abschnitts der Waldemme. Konzipiert wurde das Bauwerk mit einem seitlichen Wassereinzug, an dem maximal 5 m³/s Triebwasser aus dem Gewässer entnommen werden. Die vorgeschriebene Restwasserabgabe wurde jahreszeitlich gestaffelt festgelegt. Zwischen April und September werden konstant 735 l/s dotiert, von Oktober bis März beträgt die Restwasserabgabe ebenfalls konstante 800 l/s. Alexander Paulus merkt an, dass die an der Wasserfassung verbaute Technik durchaus als komplex bezeichnet werden darf. So kommen eine ganze Reihe von Absperr- und Regelungsorgane zum Einsatz, die das Trieb- und Restwasser in die vorgesehenen Bahnen leiten. Geliefert wurde der komplette Stahlwasserbau inklusive Hydraulikausstattung und Verrohrungen vom deutschen Branchenexperten WIEGERT & BÄHR, der bei dem Projekt einmal mehr seine Kompetenz in der Schweiz unter Beweis stellen konnte. Für optimale Zuflussbedingungen am Einlaufbereich sorgt ein vertikaler Schutzrechen mit dazugehöriger Rechenreinigungsmaschine in Teleskoparmausführung. Das vom Schutzrechen entfernte Treibgut und Geschwemmsel landet in einer Spülrinne und wird über diese in die Restwasserstrecke abgeführt. Die ökologische Durchgängigkeit an der Wehranlage gewährleisten zwei separate Fischpassagen. Als Verbindung zwischen dem Ober- und Unterwasserbereich der Wehranlage wurde ein technischer Fischaufstieg in Form eines Vertical-Slot-Passes errichtet. In umgekehrter Richtung können die aquatischen Lebewesen die Wehranlage durch eine Abstiegsrinne überwinden, deren Einstiegsbereich sich neben dem Feinrechen befindet.
Bewährte Technik in der Zentrale
Der ursprünglich am Fuß der Lammschlucht vorgesehene Standort der Kraftwerkszentrale wurde bei der Redimensionierung des Projekts zum höher gelegenen Schluchtende hin verlegt. Wegen der Fallhöhe von knapp 40 m und der Ausbauwassermenge von maximal 5 m³/s beschloss die CKW das Kraftwerk mit einer Durchström-Turbine auszurüsten: „Zwar decken Kaplan-Maschinen auch ein breites Betriebsband ab, bei Durchström-Turbinen ist der Regelbereich aber noch weiter ausgelegt – was bei diesem Projekt einen wichtigen Punkt darstellte. Mit der Durchström-Turbine kann sogar mit nur 350 l/s Zuflussmenge mit einem akzeptablen Wirkungsgrad Strom erzeugt werden“, sagt Alexander Paulus. Gefertigt wurde die Turbine von dem seit mehr als 100 Jahren aktiven Unternehmen OSSBERGER, deren Unternehmensgründer Fritz Ossberger federführend an der Entwicklung der Durchström-Turbine beteiligt war. In Summe haben die deutschen Kleinwasserkraftallrounder, deren Maschinen auf allen fünf Kontinenten sauberen Strom erzeugen, bis dato mehr als 10.000 Anlagen mit ihren zuverlässigen Lösungen ausgestattet. Beim Kraftwerk Waldemme kommt eine horizontal angeströmte OSSBERGER-Turbine zum Einsatz, die mit 250 U/min dreht und unter Volllast ca. 1,4 MW Engpassleistung erreicht. Vervollständigt wird der Maschinensatz durch einen ebenfalls horizontalachsigen Synchron-Generator, der durch ein Getriebe mit dem Übersetzungsverhältnis 1:4 mit dem walzenförmigen Turbinen-Laufrad verbunden ist. Das elektromechanische und regelungstechnische Equipment der Anlage inklusive der Kraftwerkssteuerung wurde von der CKW in Eigenregie ausgeführt. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert der Kraftwerksbetrieb vollautomatisch, wobei die Betreiber mittels Online-Verbindung jederzeit auch aus der Ferne rund um die Uhr auf die Steuerung zugreifen können.
Ökologische Aufwertungen
Das erste Mal in Betrieb genommen wurde das Kraftwerk schließlich am 27. Juli 2023. Rund zwei Monate nachdem das Kraftwerk erstmals ins Netz eingespeist hat, zieht Alexander Paulus beim zek HYDRO-Interview ein sehr positives Resümee: „Die zahlreichen Herausforderungen, wie der enorme Zeitdruck für die Fertigstellung, die baulichen Einschränkungen durch die Erdgaspipeline und die mehrfache Sperrung der einzigen Zufahrtsstraße zur Baustelle durch den Kanton konnten dank der guten Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten erfolgreich bewältigt werden.“ Der Projektleiter verweist ergänzend noch auf mehrere ökologische Ausgleichs- und Begleitmaßnahmen, die von der CKW umgesetzt wurden. Dazu zählte die Renaturierung von zwei Betonschwellen oberhalb der Wasserfassung. Zusammen mit der Fischtreppe und der Fischabstiegsrinne entstand auf einer Länge von rund 1.500 m ein wertvoller Lebensraum für die Gewässerlebewesen der Waldemme. Das für die Druckrohrverlegung gerodete kleine Waldstück wurde in Kooperation mit Fachexperten wieder aufgeforstet und ökologisch aufgewertet. Zudem konnte die Bodenqualität über der Druckrohrleitung für die landwirtschaftliche Bearbeitung teilweise verbessert werden.
Schritt in die richtige Richtung
Am 22. September wurde die neueste Ökostromanlage der CKW im Beisein von zahlreichen Ehrengästen aus Politik und Wirtschaft sowie Vertretern der beteiligten Firmen feierlich eröffnet. Regierungspräsident Fabian Peter würdigte in seiner Rede das Engagement der CKW, die danach trachtet, den Anteil der erneuerbaren Energien im Kanton Luzern bis 2030 zu verdoppeln. „Damit wir unsere Klimaziele erreichen können, müssen wir alle einen Beitrag leisten. CKW geht hier mit gutem Beispiel voran, denn die Investition in erneuerbare Energiequellen macht uns vom Ausland unabhängiger, stärkt die Versorgungssicherheit und steigert unsere Standortattraktivität.“ Martin Schwab, CEO der CKW, forderte eine deutliche Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für eidgenössische Ökostromprojekte: „Das Wasserkraftwerk Waldemme ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Bewilligungsverfahren in der Schweiz zu lange dauern. Damit wir die gesetzten Ausbauziele in der Schweiz erreichen, müssen jetzt die Bewilligungsverfahren vereinfacht werden. Und: den einen oder anderen Kompromiss müssen alle Beteiligten eingehen, so wie CKW das beim Kraftwerk Waldemme mit der Projektverkleinerung und der hohen Restwassermenge gemacht hat.“ Mit dem Neubau an der Waldemme hat die CKW einen weiteren Schritt für das Erreichen ihrer ambitionierten Ziele gesetzt. Im Regeljahr kann die Anlage den Jahresstrombedarf von durchschnittlich 1.500 Haushalten aus einer zu 100 Prozent nachhaltigen Quelle abdecken.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 5/2023
Teilen: