Ökologie Projekte

Fürstliche Ökostrompremiere am obersteirischen Pischingbach in Kalwang6 min read

20. September 2021, Lesedauer: 4 min

Fürstliche Ökostrompremiere am obersteirischen Pischingbach in Kalwang6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Realisiert wurde die Ausleitungsanlage Pischingbach in der steirischen Gemeinde Kalwang von der Liechtenstein Energie GmbH & Co KG, die im Besitz der Stiftung Fürst Liechtenstein steht.

Für eine ganzjährig effektive Stromproduktion lieferte „Small Hydro“-Weltmarktführer ANDRITZ Hydro eine horizontale 3-düsige Pelton-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator. Damit erzeugt das neue Kraftwerk im Jahr rund 1,2 Gigawattstunden Ökostrom.

Die Stiftung Fürst Liechtenstein konnte in ihrem Jahresrückblick 2019 eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Geschäftsjahre ihrer Geschichte vermelden. In der Einleitung zur Jahresrückschau schreibt Stiftungsvorstand Constantin von Liechtenstein, dass der „Expansionskurs in den vier Kernbranchen ‚Agrarwirtschaft & Nahrungsmittel‘, ‚Forstwirtschaft‘, ‚Erneuerbare Energien‘ und ‚Immobilien‘“ sowohl bei den bestehenden Unternehmen als auch bei den Neuinvestitionen fortgesetzt werden konnte. Das Highlight im Geschäftsfeld      „Erneuerbare Energien“ stellte die Inbetriebnahme des Kleinwasserkraftwerks Pisching in der obersteirischen Gemeinde Kalwang dar. Insgesamt betreibt die Liechtenstein Energie GmbH & Co KG nun sechs Wasserkraftwerke auf dem ebenfalls im Stiftungsbesitz stehenden, etwa 13.000 Hektar umfassenden Forstgebiet Kalwang. Der Anlagenverbund produziert im Regeljahr rund 19 GWh Ökoenergie, womit umgerechnet der Jahresstrombedarf von ca. 5.000 Durchschnittshaushalten gedeckt wird.



Umfassende Sanierung statt Neubau
„Der Bau der ersten Kleinwasserkraftanlage am hydroelektrisch bislang ungenutzten Pischingbach wurde 2009 zu einer ersten Vorprüfung eingereicht“, erklärt Oberforstmeister Dipl.-Ing. Helmut Rinnhofer, seines Zeichens Geschäftsführer der Liechtenstein Energie GmbH & Co KG. Den wasserrechtlichen Bescheid zum Bau des nach dem Ausleitungsprinzip konzipierten Kraftwerks erteilte die zuständige ­Behörde im Jahr 2016. „Um eine Baugenehmigung zu erhalten, musste der Verlauf der zunächst neben dem Bach geplanten Druckrohrtrasse umgeändert werden. Dies resultierte in einer etwa 40 Prozent längeren Rohrleitung als ursprünglich geplant, und führte natürlich auch zu höheren Baukosten. Eine weitere wichtige Thematik im Genehmigungsverfahren war die Ausführung der obligatorischen Fischwanderhilfe an der Wehranlage“, sagt Rinnhofer und führt weiter aus, dass ein klassischer Beckenpass aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse und einer steilen Hanglage neben der Wasserfassung beträchtlichen Mehraufwand mit sich gebracht hätte. In Absprache mit der für die Generalplanung engagierten Pittino ZT-GmbH ­wurde für die Ausführung des Fischaufstiegs der Kontakt zum ebenfalls in Graz ansässigen Ingenieurbüro „flusslauf“ hergestellt. Dieses konzipierte die Pilotanlage eines mit 30 Prozent geneigten modifizierten Denil-Fisch­passes. Dabei handelt sich um die Neuentwicklung eines Fischpasses, dessen Urvariante schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde und eine der ältesten technischen Fischaufstiegshilfen darstellt. Die wesentlichen Vorteile dieses Systems liegen in einer kompakten Bauweise, damit einhergehenden niedrigen Baukosten sowie einer geringen Durchflussmenge.

1,6 km langer Kraftabstieg
Nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens, bei dem durchwegs bewährte Unternehmen aus der Bau- und Wasserkraftbranche beauftragt wurden, startete im April 2019 die Umsetzungsphase des Projekts. Zu Beginn der Bauarbeiten fokussierte man sich auf die von unten nach oben durchgeführte Verlegung der Druckrohrleitung und die Errichtung des Krafthauses. Rinnhofer merkt an, dass der Bau der Wasserfassung wegen einer naheliegenden Rotwildfütterung zeitlich etwas verzögert in Angriff genommen werden durfte. Für die Rohrverlegung wurde die Rumpf Bau GmbH aus Murau engagiert, die mit dem Projekt KW Pisching eine weitere Ausleitungsanlage ihrer umfangreichen Referenzliste hinzugefügt hat. „Wegen der Umänderung des Trassenverlaufs weist die insgesamt 1,6 km lange Druckleitung DN400 einen Hoch- und einen Tiefpunkt auf, was in weiterer Folge den Einbau einer Be- und Entlüftung bzw. einer Entleerung notwendig machte“, so Rinnhofer. Der Kraftabstieg besteht zur Gänze aus dem bekannt hochwertigen duktilen Gussmaterial der Tiroler Rohre GmbH (TRM), die im Sinne der nachhaltigen Unternehmensphilosophie zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial gefertigt werden. Aufgrund der anspruchsvollen geologischen Bodenbedingungen kam hier das anwendungsfreundliche und bewährte schub- und zugsichere Verbindungssystem VRS-T der TRM zum Einsatz. Bis auf die Unterquerung einer öffentlichen Straße verläuft die Rohrtrasse komplett auf dem Eigenbesitz des Forstbetriebs. Für die digitale Kommunikation zwischen Krafthaus und Wasserfassung und der Energieanbindung wurden gemeinsam mit der Druckrohrleitung auch ein Glasfaser- und ein Stromkabel mitverlegt.

Steirer liefern Stahlwasserbau
Die zentrale Wasserfassung zur Ausleitung des Gewässers wurde mit einem robusten Tiroler Wehr ausgestattet. Außerdem wird ein kleiner Seitenbach mit einem selbstreinigenden Coanda-Rechen gefasst und zu der in unmittelbarer Nähe befindlichen Wehranlage geleitet. Geliefert wurde der komplette Stahlwasserbau von der steirischen S.K.M. GmbH, deren Geschäftsführer Sepp Köhl als Betreiber eines eigenen Kraftwerks bestens über die An­sprüche von Wasserkraftanlagen im alpinen Raum Bescheid weiß. Der gesamte S.K.M.-­Lieferumfang bestand neben dem Tiroler-Rechen aus einer Wehrklappe, den Einlauf,- Spül- und Notschützen, einem vertikalen Feinrechen inklusive Rechenreinigungsmaschine und dem von der Südtiroler Wild ­Metal GmbH bezogenen Coanda-Rechen. Die vorgeschriebene Restwasserdotation von konstant 29 l/s dient zur Versorgung des auf der orographisch rechten Gewässerseite installierten Denil-Fischpass. Die Sedimente des Gebirgsbachs werden nach der Ausleitung in einem Entsanderbecken gesammelt und über einen Spülschütz wieder in die Restwasserstrecke zurückgegeben. Der Rechenreiniger in Teleskop-Ausführung, das Hydraulik­aggregat und ein E-Technik-Schaltschrank mit Touch-Panel wurden witterungsgeschützt in einem holzvertäfelten Wehrhaus untergebracht. Das vom Feinrechen entfernte Geschwemmsel fällt von der Putzharke des Rechenreinigers in eine Spülrinne und wird vor dem Beginn der Druckrohrleitung wieder in den Bach zurückgeschwemmt.

Kraftpaket von ANDRITZ Hydro
Das Maschinenhaus der Anlage wurde am Ende des Kraftabstiegs an eine Hanglage angeglichen. Für die Ausführung des elektromechanischen Komplettpakets im Inneren des Gebäudes sorgte der Kleinwasserkraft-­Weltmarktführer ANDRITZ Hydro. Als Herzstück des neuen Kraftwerks lieferte ANDRITZ eine 3-düsige Pelton-Turbine mit horizontaler Welle. Die pegelgeregelte Maschine wurde von den Konstrukteuren auf eine Bruttofallhöhe von 171,5 m und 225 l/s Maximaldurchfluss ausgelegt. Bei vollem Wasserdargebot erreicht die Maschine eine Engpassleistung von 316 kW, darüber hinaus ermöglichen die drei elektrisch geregelten Düsen ein optimales Teillastverhalten auch bei geringem Zufluss. Als Stromwandler kommt ein direkt mit der Turbinenwelle gekoppelter Synchron-Generator vom oberösterreichischen Hersteller Hitzinger zum Einsatz. Der wassergekühlte Schnellläufer dreht wie die Turbine mit 1.000 U/min und wurde auf eine Nennscheinleistung von 360 kVA ausgelegt. Komplettiert wurde der ANDRITZ-­Lieferumfang durch das Absperrorgan DN400 mit 350 kg schwerem Fallgewicht, ein Hydraulik-Miniaggregat und dem Generator-Kühlmodul inklusive Unterwasser-Wärmetauscher. Die elektro- und leittechnische Ausstattung des Kraftwerks lieferte die Murauer Stadtwerke GmbH. Dazu zählten unter anderem die SPS-Steuerung SIMATIC S7-1500 von Siemens für den vollautomatischen Anlagenbetrieb sowie die elektrotechnischen Komponenten und Schaltschränke im Krafthaus und der Wehranlage. Die Ableitung des erzeugten Stroms zu einer nahegelegenen Trafostation vom Netzbetreiber Energie Steiermark erfolgt via Erdkabel. Rinnhofer ergänzt, dass die Energieproduktion der Anlage für einen Zeitraum von 13 Jahren mit dem geförderten Ökostromtarif der OeMAG vergütet wird.

1,2 GWh Regelarbeitsvermögen
Die MGX Automation GmbH aus dem südsteirischen Leibnitz sorgte für die Integration der Anlagensteuerung an das zentrale Kraftwerks-Visualisierungssystem. „Diese übergeordnete Visualisierung wurde bereits vor einigen Jahren von MGX installiert und ermöglicht dem diensthabenden Benutzer in Sekundenschnelle einen Überblick über die wichtigsten Daten und Zustände aller angebundenen Kraftwerke. Darüber hinaus können am zentralen Visualisierungs-PC die Gesamtleistung über alle Kraftwerke abgerufen, Diensthabende ausgewählt und Bedienhandlungen durchgeführt werden, wie beispielsweise die Anlagen starten oder stoppen bzw. Alarmierungen quittieren“, erklärt MGX-Geschäftsführer Martin Grübler-Haselsteiner. Nach rund achtmonatiger Bauzeit konnte das erste Wasserkraftwerk am Pischingbach im Dezember 2019 den Probebetrieb aufnehmen. „Die Inbetriebnahme ist problemlos über die Bühne gegangen. Die Betriebserfahrungen seither sind sehr positiv, es hat sich gezeigt, dass die Maschine auch bei geringen Zuflüssen sehr gut regelbar ist. Trotz wenig Niederschlag im vergangenen Winter mussten wir die Anlage kein einziges Mal abstellen“, so Rinnhofer. Im Regeljahr wird das sechste Wasserkraftwerk der Liechtenstein Energie GmbH & Co KG rund 1,2 GWh Ökoenergie ins öffentliche Stromnetz einspeisen.

 

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