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EW Murg bringt sein höchstgelegenes Kraftwerk auf den neuesten Stand8 min read

24. August 2020, Lesedauer: 6 min

EW Murg bringt sein höchstgelegenes Kraftwerk auf den neuesten Stand8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Seit 1950 hatte das Kraftwerk Merlen im malerischen Ostschweizer Murgtal seinen Dienst versehen. Als höchstgelegener Teil einer Kaskade, die heute aus insgesamt vier Kraftwerken besteht,

war dessen technische Substanz allerdings zuletzt in die Jahre gekommen – eine Totalerneuerung war unausweichlich geworden. Ende 2016 hatte die Ortsgemeinde Murg daher einem Erneuerungskredit in der Höhe von knapp 5 Mio. Franken zugestimmt, um das KW Merlen wieder auf Vordermann zu bringen. Die folgenden Bauarbeiten auf über 1.000 m ü.M. erstreckten sich von August 2018 bis in den Spätfrühling dieses Jahres. Dabei wurden nicht nur die Wasserfassung, die Druckrohrleitung und das Zentralengebäude erneuert, sondern auch das maschinelle Equipment. Mit der neuen 6-düsigen Peltonturbine aus dem Hause Troyer, die auf 565 kW Leistung ausgelegt ist, konnte der Stromertrag um mehr als ein Fünftel gegenüber dem Altbestand auf nunmehr 2,3 GWh gesteigert werden.

Das Murgtal im Schweizer Kanton St. Gallen ist längst nicht nur für die außergewöhnlichen Bestände der Edelkastanie bekannt, sondern auch für die drei Murgseen. Eingebettet in dem wildromantischen Bergkessel zwischen dem Hochmättli und dem Gufenstock liegen die Ostschweizer Bergseeperlen, die sich gerade bei Wanderern und Naturliebhabern großen Zuspruchs erfreuen. Bis zum Bergrestaurant Murgsee auf 1.820 m Seehöhe kann man das Hochtal von der kleinen Gemeinde Murg aus in 1,5 bis 2 Stunden erwandern.
Neben dem hohen touristischen Wert der Murgseen kommt diesem Gewässer auch hohe Bedeutung in energietechnischer Hinsicht zu. Schließlich speist der Hauptabfluss des Murgsees – der Murgbach – gleich mehrere Kleinwasserkraftwerke, die heute das Wasser in einer Kaskade abarbeiten. Betrieben werden diese Anlagen vom Elektrizitätswerk der Ortsgemeinde Murg, dessen ältestes Kraftwerk aus dem Jahr 1909 datiert. Die gesamte Stromproduktion des Energiedienstleisters stammt aus der Wasserkraft aus dem Murgtal – von den Höhen des Murgsees bis hinunter zum Walensee auf 420 m Seehöhe. Rund 50 GWh erzeugen die vier Anlagen im Durchschnittsjahr zusammen. Damit können die Orte an der Südseite des Walensees, Obstalden, Mühlehorn, Quarten und am Flumserberg versorgt werden. Der Strom gelangt über ein rund 170 km langes Verteilnetz mit 46 Trafostationen zu etwa 2.600 Abnehmern.

Schutz vor Versickerung
In Summe kommen die vier Kraftwerke entlang der Murgbach-Kaskade auf eine installierte Leistung von 11,67 MW. Das Kraftwerk Merlen ist dabei nicht nur das höchstgelegene, sondern auch das kleinste, was seine Leistungskapazität angeht. Bis zu seiner Stilllegung wies das Kraftwerk aus dem Jahr 1948 eine installierte Leistung von 442 kW auf. Als es vor über 70 Jahren errichtet wurde, sollte es vor allem der Verhinderung von massiven Versickerungen dienen, wie sie geologisch bedingt oberhalb des Merlenbodens im Murgbach auftraten. „Das Gebiet zwischen der Zentrale und der Wasserfassung ist ein altbekanntes Bergsturzgebiet. Und genau auf dieser Strecke war ein großer Teil des Murgbachs immer wieder versickert, vor allem in der Niederwasserperiode im Winter. Durch den Bau des Kraftwerks Merlen konnte dieses Wasser in der Folge genutzt werden“, erklärt der Betriebsleiter des EW Murg, Christoph Barbisch. Ende 1998 lief die Wasserrechtskozession aus. Mit der Eingabe des Gesuches für die Erneuerung der Konzession konnte das Werk weiterbetrieben werden. 2015 ereignete sich ein Lagerschaden, in dessen Folge der Weiterbetrieb der Anlage nochmals analysiert werden musste. Außerdem war auch die maschinelle Ausrüstung nicht mehr zeitgemäss. Barbisch: „Einerseits war die Turbine nach 60 Jahren am Ende ihrer technischen Lebensdauer angelangt. Konkret hatte das bedeutet, dass Unterhalt- und Revisionsarbeiten immer häufiger geworden waren. Andererseits waren die Wirkungsgrade der Francisturbine im Teillastbereich – gerade in den Wintermonaten – unbefriedigend. Es lag Handlungsbedarf vor.“ Am 18. Dezember 2016 stimmte die Bürgerschaft der Ortsgemeinde über den Erneuerungsvorschlag ab und votierte letztlich deutlich für einen Kredit von 4,96 Mio. Franken, um eine Erneuerung in die Wege zu leiten. Nachdem Mitte Juli 2017 die Baubewilligung erteilt wurde, konnte Mitte August 2018 mit den Bauarbeiten begonnen werden.

Steigerung der Ausbauwassermenge
Als Partner für die planerische Umsetzung des Gesamtprojektes vertraute das Elektrizitätswerk Murg auf die IM Maggia Engineering AG, Locarno, die mit der Ausarbeitung des Bauprojektes, der Bewilligungsgesuche sowie der Ausschreibungsdurchführung beauftragt wurde. Das kam wenig überraschend, schließlich hatte das Planungsunternehmen aus Locarno bereits in den Jahren 1977 bis 1978 eine „generelle Gesamtausbaustudie der Wasserkräfte im Murgtal“ ausgearbeitet – und ist daher mit der Situation vor Ort exzellent vertraut. Im Hinblick auf eine möglichst optimale Nutzung der hydrologischen Gegebenheiten wurde von den Planern eine Aus-i bauwassermenge von etwa 1.200 l/s für das Neuprojekt anvisiert. „Leider ließ sich diese Wassermenge nicht durchsetzen. Im Rahmen der Konzessionsverhandlungen wurde sie dann auf 925 l/s festgesetzt. Dennoch eine nennenswerte Steigerung gegenüber den 750 l/s aus der Altkonzession“, erinnert sich Christoph Barbisch. Die neue Ausbauwassermenge wird durchschnittlich an 90 Tagen im Jahr erreicht.

Wasserfassung am alten Standort
Während also eine moderate Anpassung der verfügbaren Triebwassermenge erfolgte, wurde am grundsätzlichen Konzept sowie der Fallhöhe nicht gerüttelt. Die Lage des Stauwehrs wurde beibehalten, ein neuer Entsander in der Achse der Zuleitung zur bestehenden Wasserschlosskammer angelegt. Für die Arbeiten an der auf knapp 1.200 m Seehöhe gelegenen Wasserfassung wurde der Bach umgeleitet. Das Stauwehr des Altbestands wurde abgebrochen und rückgebaut. Gemäß den Plänen von IM Maggia wurde auch eine Tauchwand installiert, die den Einlaufbereich vor unliebsamen Geschwemmsel schützt und dieses über das Stauwehr ins Unterwasser leitet. Am 2,5 m breiten Einlauf wurde ein Einlaufschütz eingebaut. Als Schutz vor feinem Treibgut wurde an den Einlauf anschließend ein Feinrechen und eine Rechenreinigungsmaschine angebracht. Die 25 m lange Entsanderkammer wurde mit einem System ausgeführt, das einen automatischen Spülbetrieb gewährleistet. Konkret kam das patentierte Entsandungssystem HSR zum Einsatz. Dabei werden die angesammelten Sedimente über ein Spülrohr in der Sohle des Entsanders automatisch ausgespült. Zusätzlich wurde an der Wasserfassung ein Fischauf- sowie ein -abstieg integriert.

GFK-Rohre bewähren sich im Einsatz
Vollständig erneuert wurde auch die 680 m lange Druckrohrleitung, die komplett erdverlegt im Wesentlichen der alten Trasse folgt. „Im Vorfeld wurde diesbezüglich von IM Maggia eine Variantenstudie angestellt, die sich vorrangig mit den Fragen des Rohrmaterials sowie der Optimierung des Leitungsquerschnitts befasste. Am Ende fiel die Wahl auf GFK-Rohre des Herstellers Amiblu, die einerseits im Hinblick auf Verlegbarkeit und Wirtschaftlichkeit überzeugten und die anderseits auch ausgezeichnete betriebstechnische Voraussetzungen, wie eine hohe Glattheit der Innenoberfläche, mitbringen“, so Christoph Barbisch. Konkret kamen GFK- Rohre der Druckklasse PN10 mit einem Durchmesser DN800 zum Einsatz. Für Inspektionszwecke wurden zwei Mannlöcher integriert.
Zusammen mit der neuen Druckrohrleitung wurde in Rohrgraben auch ein Kabelblock mit 4 Kabelschutzrohren in PE (Polyethylen) mitverlegt. „Schon die alte Wasserfassung war über eine Stromversorgung mit dem Kraftwerk verbunden. Nun haben wir allerdings die Möglichkeit genutzt, auch ein Lichtwellenleiterkabel mitzuverlegen. Damit konnte nicht nur die Steuerung auf den Letztstand der Technik gebracht werden, sondern auch andere Optionen, wie etwa der Einbau von Kameras, realisiert werden“, schildert Christoph Barbisch.

Arbeiten im alpinen Bereich
Das alte Zentralengebäude wurde noch im Spätsommer letzten Jahres abgebrochen. An selber Stelle sollte ein neues Maschinenhaus entstehen, errichtet in Stahlbetonbauweise mit Holzfassade und Satteldach. Um Lärmemissionen vorzubeugen, wurde eine Wanddicke von 30 cm zuzüglich Außenisolation und Holzverkleidung gewählt. Außerdem wurde der Generator mit einem geschlossenen Wasserkühlkreislauf ausgeführt. Da sämtliche Bauarbeiten des Projekts oberhalb von 1.000 m ü.M. durchgeführt werden mussten, spielte dabei natürlich auch die Witterung eine nicht unwesentliche Rolle. Barbisch: „Es war letzten Herbst durchaus eine gewisse Eile geboten. Im Winter ist das Projektgebiet hier im Murgtal nur schwer zu erreichen. Daher kam es auch nicht überraschend, dass wir über den Winter den Baustellenbetrieb einstellen mussten. Aber es ist der Baufirma gelungen, den Rohbau bis zum Einsetzen des Winters fertigzustellen. Das neue Zentralengebäude wurde dann im Frühling dieses Jahres finalisiert.“

Von Francis zu Pelton
Im Hinblick auf die maschinentechnische Ausrüstung war es naheliegend, einen grundsätzlichen Wechsel von einer Francis- hin zu einer Peltonturbine vorzunehmen. Dabei sind die Vorzüge der Letztgenannten im Teillastbereich mehr als Argument genug. Konkret fiel die Wahl auf eine vertikalachsige 6-düsige Peltonturbine des Südtiroler Wasserkraftunternehmens Troyer AG, die sich im Rahmen der Ausschreibung durchsetzen konnte. „Für uns war es die erste Zusammenarbeit mit der Firma Troyer. Alles in allem war es eine positive Erfahrung, die Kooperation war von Anfang bis Ende wirklich sehr gut“, findet Christoph Barbisch lobende Worte.
Die neue Turbine ist auf eine Ausbauwassermenge von 925 l/s und eine Nettofallhöhe von 70,0 m ausgelegt und erreicht dabei eine Nennleistung von 565 kW. Das aus einem Monoblock gefräste Laufrad weist dabei einen Durchmesser von 882 mm auf. Dank modernster hydraulischer Designs überzeugt die Performance der Maschine über den gesamten Lastbereich hinweg. Die Ausführung ist definitiv hochwertig. Die Turbine ist direkt an das freie Wellenende des Generators gekoppelt. Mit 375 Upm treibt das Laufrad den Rotor des wassergekühlten dreiphasigen Synchrongenerators vom Fabrikat Hitzinger an. Dieser ist auf eine Nennleistung von 850 kVA ausgelegt, dessen Axiallager ist für beidseitigen Schub konzipiert.

Strom für 400 Haushalte
Neben der maschinentechnischen Erneuerung ließ man dem Kraftwerk nun auch eine vollständige Modernisierung von Steuerung und Leittechnik angedeihen. Während die Steuerung des neuen Kraftwerks im Lieferpaket des Südtiroler Wasserkraft-Allrounders inkludiert war, konnte das Einbinden der Anlage in das übergeordnete Leitsystem von den Spezialisten des EW Murg selbst vorgenommen werden. Im Mai dieses Jahres war es schließlich soweit: Die Betreiber konnten erstmalig ihr neues Kraftwerk Merlen ans Netz nehmen.
Seit Sommer läuft das Kraftwerk ohne nennenswerte Zwischenfälle. Im Regeljahr wird die Anlage nun rund 2,3 GWh sauberen Strom aus der Kraft des Murgbachs erzeugen. Das bedeutet eine Ertragssteigerung von rund 20 Prozent gegenüber den circa 1,9 GWh, die der Altbestand in einem durchschnittlichen Jahr lieferte. Heute können damit rund 400 Haushalte versorgt werden. Die Konzession wurde um weitere 40 Jahre verlängert. Dass die Rundumsanierung des Kraftwerks trotz knapper Wirtschaftlichkeit energiepolitisch sinnvoll ist, daran lässt der Betreibervertreter keinen Zweifel. Schließlich stellt die Wasserkraft das elektrizitätswirtschaftliche Rückgrat im Murgtal dar – und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben.

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