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Flumser Traditionskraftwerk Röllbach trotz Corona-Restriktionen ans Netz gebracht9 min read

1. März 2021, Lesedauer: 6 min

Flumser Traditionskraftwerk Röllbach trotz Corona-Restriktionen ans Netz gebracht9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Inmitten des Ausbruchs der Corona-Krise konnte im Frühjahr in der St. Galler Gemeinde Flums die Inbetriebnahme des Kraftwerks Röllbach der Elektrizitätswerk Martin Zeller AG erfolgreich abgeschlossen werden.

Dank einer Vervielfachung der Ausbauwassermenge wurde die Engpassleistung des Ersatzneubaus im Vergleich zum auf 280 kW limitierten Altbestand um mehr als das Dreifache auf 895 kW gesteigert. Als Generalplaner des bewilligungsrechtlich aufwändigen Projekts fungierte das bewährte Schweizer Ingenieurbüro Hydro-Solar Water Engineering AG. Der Transport der duktilen Gussrohre, geliefert vom Vertriebsspezialisten APR (Schweiz) AG, entlang des insgesamt 1,2 km langen Kraftabstiegs erfolgte großteils auf dem Luftweg. Dabei wurde das von der Tiroler Rohre GmbH stammende Rohrmaterial direkt von einem Lastenhelikopter an die Monteure übergeben und in einem Zug schub- und zuggesichert verlegt. Die gesamte elektromechanische Ausstattung inklusive Leittechnik, dessen Herzstück eine Pelton-Turbine mit vier innenliegenden Düsen bildet, stammt vom Südtiroler Wasserkraftexperten Troyer AG.

In der Schweizer Gemeinde Flums in der Region Sarganserland blickt man heute auf eine fast 130-jährige Tradition der Wasserkraftnutzung zurück. Bereits 1892 wurde am südlich vom Ortskern verlaufenden Röllbach ein Kraftwerk zur Produktion von elektrischem Strom errichtet. Etwa Mitte der 1960er Jahre sorgte der spätere Betreiber Martin Zeller für eine beträchtliche Leistungssteigerung der Anlage, indem er eine höher gelegene Wasserfassung an einem neu geschaffenen Speicherbecken im Gebiet Röllsutt errichtete. An dem als naturnahen Weiher angelegten Speicher konnten bis zu 160 l/s zur Stromgewinnung ausgeleitet werden, in Kombination mit einem Bruttogefälle von 279 m schaffte die Pelton-Turbine in der Zentrale eine Engpassleistung von rund 280 kW. Martin Zellers Sohn, der auf denselben Vornamen getauft wurde, hat die Kraftwerkserweiterung in den 1960er Jahren direkt miterlebt: „Ich besuchte damals gerade die Sekundarstufe und durfte bei den Bauarbeiten während der schulfreien Zeit ein zum Rohrtransport eingesetztes Pferd auf die Baustelle führen. Was mein Vater damals vollbracht hat, war eine für heutige Verhältnisse unglaubliche Pionierleistung – er hat sowohl die Planung als auch die bauliche Ausführung des Projekts ohne Unterstützung eines Ingenieurbüros fast komplett in Eigenregie erledigt. Für die notwendigen Betonarbeiten und Felssprengungen zur Rohrverlegung wurde eine Baufirma engagiert. Die heute für ein derartiges Projekt von Seiten der Gesellschaft und den Behörden aufgestellten Hürden hat mein Vater damals nicht gekannt.“

Schwierige Konzessionierung
2009 startete die EW Martin Zeller AG, die als familiengeführtes E-Werk in Flums beheimatet ist, mit den Vorbereitungen zur anstehenden Konzessionsverlängerung der in die Jahre gekommenen Anlage. „Ursprünglich hatte man gar keine baulichen oder technischen Erneuerungen geplant. Der Antrag zur Konzessionsverlängerung stellte alles andere als ein leichtes Unterfangen dar“, erklären Martin Zeller jun. und sein Sohn Pascal. Der wesentliche Knackpunkt bestand in der von der Behörde geforderten Restwasserabgabe im Ausmaß von ganzjährig 50 l/s. Ein wirtschaftlicher Anlagenbetrieb aufgrund der damit einhergehenden Erzeugungsverluste wäre unter diesen Voraussetzungen nicht mehr möglich gewesen. Darüber hinaus gab es von mehreren Seiten Einsprachen gegen die Konzessionsverlängerung, die Umweltbehörde etwa forderte die Auflassung des Speicherbeckens. Nachdem die Rechtsstreitigkeiten bereits rund sechs Jahre in Anspruch genommen hatten, kam es im Jahr 2016 zur Kontaktaufnahme mit Markus Hintermann von der Hydro-Solar Water Engineering AG. Dies sollte sich für die Zellers als echter Glücksgriff erweisen. Das von Hintermann gegründete Ingenieurbüro kann nach fast 30-jähriger Tätigkeit im Kleinwasserkraftsektor auf mehr als 50 erfolgreich realisierte Projekte verweisen. Beim Konzessionsverfahren des Kraftwerks Röllbach brachte Hydro-Solar Schwung in die Sache, nachdem es mit der Generalplanung einer umfassenden Erneuerung des Altbestands beauftragt wurde. Ein wesentlicher Punkt des von Hydro-Solar 2017 eingereichten Konzessionsgesuchs bestand darin, die Wasserfassung komplett neu zu gestalten. Der bestehende Weiher konnte somit rückgebaut und das Gebiet renaturiert werden. Neben der Erfüllung der geforderten Restwasserdotation von 50 l/s sah das Konzept auch vor, die Ausbauwassermenge auf 400 l/s zu erhöhen, wodurch die Engpassleistung um ein Vielfaches gesteigert wird. In Kombination mit dem geförderten Stromtarif der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV), der den Betreibern von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid bereits 2016 bestätigt wurde, stand das Projekt somit auch in wirtschaftlicher Hinsicht auf sicheren Beinen.

Rohrverlegung mit Helikopter
Nach dem Erhalt der Konzessionsbewilligung im Juni 2018 ging es weiter mit dem Ausschreibungsverfahren, der eigentliche Baubeginn erfolgte im Sommer 2019. Gleich zum Projektstart konzentrierte man sich auf die von oben nach unten ausgeführte Rohrverlegung. Anstelle der vormals geschweißten Stahlleitung setzten die Betreiber beim Neubau auf duktile Gussrohre der Tiroler Rohre GmbH DN400/500. Mit ihren robusten Materialeigenschaften und der patentierten Kupplungstechnik (VRS-T-Systems) sind die zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial hergestellten Rohre perfekt für anspruchsvollste Bedingungen geeignet. Geliefert wurde das gesamte Rohrmaterial vom Vertriebsspezialisten APR (Schweiz) AG. Im Gegensatz zur alten, abschnittsweise oberirdisch ausgeführten Druckleitung wurde der neue Kraftabstieg mit Ausnahme von zwei Steilstufen komplett unterirdisch verlegt. Der fast durchgängig felsige Boden des rund 1,2 km langen Kraftabstiegs, der ein Bruttogefälle von 279 m überwindet, erforderte den Einsatz von Sprengmitteln entlang rund 80 Prozent der Rohrtrasse. Hydro-Solar-Projektleiter Roman Reiner verweist auf eine weitere Besonderheit in Sachen Druckrohrleitung: „Bis auf die beiden Steilstufen, bei denen die Rohre mithilfe von Lkw-Kränen eingebaut wurden, erfolgten der Rohrtransport und die Montage fast ausschließlich mittels Helikopterunterstützung. Das Prozedere gestaltete sich folgendermaßen: Entlang der Trassenführung wurden jeweils etwa 200 m lange Rohrgräben ausgehoben. Danach startete der Hubschraubereinsatz, bei dem die einzelnen Rohre vom Lagerplatz aus zur Einbaustelle geflogen und von den Monteuren direkt übernommen wurden. Der Transporthelikopter diente dabei gleichzeitig als Hebegerät, wodurch die Rohre nur einmal in die Hand genommen werden mussten. Das A und O war neben dem präzisen Piloten eine sehr genaue Vorbereitung, die Montage selbst gestaltete sich wie ein Boxenstopp in der Formel 1. Eine Rotation des Hubschraubers – also aufladen, hochfliegen, einbauen, runterfliegen zum Lagerplatz – dauerte nur etwa fünf Minuten. Danach konnte die Leitung mit dem Bagger zugeschüttet werden.“

Wasserfassung neu gestaltet
Sowohl die Rohrverlegung mit insgesamt fünf Hubschraubereinsätzen als auch die Betonarbeiten für die Errichtung der Zentrale und der Wasserfassung schritten laut Reiner zügig voran und konnten noch vor dem vergangenen Jahreswechsel wie geplant abgeschlossen werden. An jener Stelle, wo sich das alte Speicherbecken befand, wurde eine neue Wasserfassung errichtet, die mit einem selbstreinigenden „GRIZZLY“ Coanda-System vom Stahlwasserbauspezialisten Wild Metal GmbH ausgestattet wurde. Zusätzlich lieferten die Südtiroler die gesamten Absperr- und Regu­lierorgane für die Wehranlage. Die Dotier-, Entleerungs- und Einlaufschützen sowie der Grundablass wurden bewusst mit elektromechanischen Antrieben ausgestattet, womit die Wasserfassung ohne größeres Hydraulikaggregat und entsprechenden Verrohrungen auskommt. Lediglich die Rohrbruchklappe wurde mit einem kompakten Hydraulikaggregat versehen. Der obenauf befindliche Grobrechen des patentierten „GRIZZLY“-Coanda-­Systems schützt den Einlauf vor sperrigem Treibgut und Astwerk, das darunter liegende engmaschige Feinsieb sorgt dafür, dass auch die feinen Sedimente des Röllbach automatisch in die Restwasserstrecke gespült werden. Dank dieser mittlerweile im gesamten Alpenraum hundertfach bewährten Lösung von Wild Metal konnte auf den Bau eines separaten Entsanders verzichtet werden. Vor dem Beginn der Druckrohrleitung wurde ein kleines Kopfbecken errichtet, in dem sich die Messsonde der pegelgeregelten Turbine befindet. Für die digitale Kommunikation zwischen Wasserfassung und Zentrale sorgt ein Lichtwellenleiter, der gemeinsam mit dem Stromkabel in der Druckleitungstrasse verlegt wurde. Zur komfortablen visuellen Kontrolle der Wehranlage aus der Ferne dient eine frei dreh- und schwenkbare Videokamera. Als ökologische Ausgleichsmaßnahme wurde das Speicherbecken rückgebaut und in ein naturnahes Stillwasserbiotop mit Flachwasserzonen, Steinhaufen und Totholzbereichen verwandelt.

4-düsiges Kraftpaket aus Sterzing
Das ehemalige Betriebsgebäude des Altkraftwerks wurde komplett abgerissen, die neue Zentrale errichtete man wieder am selben Standort. Zur maschinellen Ausstattung ihrer Anlage setzten die Betreiber auf die Kompetenz der Südtiroler Troyer AG, welche im Zuge der Ausschreibung mit einem elektromechanischen Komplettpaket inklusive Leittechnik überzeugte. Als Herzstück des neuen Kraftwerks Röllbach lieferten die Sterzinger eine hocheffektive vertikale Pelton-Turbine mit vier innenliegenden Düsen, die sowohl im Voll- als auch im Teillastbetrieb höchste Wirkungsgrade garantiert. Bei vollem Wasserdargebot erreicht die Maschine eine Engpassleistung von 895 kW, womit die Maximalleistung im Vergleich zum Altbestand (280 kW) um mehr als das Dreifache gesteigert werden konnte. Ein direkt mit der Turbinenwelle gekoppelter Synchron-Generator der Marke Hitzinger kommt als Energiewandler zum Einsatz. Der auf eine Nennscheinleistung von 1.000 kVA ausgelegte Energiewandler dreht wie die Turbine mit exakt 1.000 U/min und wurde in luftgekühlter Ausführung gefertigt.
Die Signalverdrahtung der elektrotechnischen Ausstattung erledigte die EW Martin Zeller AG in Eigenregie. „Kann das gut gehen? Das war mein erster Gedanke, als ich erfahren habe, dass der Kunde die Verkabelung der Anlage selbst durchführen wollte. Allerdings war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, um wen es sich bei der EW Martin Zeller AG handelt bzw. welche Tätigkeiten diese ausführt“, bemerkt Martin Windisch, seines Zeichens Troyer AG-Projektleiter. Windisch ergänzt, dass Troyer sämtliche Pläne für die Schaltanlage des Kraftwerks und der Wasserfassung mit den dazugehörigen Kabellisten und der Klemmbelegung erstellte. Unter der Federführung von Martin Zeller sorgten die Flumser schließlich für die gesamte Verdrahtung der Leistungs- und Signalkabel sowie der LWL-Verbindung zwischen Krafthaus und Wehranlage. „Im Zuge der Trockenproben wurden lediglich noch die Sig­naltests gemeinsam durchgeführt. Dies erfolgte in einer dermaßen unkomplizierten und fachgerechten Art und Weise, wie wir es selber nicht hätten besser machen können – es ist gut gegangen!“, bestätigt Windisch. In Sachen E-Technik wurde ein neuer Transformator installiert, die bereits vor rund zehn Jahren erneuerte Mittelspannungsanlage blieb erhalten. Die Internet­anbindung des Kraftwerks wurde via Funk über das via 4G-Netz realisiert. Reiner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Übertragungsgeschwindigkeit mit dem kommenden 5G-Standard schneller als mit drahtgebundener Kommunikation erfolgen wird. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert die Stromproduktion der Anlage natürlich komplett automatisiert. Ein Leittechnik-PC im Krafthaus mit nutzerfreundlicher Visualisierung gibt den Bedienern optimale Übersicht über den aktuellen Anlagenstatus. Für die Überwachung aus der Ferne mittels Smartphone oder Tablet kommt eine von Troyer selbst entwickelte Web-App zum Einsatz, deren Benutzeroberfläche speziell für mobile Endgeräte optimiert wurde.

Inbetriebsetzung während Corona-Krise
Die Inbetriebsetzung der Anlage konnte im März glücklicherweise noch während der mit der Corona-Krise einhergehenden Beschränkungen erfolgreich abgeschlossen werden. „Nachdem sich gegen Mitte März abzeichnete, dass bald die Grenzen geschlossen werden, mussten wir ziemlich Gas geben. Damit die Techniker aus Südtirol weiterhin passieren konnten, mussten entsprechende Passiergenehmigungen zeitgerecht von den zuständigen Behörden eingeholt werden.“ In diesem Zusammenhang stellt Reiner den an der Projekt­umsetzung mitwirkenden Unternehmen ein positives Zeugnis aus: „Die ersten Betriebserfahrungen seit der Inbetriebnahme sind sehr zufriedenstellend, die Anlage hat von Beginn an sehr zuverlässig funktioniert. Wir hatten ausschließlich spezialisierte Fachfirmen am Werk, die wussten, was sie machen. Alle Beteiligten haben an einem Strang gezogen, wodurch das Projekt trotz des straffen Zeitplans alles in allem reibungslos und gut funktioniert hat.“ Im Regeljahr kann das neue Kraftwerk Röllbach ca. 2,65 GWh Ökoenergie erzeugen, der zur Gänze ins rund 900 Abonnenten umfassende Stromnetz der EW Martin Zeller AG eingespeist wird. Umgerechnet deckt die Anlage den Jahresstrombedarf von etwa 600 Durchschnittshaushalten.

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