E-Werk Assling schließt Nutzungskette am Thalerbach10 min read
Lesedauer: 7 MinutenMittels dreier Kleinkraftwerke hatte das E-Werk Assling bereits die Energie des Thalerbachs intensiv genutzt. Nun wurde den drei direkt übereinanderliegenden Anlagen noch eine oben aufgesetzt.
Mit dem Kraftwerk Thalerbach Oberstufe II gelang es dem lokalen Energieversorgungsunternehmen, ein weiteres leistungsstarkes Kraftwerk zu errichten, das Ökostrom aus der letzten nutzbaren Fließstrecke des Thalerbachs zwischen 1.500 und 1.700 m Seehöhe produziert. Zusammen mit der knapp 500 kW starken Kleinkraftwerksanlage wurde ein Tagesspeicher mit 5.300 m3 Inhalt errichtet. Damit ist das EWA, das zu 100 Prozent den Asslinger Bauern gehört, heute in der Lage, mit seinen Kraftwerken auch Regelenergie zu liefern. Rund 4 Millionen Euro wurden in Kraftwerk und Speicher investiert, die im Spätherbst 2019 ihren Betrieb aufnahmen.
Gewinnmaximierung als höchste aller Prämissen steht beim EWA nicht an erster Stelle. Dem kleinen, genossenschaftlich geführten Energieversorgungsunternehmen im Osttiroler Teil des Pustertals geht es vielmehr um eine möglichst sichere, nachhaltige und leistbare Versorgung seiner Strombezieher. Darüber hinaus wurden diese mittlerweile auch allesamt vom EWA gemeinsam mit der Gemeinde Assling mit einer Glasfaserverbindung ausgerüstet. Letzteres klingt gerade bei einer der flächenmäßig größten Gemeinden Osttirols durchaus beachtlich. Immerhin weist Assling eine Fläche von 100 km2 auf, die rund 1.800 Bewohner sind dabei auf 18 Dörfer aufgeteilt. „Wir verfügen heute über ein zu 100 Prozent ausgerolltes Glasfasernetz für unsere Bürger, bis hinauf zum höchsten Bauernhof und und sogar zu einigen Almhütten“, sagt EWA-Geschäftsführer Harald Stocker, der im selben Atemzug die Herausforderungen für das Energieversorgungsunternehmen herausstreicht: „Das EWA verzeichnet heute 840 Stromkunden, die wir über ein Leitungsnetz mit rund 100 Kilometer Länge und mittels 36 Trafostationen versorgen.“ Ein Verhältniswert Stromkunde zu Trafostation, der in Österreich seinesgleichen sucht. Dabei zählt das E-Werk Assling auch zu jenen wenigen Energieversorgern, die ihren Bedarf zu 100 Prozent selbst, aus eigenen erneuerbaren Ressourcen abdecken können – und das gilt auch für die wasserarme Wintersaison. „Dank unserer vier Kraftwerke am Thalerbach, dem Wasserkraftwerk Kristeinbach und dem 2013 bis 2014 errichten Photovoltaik-Park sind wir vollständig energieautark. Der Stromüberschuss wird am Strommarkt verkauft“, so Harald Stocker. Bereits mehrmals fand der vergleichsweise niedrige Strompreis für die Bürgerinnen und Bürger von Assling Niederschlag in den Medien. Zuletzt wurde allerdings hauptsächlich über etwas anderes berichtet: das neue Kraftwerk Thalerbach Oberstufe II mit seinem vorgelagerten Tagesspeicher.
Perfekt vorbereitet ins Wasserrechtsverfahren
„Wir haben uns schon seit längerem, ungefähr seit 2011, mit der Möglichkeit befasst, oberhalb unserer Oberstufe I noch ein weiteres Kleinwasserkraftwerk zu bauen. 2012 haben wir ein Jahr lang Wassermessungen vorgenommen und die Wirtschaftlichkeit geklärt“, erzählt der Obmann des EWA Markus Lukasser. Gemeinsam mit dem bewährten Planungspartner Ingenieurbüro Sprenger aus Aldrans, mit dem man zuvor schon Wasserkraft- und Siedlungswasserprojekte erfolgreich abgewickelt hatte, wurde an dem Projekt gefeilt, das 2017 zur behördlichen Genehmigung vorgelegt wurde. Markus Lukasser und Harald Stocker haben daran beste Erinnerungen: „Es ist keineswegs selbstverständlich, dass ein Wasserrechtsverfahren bei einem neuen Kraftwerk heutzutage ohne Einspruch, ohne Debatten und Sachverhaltsdarstellungen abläuft. Das kann Nerven kosten. Aber in diesem Fall waren alle Beteiligte bestens vorbereitet, jeder hatte seine Hausaufgaben gemacht und es wurde sehr professionell vorgegangen. So war es möglich, dass die Beamten das Verfahren innerhalb von nur anderthalb Stunden abschließen konnten“, so Lukasser. Er verweist zudem darauf, dass auch die Grundbesitzer dem Projekt sehr positiv gegenüberstanden. Ende 2017 hielt das E-Werk Assling die positiven Bescheide für Wasserrecht, Naturschutz und Forstrecht in Händen. Im Jahr darauf konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Logistische Herausforderungen
Die Verantwortlichen hatten beschlossen, die Bauarbeiten auf drei Lose zu verteilen. Während die Baufirma Bodner den Bau des unterirdischen Tagesspeicher übernahm, entfielen die Verlegung der Druckrohrleitung auf die Baufirma Swietelsky und die Errichtung des Krafthauses auf die Baufirma Frey. Alle drei Baufirmen sollten dabei ihrem guten Ruf gerecht werden. Schließlich war bei Bauarbeiten, vor allem auf 1.700 m Seehöhe, auch logistisches Geschick gefragt. Dazu Betriebsleiter Markus Weis: „In Summe mussten für die Errichtung des Tagesspeichers sowie der Fassung 3.000 m3 Beton und 100 Tonnen Stahl auf die Baustelle geliefert werden. Das war eine logistische Herausforderung für alle Beteiligten. Für eine reibungslose Abwicklung wurde etwa eine zeitlich begrenzte Einbahnregelung eingeführt. Wir müssen auch dankbar sein, dass gerade im Herbst 2018 sehr gutes Wetter geherrscht hat. Damit blieben vor allem die nicht asphaltierten Almwege unbeschadet und die LKW kamen gut voran.“
Almweg für 3 Monate gesperrt
Während der Tagesspeicher und das Krafthaus bereits im Herbst 2018 Formen annahmen, konnte die Verlegung der Druckrohrleitung erst im Frühling 2019 vorgenommen werden. Die Trassenführung folgte dabei im Wesentlichen dem steilen Almweg entlang des Thalerbachs. Zum Einsatz kamen duktile Gussrohre von TRM in der Dimension DN500. Man entschied sich aus guten Gründen für die bewährten Rohrsysteme aus Hall, wie EWA-Geschäftsführer Harald Stocker näher ausführt: „Wir haben hier Rohre mit Innenzement- und Außenmörtelbeschichtung gewählt, um eine sichere Verlegung im felsigen Terrain zu gewährleisten. Gerade durch die Außenmörtelummantelung sind die Gussrohre vor spitzen Steinen geschützt, und der Aufwand mit dem erforderlichen Bettungsmaterial ist nicht so hoch. Außerdem haben die Gussrohre von TRM den großen Vorteil, dass man sie einfach verlegen kann, und die Künette nur über einen kurzen Abschnitt offen ist. Bei der ‚Auf-Zu-Methode‘ wird ein Rohr an das vorhergehende gekoppelt – und schon kann der Rohrgraben wieder zugeschüttet werden. Das spart Zeit.“ Für den Bau der Rohrleitung musste der Almweg für rund 3 Monate gesperrt werden. Dank der Ausweichroute blieb die Erreichbarkeit der obenliegenden Almen dennoch erhalten.
Wasserspeicher unter der Erde
Die höchstgelegene Baustelle des Projekts war zugleich die größte: Auf 1.700 m Seehöhe wurde von der Firma Bodner der vollständig unterirdische Tagesspeicher errichtet. Die Maße von 90 m Länge, bis zu 18 m Breite und 7 m Höhe sprechen für sich. Gemäß den Plänen des Ingenieurbüros Sprenger wurde das Bauwerk in zwei ungleich große Kubaturen geteilt. „Das hat zwei Gründe: Zum einen wurden so statische Bedingungen erfüllt, damit die Betondeckenelemente nicht zu groß werden. Und zum anderen stehen uns damit zwei Kammern zur Verfügung, die wir unabhängig voneinander bewirtschaften können“, erklärt Harald Stocker. Heute ist von dem unterirdischen Speicher, dessen Oberfläche längst begrünt ist, optisch nichts mehr zu bemerken. Augenfälliger ist dagegen die Wasserfassung, die kurz unterhalb des Zusammenflusses von Thalerbach und Gampenbach bei der Pedretscher Kaser angelegt wurde. Das dezente Querbauwerk wird von einem der bewährten Grizzly Coanda-Rechen aus dem Hause Wild Metal geprägt. Dieser ist auf ein Schluckvermögen von 300 l/s ausgelegt, wobei die dynamisch geregelte Dotierwassermenge ebenfalls über den Coanda-Rechen abgeführt wird. „Der Grizzly Coanda hat sich an diesem Standort wirklich sehr bewährt. Wir hatten seit der Inbetriebnahme noch keinerlei Probleme, auch im Winter funktionierte die Wasser- entnahme und die Sedimentierung des Triebwassers ausgezeichnet“, so der EWA-Chef.
Innovative Generatortechnik
Von der Wasserfassung auf 1.703 m Seehöhe wird das entnommene Triebwasser über eine Gefällstufe von 196 m bis zum neuen Krafthaus bei der Gasser Kaser geführt. Hier wurde eine 4-düsige Pelton-Turbine installiert, die perfekt auf die Ausbauwassermenge von 300 l/s und die Nettofallhöhe von 190 m ausgelegt wurde. „Uns war wichtig, dass wir eine Turbine installieren, die mit den elektrisch betriebenen Düsensteuerungen von EN-CO ausgerüstet ist. Wir haben damit bei unseren anderen Kraftwerken sehr gute Erfahrung gemacht. Da hat sich dann die Turbine der Firma Sora angeboten, die letztlich als Erstgereihte in der Ausschreibung hervorgegangen ist. Sie hat bislang alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllt“, berichtet Markus Weis. Auffälliger als die Turbine ist in diesem Fall aber das Erscheinungsbild des Generators. Schon optisch wirkt die Maschine des deutschen Branchenspezialisten AEM wie der Vertreter einer neuen Generation. Und die designte Außenhülle, die in Zusammenarbeit mit dem Studio F.A. Porsche in Zell am See entstanden ist, birgt tatsächlich eine sehr interessante Innovation: Im Inneren arbeitet ein mantelgekühlter Generator, dessen innenliegende Wasserkühlung analog jenen Maschinen funktioniert, die man bislang nur aus der Großwasserkraft kannte. „Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Kühlung ist auf diese Weise sehr effektiv und durch den Entfall einer Luftkühlung fällt keinerlei Staub mehr an. Das bedeutet für den Generator, dass er weniger oft gewartet werden muss und damit die effektive Betriebszeit erhöht wird. Das war uns der Aufpreis dieser Variante auf alle Fälle wert“, argumentiert Stocker. Der Generator, der mit 1.000 Upm angetrieben wird, arbeitet dabei auffällig ruhig. Der niedrige Schalldruckpegel von gerade einmal 74 dB(A) ist für eine 6-polige Maschine dieser Baugröße (AH 450) ein exzellenter Wert. Das Maschinengespann hat sich in den ersten Betriebsmonaten bislang bewährt. Man habe seit der Inbetriebnahme kein einziges Mal störungsbedingt abstellen müssen, so die Verantwortlichen des EWA.
Ökologische Nutznießer
Selbstredend erfordert ein Kraftwerksneubau heute auch eine hohe naturschutz- und ökologische Verantwortung, der man auf Seiten des EWA gerne nachgekommen ist. Als Ausgleichsmaßnahme wurde die Errichtung eines Amphibienteichs vorgeschrieben, der letztlich vom bekannten Osttiroler Unternehmen Revital geplant und realisiert wurde. Der Teich wurde direkt oberhalb des unterirdischen Tagesspeichers angelegt. Er wird inzwischen sehr gut von den lokalen Fröschen, Kröten und Lurchen angenommen und dient zudem als Naherholungsoase für Wanderer und Naturliebhaber.
Der ökologische Aspekt des Projektes ist generell nicht von der Hand zu weisen, wie Harald Stocker betont. Schließlich wurden nun auch die Almhütten im Umfeld des Kraftwerks ans Netz des EWA angeschlossen. Dass damit so manches Dieselaggregat ausgedient hatte, war ein positiver Nebeneffekt. „Auch auf den Almhütten braucht man heute Strom. Wenn er nicht von einem Dieselaggregat geliefert wird, sind es häufig PV-Anlagen, die – wie uns die Erfahrung gezeigt hat – bei weitem nicht so zuverlässig wie ein fixer Stromanschluss sind. Insofern war natürlich der Anschluss ans Stromnetz für viele sehr interessant“, sagt der EWA-Geschäftsführer.
Kraftwerk liefert Regelenergie
Rund 4 Millionen Euro hat das kleine EVU im Osttiroler Pustertal in den Speicher und das neue Kraftwerk investiert, wobei sich die Kosten ungefähr 50:50 splitten. Gerade der Tagesspeicher eröffnet für den Energieversorger neue Perspektiven, wie Harald Stocker bestätigt: „Dank des Tagesspeichers, der 5.300 m3 fassen kann, sind wir heute in der Lage, die Kraftwerke als Kette zu bewirtschaften. Mit unserem untersten Kraftwerk können wir nun lukrative Regelenergie liefern. Außerdem trägt der Speicher dazu bei, dass wir im Winter auch zu Spitzenbedarfszeiten keinen Strom von außen beziehen müssen.“ Dabei erfordert die Bewirtschaftung nach Bedarfskriterien des Strommarkts natürlich auch eine ausgeklügelte Regelungstechnik. Schließlich benötigt das Triebwasser vom Speicher bis zum untersten Kraftwerk am Thalerbach rund 50 Minuten. Dank einer modernen Leit- und Regelungstechnik, die von der Firma EN-CO installiert wurde, kann man heute die Vorteile des Tagesspeichers voll ausnutzen. „Wir haben schon immer gesagt: Sollte sich die Gelegenheit für einen Speicher bieten, dann werden wir sie nutzen“, so der Betreiber.
Thalerbach ist ausgebaut
Seit Oktober 2019 sind das neue Kraftwerk und der Speicher bereits in Betrieb – und dies zur großen Zufriedenheit der Betreiber. Beim neuem Kraftwerk Thalerbach Oberstufe II handelt es sich eigentlich um das kleinste der vier Kraftwerke am Thalerbach, im Regeljahr liefert es rund 2,7 GWh ans Netz. Damit trägt es einen nicht unwesentlichen Anteil zu den insgesamt 40 GWh bei, die das EWA aus seinen Wasserkraftwerken erzeugt. Zusätzlich kommen noch 2,5 GWh aus dem PV-Park dazu, dem größten in ganz Tirol. Mit der neuen Anlage ist der Thalerbach im Grund ausgebaut. Das E-Werk Assling hat somit die letzte nutzbare Lücke des Gewässers geschlossen. Im Herbst letzten Jahres konnte man bereits eine kleine Einweihungsfeier im Covid-gerechten Rahmen begehen. In den nächsten Monaten soll, so es die allgemeine Situation zulässt, ein Tag der offenen Tür für die Bevölkerung folgen, die von Anfang an mit großer Mehrheit hinter dem nachhaltigen Ökostromprojekt gestanden ist.
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