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Fasstaler Kraftwerk glänzt wie neu5 min read

5. April 2013, Lesedauer: 4 min

Fasstaler Kraftwerk glänzt wie neu5 min read

Lesedauer: 4 Minuten

100 Jahre reicht die Geschichte des Kraftwerks Moena im Trentino zurück. Es zählt zu jenen Industriedenkmälern, welche die Elektrifizierung im Trient
einleiteten.

Seine Historie ist wechselvoll: Es wurde erweitert und umgebaut, es wurde abgerissen und sogar aufgelassen. Der letzte Umbau erfolgte vor 20 Jahren. Nun wurde die Anlage erneut revitalisiert und mit modernster Maschinentechnik aus dem Hause Tschurtschenthaler ausgerüstet. Rund 4,5 Millionen kWh sauberen Strom erzeugen die beiden 5-düsigen Peltonturbinen nun im Regeljahr.

Der Kreißsaal, in dem die Geschichte der Elektrizität im Trentino ihre Geburtsstunde erlebte, war der Gemeinderat von Trient. Nicht ohne heftige Debatten entschied sich damals, im Jahr 1886, eine Mehrheit für die Errichtung des ersten Wasserkraftwerks. Dem Weitblick der Entscheidungsträger gebührt Respekt. Sie hatten damals bereits argumentiert, dass man in Zukunft den elektrischen Strom für die Eisenbahn, aber auch für die Beleuchtung und für die Maschinen in den Fabriken brauchen würde. Unter der Leitung von Ing. Annibale Apollonio wurde in der Folge das erste Wasserkraftwerk, das KW Trento mit immerhin 600 kW Leistung, errichtet, dessen Umsetzung rund drei Jahre in Anspruch nahm. Der 1. Juni 1890 sollte dann in die Geschichte eingehen. Es war der Tag, an dem das Kraftwerk Trentino den Betrieb aufnahm. Als am selben Abend zur Freude der Bevölkerung die Lichter erstrahlten, war Trient die erste Stadt Italiens, die auf das Privileg einer öffentlichen Beleuchtung verweisen konnte. Das KW Trento, das bis zum heutigen Tage existiert, war die Keimzelle für die weitere Entwicklung der Elektrifizierung im Trentino. In dem Zeitraum bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wurden mehr als zwei Dutzend Klein- und Kleinstkraftwerke in der Region errichtet, die das bis dahin sehr ländlich geprägte Trentino in eine neue Ära führen sollten.

WIEDERGEBURT IM JAHR 1992
Eines dieser kleinen Kraftwerke wurde in der auf 1.150 Meter Seehöhe gelegenen Dolomitenstadt Moena im Fassatal errichtet: das KW Moena, das 1910 in Betrieb genommen wurde. Entsprechend der Muster-Anlage in Trient diente die Anlage, die ursprünglich auf maximal 80 kW Leistung ausgelegt war, ebenfalls der öffentlichen Beleuchtung der Kleinstadt. Doch dieser Funktion sollte es nicht allzu lange nachkommen. Der Erste Weltkrieg kam und erfasste die Region. Zu dieser Zeit hatte auch das Militär erkannt, dass man elektrischen Strom für sich nutzen konnte und requirierte kurzerhand die Anlage. „Die hier generierte Elektrizität diente nun dazu, eine Seilbahn zu betreiben, die Materialnachschub, Vorräte, Waffen und Munition in die Gebirgsstellungen der angrenzenden Dolomiten transportierte, wo sich italienische und österreichisch-ungarische Truppen erbitterte Gefechte lieferten. Das Kraftwerk überdauerte die Wirren des Ersten Weltkriegs und auch jene des Zweiten und wurde durchgehend bis zum Jahr 1954 betrieben. Doch dann kam das Aus, zumindest vorläufig. Die Anlage wurde abgerissen und der Standort aufgelassen“, erzählt Floriano Deflorian, der die Geschichte der Anlage bestens kennt und dankenswerter Weise sein Wissen auch bereitwillig zur Verfügung stellt. Erst 1992 erfolgte die Wiedergeburt des KW. Moena, als die Societa Elettrica Moenese srl (kurz S.E.M.) mit Sitz in Moena, die Anlage neu errichtete – und dabei gleichzeitig die Leistungsdaten kräftig nach oben schraubte. 1.250 kW Engpassleistung im Maximum erreichte das Kraftwerk fortan. Doch nach 20 Jahren Betrieb sollte erneut ein Umbau ins Haus stehen.

TERMINTREUE HÖCHSTES GEBOT
Bis Ende 2012 nutzten viele Kraftwerksbetreiber noch die guten Konditionen, welche die italienische Ökostromförderung für den Neu- und auch den Umbau von Anlagen bot. Auf diese Weise ließen sich vielerorts umfassende Revitalisierungsprojekte für Kraftwerksanlagen wirtschaftlich darstellen. Eine Option, die auch die SEM mit ihrem Kraftwerk in Moena ziehen wollte. Unter der Leitung des Planers Ing. Paolo Palmieri aus Trient wurde in der Folge ein Umbauprojekt entwickelt, das nicht nur eine vollständige Modernisierung der elektromaschinellen Ausrüstung vorsah, sondern damit einhergehend auch eine markante Leistungssteigerung. Der Auftrag für die maschinelle Ausrüstung ging an den Südtiroler Wasserkraftspezialisten Tschurtschenthaler aus Sexten. Die Wahl des richtigen Partners spielte für den Trentiner Ökostromerzeuger eine zentrale Rolle. Zum einen ging es darum, einen absolut verlässlichen Partner an der Seite zu haben, der die Anlage noch vor Ende 2012 ans Netz bringt, um nicht aus dem lukrativen Tarifsystem herauszufallen. Zum anderen war natürlich auch hochwertige Qualität gefragt. Und gerade was die Hochdruckturbinen aus dem Hause Tschurtschenthaler angeht, genießen die Maschinen einen ausgezeichneten Ruf. Sie stehen für Robustheit und lange Lebensdauer und gleichzeitig für Top-Wirkungsgrade. Gerade bei größeren Anlagen, wie dem KW Moena, setzen die Turbinenbauer auf Sexten auf die bewährte Kooperation mit der Firma EFG aus dem Kärntner Feldkirchen, die in Fällen wie diesen das Laufrad bereitstellt. Peltonlaufräder aus der Konstruktion und der Fertigung von EFG zählen für viele Kenner der Branche zu den hochwertigsten am Markt.

MONTAGE MIT „SCHUHLÖFFEL“
Konkret handelt es sich beim KW Moena um zwei baugleiche 5-düsige Peltonturbinen, die auf eine Fallhöhe von 162,50 Meter und eine Ausbauwassermenge von je 650 l/s ausgelegt sind. Unabhängig voneinander erreichen beide Maschinen eine Ausbauleistung von 864 kW, wodurch eine deutliche Steigerung in der maximalen Engpassleistung der Anlage gewährleistet ist. Die beiden Turbinen treiben mit einer Nenndrehzahl von 750 Upm je einen Synchrongenerator (Fabrikat Marelli) an. Die beiden Generatoren sind wassergekühlt und sind auf eine Nennscheinleistung von 1.000 kVA ausgelegt. Einmal mehr bewies das Turbinenbauunternehmen aus den Dolomiten seine Verlässlichkeit und die Qualität seiner Arbeit. Allerdings bestand die größte Herausforderung bei der Umsetzung des Projektes in der Maschinenmontage: Denn es sollte die klassische Montage „mit dem Schuhlöffel“ werden – wie es im Jargon der Wasserkraftbranche heißt. Dies bedeutet nichts anderes, dass in dem bestehenden Krafthaus extrem beengte Verhältnisse herrschten – fast zu eng, um die nun doch deutlich größeren Maschinen einzuheben, diese an ihren Bestimmungsort zu bringen und sie letztlich zu montieren. Doch das Vorhaben gelang mit Punktlandung: Seit Dezember letzten Jahres ist das neue Kraftwerk Moena in Betrieb und erzeugt im Regeljahr nun rund 4,5 GWh. Damit hat das Trentiner Traditionskraftwerk – gut 100 Jahre nach seiner ersten Inbetriebnahme – wieder einen Schritt in ein neues Wasserkraftzeitalter getan.

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