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Fischaufstiegs-Dotierung treibt neue Turbinen beim Grenzkraftwerk Wyhlen an7 min read

4. Jänner 2019, Lesedauer: 5 min

Fischaufstiegs-Dotierung treibt neue Turbinen beim Grenzkraftwerk Wyhlen an7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Seit Ende April produzieren zwei neu installierte Dotierkraftwerke am über 100 Jahre alten Laufkraftwerk Wyhlen am Hochrhein sauberen Strom.

Die beiden jeweils auf 90 und 70 kW Engpassleistung ausgelegten Anlagen wurden am Beckenpass beim Turbinenauslauf und am Fischlift im Bereich der Wehranlage installiert. Damit kann das bislang lediglich zum Erzeugen von Lockströmungen dienende Dotierwasser nun auch zur Stromgewinnung genutzt werden. Die maschinelle Ausstattung in Form zweier auf jeweils 1,4 – 2,5 m³/s (Beckenpass) bzw. 1,2 – 1,5 m³/s (Fischlift) ausgelegter Kaplan-Turbinen inklusive permanenterregter Synchron-Generatoren sowie die komplette Elektrotechnik und Steuerung lieferte der deutsche Kleinwasserkraftspezialist Watec-Hydro.  Durch den Bau der neuen Dotierkraftwerke können am Standort Wyhlen im Regeljahr zusätzlich rund 1.000.000 kWh Strom erzeugt werden. Betreiber Energiedienst, dessen Fachleute sich tatkräftig an der Umsetzung beteiligten, investierte rund 1,3 Millionen Euro in die Realisierung seiner beiden Neuanlagen.

Das zur Energiedienst-Gruppe gehörende deutsche Rheinkraftwerk in Wyh­len ist Teil des Zwillingskraftwerks Augst-Wyhlen, das erst vor wenigen Jahren sein 100-jähriges Bestehen gefeiert hat. Errichtet wurden die beiden unweit von Basel gelegenen Kraftwerke zwischen 1908 und 1912. Eine gemeinsam bewirtschaftete Stauwehr verbindet die zwei Kraftwerke an dem auch als Hochrhein bezeichneten Flussabschnitt. Seit dem Betriebsstart wird an den Standorten Augst und Wyhlen die Energie des Rheinwassers gemeinsam genutzt, jedem Kraftwerk steht dabei eine maximale Ausbauwassermenge von 750 m3/s zur Stromgewinnung zur Verfügung. In den Jahren zwischen 1990 und 1994 wurde die Anlage Wyhlen von den Betreibern für rund 100 Millionen Euro umfangreich modernisiert. Seither bildet eine Kombination aus sechs modernen Straflo- und fünf traditionellen Francis-Turbinen den Kern der Maschinenanlagen. Die Gesamtleistung des Kraftwerks erhöhte sich durch den Umbau von vormals 23 auf 38,5 MW, womit eine um rund 60 Prozent gesteigerte Jahresstromproduktion erreicht wird. Im Regeljahr erzeugt das Kraftwerk Wyhlen rund 255 GWh Strom.

Stromproduktion während Rekordsommer
„Nachdem wir als Betreiber in den vergangenen Jahren vermehrt die Erschließung von ungenutzten Wasserkraftpotenzialen fokussiert haben ist vor einiger Zeit die Idee entstanden, am Standort Wyhlen zwei neue Dotieranlagen zu errichten. Dazu sollten sowohl beim Beckenpass als auch beim Fischlift zwei bislang lediglich zur Erzeugung von Leitströmung dienende Restwasserstrecken für die Stromgewinnung genutzt werden“, beschreibt Energiedienst-Projektleiter Philip Stauß die Grundzüge des Projekts. Außerdem sollte neben dem Aspekt der Energiegewinnung ein weiterer nützlicher Nebeneffekt erzielt werden.
Durch die Turbinierung des Dotierwassers wird auch seine Fließgeschwindigkeit stark vermindert, wodurch beim Einstieg an den beiden Fischaufstiegshilfen eine gleichförmigere und beruhigte Leitströmung erzielt wird. „Im Rahmen des Genehmigungsprozesses wurde das anstehende Bauvorhaben vom mit der Generalplanung beauftragten Ingenieurbüro Hydro Energie Roth GmbH detailliert beschrieben und dem zuständigen Regierungspräsidium Freiburg vorgelegt“, erklärt Stauß. Nachdem das Präsidium sich in Absprache mit dem Schweizer Bundesamt für Energie positiv für das Projekt ausgesprochen hatte, stand der Durchführung des Projekts von behördlicher Seite nichts mehr im Weg. Um ein zeitlich aufwändiges Fischmonitoring am Kraftwerk Wyhlen nicht zu beeinflussen, wurde mit dem Baubeginn noch bis 2017 zugewartet.

Doppelte Rohrführung
Mit den Abbruch- und Hochbauarbeiten beim Kraftwerk am Fischlift startete im Juni des Vorjahres schließlich die erste Bauphase. Unmittelbar darauf begann die Verlegung der neuen Druckrohrleitung für das Kraftwerk am Beckenpass. Die Errichtung dieser Anlage stellte vor allem auf Seiten des Tiefbaus eine eigene Herausforderung dar, erläutert Stauß. Wegen der begrenzten Platzverhältnisse wurde entlang der gesamten Rohrtrasse eine Variante mit doppelter Leitungsführung gewählt. Um die vorhandene unterirdische Energieableitung des Hauptkraftwerks unterqueren zu können, wurde parallel zur bestehenden Leitung DN700 ein zusätzliches Rohr mit dem Durchmesser DN1100 verlegt. Die Rohrtrasse hat eine Gesamtlänge von rund 70 m und verläuft größtenteils unterirdisch. Unmittelbar vor dem Eintritt ins Kraftwerksgebäude überqueren die Leitungen noch den Beckenpass. Bis auf zwei stählerne Übergangsstücke vor der Zentrale wurde die Ausleitung zur Gänze in GFK-Rohren des Herstellers Ami­blu (vormals Amiantit) ausgeführt. Bei den Aushubarbeiten stießen die Monteure laut Stauß auf so manche unerwartete Fundstücke. So wurden etwa seit langem stillgelegte Druckluftleitungen oder auch alte Gleisanlagen, die man beim Bau des Großkraftwerks errichtet hatte, freigelegt. Um die Arbeiten im Erdreich fortsetzen zu können, mussten die ausgehobenen Objekte stets auf ihre Unbedenklichkeit für den laufenden Kraftwerksbetrieb überprüft werden.

Unterwassereinsatz für Wasserhaltung
Aufwändig gestalteten sich vor allem die Wasserhaltungsmaßnahmen zur Errichtung des Fassungsbauwerks für das Beckenpass-Kraftwerk. Eine Grundanforderung bestand darin, bei eingestautem Oberwasser die bestehende Rheinwand zu durchbrechen. Um die Abbrucharbeiten im Trockenen durchführen zu können, wurde von Industrietauchern eine acht Tonnen schwere Stahlwand zur Abdichtung montiert. Der Taucheinsatz fand bei frostigen Bedingungen zwischen Februar und März statt, in der Niederwasserperiode herrschten für die Arbeiten unter Wasser optimale Sichtbedingungen. Das eigentliche Fassungsbauwerk für den Anschluss der Druckrohrleitungen konnte schließlich bis Ende März fertig gestellt werden. Zum Schutz vor Geschwemmsel und Treibgut wurde am neuen Dotiereinlauf ein fischfreundlicher horizontaler Feinrechen montiert. Zur Reinigung kommt ein robuster, mit Hydraulikantrieb ausgerüsteter Rechenreiniger mit Pegelregelung zum Einsatz. Den gesamten Stahlwasserbau für das Beckenpass-Kraftwerk stellte die Baumann Hydrotec GmbH & Co. KG aus Wangen im Allgäu bereit.

Anlagenbau optimiert Leitströmungen
Der Bauaufwand für das Dotierkraftwerk an der Wehranlage einige 100 m weiter flussabwärts fiel laut Stauß bedeutend geringer aus. Das unauffällig in den Bestand integrierte Krafthaus wurde ebenso kompakt wie sein Gegenstück am Beckenpass entworfen und befindet sich gegenüber dem mit einer Reuse ausgestatteten Fischlift. Mit dem Bau des Kraftwerks konnte auch an dieser Stelle eine Beruhigung der Leitströmungssituation erreicht werden. Anstelle über eine betonierte Rausche direkt zum Fischlift zu strömen, wird das Dotierwasser nun mittels einer ebenfalls in GFK ausgeführten Rohrleitung der Dimension DN900 zur Turbine geführt. Nach der Turbinierung wird das abgearbeitete und beruhigte Wasser beim Einstiegsbereich des Fischliftes wieder in den Rhein abgegeben. Aufgrund der Einbausituation kommt beim dortigen Einlauf ein vertikaler Schutzrechen zum Einsatz. Dessen Reinigung übernimmt ein in Teleskoparm-Ausführung gefertigter Rechenreiniger der Klewa Wasserbautechnik aus Bielefeld.

Inbetriebnahme im Frühjahr
Nach Abschluss der finalen Montage- und ­Installationsarbeiten gingen die beiden Dotierkraftwerke Ende April zum ersten Mal in Betrieb. Stauß lässt nicht unerwähnt, dass sich die eigene Betriebsmannschaft von Energiedienst bei zahlreichen Projektschritten an der Realisierung beteiligt hat. Jedes Kraftwerk setzt zur Stromproduktion auf doppeltregulierte Kaplan-Turbinen in Schacht­bauweise. Bereitgestellt und montiert wurde die elektromechanische Ausstattung von dem auf Kaplan-Technik spezialisierten Kleinwasserkraft-­Allrounder Watec-­Hydro. Während beim Beckenpass-Kraftwerk eine Turbine der Baureihe „KDP“ in kompletter Stahlausführung zum Einsatz kommt, wurde beim Fischpass-Kraftwerk eine Maschine des Typs „KSDP“ mit kombinierter Stahl-Beton-Spirale eingebaut. Beiden Turbinen steht eine Bruttofallhöhe zwischen 5 und 6 m zur Verfügung, der Antrieb erfolgt über jeweils 4-flügelige Laufräder. Das Beckenpass-Kraftwerk ist auf eine Ausbauwassermenge von 1,4 – 2,5 m³/s ausgelegt, der Anlage beim Fischlift stehen 1,2 – 1,5 m³/s zur Stromerzeugung zur Verfügung. Beide Turbinenwellen sind jeweils in vertikaler Richtung direkt mit permanent­erregten Synchron-Generatoren verbunden. „Die Generatoren dieser Ausführung sind unter anderem vom Einsatz in Windkraftanlagen bekannt und bringen den Vorteil mit sich, dass sie mit starrer Drehzahl ohne zusätzliche Elektronik betrieben werden können. Durch diese integrierte Bauweise ohne zusätzliche Lager wird die Einfachheit und Zugänglichkeit klassischer Anlagen mit einer hervorragenden Energieausbeute verbunden“, beschreibt Watec-Hydro die Vorteile seiner Systemlösung. Neben den Maschinensätzen stellten die Turbinenbauer auch die gesamte elektro- und leittechnische Ausstattung für die neuen Kraftwerke bereit. Obwohl die Alarmierungssysteme direkt in das übergeordnete Leitsystem von Energiedienst eingebunden sind, arbeiten die Steuerungen grundsätzlich völlig getrennt voneinander. Allfällige Störungen beim An­­­­­­lagenbetrieb werden direkt an den Bereitschaftsdienst des Laufkraftwerks übermittelt.

Anlagenleistung übertrifft Erwartungen
Nach einer Betriebsdauer von knapp fünf Monaten zeigte sich Projektleiter Stauß im Gespräch mit zek Hydro zufrieden mit dem Ergebnis des Anlagenzubaus beim Grenzkraftwerk Wyhlen. „Die Anlagen arbeiten seit der Inbetriebnahme wunschgemäß und zuverlässig. Die meiste Zeit können wir die Kraftwerke in einem Hauptbetriebspunkt betreiben, welcher die in der Planung errechnete durchschnittliche Leistung sogar um einige Kilowatt übersteigt. Bei hoher Wasserführung wird es uns außerdem möglich sein, noch mehr Wasser zu dotieren.“ Die mittlere Jahreserzeugung der beiden Kraftwerke liegt bei immerhin rund 1 Million kWh Strom, womit umgerechnet der Energieverbrauch von etwa 300 durchschnittlichen Haushalten abgedeckt wird. In Summe investierte Energiedienst rund 1,3 Millionen Euro in die Errichtung seiner neuen hocheffektiven  Dotierkraftwerke am Hoch­rhein.

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