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Dritte Turbine eröffnet Gletscherbahnen Kaprun neue Perspektiven7 min read

11. Jänner 2023, Lesedauer: 5 min

Dritte Turbine eröffnet Gletscherbahnen Kaprun neue Perspektiven7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Nachhaltigkeit und ein sorgsamer Umgang mit dem Naturraum sind die zentralen Agenden der Gletscherbahnen Kaprun AG, dem Leitbetrieb der Region und eines der bekanntesten Gletscherskigebiete Österreichs. Vor der Kulisse des imposanten Kitz- steinhorns setzen die Verantwortlichen schon seit längerem auf die Nutzung der Wasserkraft. Im heurigen Jahr wurde das seit rund einem Jahrzehnt bestehende Pump-Kraftwerk Grubbach um eine weitere Pumpturbine erweitert, sodass die drei installierten Maschinensätze mittlerweile rund 1,3 Millionen kWh Ökostrom im Regeljahr liefern. Damit nicht genug: In einem nächsten Schritt soll die Anlage in Zukunft auch als vollwertiges Pumpspeicherkraftwerk eingesetzt werden können.

 

Von knapp 2.000 m bis hinauf auf über 3.000 m Seehöhe reicht Österreichs erstes Gletscherskigebiet, das zugleich zu den spektakulärsten zählt und Bergbegeisterte aus der ganzen Welt anlockt. Mit 23 modernen Seilbahnen und Liften erschließt die Gletscherbahnen Kaprun AG den Naturraum für Wintersportler, die 61 Pistenkilometer, mehrere Freeride- und Skitourenrouten oder auch eine Gletscherloipe nutzen können – um nur einige der Angebote zu nennen. Doch es sind längst nicht nur Wintersportenthusiasten, die auf das Kitzsteinhorn kommen. Heute ist die Bergwelt an 365 Tagen Anziehungspunkt für Naturliebhaber und Berg­sportfreunde, die sich gerne in diesem einzigartigen Naturraum bewegen möchten. Die Grundlage dafür schaffen seit über 50 Jahren die Gletscherbahnen Kaprun AG mit über 290 Mitarbeiter. „Die Balance zwischen sorgsamem Umgang mit unserem hochalpinen Naturraum und den wirtschaftlichen Erfordernissen steht im Zentrum unseres Handelns. Als touristischer Leitbetrieb leben wir regionale Verantwortung“, sagt der Vorstandsdirektor der Gletscherbahnen, Ing. Norbert Karlsböck. Als einzige Seilbahngesellschaft Österreichs kann die Gletscherbahnen Kaprun AG auf eine dreifache ISO-Zertifizierung für alle Betriebsbereiche verweisen. Zuletzt wurde das Unternehmen 2015 auch in dem Bereich Energie-Effizienz (ISO 50001) zertifiziert, was erst kürzlich wieder bestätigt wurde. Das Kitzsteinhorn arbeitet in enger Partnerschaft mit dem Nationalpark Hohe Tauern sowie mit mehreren internationalen Wissenschafts- und Forschungsprojekten.

Eigene Ressourcen genutzt
Vor diesem Hintergrund ist es nur naheliegend, dass die Verantwortlichen der Gletscherbahnen schon seit Jahren auf den Ausbau erneuerbarer Energie und die Nutzung eigener Ressourcen setzen. Bereits 2012 wurde die erste Ausbaustufe eines kombinierten Pump-Wasserkraftwerks mit zwei Pumpturbinen in Betrieb genommen. Das Konzept dahinter, das gemeinsam mit dem renommierten Tiroler Planungsbüro ILF entwickelt wurde, ist einfach, aber überzeugend: Wird im Pumpwerk im Herbst der Hebel umgelegt, wird Wasser von den großen Hochgebirgsstauseen Mooserboden und Wasserfallboden über den Triebwasserweg zum VERBUND Kraftwerk „Kaprun Hauptstufe“ entnommen und durch eine Rohrleitung direkt zu den Beschneiungssystemen am Kitzsteinhorn gepumpt. Ein wesentlicher Vorteil dabei: Auf diese Weise mussten keine zusätzlichen Speicherteiche für die künstliche Beschneiung angelegt werden. Mit Anfang Mai nimmt das Wasser den Weg in umgekehrter Richtung. Das Schmelzwasser von den Pisten und das Regenwasser werden vom Auffangbecken Langwied aus über die 2 Kilometer lange Druckrohrleitung zum Kraftwerk geleitet. Bislang waren hier zwei Hochdruckpumpen, die eben auch als Turbinen verwendet werden können, im Einsatz. Im August dieses Jahres wurde eine dritte, baugleiche in Betrieb genommen. Das Maschinenensemble verwandelt somit in der warmen Jahreszeit diesen Abfluss effektiv in Ökostrom. Genehmigt wurde die dritte Pumpe bereits 2012.

Energie aus Kreislaufsystem
„Die Grundvoraussetzung für das Projekt war, dass uns VERBUND auf etwa 1.500 m Seehöhe das Schneiwasser zur Verfügung stellt. Die erforderliche Menge pumpen wir zu Beschneiungszwecken auf etwa 1.960 m in den Speicherteich Langwied. Und im Sommer nutzen wir diese Höhenlamelle zur Stromerzeugung“, umreißt Ing. Günther Brennsteiner, Technischer Leiter bei den Gletscherbahnen, das Konzept. Eine weitere Voraussetzung war der Bau des Speichers Langwied, dessen Schwergewichtsmauer bereits 1999 auf knapp 2.000 m Seehöhe errichtet wurde. Nachdem 13 Jahre später der Grundablass umgebaut und eine Bypass-Leitung integriert wurde, konnte der Speicher, der bis dahin ausschließ- lich als Beschneiungsteich genutzt wurde, schließlich auch für die Wasserentnahme im Turbinenbetrieb herangezogen werden. Die erforderliche Druckrohrleitung wurde mit duktilen Gussrohren aus dem Hause TRM (Tiroler Rohre GmbH) über eine Länge von 2 Kilometern in der durchgehenden Dimension DN400 unterirdisch verlegt. „Wir haben sie damals schon so dimensioniert, dass wir im Fall einer erweiterten Nutzung auch mehr Wasser zu den Maschinen bringen können“, erklärt Günther Brennsteiner. Bis zu 300 l/s können konzessionsgemäß über die 460 Höhenmeter zu den Maschinen geführt werden. „Im Grunde handelt es sich um ein annähernd geschlossenes System: Das Wasser, das wir für den Turbinenbetrieb nutzen, führen wir nach den Maschinensätzen über eine Rohrstrecke in den Triebwasserweg der VERBUND-Anlagen zurück. Konkret an der Wasserfassung Grubbach – daher auch der Name Kraftwerk Grubbach. Von diesem Triebwasserweg aus pumpen wir im Winter dann das Wasser wieder hoch in den Speicher Langwied“, so der technische Leiter der Bergbahnen.

Längere Nutzungsdauer angestrebt
Die installierten Hochdruckpumpen sind dabei optimal auf den Pump- sowie auf den Turbinenbetrieb ausgelegt. Mit direkt gekoppelten Asynchrongeneratoren und modernen Frequenzumrichtern können sie im 4-Quadranten-Betrieb eingesetzt werden. Dieser definiert ein Servosystem, das zur Kontrolle von Geschwindigkeit und Drehmoment sowohl in positiver als auch negativer Richtung fähig ist. „Grundsätzlich sind für den erforderlichen Pumpbetrieb zwei Pumpen ausreichend. Mit dem nun installierten dritten Maschinensatz verfügen wir jetzt aber über die Möglichkeit, zusätzliche und Spitzenabflüsse energetisch nutzen zu können“, erklärt Günther Brennsteiner – und verweist in diesem Zusammenhang auf eine angestrebte Ausdehnung der Nutzungsdauer des Maschinenensembles. „Wir spüren hier natürlich auch den Klimawandel. Zuletzt hatten wir immer wieder Schmelzwasser im April, und auch in der zweiten Oktoberhälfte wäre zusätzliches Wasser aus Niederschlägen heute energetisch nutzbar. Daher arbeiten wir daran, die behördlich genehmigte Nutzungsdauer auf das gesamte Jahr auszudehnen.“ Doch damit nicht genug.

Pumpspeicherwerk in Aussicht
Im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts „Green Energy for Tourism“ wurden gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung sowie der Salzburg AG Möglichkeiten ausgelotet, wie die Energienutzung und -effizienz am Kitzsteinhorn im Hinblick auf eine dekarbonisierte Zukunft optimiert werden kann. „Die spezielle Situation hier ermöglicht uns, dem Netz sogar negative Regelenergie zur Verfügung stellen zu können. Tatsächlich spricht technisch nichts dagegen, unsere Anlage als vollwertiges Pumpspeicherkraftwerk zu betreiben“, erklärt Günther Brennsteiner. Genau dieser Punkt wurde nun in dem Forschungsprojekt ausgetestet und erfolgreich bestätigt. Nicht nur die Pumpturbinen wären bereits für einen derartigen Betrieb ausgelegt, auch die von Siemens Österreich entwickelte Regeltechnik wäre soweit. So schalten die Pumpen etwa bei Erreichen von entsprechenden Grenzwerten über die Niveauregelung vollautomatisch ab, wenn das Stauziel im Langwied-Speicher erreicht ist. „Für uns spielt es im Prinzip keine Rolle, zu welcher Tages- oder Nachtzeit wir das Wasser in den Speicher Langwied einspeisen. Oder wann wir das Speicherniveau absenken, um Spitzenstrom zur Verfügung zu stellen. Theoretisch könnten wir tagsüber ohne weiteres das Speicherniveau um 4 bis 5 Meter absenken und in den Nachtstunden wieder heben. Es wäre somit auch die Möglichkeit gegeben, dass ein Direktvermarkter oder auch ein übergeordnetes Regelorgan die Pumpturbinen abhängig von Marktpreis und Netzsituation betreibt.“ Die Verantwortlichen in Kaprun rechnen mit der entsprechenden behördlichen Genehmigung in ein bis spätestens zwei Jahren.

Weiterer Ausbau geplant
Die Integration der dritten Pumpturbine sieht Vorstandsdirektor Norbert Karlsböck als weiteren Meilenstein auf dem Weg zur stetig verbesserten Nachhaltigkeit. „Durch die Verstärkung des Wasserkraftwerks mit der dritten Pumpturbine können wir nun ein Drittel des für die Beschneiung benötigten Stroms selbst erzeugen, ein positiver Beitrag zur Energiebilanz. Mit der dritten Turbine – alle drei haben eine Leistung von je 250 kW – erzeugen wir nun in unserem Pumpkraftwerk im Schnitt 1,3 Millionen kWh im Jahr“, so Karlsböck. Etwa 110 Schneeerzeuger am Kitzsteinhorn und weitere 120 am Maiskogel benötigen selbstredend eine erhebliche Menge an Strom, wobei der konkrete Verbrauch – wie Günther Brennsteiner betont – natürlich vom Winter abhängt. „Heute erzeugen wir schon rund 30 Prozent des für die Beschneiung eingesetzten Stroms aus eigenen Ressourcen. Zu unserem Pumpkraftwerk und den bestehenden PV-Anlagen kommen in Kürze noch weitere PV-Kapazitäten in der Höhe von 300 kWpeak hinzu. Summiert man alle Maßnahmen, erreichen wir heute schon 1,4 bis 1,5 Millionen kWh im Jahr“, erklärt Günther Brennsteiner. Das Ziel, so der Technische Leiter, hat man allerdings mit 2 GWh definiert. Zu diesem Zweck könnte auch noch ein weiteres Kleinwasserkraftprojekt realisiert werden. Das Potenzial ist vorhanden – und erste Pläne dafür gibt es bereits.

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