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Energie AG verdreifacht Jahreserzeugung von Wasserkraftwerk Dürnau in Vöcklabruck9 min read

27. Dezember 2021, Lesedauer: 6 min

Energie AG verdreifacht Jahreserzeugung von Wasserkraftwerk Dürnau in Vöcklabruck9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Anfang September wurde der Ersatzneubau des Wasserkraftwerks Dürnau im oberösterreichischen Vöcklabruck von der Energie AG offiziell in Betrieb genommen.

Bei der Neugestaltung der ursprünglich aus dem Jahr 1897 stammenden Anlage wurde das Funktionsprinzip vom alten Ausleitungskonzept hin zu einer Laufwasserkraftanlage grundlegend geändert. Die damit einhergehende Erhöhung der Ausbauwassermenge von 8 auf 30 m³/s brachte ­einen erheblichen Leistungs- und Erzeugungsschub für das Ökostromkraftwerk mit sich. Darüber hinaus konnten im gesamten Projektgebiet eine Vielzahl von ökologischen Verbesserungen erzielt und der Hochwasserschutz für das angrenzende Siedlungsgebiet optimiert werden.

Als Hauptabfluss des Attersees mit einem Einzugsgebiet von ca. 1.260 km² entwässert die Ager das gesamte nordwestliche Salzkammergut. Entlang ihres rund 34 km langen Verlaufs bis hin zur Einmündung in die Traun dient das hydroenergetische Potential des Gewässers seit Jahrhunderten als natürlicher wirtschaftlicher Motor der Region. Davon zeugen eine Vielzahl von Getreide- und Papiermühlen sowie Hammer- oder Sägewerke, die einst die Kraft des Wassers durch mechanisch betriebene Wasserräder nutzbar machten. Mit der Einführung und der verbreiteten Nutzung der Elektrizität wurden diese Anlagen vor allem ab dem 20. Jahrhundert nach und nach für den Betrieb bzw. die Gewinnung von elektrischem Strom umgerüstet. Für das 1897 erstmals in Betrieb genommene Wasserkraftwerk Dürnau auf dem Gebiet der Gemeinde Vöcklabruck war es nach über 120 Jahren Dauerbetrieb an der Zeit für eine Kompletterneuerung. Das fortgeschrittene Alter der Kraftwerksinfrastruktur sowie die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit waren die Hauptgründe für den umfassenden Neubau. Nach einer rund 1,5-jährigen Bauphase und der Aufnahme des Probetriebs im heurigen Juni feierte die Energie AG am 4. September die offizielle Inbetriebnahme der in jeglicher Hinsicht optimierten Ökostromanlage. Die teilnehmenden Politiker und Energie AG Vertreter, darunter Landeshauptmann Thomas Stelzer, Energie-­Landesrat Markus Achleitner, Energie AG Generaldirektor Werner Steinecker, Vorstandsdirektor Stefan Stallinger und Geschäftsführer Erzeugung Norbert Rechberger äußerten sich dabei übereinstimmend positiv über den Nutzen und die gesamtwirtschaft­liche Bedeutung der umweltfreundlichen Strom­erzeugung durch Wasserkraft.

Ökologische Aufwertung durch Neubau
Das Funktionsprinzip der Kraftwerksanlage wurde bei der Neugestaltung grundlegend verändert. Aus der Ausleitungsanlage wurde nun direkt neben der ebenfalls neu errichteten Wehranlage ein Laufwasserkraftwerk. Damit wird die Restwasserstrecke in der Ager deutlich verkürzt und eine maßgebliche ökologische Aufwertung erzielt. Das in den 1970er Jahren aufgelassene, ursprüngliche Agerflussbett wurde als neuer Werkskanal für die drei verbleibenden Ausleitungskraftwerke weiter flussabwärts reaktiviert und nach heutigen gewässerökologischen Standards gestaltet. Zum Schutz des Siedlungsgebiets Dürnau wurden entlang der Uferbereiche zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen realisiert. Die grundlegende Formgebung des neuen Maschinengebäudes stammt von der Architektin Claire Braun, die auch das 2019 von der Maschinenfabrik Braun neu gebaute Unterliegerkraftwerk gestaltet hat. Energie AG-Abteilungsleiter Wasserkraft August Lemmerer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die als Restwasserwasserkraftwerk konzipierte Anlage im Unterlauf eine wichtige Funktion einnimmt. „Das Kraftwerk Braun ermöglicht durch seine Stauhaltung die Dotierung des neuen Werkskanals, über den die drei älteren Kleinwasserkraftwerke im Unterwasser des Kraftwerks Dürnau angebunden sind.“

Schallemissionen unter Kontrolle
Maximilian Zillig, Gruppenleiter der Abteilung Engineering/Bau der Energie AG Tech Services GmbH sagt, dass die Schall- und Körperschallthematik einen hohen Stellenwert bei der baulich-technischen Umsetzung einnahm. „Damit die Anrainer der direkt ans Kraftwerksgelände angrenzenden Siedlung nicht vom Kraftwerksbetrieb beeinträchtigt werden, wurden der Maschinensatz und das Kraftwerksgebäude schalltechnisch entkoppelt. So steht der gesamte Hochbau des Bauwerks 10 cm über dem Asphalt auf einer dämpfenden Matte aus Sylomer. Mit dieser bereits zum vierten Mal bei einem Energie AG-Neubau angewandten Maßnahme bringen wir den sekundären Luftschall, der ansonsten die Gebäudestruktur wie eine Lautsprechermembrane zum Vibrieren bringt, unter Kontrolle.“ In ökologischer Hinsicht wurde die obligatorische Fischaufstiegshilfe (FAH) in technischer Vertical-Slot-Bauweise mit Slot-Elementen des Systems „enature Fish­pass“ umgesetzt. Die für den Leitfisch Seeforelle ausgelegte FAH besteht aus insgesamt 41 Becken und ermöglicht den fluss­auf-und abwärts wandernden Fischen eine Passage über rund 5 m Höhenunterschied. Darüber hinaus wurden im Ober- und Unterwasserbereich der Anlage Strukturierungs- und Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt, beispielsweise die Schaffung von sogenannten Totholzzonen durch die Platzierung von Raubäumen.

Namhafte Unternehmen am Zug
Im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung konnte sich eine ganze Reihe von namhaften Unternehmen aus der Bau- und Wasserkraftbranche für die Projektumsetzung qualifizieren. August Lemmerer lässt nicht unerwähnt, dass bis auf den von einem französischen Hersteller gefertigten Generator ausschließlich heimische Unternehmen an der Projektumsetzung beteiligt waren. Der Leiter der Kraftwerksgruppe Mitte Maximilian Medl ergänzt, dass es sich dabei allesamt um alte Bekannte handelt, die ihre Kompetenz seit Jahrzehnten bei einer Vielzahl von Neubau- und Revitalisierungsprojekten der Energie AG unter Beweis gestellt haben. Etwa die Kieninger Bau GmbH, die sich über die Grenzen des Salzkammerguts hinaus einen hervorragenden Ruf als zuverlässiger Partner für Hoch-, Tief- und Ingenieurbau-Projekte erarbeitet hat. Mit der Ausführung des Maschinensatzes, bestehend aus einer leistungsstarken Kaplan-Turbine und einem via Stirnradgetriebe gekoppelten Synchron-Generator, wurde die Small Hydro Division von Voith Hydro beauftragt. Das gesamte Stahlwasserbauequipment lieferte die GMT Wintersteller GmbH. Die national und international nicht nur im Wasserkraftbereich als Automatisierungsexperte geltende SCHUBERT Elektroanlagen GmbH schnürte ein elektro- und leittechnisches Komplettpaket. Für die Generalplanung des Projekts sorgte die Engineering/Bau-Abteilung der Energie AG.

Komplexes Bauprojekt
In bautechnischer Hinsicht erforderte der Neubau des Kraftwerks umfangreiche Vorarbeiten, so Kieninger-Bauleiter Heinz Haslauer. Die Herstellung des neuen Werkskanals ging mit der Errichtung des neuen Einlaufbauwerks an der Ager einher, zusätzlich wurde eine neue Straßenbrücke gebaut, die bestehenden Abwasserkanäle mittels Rohrbrücken um- bzw. neu verlegt sowie ein Hauptwasserleitungsstrang DN400 der Stadtgemeinde Vöcklabruck neu ausgeführt. „Die etappenweise realisierte Errichtung des Maschinengebäudes erfolgte zwischen 2020 und 2021. Zum Bau­­start musste zunächst die Ager umgeleitet werden. Außerdem waren die Errichtung von Dammschüttungen inkl. deren Abdichtung im Ober- und Unterwasserbereich erforderlich. Diese Maßnahmen waren zum Schutz vor den erheblichen Pegelschwankungen der Ager und Hochwassersituationen unabdinglich“, erklärt Haslauer. Als besondere Projektherausforderungen nennt Haslauer die komplexe Schalungsgeometrie im Turbinenbereich, die Schallentkopplung des Krafthauses sowie die kniffligen Einbauten zwischen den Bewehrungslagen im Bereich der Wehranlage und der Krafthausbodenplatte.

Wehranlage für Hochwasser gerüstet
Für das Stauraummanagement der Anlage lieferte die Salzburger GMT Wintersteller GmbH eine 17,5 m breite Wehrklappe, die mit einem linksseitig angebrachten Hydraulikzylinder in Bewegung versetzt wird. Mit der Neuausführung der Wehranlage wurde die besonders im Hochwasserfall bedeutsame Abfuhrfähigkeit des Wehrs um das ca. 2,5-Fache erhöht. Neben der Wehrklappe wurde ein Spülschütz mit aufgesetzter Klappe installiert, über den Geschwemmsel und Treibgut vom Rechenreiniger in den Unterwasserbereich abgegeben werden. Im Hochwasserfall ist die Wehranlage mit einer hydraulischen Überstauauslösung ausgerüstet, welche auch bei einem gleichzeitigen Energieausfall die Wehrklappe sicher umlegt und damit die Hochwasserabfuhr sicherstellt. Das bereits vorher vorhandene und wieder reaktivierte rechtsufrige Überlaufgerinne sorgt für eine zusätzliche Sicherheit bei Hochwässern. Ebenfalls zum Lieferumfang der Tennengauer zählten die Armierungen der Dammbalkenverschlüsse und der 21,2 m breite und knapp 3,5 m hohe horizontale Schutzrechen. Der Stababstand des Feinrechens beträgt lediglich 25 mm. Bei entsprechenden Zuflussbedingungen werden durch den Rechen bis zu 30 m³/s Ausbauwassermenge in den Triebwasserweg der Anlage geleitet. Mit der Montage der bereits bei der Auftragsvergabe georderten Rechenreinigungsmaschine (RRM) wurde in den Sommermonaten noch zugewartet, um die selbstreinigende Funktion mittels Rückspülung aus dem Einlaufbereich zu testen, erklärt Maximilian Medl: „Der Versuch hat uns gezeigt, dass diese Lösung kurzfristige Erfolge bringen kann, aber auf Dauer nicht sinnvoll ist.“ Die Montage der pegelgeregelten RRM mit Hydraulikantrieb durch GMT-Techniker wird in den kommenden Monaten erfolgen und die technische Ausstattung des Wasserkraftwerk Dürnau somit endgültig komplettieren.

Schubert sorgt für Automatisierung
Die SCHUBERT Elektroanlagen GmbH, zuständig für die gesamte elektro- und leitechnische Ausstattung des Kraftwerks, verbindet mit der Energie AG eine langjährige Zusammenarbeit bei einer Vielzahl von Projekten. Auch das  Kraftwerk Dürnau wurde bei seiner letzten Erneuerung 1996 bereits von SCHUBERT­ e-technisch modernisiert. Beim kürzlich abgeschlossenen Neubau ­waren die Ober-Grafendorfer als Konsortialpartner von Voith Hydro wieder für die ­Anlagenautoma-i tisierung zuständig SCHUBERT­-Projektlei­ter Markus König betont die konstruktive und zielstrebige Zusammenarbeit mit der Energie AG und allen beteiligten Unternehmen als Schlüssel zum Projekterfolg. „2019 wurden neue ‚technisch-organisatorische Richtlinien‘ (TOR) der E-Control Austria wirksam, welche ein komplett neues Verhalten der Anlage im Parallelbetrieb mit dem öffentlichen Netz forderten. Die Umsetzung der TOR-Richtlinie bedeutete auch für die Energie AG Neuland und stellte eine große Herausforderung dar“, erklärt der SCHUBERT-Divisionsleiter Energie Erzeugung Christian Schwarzenbohler. Markus König beschreibt eine geforderte Sonderqualifikation der Anlage: „Die Maschine stellt bei einem kurzzeitigen Netzausfall innerhalb der ersten Sekunden nicht ab sondern läuft mit Nenndrehzahl weiter, um bei der Netzwiederkehr sofort wieder zuschalten zu können und somit die Versorgungslasten der Region zu übernehmen. Da die rotierenden Massen des Generators keine bzw. nur sehr geringe Schwungmassen aufweisen, musste hier eine softwaretechnische Lösung zur Minimierung der Überdrehzahl gefunden werden.“

Überwachung von Gmunden aus
Die netzwerktechnische Anbindung der Anlage mit der Energie AG-Leitstelle im nahegelegenen Gmunden erfolgt via Lichtwellenleiter. Damit kann die Anlage von der abgesicherten Zentralwarte aus fernüberwacht werden. Die Anlage ist  dabei via IEC 60870-5-104 Protokoll an das Leit- und Überwachungssystem des Betreibers angebunden. „Durch die steuerungstechnischen Standards der Energie AG wurde es not­wendig, große Teile der standardisierten Turbinensteuerungs-Software von SCHUBERT ­ zu adaptieren und an die Vorgaben anzupassen. Dies machte umfangreiche Tests der Ablaufsteuerung vor Ort gemeinsam mit dem Auftraggeber nötig“, so Markus König  und resümiert abschließend: „Das Wasserkraftwerk Dürnau glänzt neben dem außergewöhnlichen Design mit dem vollen Spektrum moderner Steuerungs- und Regelungstechnik und wurde von uns nach den Vorgaben und zur Zufriedenheit des Auftraggebers realisiert.“

Kraftpaket von Voith Hydro
Das Herzstück des neuen Kraftwerks stammt von der Small Hydro Division von Voith Hydro­ (vormals Kössler) aus dem niederösterreichischen St. Georgen, die bereits die Energie AG-Kraftwerke Stadl-Paura 2013 und Bad Goisern 2016 ausgestattet hat. Voith war auch dieses Mal für die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme einer hocheffektiven Maschinengruppe zuständig. Diese besteht aus einer vertikalen, doppeltregulierten Kaplan-Turbine mit 2.550 mm Laufraddurchmesser, einem Stirnradgetriebe zur Drehzahlerhöhung der Turbine von 151,7 auf die 1.000 U/min Nenndrehzahl des Synchron-Generators. Unter Volllast schafft die auf 30 m³/s ausgelegte Turbine eine Engpassleistung von 1.154 kW. Im Vergleich zur Maximalleistung der beiden Francis-Maschinen des Altkraftwerks – die allerdings nur auf gemeinsam 8 m³/s Durchfluss ausgelegt waren – entspricht dies in etwa einer Verdreifachung der Anlageneffizienz. Der 6,3 t schwere Synchron-Generator vom Hersteller Leroy-Somer hat eine Nennscheinleistung von 1.314 kVA und wurde für optimale Betriebstemperaturen mit einer Wassermantelkühlung ausgestattet, deren Wärmetauscher direkt vom abgearbeiteten Triebwasser gekühlt wird.

Regelarbeitsvermögen verdreifacht
Das Energie AG-Triumvirat August Lemmerer, Maximilian Zillig und Maximilian Medl konnten beim zek HYDRO Lokalaugenschein Ende September in Vöcklabruck einstimmig ein durchwegs positives Fazit über den Ersatzneubau an der Ager ziehen. Wenn man sich die Leistungs- und Erzeugungsdaten der Anlage vor und nach dem Umbau ansieht, kann man nur von einem erfolgreichen Projekt sprechen. Das Regelarbeitsvermögen steigerte sich von 1,9 auf prognostizierte 5,8 GWh. Umgerechnet entspricht dies in etwa dem Jahrestrombedarf von 1.400 Durchschnittshaushalten. Zudem wurde die ökologische Durchgängigkeit in beide Flussrichtungen hergestellt und der Hochwasserschutz erheblich verbessert.

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