Feistritz im Gailtal schraubt Ökostrombilanz mit neuem Wasserkraftwerk nach oben6 min read
Lesedauer: 5 MinutenIn Feistritz an der Gail, der einwohnermäßig kleinsten Gemeinde Kärntens, wird die Wasserkraftnutzung eindeutig großgeschrieben. Dort hat mit der Anlage Feistritz II Anfang des Jahres bereits das zweite im Gemeindebesitz stehende Kleinwasserkraftwerk den Betrieb aufgenommen. Dieses übertrifft mit einer Engpassleitung von über 1 Megawatt die Leistungs- und Erzeugungskapazitäten des über 100 Jahre alten Altkraftwerks bei weitem. Bei der Umsetzung der baulichen und technischen Infrastruktur setzte die Gemeinde auf ausgewiesene Branchenspezialisten. Einen gewichtigen Anteil an der Realisierung hatte die Osttiroler Maschinenbau Unterlercher GmbH, die angefangen von der 5-düsigen Pelton-Turbine über den Stahlwasserbau an beiden Wasserfassungen bis hin zum elektrotechnischen Equipment die zentrale Anlageninfrastruktur lieferte. Mit einem durchschnittlichen Regelarbeitsvermögen von rund 2,5 Gigawattstunden könnte das Kraftwerk Feistritz II noch eine weitere Gemeinde ihrer Größe ein Jahr lang mit Ökostrom versorgen.
Beim Lokalaugenschein von zek HYDRO im Südkärntner Feistritz an der Gail weint zwar der Himmel, der Bürgermeister Dieter Mörtl hingegen zeigt sich anhand der für das neue Wasserkraftwerk günstigen Bedingungen guter Laune. Der langjährige Gemeindevorstand, der auch als Präsident des Kärntner Landesskiverbands aktiv ist, versichert, dass für den Bau des neuen Kleinwasserkraftwerks ein langer Atem notwendig war. So dauerte es von der Konzepterstellung bis zur Inbetriebnahme rund 14 Jahre. Die Entstehung des neuen Kraftwerks ist Dieter Mörtl zufolge indirekt mit der Altanlage Feistritz I verbunden, die 1923 in der Gemeinde von der lokalen Lichtgenossenschaft errichtet wurde. Dieses Kraftwerk wurde in den 1960er Jahren vom Landesenergieversorger Kelag übernommen und schließlich 2007 von der Kelag an die Gemeinde Feistritz verkauft. „Mit der Übernahme des Kraftwerks Feistritz I gingen auch die Planungen für ein weiteres Kraftwerk am Feistritzbach in die Hände der Gemeinde über, die von der Kelag bereits in den 1980er Jahren erstellt wurden. Dieses nach wie vor überzeugende Konzept wurde gemeinsam mit einem Wasserkraftplaner neu aufgegriffen und 2012 zur Genehmigung eingereicht“, so Dieter Mörtl. Zwar wurden die Bewilligungen für das neue Kraftwerk Feistritz II noch im selben Jahr erteilt, die Wirtschaftlichkeit war aufgrund der damals im unteren Bereich angesiedelten Strompreise allerdings nicht gegeben. Ein Jahrzehnt später, mit veränderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, stellte sich die langfristig angelegte Finanzierung des Projekts als darstellbar dar, wodurch auch der Gemeinderat dem Kraftwerksbau grünes Licht erteilte.
Zwei Bäche werden gefasst
Das neue Kraftwerk befindet sich am Ausgang des Feistritzgrabens und nutzt ein Einzugsgebiet von rund 16 km². Als Hauptzubringer des Triebwassers dient der Feistritzbach, zusätzlich wurde eine zweite Wasserfassung am nahe gelegenen Jeserobach errichtet. Aufgrund des alpinen Charakters der Bäche mit hohem Treibgut- und Sedimenttransfer wurden beide Wasserfassungen mit robusten Tiroler-Wehren ausgestattet. Von dem etwas höher gelegenen Jeserobach fließt das Wasser über eine in DN300 ausgeführte Zubringerleitung zum Entsanderbecken, das beim Entnahmebauwerk am Feistritzbach errichtet wurde. Am Ende des Entsanders befindet sich ein vertikaler Schutzrechen mit dazugehöriger Rechenreinigungsmaschine, der vor dem Beginn des Kraftabstiegs für freien Zufluss sorgt. Geliefert wurde der gesamte Stahlwasserbau inklusive Hydraulikanlagen, Rohrbruchklappe samt Durchflussmessung sowie die steuerungstechnischen Komponenten vom Osttiroler Kleinwasserkraftspezialisten Maschinenbau Unterlercher GmbH.
Druckrohrsystem aus GFK
Die Herstellung der 2,4 km langen Druckrohrleitung in der Dimension DN600 wurde erwartungsgemäß zum aufwändigsten Baulos. Erschwert wurde die Rohrverlegung durch die beschränkten Platzverhältnisse im Feistritzgraben, die eine exakte logistische Abstimmung erforderlich machten. Der gesamte Kraftabstieg besteht aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK), die vom niederösterreichischen Branchenexperten ETERTEC Rohrsysteme geliefert wurden. Die weltweit im Wasserkraftbereich bewährten GFK-Rohre minimieren mit ihren äußerst glatten Innenflächen die hydraulischen Reibungsverluste. Ebenfalls mit dem Kraftabstieg mitverlegt wurden ein Strom- und ein Datenkabel zur digitalen Kommunikation bzw. zur energietechnischen Anbindung der Wasserfassung. „Mit den geologischen Verhältnissen entlang der Druckrohrleitung hatten wir großes Glück, obwohl wir uns in einem Landschaftsgraben befinden, waren keine Sprengarbeiten notwendig. Grundsätzlich hat die Rohrverlegung gut funktioniert. Ganz wichtig war natürlich auch, dass die Druckprobe am Ende erfolgreich bestanden wurde“, so Dieter Mörtl.
Pelton-Turbine garantiert Höchstleistung
Das Maschinengebäude der Anlage befindet sich hanglagig im Bereich einer massiven Geschiebesperre, die das enorme Hochwasserpotential des Feistritzbaches widerspiegelt. Wie die Wasserfassungen wurde auch das Krafthaus von der Maschinenbau Unterlercher GmbH vollausgestattet. Das Herz der Anlage bildet die 5-düsige Pelton-Turbine, die laut Unterlercher-Projektleiter Oliver Unterlercher einige technische Besonderheiten aufweist: „Die Konstruktion des Pelton-Laufrads basiert auf unserer patentierten Fertigungsweise. Dabei werden die Turbinenschaufeln aus Chrom-Nickel Stahl 1.4313 auf modernen CNC-Maschinen gefräst und anschließend durch eine stoff- und formschlüssige Verbindung mit den Seitenscheiben zu einem hochwertigen Laufrad zusammengefügt. Diese Bauweise garantiert ein Höchstmaß an Genauigkeit und ist zudem absolut betriebssicher. Das Laufrad ist direkt auf der Generatorwelle montiert, wodurch keine weiteren Kupplungen oder zusätzliche Lager benötigt werden.“ Die Strahlablenker der Turbine werden mittels Servomotoren gesteuert, wodurch sich dank optimaler Regelung kürzeste Synchronisationszeiten ergeben. Die Regelung der Düsen erfolgt über selbst entwickelte Antriebe, die eine stufenlose Positionsregelung der Düsennadeln ermöglichen und in weiterer Folge eine Effizienzsteigerung der gesamten Regelung bewirken. Als Generator kommt eine wassergekühlte Drehstromsynchron-Maschine mit einer Nennleistung von 1200 kVA und einer Drehzahl von 750 U/min zum Einsatz. Auf mechanischer Seite komplettiert wurde die auf 142,4 m Nettofallhöhe und 800 l/s Ausbauwassermenge ausgelegte Turbine, die bei vollem Wasserdargebot 1.004 kW Engpassleistung erzielt, durch die notschlusstaugliche Absperrklappe, einem Ausbaustück und dem Anschlussrohr. Ebenfalls im Lieferumfang der Osttiroler enthalten war die komplette elektro- und leittechnische Kraftwerksausstattung, die für den vollautomatischen Betrieb der Anlage sorgt. Dem Stand der Technik entsprechend ist der Fernzugriff über verschiedene Endgeräte wie PC, Tablet oder Smartphone möglich.
Ausgezeichnete Betriebserfahrungen
Wie geplant konnte das neue Wasserkraftwerk der Gemeinde nach einer kurzen Bauzeit von weniger als einem Jahr Ende Jänner 2024 erstmals in Betrieb genommen werden. Die gesammelte Betriebserfahrung seit der ersten Netzsynchronisation lässt Bürgermeister Dieter Mörtl ein positives Projektfazit ziehen: „Dank der Schneeschmelze Anfang Mai haben wir schon an mehreren Tagen mit maximaler Leistung Strom erzeugt, was sich natürlich sehr günstig auf das Produktionsergebnis ausgewirkt hat. Das deute ich als sehr gutes Zeichen, dass die Gemeinde mit dem Kraftwerksbau die richtige Entscheidung getroffen hat.“ In Sachen Ökostrombilanz kann der rund 650 Einwohner zählenden Ortschaft im Gailtal ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt werden. Mit dem prognostizierten Regelarbeitsvermögen der neuen Anlage von rund 2,5 GWh kann der Strombedarf der Feistritzer Haushalte um mehr als das Doppelte abgedeckt werden. Während der erzeugte Strom aktuell noch zur Gänze ins öffentliche Netz eingespeist wird, hat der Bürgermeister für die Zukunft der lokalen Energienutzung bereits konkrete Vorstellungen. So könnte der Strom im Rahmen einer regionalen Energiegemeinschaft direkt an die Abnehmer im Gailtal geliefert werden. Eine weitere Option wäre die Versorgung des lokalen Skiproduzenten in der Gemeinde, dessen energieintensive Fertigung ebenfalls mit lokal erzeugtem Ökostrom abgedeckt werden könnte.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 3/2024
Teilen: