Erstes Wasserkraftwerk am Rambach liefert Ökostrom für den Vinschgau7 min read
Lesedauer: 5 MinutenUnweit der Schweizer Grenze nahm Mitte Juli 2020 auf dem Gebiet der Südtiroler Gemeinde Mals das Wasserkraftwerk Rambach seinen Betrieb auf.
Realisiert wurde der nach dem Ausleitungsprinzip konzipierte Neubau in der Region Vinschgau mit einer Engpassleistung von knapp 5 MW von der Rambach Konsortial GmbH. Zur Energiegewinnung nutzt das am gleichnamigen Gewässer errichtete Kraftwerk eine Bruttofallhöhe von 268,3 m und eine Ausbauwassermenge von 2.180 l/s. Das Triebwasser gelangt über eine rund 6.150 m lange GFK-Druckrohrleitung DN1200 zum Maschinenhaus, wo eine leistungsstarke 6-düsige Peltonturbine installiert ist. Unter Volllast schafft das in vertikaler Bauform gefertigte Kraftpaket eine Engpassleistung von knapp 5 MW. Im Regeljahr wird das erste Wasserkraftwerk am Rambach rund 22,5 GWh Ökostrom ins regionale Mittelspannungsnetz des „Vinschgauer Energie Konsortiums“ (VEK) einspeisen.
Mit ihren rund 900 Einwohnern zählt die Stadtgemeinde Glurns im Südtiroler Vinschgau zu den kleinsten Städten der Alpen. Außerdem gilt sie dank ihres mittelalterlichen Flairs als ganz spezielles Kleinod der Region. Seit kurzem punktet sie auch im Sinne nachhaltiger Energieerzeugung. Im Sommer dieses Jahres wurde das erste Kraftwerksprojekt am Rambach erfolgreich abgeschlossen, wie auch Bürgermeister Luis Frank im Interview bestätigt: „Bereits vor rund 20 Jahren wurden hier erste Pläne verfolgt, den Rambach für die Wasserkraft nutzbar zu machen. Es dauerte allerdings bis zum Jahr 2012, ehe eine Volksabstimmung in den von den Bauarbeiten betroffenen Gemeinden Taufers und Mals den Weg für die Realisierung des Projekts frei machte.“ 2017 konnte sich schließlich im Zuge des Konzessionsverfahrens der in Bozen ansässige Dr. Ing. Hannes von Hepperger den behördlichen Zuschlag sichern. Hepperger, der in seiner beruflichen Laufbahn bereits eine ganze Reihe von Wasserkraftanlagen unterschiedlicher Bauart und Leistungsklassen geplant hat, veräußerte die erteilte Konzession in weiterer Folge an die Rambach Konsortial GmbH. An der Gesellschaft beteiligten sich die Gemeinde Taufers mit 39 Prozent, Mals mit 27 Prozent, Glurns mit 20 Prozent, Schluderns mit 3 Prozent, die Eigenverwaltung Laatsch mit 8 Prozent und die Schluderns-Glurns Energie Genossenschaft mit 3 Prozent.
Corona erzwingt Baustopp
Nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens, bei dem größtenteils Südtiroler Unternehmen beauftragt wurden, konnte das Projekt im September des Vorjahres in die Umsetzungsphase übergehen. Gleich zu Baubeginn konzentrierten sich die Arbeiten auf die Errichtung des direkt neben dem Fußballplatz in Laatsch situierten Krafthauses. Wenige Wochen später startete die Verlegung der insgesamt 6.150 m langen unterirdischen Druckrohrleitung DN1200, die zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) der Marke Ambilu hergestellt werden sollte. Gemeinsam mit der Druckrohrleitung wurden ein Glasfaserkabel für die digitale Kommunikation zwischen Krafthaus und Wehranlage sowie eine Stromleitung verlegt. Eine Auflage schrieb vor, dass die Bauarbeiten zur Errichtung der Wasserfassung nur während der Wintermonate erfolgen durften. Hepperger betont, dass die Projekt-Umsetzungsphase angesichts des beträchtlichen Bauvolumens sehr effektiv und ohne größere zeitliche Verzögerungen bewältigt werden konnte. Auch mit dem Wetter hatte man Glück, die Arbeiten blieben von Unwetterkapriolen oder Hochwasserereignissen verschont. „Dank des milden Winters mit vergleichsweise geringen Niederschlagsmengen – im Vinschgau sind während der kalten Jahreszeit mehrere Meter hohe Schneewände in den Tallagen keine Seltenheit – konnten die Arbeiten auch im Winter sukzessive fortschreiten. Nach der geplanten Unterbrechung der Bauphase zwischen den Weihnachtsfeiertagen machte allerdings der Ausbruch der Corona-Pandemie im heurigen Frühjahr einen mehrwöchigen Baustopp unumgänglich“, ergänzt Hepperger.
Stahlwasserbau aus Südtirol
Die Wehranlage des Kraftwerks wurde auf einer Seehöhe von 1.220 m direkt unterhalb einer bestehenden Wasserfassung angelegt, die den lokalen Landwirten seit geraumer Zeit als Entnahmestelle für die Bewässerung der umliegenden Agrarflächen dient. Hepperger merkt an, dass die Situierung der neuen Wehranlage an der bestehenden Wasserfassung den positiven Nebeneffekt mit sich brachte, dass diese während der Bauarbeiten für die Bachumleitung genutzt werden konnte. Zur Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit am Querbauwerk sorgt ein auf der orographisch linken Bachseite errichteter Beckenpass. Die Stahlwasserbauteile an der Wehranlage lieferte der Südtiroler Branchenexperte Gufler Metall KG aus dem Passeiertal. Der Einlaufrechen mit dem dazugehörigen Rechenreiniger und der Einlaufschütz wurden aufgrund des engen Terminplans zugekauft. Das größte und gleichzeitig schwerste Bauteil im Gufler-Lieferumfang stellte die 14,25 m breite und auf eine Stauhöhe von 2,25 m ausgelegte Wehrklappe dar. Bewegt wird die in Fischbauchausführung gefertigte Klappe von zwei beiderseitig angeordneten Hydraulikzylindern. Darüber hinaus lieferte Gufler unter anderem sämtliche Schützen und Reguliereinrichtungen, die Rückschlagklappen der Druckhaltekammer im Entsanderbecken, den Einlaufkonus als Übergang auf die GFK-Druckrohrleitung aus feuerverzinktem Stahl, die Rohrbruchklappe DN1200 mit Staudruckpendel, das Hydraulikaggregat und installierte die Verrohrungen aus rostfreiem Edelstahl.
Entsandung mit Dufour-System
Das eingestaute Wasser wird zunächst über eine 40 bis 70 cm über der Bachsohle angelegte Einlaufschwelle geleitet, wodurch der Einzug von grobem Material vermieden wird. Beim Senken der Wehrklappe oder bei Hochwasserereignissen wird dieses Material periodisch in den Unterwasserbereich geschwemmt. An der 7,5 m breiten und 1 m hohen Entnahmeöffnung des Seiteneinlaufs wurde für optimale Zuflussbedingungen ein horizontaler Feinrechen mit einem Stababstand von 15 mm inklusive Rechenreinigungsanlage von der Wild Metal GmbH aus Sterzing montiert. Die Putzharke der pegelgeregelten Maschine entfernt automatisiert das Geschwemmsel von der Rechenfläche und schiebt das Treibgut Richtung Restwasserstrecke. Über ein doppelt wirkendes Gleitschütz, dessen Oberteil abgesenkt werden kann, wird das Geschwemmsel ins Unterwasser gespült. Um die Feinsedimente mit einer Korngröße von über 0,2 mm aus dem Triebwasser zu filtern, wurde vor dem Beginn des Kraftabstiegs ein Entsander errichtet. Der Sandfang besteht im Prinzip aus zwei getrennten Kammern und wurde dermaßen ausgelegt, dass vollständige Spülvorgänge der einzelnen Becken jederzeit autonom und getrennt voneinander durchgeführt werden können. Konzipiert wurde der Entsander nach dem „Dufour“-System, bei dem die Sedimente über zwei jeweils in den Beckenböden integrierten Rinnen kontinuierlich in den Rambach zurückgeleitet werden. Abgedeckt werden die beiden Rinnen von Leitblechen aus hochfestem Hardox-Stahl, die mittels Edelstahl-Schrauben und Schienen an den Stahlbetonwänden befestigt wurden. Gewährleistet wird die permanente Spülung der Entsanderbecken durch die obligatorische Restwasserdotation, von welcher ein fixer Anteil dauerhaft durch das Entsanderbauwerk fließt. Der größte Teil der Dotationswassermenge, die aus einem Fixum von 360 l/s sowie 30 Prozent der jeweiligen Zuflussmenge besteht, wird zur Versorgung des Fischaufstiegs herangezogen.
6-düsiges Kraftpaket schafft knapp 5 MW
Das Herzstück der Kraftwerks Rambach bildet eine 6-düsige Pelton-Turbine mit vertikaler Welle, die vom westösterreichischen Kleinwasserkraftspezialisten Geppert GmbH aus Hall in Tirol geliefert wurde. Bei einer Bruttofallhöhe von 268,3 m und vollem Wasserdargebot erreicht die Maschine eine Engpassleistung von 4.923 kW. Zudem ermöglichen die im Inneren des Turbinengehäuses angeordneten, hydraulisch geregelten Düsen ein ausgezeichnetes Verhalten in einem breiten Teillastbereich. Das Laufrad der Maschine wurde aus einem Edelstahl-Monoblock gefräst, im Betrieb schießt das Wasser auf die insgesamt 19 Pelton-Becher mit einem Druck von knapp 27 bar. Als Energiewandler dient ein direkt in vertikaler Richtung mit der Turbinenwelle gekoppelter Synchrongenerator, der als Teil des elektromechanischen Komplettpakets ebenfalls von Geppert geliefert wurde. Wie die Turbine dreht der auf eine Nennscheinleistung von 6.300 kVA und eine Spannung von 6.300 V ausgelegte Generator mit exakt 750 U/min. Für optimale Betriebstemperaturen sorgt eine in das Generatorgehäuse integrierte Wasserkühlung, die an einen im Unterwasser platzierten Wärmetauscher angeschlossen ist. Die Rückleitung des von der Turbine abgearbeiteten Triebwassers in das Gewässer erfolgt über einen rund 108 m langen Betonkanal. Den Sub-Auftrag zur Lieferung des gesamten elektro- und leittechnischen Equipments für das Krafthaus und die Wasserfassung erteilte Geppert an einen weiteren Branchenexperten aus Südtirol, nämlich die EN-CO OHG aus Ratschings. Der Steuerungs-PC mit der anwenderorientierten Visualisierung, die Mittelspannungsschaltanlage und die Schaltschränke mit der elektrotechnischen Ausstattung wie dem Turbinenregler wurden im Hauptraum des Krafthauses positioniert, der Transformator zur Stromumwandlung auf 20 kV Netzspannung befindet sich in einem Nebenraum des Gebäudes. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert der Anlagenbetrieb vollautomatisch. Via gesicherter Online-Verbindung hat das für die Betriebsführung zuständige Personal auch aus der Ferne rund um die Uhr Zugriff auf die Steuerung. Die Ableitung des erzeugten Stroms zu einem nahe gelegenen Einspeisepunkt des regionalen Netzbetreibers „Vinschgauer Energie Konsortium“ (VEK), der gleichzeitig mit der Betriebsführung der Anlage betraut wurde, erfolgt über ein Erdkabel.
22,5 GWh Jahresproduktion
Rund zehn Monate nach Baubeginn konnte Mitte Juli 2020 schließlich die Inbetriebnahme des ersten Wasserkraftwerks am Rambach erfolgreich über die Bühne gehen. Hannes von Hepperger, der neben der Planung und Bauleitung auch für die statischen Berechnungen des Projekts zuständig war, zieht im Interview im September ein positives Resümee: „Grundsätzlich kann ich den beteiligten Unternehmen ein gutes Zeugnis ausstellen. Dank ergiebiger Niederschläge wenige Wochen nach der Inbetriebnahme konnte der Maschinensatz bereits unter Volllast getestet werden. Die Stromproduktion ist unter Volllast wie unter Teillast sehr zufriedenstellend. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Wehranlage auch mit höheren Zuflüssen problemlos zurechtkommt. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen haben während der erhöhten Wasserführung einwandfrei funktioniert.“ Im Regeljahr kann das Kraftwerk Rambach, dessen prognostizierte Baukosten deutlich unterschritten wurden, rund 22,5 Millionen kWh Ökostrom für den Vinschgau erzeugen.
Teilen: