Einstiges Brauerei-Kraftwerk in Hallein dank Retrofitprogramm am neuesten Stand der Technik8 min read
Lesedauer: 5 MinutenDas ehemalige Kleinwasserkraftwerk der Brauerei Kaltenhausen in der Salzburger „Salinenstadt“ Hallein hat zwischen August und Oktober 2020 eine umfassende elektro- und leittechnische Modernisierung erhalten.
Von der Turbinenregelung über die Erregung der Generatoren bis hin zur Automatisierung der Kraftwerkssteuerung wurde ein Großteil des technischen Equipments im Maschinengebäude grundlegend erneuert. Für die Planung und Umsetzung des Modernisierungsprojekts setzte die Betreiberfamilie Deisl auf bekannte Branchenexperten, die ihr Know-how schon 2016 bei der Revitalisierung des Deisl-Wasserkraftwerks in Grödig unter Beweis gestellt haben. Für die Generalplanung des Projekts sorgte der bayerische Kleinwasserkraftprofi DI Thomas Grimmer. Die SCHUBERT Elektroanlagen GmbH lieferte die gesamte elektrotechnische Ausrüstung der bald 120 Jahre in Betrieb stehenden Anlage. Von Voith Hydro stammt der neue hydraulische Turbinenregler der größeren Maschine. Dank der durchgeführten Maßnahmen konnte die durchschnittliche Jahresproduktion des Traditionskraftwerks um mehr als 25 Prozent gesteigert werden.
Als Sägewerksbetreiber weiß die Familie Deisl, deren Wurzeln in der Tennengauer Gemeinde Adnet gemäß urkundlicher Aufzeichnungen bis ins Jahr 1520 zurückreichen, die Wasserkraft seit Jahrhunderten zu schätzen. In früheren Zeiten nutzten Handwerksbetriebe, wie jener der Familie Deisl, die natürliche Kraft des nassen Elements mittels Wasserrädern und mechanischen Transmissionen zum Antrieb ihrer Maschinen. Mit der zunehmenden Verbreitung der Elektrizität zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden diese Wasserkraftanlagen sukzessive auf die Produktion von elektrischem Strom umgebaut. Neben dem Kleinwasserkraftwerk am Gelände des Sägewerks in Adnet besitzt die Familie noch zwei weitere Kleinanlagen in Salzburg. Das Kraftwerk in Grödig am Almkanal im Süden der Landeshauptstadt wurde bereits 2015 umfassend revitalisiert. Zwischen August und Oktober des Vorjahres nahmen die Betreiber die Modernisierung ihres Kleinwasserkraftwerks am Halleiner Almmühlbach in Angriff.
Bräu-Kraftwerk wechselt Betreiber
Die im Jahr 1904 fertiggestellte Anlage diente ursprünglich zur Stromversorgung der mittlerweile weitgehend stillgelegten Brauerei Hofbräu Kaltenhausen, die heute nur mehr als Kleinstbrauerei in Hallein aktiv ist und als Bräugasthof ihre Gäste bewirtet. Nachdem das Wasserkraftwerk mit zwei Francis-Zwillings-Turbinen 1998 von der Familie Deisl erworben wurde, erneuerten die neuen Besitzer zunächst den Stahlwasserbau am Einlaufbereich, erklärt Senior-Betreiber Günther Deisl: „Der bestehende Seilzug-Rechenreiniger verursachte unentwegt Probleme, weswegen wir nach der Übernahme des Kraftwerks eine neue Teleskoparm-Rechenreinigungsmaschine eingebaut haben.“ Rund 20 Jahre später war es für das Traditionskraftwerk wieder an der Zeit für eine umfassende Modernisierung. Dabei lag der Fokus primär auf der Erneuerung des elektrotechnischen Equipments und der Anlagenautomatisierung. Bemerkenswert dabei: Obwohl das grundlegende Funktionsprinzip des Kraftwerks und die zentralen Parameter – Ausbauwassermenge und Stauhöhe – unverändert blieben, konnte im Zuge der Revitalisierung eine erhebliche Erzeugungssteigerung erzielt werden.
Traditionskraftwerk am Stand der Technik
Als Generalplaner des Projekts engagierten die Betreiber erneut den bayerischen Kleinwasserkraftexperten DI Thomas Grimmer, der seine Kompetenz bereits bei der Erneuerung des Deisl-Kraftwerks in Grödig vor rund sechs Jahren unter Beweis gestellt hat. „Wenn er es in Grödig schon sehr gut gemacht hat, wird er es in Kaltenhausen auch können“, sagt Günter Deisl mit einem Schmunzeln beim Lokalaugenschein von zek HYDRO Anfang November. „Die gute Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft hat aber natürlich auch zum Gelingen des Projekts beigetragen“, merkt Thomas Grimmer an und fasst die wesentlichen Eckpunkte der Modernisierung zusammen. „Das Projekt umfasste die Erneuerung der veralteten elektrotechnischen Ausstattung und zielte auf die Automatisierung der zuvor fast ausschließlich manuell erfolgten Kraftwerkssteuerung. Durch verschiedene Maßnahmen konnten unter anderem der Wasserstand optimal den jeweiligen Betriebspunkten der Anlage angepasst und der Wirkungsgrad bzw. die Zuordnung und Aufteilung der vorhandenen Wassermengen auf die beiden Turbinen optimiert werden. Darüber hinaus wurde die extrem störungsanfällige und ebenso manuelle Netzüberwachung optimiert und die Stromableitung dem Stand der Technik angepasst. Zur weiteren Steigerung des Regelarbeitsvermögens wurde die Rechenanlage in die neue Steuerung eingebunden. Im ersten Betriebsjahr seit der Inbetriebnahme konnte das geplante Regelarbeitsvermögen von ca. 660 MWh mit 654 MWh fast erreicht werden – dies entspricht einer Steigerung um mehr als 25 Prozent. Somit ist ein optimaler Triebwassereinzug zu den Turbinen gewährleistet, und die Stauhöhe kann auf den jeweils höchsten und optimalen Stand trotz unterschiedlicher Zuflüsse gehalten werden“, erklärt Grimmer.
Moderne Technik an Altbestand angepasst
Die wesentliche Projektherausforderung manifestierte sich laut Grimmer – wie bei Altanlagen nicht unüblich – in der bestehenden technischen Infrastruktur, an die das neue Equipment angepasst werden musste. Dazu zählten etwa die auf unterschiedliche Durchflüsse und Fallhöhen ausgelegten Francis-Maschinen mit horizontalen Wellen. Die größere der beiden Turbinen nutzt eine Ausbauwassermenge von 2 m³/s und eine Bruttofallhöhe von 4,85 m. Unter Volllast schafft die Maschine nach der Modernisierung eine Engpassleistung von ca. 90 kW. Die kleinere Turbine wurde auf eine Ausbauwassermenge von 1,5 m³/s ausgelegt. Bedingt durch die geringere Stauhöhe von 1,58 m erreicht diese Maschine bei vollem Wasserdargebot ca. 20 kW Maximalleistung. Der bislang letzte maßgebliche Umbau des Kraftwerks erfolgte Anfang der 1960er Jahre. Damals wurden Getriebe-Übersetzungen eingebaut, neue Generatoren und mechanische Turbinenregler installiert sowie der Stahlwasserbau erneuert. Unberührt von der damaligen Modernisierung blieben lediglich die beiden Turbinen und die wasserbauliche Infrastruktur. „Das Stromnetz der ehemaligen Brauerei war auf die heute unübliche Spannung von 3,15 kV ausgelegt, und wurde vom rund 690 m Luftlinie entfernten Wasserkraftwerk am Almmühlbach mit ebendieser Spannung versorgt. Ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz war am Standort der historisch gewachsenen Anlage nicht vorhanden“, so Grimmer. Um den vorhandenen Netzanschlusspunkt bei der Brauerei und das erdverlegte Stromkabel weiter verwenden zu können, wurde im Krafthaus eine neue Mittelspannungsschaltanlage installiert. Der größere der beiden Generatoren, eine auf 3,15 kV Spannung und mit 1.000 U/min drehende Synchron-Maschine, speist direkt in die Mittelspannungsschaltanlage ein. Für den auf 400 V Spannung und 1.025 U/min Drehzahl ausgelegten Asynchron-Generator der kleineren Turbine wurde ein neuer Transformator benötigt. Dieser Trafo dient dem Wasserkraftwerk gleichzeitig für die Eigenbedarfsversorgung. Von der Mittelspannungsschaltanlage gelangt die erzeugte Energie über das Erdkabel auf direktem Weg zur Brauerei, wo der Strom wieder mit einem Trafo auf von 0,4 auf 30 kV umgewandelt und schließlich ins öffentliche Netz der Salzburg AG einspeist wird. Grimmer ergänzt, dass die 400 V Spannung als „Zwischenstufe“ deswegen gewählt wurde, weil weiterreichende Planungen vorsehen, die Holzpalettenproduktion vom Sägewerk Deisl in Adnet zum ehemaligen Brauereigelände in Kaltenhausen zu verlegen. Der überschüssige Strom, der nicht für die Holzbearbeitung benötig wird, kann dann direkt ins öffentliche Netz eingespeist werden. Zusammengefasst wird der Strom also von 3,15 kV auf 0,4 kV (Eigentrafo) umgewandelt und dann durch einen Trafo der Salzburg AG von 0,4 kV auf 30 kV Netzspannung hochtransformiert.
Schubert schnürt Komplettpaket
Für die Umsetzung der Steuerungs- und Regeltechnik setzten die Betreiber auf die SCHUBERT Elektroanlagen GmbH, die bereits bei der Erneuerung des Kleinkraftwerks in Grödig maßgeblich beteiligt war. Das im niederösterreichischen Ober-Grafendorf ansässige Unternehmen genießt national und international einen hervorragenden Ruf als zuverlässiger Automatisierungspartner und E-Technikspezialist. Der SCHUBERT Divisionsleiter Energieerzeugung Christian Schwarzenbohler bestätigt, dass beim Wasserkraftwerk Deisl in Kaltenhausen erhebliches Potential zur Ertragssteigerung vorhanden war: „Im Prinzip war die gesamte Elektrotechnik und Steuerung aus den 1960er Jahren nicht mehr ‚state of the art‘. Die Turbinen mussten vom Betreiber manuell gesteuert bzw. in Gang gesetzt werden, der Kraftwerksbetrieb war aus mehreren Gründen äußerst fehleranfällig. Auch die Mittelspannungsschaltanlage hatte nach rund 60 Jahren Dauerbetrieb ihr technisches Lebensende erreicht. Vom Austausch des größeren Generators mit seiner Sonderspannung von 3,15 kV auf eine Maschine mit 400 V Spannung wurde bewusst abgesehen, da der Generator erst vor wenigen Jahren generalüberholt wurde. Dafür wurde das Erregungssystem der Synchronmaschine mit einem von SCHUBERT selbst entwickelten Produkt von vormals manueller auf statische Erregung umgerüstet. Die Regelung der Erregersysteme erfolgt nun vollautomatisch durch die Anlagensteuerung.“ Schwarzenbohler ergänzt, dass die standardisierte SCHUBERT-Leittechnik an die Erfordernisse des Kraftwerks angepasst wurde. So wurde beispielsweise die zuvor eigenständige Regelung der Rechenreinigungsmaschine in die übergeordnete Anlagensteuerung eingebunden. Zur Gänze ersetzt wurden auch die beiden mechanischen Turbinenregler. Dafür sorgte als Konsortialpartner von SCHUBERT die Small Hydro Division von Voith Hydro. Die Niederösterreicher, damals noch als Fa. Kössler bekannt, waren bereits 2016 mit der Fertigung einer neuen Kaplan-Turbine an der Revitalisierung des Deisl-Kraftwerks in Grödig maßgeblich beteiligt. Für die Anlage in Kaltenhausen lieferte Voith zwei Hydraulikaggregate zur vollautomatischen Turbinenregelung.
Regelarbeitsvermögen deutlich erhöht
Günther Deisl, der vor dem Umbau aufgrund verschiedenster Störfälle oft mehrmals täglich beim Wasserkraftwerk Nachschau halten musste, zeigt sich rund ein Jahr nach der Wiederinbetriebnahme äußerst zufrieden. So weiß der Betreiber die Fernwirkmöglichkeiten der modernen Anlagensteuerung sehr zu schätzen. Via gesicherter Online-Anbindung kann das Kraftwerk nun rund um die Uhr via Smartphone oder PC überwacht und gesteuert werden. Für die visuelle Fernkontrolle sorgt eine beim Kraftwerkseinlauf platzierte Videokamera. „Störungsmeldungen oder Alarmierungen bekomme ich nun automatisch auf mein Handy geschickt. In den meisten Fällen können Probleme unkompliziert gleich aus der Ferne gelöst werden, zuvor musste man die Anlage fast täglich kontrollieren.“ Thomas Grimmer ergänzt, dass die Summe der durchgeführten Maßnahmen zu einer deutlichen Erzeugungssteigerung geführt hat. Vor dem Umbau produzierte das Kraftwerk durchschnittlich rund 500.000 kWh im Regeljahr, nach der Erneuerung rechnen die Betreiber mit einer Jahresproduktion von ca. 650.000 kWh. Die von der österreichischen Abwicklungsstelle für Ökostrom (OeMAG) verlangte Ertragssteigerung um mindestens 15 Prozent, welche für die Gewährung des geförderten Ökostromtarifs notwendig ist, wurde somit um Längen übertroffen. Mit der Modernisierung des Wasserkraftwerks beim Sägewerk in Adnet hat die Familie Deisl übrigens schon ihr nächstes Revitalisierungsprojekt ins Auge gefasst. Thomas Grimmer und Christian Schwarzenbohler sind sich einig, dass sie auch für dieses anstehende Projekt zuverlässige Lösungen parat haben.
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