Erzeugung des KW Fraderbach am Brenner nach Komplettumbau mehr als verdoppelt8 min read
Lesedauer: 5 MinutenMit einem fast kompletten Neubau des Kraftwerks Fraderbach erzielte Betreiber Alfred Kofler aus Gries am Brenner eine enorme Effizienzsteigerung seiner Anlage.
Der Ersatzneubau umfasste sämtliche Kraftwerkskomponenten der teilweise über 80 Jahre alten Technik. Während bei der Wasserfassung ein selbstreinigender Coanda-Rechen das Tiroler Wehr ersetzt, wurde vom Krafthaus über die Maschinenausrüstung bis hin zur Druckrohrleitung (DRL) alles erneuert. Mit einer fast verdoppelten Ausbauwassermenge und einer hocheffizienten Pelton-Turbine des Herstellers Geppert steigerte sich das durchschnittliche Regelarbeitsvermögen der Anlage von rund 315.000 kWh auf fast 670.000 kWh. Den Entschluss zum Komplettumbau fasste Betreiber Kofler im Rahmen des 2011 vom Land Tirol ins Leben gerufenen Förderprogramms zur Revitalisierung von Kleinwasserkraftwerken.
In Tirol gibt es circa 850 Kleinwasserkraftwerke, welche jährlich rund 1.600 GWh Ökostrom produzieren. Damit kommt aktuell bereits rund ein Viertel des Tiroler Stroms aus der Produktion von Kleinwasserkraftwerken. Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler spricht sich eindeutig dafür aus, die Stromproduktion bei Kleinwasserkraftwerken zukünftig noch stärker zu forcieren: „Damit wir unser Energiesystem bis 2050 weitestgehend auf emissionsfreie, erneuerbare Energieträger umstellen können, müssen wir auch die Stromproduktion aus Kleinwasserkraft massiv steigern. Dabei setzen wir gezielt auf die Revitalisierung bestehender Anlagen“, erläuterte der Energiereferent des Landes bei einer im April abgehaltenen Pressevorstellung des schon 2014 rundum erneuerten Kraftwerks am Brenner.
2-stufige Beratungsförderung
Um das ungenutzte Potenzial bestehender Kraftwerksanlagen möglichst effizient nutzbar zu machen, bietet das Land Tirol seit 2011 eine 2-stufige Beratungsförderung speziell zur Optimierung von Kleinwasserkraftwerken an. Bei diesem Service werden vorhandene Revitalisierungspotenziale, wie die Erneuerung alter Anlagenbestandteile oder eine optimierte Nutzung der vorhandenen Wassermenge, professionell von Fachleuten bewertet.
Kraftwerksbetreiber erhalten dabei einen Überblick über mögliche Revitalisierungsvarianten sowie Informationen zur Anpassung ihrer Anlagen an den Stand der Technik und aktuelle gesetzliche Bestimmungen. Die erste Stufe des Förderprogramms besteht aus einem kostenfreien Gespräch für die Betreiber und einer Voreinschätzung möglicher Revitalisierungsmaßnahmen durch Mitarbeiter der „Wasser Tirol“ (WT), einem auf Regionalentwicklung und Ressourcenwirtschaft spezialisierten Innsbrucker Unternehmen. Aufgrund der regen Nachfrage wurde das ursprünglich auf 5 Jahre angelegte Förderprogramm erst kürzlich bis Ende 2016 verlängert.
Fragen kostet nichts
Der Geschäftsführer von WT, Dipl.-Ing. Rupert Ebenbichler, rät Wasserkraftbetreibern die unverbindliche erste Stufe der Beratungsförderung in Anspruch zu nehmen: „Wenn sich im Erstgespräch sinnvolle Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung einer Anlage ergeben, kann bei Interesse und vorhandenem Potential die zweite Stufe des Förderprogramms in Anspruch genommen werden.“
120 Kraftwerksbetreiber – das entspricht etwa 14 % aller Kleinwasserkraftwerke im Bundesland – haben bislang die kostenlose Erstberatung in Anspruch genommen. Rund 60 % der Interessenten entschieden sich auch die zweite Beratungsstufe zu nutzen. Dabei wird die jeweilige Anlage von einem unabhängigen Expertenteam Vor-Ort begutachtet und in Folge konkrete Revitalisierungsvorschläge erarbeitet. „Bei diesem zwar nicht mehr kostenfreien, aber vom Land bezuschussten Schritt werden unterschiedliche Sanierungsvarianten sowie eine Grobkostenschätzung der ausgearbeiteten Revitalisierungsvariante erstellt. Damit erhalten Wasserkraftbetreiber eine optimale Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen“, führt WT Geschäftsführer Ebenbichler weiter aus.
Beratung und Planung von Experten
Weil das Wasserrecht seiner Anlage am Fraderbach 2012 abgelaufen wäre, ließ sich Alfred Kofler schon im Jahr zuvor von der WT bezüglich der anstehenden Neukonzessionierung beraten. Dabei zeigte sich schon bei der ersten Begutachtung ein enormes Leistungs- und Erzeugungspotenzial nach oben für die 1938 erstmals von Koflers Großvater zum Sägewerksbetrieb genutzte Anlage. Die von WT in der zweiten Beratungsstufe erstellten Optimierungskonzepte sahen einerseits eine großangelegte Revitalisierung und andererseits einen Ausbau der bestehenden Kraftwerksanlage vor.
Der Betreiber entschied sich schließlich für einen fast vollständigen Neubau, wobei die Wasserfassung mit einem neuen selbstreinigenden Coanda-Rechen ausgerüstet, der bestehende Entsander aber weiterhin verwendet werden konnte. In Kombination mit einer modernen Pelton-Turbine, vergrößerter DRL und einer deutlich erhöhten Ausbauwassermenge wurde dieses Grundkonzept schließlich zur Planung an die BERNARD Ingenieure ZT GmbH weiter gegeben. Die Vermittlung zu dem Planungsbüro aus Hall in Tirol erfolgte durch die WT, welche mit den Ziviltechnikern schon bei mehreren Projekten gute Erfahrungen gemacht hatten.
Bevor die konkreten Vorplanungen allerdings starten konnten, galt es noch die unumgänglichen Behördenwege zu erfüllen. Dazu weist Ebenbichler auf die erweiterte Unterstützung der WT für Kraftwerksbetreiber während der oft langwierigen Genehmigungsphasen hin. Revitalisierungsprojekte werden von der WT bis in das Behördenverfahren hinein in beratender Funktion begleitet und die Betreiber erhalten Unterstützung im Umgang mit den komplexen und oft schwer zu durchblickenden gesetzlichen und umweltrechtlichen Rahmenbedingungen.
Stromerzeugung vervielfacht
Rupert Ebenbichler verweist im Gespräch mit zek Hydro auf die Hinweise und Ergebnisse, welche sich für die WT bei ihren zahlreich durchgeführten Beratungen ergaben: „Wir haben beobachtet, dass bei bestehenden Anlagen durchwegs enormes Entwicklungspotential liegt. Anhand der bisher umgesetzten und bewilligten Revitalisierungsprojekte zeigt sich, dass eine durchschnittliche Erzeugungssteigerung von 30 % erzielt werden kann. Aber auch Steigerungen von 100 bis 200 % sind bei einzelnen Anlagen durchaus keine Seltenheit, wobei die rechtlichen und ökologischen Rahmenbedingungen immer schwieriger werden.“
Beim Kraftwerk Fraderbach etwa hat sich das jährliche Regelarbeitsvermögen von vormals 315.560 kWh nach dem Umbau auf 668.000 kWh Strom mehr als verdoppelt. Ermöglicht wurde dies neben der Ausrüstung mit moderner Technik vorwiegend durch eine deutliche Erhöhung der Ausbauwassermenge von 88 l/s auf 170 l/s. Gleichzeitig wurde die verpflichtende Restwasserabgabe von vormals ganzjährigen 5 l/s auf 30 l/s von Oktober bis April erhöht, die restlichen Monate beträgt die Dotationsmenge 50 l/s.
Wehrbauwerk mit Coanda-Technik
Nach dem Erhalt der behördlichen Genehmigung konnte im Juli 2013 schließlich die Bauphase starten. Dazu errichtete man zunächst das neue Krafthaus etwas abseits des alten Standortes. In Folge kümmerte man sich um die notwendigen Anpassungen des Betonbaus der Wehranlage für die Installation eines „Grizzly“-Coanda-Rechens der Südtiroler Wild Metal GmbH. Dieses selbstreinigende Schutzrechensystem funktioniert nach dem namensgebenden „Coanda“-Effekt – Flüssigkeit folgt einer Oberfläche – und sorgt für die optimale Wasserversorgung der Turbine. Die Arbeiten am Wehrbauwerk wurden noch im Herbst 2013 abgeschlossen, somit stand alles bereit zu Verlegung der neuen Kraftwerksleitung im darauf folgenden Frühjahr.
Kraftwerksleitung in Gussausführung
Beim Material der DRL entschied sich der Bertreiber für die bewährten duktilen Gussrohre der TIROLER ROHRE GmbH (TRM). Anstelle der alten DRL in Stahlausführung mit der Dimension DN 200 verlegte Alfred Kofler in Eigenregie insgesamt fast 650 m der nun mindestens doppelt so groß ausgeführten Leitung. Vom Beginn der Rohrtrasse am Wehrbauwerk wurde die DRL vor der Verjüngung auf DN 400 auf 80 m Länge sogar in DN 500 ausgeführt.
Begünstigt wurde die vom Betreiber selbst durchgeführte Verlegung durch das anwenderfreundliche TYTON-Muffensystem von TRM. Durch das einfach zu handhabende Steckmuffensystem kann die Rohrverlegung auch im schwierigen Gelände schnell und sicher erfolgen. Das Rohrmaterial kommt durch die massive Gussausführung auch mit anspruchsvollen Bodenbedingungen problemlos zurecht. Dank der hohen Verlegegeschwindigkeit, ermöglicht durch das innovative Muffensystem, lassen sich die Rohrgräben entlang des Trassenverlaufs als weiterer Vorteil zudem rasch wieder zuschütten
Beim KW Fraderbach verläuft die Rohrtrasse zu einem großen Teil unterhalb eines Güterwegs direkt neben dem Bachverlauf. Die DRL ist dabei gänzlich erdverlegt und hat eine Überdeckung von durchschnittlich einem Meter. Abgesehen von einzelnen Rohrbögen bei vorgesehenen Abwinklungen des Trassenverlaufs setzte man keine Sonderformstücke ein.
Modernste Technik im Krafthaus
Als Herzstück der neuen Anlage dient eine ebenfalls von einem Tiroler Unternehmen gelieferte Turbine. Der Betreiber entschied sich bei der hydroelektrischen Ausrüstung seines Kraftwerks für eine 2-düsigen Pelton-Turbine in vertikaler Einbaulage des Herstellers Geppert GmbH aus Hall in Tirol. Die Stromwandlung erledigt ein Hitzinger-Synchron-Generator. Der Maschinensatz kommt mit dem jahreszeitlich bedingten stark schwankenden Wasserdargebot eines alpinen Gewässers wie dem Fraderbach optimal zurecht. Durch die Ausstattung mit zwei elektrisch gesteuerten Turbinendüsen bleibt die Ökostromproduktion auch bei einem Minimum der Ausbauwassermenge von 170 l/s aufrecht. Die maximale Leistung der Turbine liegt bei einer Nettofallhöhe von 106,8 m bei 159 kW, wodurch sich eine durchschnittliche Jahresarbeit von rund 0,68 GWh erzielen lässt. Der Synchron-Generator in horizontaler Einbaulage ist direkt an die Turbinenwelle gekoppelt und dreht exakt wie die Turbine mit 750 U/min, seine Nennscheinleistung beträgt 200 kVA.
Für die Ausstattung der Anlage mit Steuerungs- und Automatisierungstechnik beauftragte Kofler die E-Technik-Spezialisten EN-CO von der anderen Seite des Brenners aus Südtirol. Diese lieferten und installierten sämtliche elektronischen Komponenten von den Schaltschränken bis zur Mittelspannungsanlage und sorgten für die ordnungsgemäße Verkabelung. Die Regelung der Stromproduktion übernimmt eine von EN-CO selbst entwickelte Steuerungssoftware, Zugriff auf die übersichtliche Visualisierung gibt ein formschöner Apple-Rechner im Krafthaus.
Am Netz seit fast 2 Jahren
Zum ersten Mal angedreht wurde die neue Turbine im Anfang Juli 2014, in den Regelbetrieb ging das neue Kraftwerk am Fraderbach nach einer rund dreiwöchigen Probephase noch Ende des gleichen Monats über. Naturgemäß ist Alfred Kofler mit der vervielfachten Stromproduktion seiner Anlage hoch zufrieden, wovon rund 80 % in das öffentliche Netz eingespeist werden, der Rest dient zum Betrieb des Sägewerks und der Deckung des Eigenbedarfs.
Die beim Medientermin anwesende Landeshauptmannstellvertreterin und Naturschutzlandesrätin Ingrid Felipe sprach sich ebenfalls deutlich zur Optimierung von bestehenden Kleinwasserkraftanlagen aus. Mit der Verlängerung der Tiroler Beratungsförderung bis zum Ende des Jahres wurden für diesen Vorsatz von der Landesregierung zumindest schon einmal gute Voraussetzungen geschaffen.
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