Griechisches Kraftwerk Rema Tsai setzt mit Ossberger-Turbine auf zuverlässige Technik5 min read
Lesedauer: 4 MinutenIm gebirgigen Norden Griechenlands in der Nähe der bulgarischen Grenze erzeugt seit dem Sommer 2023 das neu gebaute Kleinwasserkraftwerk Tsai saubere Energie. Konzipiert wurde die Anlage nach dem klassischen Ausleitungsprinzip, wobei das Triebwasser über eine ca. 2,2 km lange Druckrohrleitung zur Turbinierung ins Krafthaus gelangt. Bei der Auswahl der hydroelektrischen Ausstattung setzten die Betreiber auf die Kompetenz des süddeutschen Kleinwasserkraftspezialisten Ossberger. Dieser lieferte eine Durchström-Turbine mit über 1,3 Megawatt Engpassleistung, deren zuverlässige Technik bei mehr als 10.000 Wasserkraftwerken rund um den Globus zum Einsatz kommt. Dank der guten Kooperation mit den beteiligten griechischen Fachunternehmen konnte das Ökostromprojekt nach rund eineinhalb Jahren Bauzeit erfolgreich abgeschlossen werden.
Das neue Kleinwasserkraftwerk befindet sich in der Gemeinde Myki in der nördlichsten griechischen Region Ostmakedonien und Thrakien, wo durch die topographischen Bedingungen der Rhodopen-Gebirgsgruppe gute Voraussetzungen für die Stromerzeugung aus Wasserkraft herrschen. Bis der erste Spatenstich gesetzt werden konnte, sollte es allerdings einige Zeit dauern, erklärt Dimitrios Liousas, der Projektleiter des griechischen Planungsunternehmens ESTIA consulting & engineering S.A.: „Erste Konzepte für die Errichtung eines neuen Wasserkraftwerks wurden bereits zwischen den Jahren 2004 und 2005 angestellt, 2013 wurde dann die umweltrechtliche Genehmigung erteilt, 2014 folgte schließlich die Bewilligung für den Netzanschluss. Danach kam es allerdings zu einer großen Umplanung des Projekts, wobei sich unter anderem der Standort der Wasserfassung und der Verlauf der Druckrohrleitungstrasse änderten. Diese Änderungen erforderten ein neues umweltrechtliches Verfahren, das im Jahr 2020 positiv abgeschlossen wurde. Gleich nach dem Erhalt der Bewilligung wurde mit der Ausschreibung der Bau- und Techniklose begonnen, die Bauphase startete letztendlich im Herbst 2021.“
Neues Kraftwerk am Rema Tsai
Das Projektgebiet liegt am Gewässer Rema Tsai – auf Deutsch: Tee Bach – in den südlichen Ausläufern der griechischen Rhodopen. Erst im Jahr 2018 ging wenige Flusskilometer aufwärts ein anderes Kleinwasserkraftwerk mit 1,2 MW Leistungsvermögen erstmals in Betrieb. Die neueste Anlage am Rema Tsai wurde grundsätzlich als Ausleitungskraftwerk konzipiert, wobei durch den Höhenunterschied zwischen Wasserfassung und Maschinengebäude rund 75 m Bruttofallhöhe für die Stromerzeugung zur Verfügung stehen. Bei der Wasserfassung wurden die Betonarbeiten bewusst während der niederschlagsarmen Sommermonate durchgeführt, wobei entsprechende Wasserhaltungsmaßnahmen gesetzt wurden. Mit größeren baulichen Herausforderungen war man bei der Verlegung der rund 2,2 km langen Druckrohrleitung konfrontiert, die zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren hergestellt wurde. „Dort bereiteten die geologischen Bodenbedingungen an mehreren Bereichen der Rohrtrasse mehr Bauaufwand als erwartet. Trotz dieser zusätzlichen Hürden konnte das Projekt dank der guten Zusammenarbeit zwischen dem ausführenden Bauunternehmen ANEKA und dem Planungsbüro ESTIA in der geplanten Zeit abgeschlossen werden“, betont Dimitrios Liousas.
Turbine überzeugt mit Zuverlässigkeit
Das Herzstück des Maschinengebäudes bildet eine patentierte Ossberger-Turbine, die mit ihrer Auslegung auf 2.100 l/s Ausbauwassermenge bei vollem Zufluss knapp über 1,3 MW Engpassleistung erzielt. Ihre Stärken spielt die nach dem Turbinenentwickler Fritz Ossberger benannte Durchström-Turbine allerdings vor allem im Teillastbereich aus. So kann die Turbine konstruktionsbedingt auch bei geringer Zuströmung und schwankenden Wassermengen zuverlässig Energie liefern. Ermöglicht wird dies durch den 2-zelligen Aufbau der Turbine, wobei der kleineren Zelle bereits 5 Prozent der Auslegungswassermenge genügen, um die Maschine in Betrieb zu setzen. Das trommelförmige Laufrad ist bekannt für seine Unempfindlichkeit gegen Geschwemmsel, angespültes Treibgut wird durch die Rotation des Laufrads unkompliziert in den Unterwasserbereich weitergeleitet. Hersteller Ossberger, der weltweit mehr als 10.000 Wasserkraftwerke ausgestattet hat, erklärt das Erfolgsprinzip der Durchström-Turbinen mit der Konzentration auf das Wesentliche. So funktioniert die Turbine mit lediglich drei beweglichen Teilen und bietet bei minimalem Wartungsaufwand höchste technische Zuverlässigkeit. Laufzeiten von mehreren Jahrzehnten sind bei Ossberger-Turbinen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Komplettiert wird der Maschinensatz des Kraftwerks Rema Tsai durch einen Synchron-Generator mit 1.387 kVA Nennscheinleistung, der ohne zwischengeschaltetes Getriebe mit der Turbine gekoppelt ist. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert der Anlagenbetrieb vollautomatisch, wobei den Betreibern rund um die Uhr über eine gesicherte Online-Verbindung der Zugriff auf die Kraftwerkssteuerung ermöglicht wird. Das elektro- und regelungstechnische Equipment wurde über den Generalauftragnehmer ANEKA geliefert und stammt von griechischen Fachfirmen. So lieferte das im Kleinwasserkraftsektor versierte Unternehmen Marsa Services die Niederspannungsschaltanlagen sowie die Schaltanlagen für die Automatisierungssysteme. Der vom Kraftwerk erzeugte Strom wird zur Gänze ins öffentliche 20 kV-Netz eingespeist, wozu ein 1.600 kVA-Transformator zum Einsatz kommt.
Am Netz seit Sommer 2023
Nach einer Bauzeit von rund 1,5 Jahren hat das neue Kraftwerk am Rema Tsai im Sommer 2023 erstmals sauberen Strom produziert. Seit der Inbetriebnahme konnte die technische Infrastruktur von der Wasserfassung bis zur Durchström-Turbine im Maschinengebäude ihre Praxistauglichkeit konstant unter Beweis stellen. „Leider folgte nach der Fertigstellung ein von trockener Witterung geprägtes Jahr, weswegen die Stromproduktion unter den Erwartungen geblieben ist. Basierend auf den Langzeitprognosen für den Kraftwerksstandort sind wir allerdings guter Dinge, dass wir in der Zukunft ausreichend Strom erzeugen werden“, sagt Dimitrios Liousas.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 3/2024
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