Das Beste aus 40 Kraftwerken10 min read
Lesedauer: 6 MinutenÜber die letzten Jahrzehnte hatte das steirische Stahlwasserbauunternehmen S.K.M. von Firmenchef Sepp Köhl exakt 39 Wasserkraftwerke ausgerüstet.
39 Mal lieferte man hochwertige Stahlwasserbaulösungen für Anlagen unterschiedlicher Größe und Leistung und sammelte dabei jede Menge Erfahrung und Know-how. All diese Erfahrung und das ganze Wissen flossen nun in Nummer 40 ein – jene Anlage, die Sepp Köhl für sich selbst realisierte. Das neue Kraftwerk am Vordernbergerbach im Bezirk Leoben strotzt dementsprechend vor Premium-Lösungen, speziell was die Bauarbeiten und den Stahlwasserbau, aber auch was die Steuerungstechnik anbelangt. Auch das Maschinengespann im Krafthaus ist top: Immerhin erzeugte die Durchströmturbine von Ossberger im ersten Betriebsjahr bereits rund 2,3 GWh, ein überzeugendes Ergebnis für eine 320 kW-Maschine.
Schon als Kind habe ihn der Schneereichtum
der Eisenerzer Alpen beeindruckt,
ebenso wie das Wasser, das im
Frühling in Richtung Süden abfließt, sagt
Josef Köhl, Geschäftsführer des Stahlbauunternehmens
S.K.M. GmbH mit Sitz im
steirischen Kammern. Aufgewachsen in der
Region kennt er all die kleinen und größeren
Gewässer und auch wie sie hier genutzt werden.
Naheliegend also, dass in seinem
Hinterkopf schon länger die Idee für ein
Kleinwasserkraftwerk an einem dieser Bäche
spukte. „An diesem Standort am Vordernbergerbach
sprechen wir über ein Einzugsgebiet
von 140 km2. Es kommen hier auch
der Rötzbach, der Gössgrabenbach und der
Krumpenbach hinzu. Damit können wir die
Energie von vier Bächen nutzen, ein wunderbarer
Standort also für ein Kraftwerk“, erläutert
Sepp Köhl die Bedingungen.
Doch einfach war der Weg bis zum eigenen
Kraftwerk keineswegs. Das war zum einen
schon den Voraussetzungen geschuldet: kein
einziges Grundstück entlang der Leitungstrasse
gehörte dem Steirer. Es lagen also zeitaufwändige
Verhandlungen über Ablösesummen
und Zufahrtsrechte vor ihm. „Insgesamt
hat es zwei Jahre gedauert, bis ich nach erfolgreicher Grundablöse das Wasserrecht zugesprochen
bekommen habe. Ich muss aber einräumen,
dass mir sowohl die Grundstückseigentümer
als auch die beiden betroffenen
Gemeinden, Sankt Peter-Freienstein und
Trofaiach, sehr entgegengekommen sind.
Speziell die Kooperation mit den beiden
Gemeinden war perfekt“, lobt der Kraftwerksbetreiber.
PARTNER MIT STARKEN NERVEN
Der Steirer konnte zwar im Vorfeld noch
nicht ahnen, welche Herausforderungen sich
im Bauverlauf ergeben würden, trotzdem galt
eine Prämisse von Anfang an: Planung und
Bau nur gemeinsam mit absoluten Branchenprofis.
Aus diesem Grund vergab er die Planung
an das Ingenieurbüro Pittino ZT-GmbH
aus Graz und sämtliche Bauarbeiten an die
Firma Zotter Bau aus Judenburg. Gerade das
Bauunternehmen, das über die Schwesterfirma
Zotter Energie mehr als 20 Kleinwasserkraftwerke
im In- und Ausland selbst betreibt,
verfügt in der Errichtung von Wasserkraftanlagen
über ein enormes Erfahrungsspektrum.
Und selbiges wurde in der Folge am
Vordernbergerbach auch abverlangt. „Heute kommt mir das viele Wasser zugute,
aber in der Bauphase brachte es uns gewaltig
in Bedrängnis. Dementsprechend froh war
ich, d a ss ic h mit dem Planer und der
Baufirma zwei Par tner mit starken Nerven an
meiner Seite hatte“, erzählt Sepp Köhl. „Für
den Bau der Wasserfassung wurde der Bach
umgeleitet. Das war keine große Sache. Aber
um die Baugrube nur halbwegs vor den starken
Grundwasserströmungen zu schützen,
waren umfangreiche Spundungen erforderlich.
Bis auf 14 Meter Tiefe mussten zu diesem
Zweck die Spundwände in den Boden
gerammt werden. Da war auch das Team von
Zotter Bau voll gefordert.“
GRUNDWASSER ALS DAUERPROBLEM
Doch das Thema Gr undwasser sollte noch
eine weitere Hürde für die Kraftwerksbauer
bereit halte n : Im Gemeindegebiet von St .
Peter berührt das Kraftwerk das Grundwasserschutzgebiet
der Stadt Leoben. Ein Umstand,
der einiges an Ungemach nach sich ziehen
sollte. „Wir bekamen die behördliche
Au flage, das Grundwasser zuers t in ein
Absetzbecken – dafür richteten wir eigens
einen großen Container ein – zu leiten und
dieses dann wieder in den Bach zu pumpen.
Schon alleine das war sehr aufwändig. Vor
allem wenn man bedenkt, dass das Grundwass
er a u genschei nlich sedimentfrei war.
Völlig unverständlich für uns war aber dann,
als während des Bauverlaufes einmal der
Container überging und man als unmittelbare
Folge davon einen Baustopp verhängte“,
erinnert sich Sepp Köhl.
Es bremsten also mehrer e Fak t oren den
Baufortschritt, sodass letztlich aus den avisierten
sechs Monaten Bauzeit zwölf wurden.
Der Spatenstich erfolgte im Januar 2011, und
im Februar 2012 konnte das neue Kleinwasserkraftwerk
in Betrieb genommen werden.
BEWÄHRTES MASCHINENKONZEPT
Vom Konzept her handelt es sich um ein
Ausleitungskraftwerk mit niedriger Gefällstufe.
Die Wasserfassung besteht aus einem
Querbauwerk mit einer hydraulisch betriebenen
Wehrklappe, einem Grundablass, der
auch der Staupegelregelung dient, und einem
Einlaufbauwerk. Im Anschluss an das seitlich
angelegte Entnahmebauwerk ist ein offen
gehaltener Doppelkammer-Sandfang angelegt,
der am Feinrechen endet. Von diesem
Punkt setzt die 970 Meter lange Druckrohrleitung
an, die sich vom Ortsgebiet Trofaiach
bis zum Krafthaus-Standort in St. Peter-
Freienstein erstreckt.
Unmittelbar vor dem Maschinenhaus geht
die Druckrohrleitung in das S-förmige Einlaufrohr
über, das letztlich zur Turbine führt.
Dabei handelt es sich um eine Durchströmturbine
aus dem Hause Ossberger, bekannt
für ihren grundverlässlichen Betrieb. „Es liegen
hier 16 Meter Gefälle vor. Demnach
standen nicht allzu viele Turbinenvarianten
für diesen Fallhöhenbereich zur Auswahl. Ich
habe mich dann am Ende für die Durchströmturbine
entschieden, weil sie eine sehr
robuste und zuverlässige Maschine ist, die
sich tausendfach bewährt hat. Und meine
Erfahrungen aus dem ersten Betriebsjahr
bestätigen meine Entscheidung. Ich bin sehr
zufrieden“, so der Betreiber.
Ausgelegt ist die Turbine auf einen Durchfluss
von 2,8 m3. Bei der Fallhöhe von knapp
15 m erreicht sie eine Ausbauleistung von
rund 320 kW. Das Laufrad der Turbine ist
über ein Getriebe mit dem Generator verbunden,
einem Synchrongenerator vom deutschen
Hersteller AEM. Über das Getriebe
wird die Nenndrehzahl des Laufrads von 228
Upm auf die Generatordrehzahl von 1.000
Upm übersetzt.
DRUCKROHRE VOR AUFTRIEB GESCHÜTZT
Neben dem Bau der Wasserfassung brachte
auch die Verlegung der Druckrohrleitung so
manche Herausforderung für das Bauteam
mit sich. Aufgrund des starken Grund –
wasserdrangs mussten hier über zwei Drittel
der Trassenlänge Spundwände eingeschlagen
werden. Um die Rohre vor Auftrieb zu schützen,
wurden diese schließlich mittels eines
Gewebevlieses und Gewichten nach unten
gespannt. Beim eingesetzten Rohrmaterial vertraute der
Betreiber auf die bewährte Qualität von
Flowtite Wickelrohren, geliefert von der Firma
ETERTEC GmbH & CoKG aus Brunn
am Gebirge, die den Leitungsbau auch technisch
begleitete. Von der gesamten Leitungslänge
entfallen 380 m auf GF-UP Rohre DN
1.700 der Steifigkeitsklasse SN10.000 und die
restlichen 590 Meter auf GF-UP Rohre der
Steifigkeit SN5.000. Für stärkere Richtungsänderungen
im Trassenverlauf kamen letztlich
auch vier Rohrbögen zum Einsatz.
„Auch die Firma ETERTEC hat sich sehr
engagiert gezeigt und bot uns eine Menge an
Unterstützung an. Natürlich spricht für das
Rohrmaterial GF-UP zum einen das geringe
Gewicht. Durch das einfache Handling geht
auch die Verlegung relativ schnell. Was mir
darüber hinaus imponiert, ist die extrem
geringe Reibung im Rohrinneren. Wir haben
ja schließlich fast 1 Kilometer Rohrleitungslänge
– und dadurch bleibt der Reibungsverlust
dennoch minimal“, erklärt Sepp Köhl.
MIT KNOW-HOW AUS 39 ANLAGEN
Einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Teil
des Triebwasserwegs konnte vom
Stahlbauunternehmen S.K.M. selbst hergestellt
werden: und zwar das 14 Meter lange Sförmige
Turbinen-Einlaufrohr, das sich von
DN 1.700 auf DN 1.400 verjüngt. „Wir
haben das Einlaufrohr in aufwändiger
Kleinarbeit selbst hergestellt. Besonders aufwändig
war es deshalb, da wir eine Vielzahl
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kurzer Segmente fertigen und verschweißen
mussten, um eine möglichst runde Form zu
erhalten. Am Ende hat es sich ausgezahlt, der
gute Maschinenwirkungsgrad ist nicht zuletzt
auf die ausgefeilte Hydraulik zurückzuführen“,
ist der Betreiber überzeugt.
Generell übernahm S.K.M. für das Kraftwerk
alles, was den Maschinen- , den Stahlwasserbau
oder die Hydraulik anbelangte. Und dabei
wurde verständlicherweise nicht geklekkert.
Sepp Köhl: „Alles was wir uns an Knowhow
in den 39 zuvor ausgerüsteten Kraftwerken
angeeignet haben, ist in dieses Kraftwerk
eingeflossen. Einerseits haben wir hier bei den
Komponenten faktisch das Beste vom Besten
verbaut, anderseits haben wir auch neue
Dinge ausprobiert. Schließlich möchte ich
meine Wasserkraftkunden auch in Sachen
Neuerungen bestmöglich beraten können.“ MUT ZUR INNOVATION
Zu den Novitäten, die Neuland für S.K.M.
darstellten, zählte etwa ein völlig neuartiger
Stellungsanzeiger für die Wehrklappe, der
von Sepp Köhl und seinem Team entwickelt
wurde. Das Interessante an dieser Lösung
besteht vor allem darin, dass der Stellungsanzeiger
vollständig außerhalb der Wasseroberfläche
liegt. Eine weitere Innovation
stellt die Pegelmessung mittels einer Lasersonde
über dem Grundablass dar. Damit wird
der Pegelstand im Oberwasserwasser laufend
millimetergenau ermittelt, was auch zur
Sicherheit der Anlage beiträgt.
„Die Haltung des Stauziels ist bei uns im
Grunde über drei Kontrollinstanzen abgesichert:
Zum ersten über die Laser-Pegelmessung.
Sollte diese ausfallen, habe ich immer
noch eine Kontrolle über den Drehgeber an
der Wehrklappe. Und sollte auch dieses
System versagen, dann wurde auch noch ein
mechanisch funktionierendes Schwimmer-
Ventil implementiert, das auf Ansteigen des
Pegels im Oberwasser damit reagiert, dass
sich das Ventil öffnet und damit letztlich die
Wehrklappe umlegt“, erklärt der Betreiber.
Der Sicherheitsaspekt für den laufenden
Betrieb wird im KW Vordernbergerbach in
jedem Fall groß geschrieben. Das hat auch
mit dem Unterlieger zu tun, einem namhaften
Stahlproduzenten, der das Unterwasser
für Kühlzwecke entnimmt. Eine kontinuierliche
Dotierung ist daher zwingend erforderlich.
Aus diesem Grund wurde eine Bypassleitung
angelegt, über die das Triebwasser des
Kraftwerks innerhalb kürzester Zeit ins
Unterwasser geleitet wird, sollte es zu einem
Ausfall der Turbine kommen.
MODERNSTE STEUERUNGSTECHNIK
Für das Zusammenspiel der Messsysteme und
der einzelnen Anlagenkomponenten braucht
es eine moderne Steuerungs- und Automationslösung. Auch in diesem Bereich wollte Sepp Köhl auf hoch professionelle
Partner setzen. Als Generalunternehmer für Energie- und
Steuerungstechnik wurde die Firma Alpine Energie Österreich GmbH
beauftragt. Deren Leistungsumfang umfasste die 30-kV-Schaltanlage
der Fa. Ormazabal, sowie den 400 kVA Transformator, weiters die
gesamte Niederspannungshauptverteilung und die Eigenbedarfsversorgungen
für Kraftwerk und Bachfassung. Hinzu kamen sämtliche
elektrotechnischen Montagen im Kraftwerk und an der Bachfassung.
Für die Elektroplanung und steuerungstechnischen Lösungen wurde die
Firma MGX Automation GmbH als kompetenter Partner gewählt, der
einen ausgezeichneten Ruf in der Wasserkraftbranche genießt. Ein
Motto des südsteirischen E-Technik-Unternehmens lautet: Verlässlichkeit
ist das Resultat hochwertiger Komponenten.
„Grundsätzlich sind wir herstellerunabhängig und liefern offene Automatisierungslösungen,
die dem Auftraggeber maximalen Investitionsschutz
sichern. Dabei nutzen wir bewährte Automatisierungskomponenten
namhafter Firmen, die frei am Markt verfügbar sind. Der konsequente Einsatz dezentraler Peripheriesysteme ermöglicht es uns, weitgehend
auf Koppelelemente zu verzichten und in der Folge im langjährigen
Betrieb häufige Fehlerquellen auszuschalten. Dies minimiert die
Stillstände und erhöht die Verfügbarkeit und damit die Produktivität
der Kraftwerksanlage wesentlich“ erklärt dazu Ing. Martin Grübler,
Geschäftsführer von MGX Automation.
AM TABLET ALLES IM GRIFF
Konkret sind im neuen Kraftwerk Vordernbergerbach zwei Automatisierungssysteme
auf Basis SIMATIC IPC und ET200S installiert,
eines in der Steuerungsanlage der Wasserfassung und eines im
Maschinenhaus. Über Lichtwellenleiter sind beide miteinander vernetzt,
eine zentrale Voraussetzung für eine vollautomatische Regelung
des Maschinensatzes und der Verschlussorgane im Krafthaus und an
der Wasserfassung.
Grübler: „Die Bedienung der gesamten Anlage erfolgt komfortabel
über zwei identisch ausgeführte 15“ Touch Panels, eines im Krafthaus
und eines in der Wehranlage. Damit ist die volle Bedienbarkeit und
Überwachung des Maschinensatzes auch von der Wehranlage aus möglich,
was für Sepp Köhl besonders wichtig und im KW Vordernbergerbach
eigentlich der Normalfall ist.“
Sepp Köhl ist angetan von der Leittechnik seiner Anlage. Sie erfüllt
seine Vorgaben nach einem möglichst modernen, vollautomatischen
Kraftwerksbetrieb, der zugleich sicher und verlässlich gesteuert wird –
und der parallel dazu über eine bedienerfreundliche Plattform für ihn
jederzeit zugänglich und steuerbar ist. Über einen kleinen Tablet-Pc
kann er seine Anlage nicht nur von jedem Ort aus fernsteuern und
sämtliche Betriebsparameter abfragen, sondern auch in Echtzeit die
Bilder vom 360-Grad-Kamerasystem an der Fassung empfangen.
„Diese Funktion ist mir wichtig, da der Bach auch bekannt für seine
Hochwässer ist – und ich im Fall der Fälle gerne sofort sehen will, was
sich an der Wasserfassung tut“, erklärt der Betreiber.
„Selbstverständlich ist der Fernzugriff auf die Kraftwerkssysteme nur
über gesicherte VPN Verbindungen möglich, um Eingriffe Unbefugter
zu verhindern“, ergänzt Martin Grübler.
DIE INVESTITION RECHNET SICH IN JEDEM FALL
Mittlerweile wurde das Kraftwerk bereits in seinem ersten Betriebsjahr
mit dem Ernstfall konfrontiert. Ein HQ30, also ein 30-jährliches
Hochwasser, im Juni letzten Jahres stellte die Anlage vor die ultimative
Funktionsprobe, die letztlich mit Bravour gemeistert wurde.
Sämtliche Sicherheits- und Alarmeinrichtungen erfüllten ihren
Dienst und bewahrten das Kraftwerk vor Schäden. Ein Grund mehr
für den erfahrenen Wasserkraftspezialisten aus der Steiermark positive
Bilanz für sein Wasserkraftprojekt zu ziehen.
„Abgesehen von unseren Problemen in der Bauphase war das Projekt
sehr erfolgreich. Meine Annahme über das hohe Triebwasserangebot
hat sich mehr als bestätigt. Wenn man mit einer 320 kW-Maschine im
ersten Jahr 2,3 GWh Stromertrag erzielt, muss man vollauf zufrieden
sein. Wir haben hier sehr hochwertige Kraftwerkskomponenten eingebaut,
einerseits auf bewährter Basis, anderseits auch innovative Bauteile.
Da ich Kunden nach besten Wissen und Gewissen beraten möchte,
war mir auch dieser Aspekt wichtig“, sagt Sepp Köhl abschließend
und meint auf die Frage nach der Amortisationsdauer augenzwinkernd:
„Die Investition in ein Wasserkraftwerk rechnet sich immer,
jeden Tag, jede Stunde und jede Minute.“
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