Hippach saniert Wasserversorgungsanlage mit Erlösen aus Trinkwasserkraftwerken11 min read
Lesedauer: 7 MinutenKnapp 2,5 Millionen Euro hat die kleine Gemeinde Hippach im hinteren Zillertal in die Erneuerung ihrer Wasserversorgungsanlage investiert. Ein wirtschaftlicher Kraftakt, den man dank eines intelligenten Gesamtkonzeptes mustergültig bewerkstelligen konnte.
Den Schlüssel für den Projekterfolg fanden die Gemeindeverantwortlichen gemeinsam mit dem Ingenieurbüro AEP aus Schwaz in der Nutzung der kinetischen Energie ihres Trinkwassers, konkret in der Integration von fünf kleinen Trinkwasserkraftwerken. Zusammen erzeugen die Anlagen mehr als 1,1 GWh im Jahr. Mit dem Erlös ist gewährleistet, dass sich das gesamte Sanierungsprojekt inklusive der Trinkwasserkraftwerke in maximal 15 Jahren amortisiert hat. Rein rechnerisch kann mit dieser Erzeugungsmenge der Großteil der Haushalte in Hippach mit sauberem Strom versorgt werden. Im Spätherbst letzten Jahres wurde die neue Wasserversorgungsanlage feierlich eingeweiht.
An den Hochbehältern von Hippachs Wasserversorgungsanlage hatte der Zahn der Zeit genagt. Hauptverantwortlich dafür, dass sich die Bauwerke aus den 1970ern und 1980ern sanierungsbedürftig präsentierten, war das extrem weiche Wasser aus den Quellen oberhalb der kleinen Zillertaler Gemeinde. Dipl.-Ing. Anita Lendl vom Ingenieurbüro AEP, das von Anbeginn an in die Planung des Projektes eingebunden war, kennt die Hintergründe: „Das weiche Wasser, in Hippach mit einem Härtegrad von 3°dH, entzieht dem Beton der umgebenden Behälteroberfläche Mineralien. Dadurch sinkt der pH-Wert an der Oberfläche, und Bakterien können sich leichter ansiedeln. Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass die Oberflächen porös werden, was eine Reinigung erschwert hat. Außerdem war die notwendige Betondeckung der Bewehrung nicht mehr vorhanden, da bereits 1 bis 2 cm der Betonoberfläche stark korrodiert waren.“ Damit stand die Gemeinde Hippach vor einer veritablen Herausforderung: „Wir hatten Handlungsbedarf – und der zu erwartende Sanierungsaufwand war enorm“, erinnert sich Michael Sporer, der für die Gemeinde Hippach die Projektleitung übernommen hatte.
Projektumsetzung in zwei Jahren
2014 startete die AEP Planung und Beratung GmbH, die letztlich für alle Projektphasen verantwortlich zeichnete, mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie im Auftrag der Gemeinde. Schon in dieser frühen Projektphase floss die Idee ein, Trinkwasserkraftwerke in das Gesamtprojekt einzubinden, um damit dessen Wirtschaftlichkeit zu stärken. Ab März 2015 folgten Vorentwürfe und Systemplanungen, Anfang Oktober 2015 erging das wasser-, forst- und naturschutzrechtliche Einreichoperat an die Behörden. Im Juni 2016 erfolgte der Spatenstich für ein umfangreiches Bauvorhaben, das sich letztlich über zwei Saisonen erstrecken sollte. „Über mehrere Etappen hinweg wurden die insgesamt fünf Hochbehälter von Hochschwendberg bis Waldeck saniert. Zum Glück spielte das Wetter mit, die Wintersaison 2016/17 war kurz und verhältnismäßig mild. Somit blieben wir mit dem Bau optimal im Zeitplan“, erinnert sich Michael Sporer.
Behälter aus GFK
Das gesamte Sanierungsprojekt trägt dabei die Handschrift einer grundsoliden Planung, die Bewährtes mit Innovativem verbindet. So wurde etwa die alte Quellstube Aue durch einen in Fertigteilbauweise errichteten Behälter aus GFK ersetzt. Konkret handelt es sich dabei um ein modulares Kompaktbauwerk DN2500, das von der Firma Amiblu (vormals Hobas) individuell für die Projektbedingungen adaptiert wurde. Das Werkstoffmaterial besteht aus Glasfasern und duroplastischen Harzen (z.B. Vinylesterharz, Polyesterharz), wobei das Harz dem Produkt Chemikalienbeständigkeit verleiht und die Glasfasern für Festigkeit sorgen. Es gilt einerseits als dauerhaft und robust, anderseits punktet es natürlich durch die einfache Handhabung aufgrund des geringen Materialgewichts. „Mithilfe eines Krans ist es gelungen, den Behälter in relativ kurzer Zeit aufzustellen. Auch der Aufwand für die Baugrube und die Rollierung war nicht übermäßig“, erläutert Michael Sporer. In der neuen Quellstube Aue wurde eine UV-Anlage integriert. Außerdem verfügt sie über eine Trinkwasserpumpe, die im Notfall UV-behandeltes Wasser in den Hochbehälter Aue pumpt, um die Versorgung des hoch oben gelegenen Weilers sicherzustellen. Der Hochbehälter Aue wurde im Übrigen umgebaut und teilsaniert.
„Wasserglas“ gegen Karbonatisierung
Umfassende Sanierungsmaßnahmen wurden in der Folge an den vier, je 100 m3 fassenden Hochbehältern Grün, Perler, Greider und Tal vorgenommen – eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe: „Rückblickend betrachtet, war es die größte Herausforderung, die bestehenden Hochbehälter auf den Stand der Technik zu bringen und die Trinkwasserkraftwerke in die Bauwerke zu integrieren, um keine separaten Krafthäuser zu errichten“, erklärt die Projektleiterin von AEP, DI Anita Lendl. Dabei war ein zentraler Aspekt, dass die Schieberkammer von den Behälterkammern hermetisch abgetrennt werden sollten. Aus diesem Grund wurde jeweils eine Wandscheibe für den späteren Einbau eines Fensters aus Isolierglas aufbetoniert. Nach dem Aushärten wurde mittels Hochdruckwasserstrahlen 1 cm der Oberfläche von Boden und Wänden abgetragen. Anita Lendl: „Wir beschäftigen uns seit vielen Jahren mit der Sanierung und dem Neubau von Trinkwasserbehältern und legen dabei immer größtes Augenmerk auf die Abstimmung zwischen der chemischen Beschaffenheit des zu speichernden Trinkwassers und der Betonsorten sowie der Materialien für den Leitungsbau. Der eingesetzte Nassspritz-Mörtel mit anschließender Vergütung durch sogenanntes ‚Wasserglas‘, der auf die Boden- und Wandflächen aufgebracht wurde, kam aufgrund des sehr geringen Kunststoffanteils zum Einsatz, da somit die Besiedelung durch Bakterien größtmöglich verhindert wird. Durch die Vergütung mit Wasserglas, welches eine chemische Verbindung mit den obersten Zentimetern des Nassspritz-Mörtels eingeht, wirkt dies dem lösenden Angriff des weichen Wassers effektiv entgegen. Das Mittel garantiert als eine dauerhafte Wasserundurchlässigkeit in beide Richtungen und verhindert die Karbonatisierung, also die befürchtete Auslaugung durch das weiche Wasser.“ Für den hygienischen Austausch der Luft in den Wasserkammern wurde eine wassergekühlte Zwangsbelüftung zur Vermeidung von zusätzlichem Feuchtigkeitseintrag sowie ein Filtersystem zur Luftreinhaltung installiert. Gerade vom Bauablauf her brachte die Sanierung der Hochbehälter eine ganz spezielle Herausforderung mit sich: Es galt, während der gesamten zweijährigen Bauzeit die Trinkwasserversorgung aufrecht zu erhalten. „Das bedeutete, dass jeweils eine der beiden Wasserkammern in Betrieb bleiben musste, während die andere saniert wurde. Dafür brauchte es unter anderem einen provisorischen Anlagenbau, sowie eine provisorische, aber dennoch hermetisch dichte Abschottung der Wasserkammern gegeneinander“, führt Anita Lendl aus.
Rohrsystem aus duktilen Gussrohren
Zentrale Grundvoraussetzung für den Einbau der Trinkwasserkraftwerke in das Wasserversorgungssystem war, dass sämtliche Rohre dicht und vor allem druckfest waren. „Unsere Leitungen wurden im Vorfeld der Planungen eingehenden Druckprüfungen unterzogen und erwiesen sich – von zwei Ausnahmen abgesehen – in einwandfreiem und funktionellem Zustand. Die bestehende Leitung wurde aus duktilen Gussrohren TRM errichtet, was eine robuste und langlebige Lösung darstellt.
Neu verlegt musste zum Teil (435m) die Druckleitung zwischen dem HB Tal in den HB Waldeck werden, da es in diesen Behälter noch keine Druckleitungsverbindung gab. Zum Einsatz kamen dabei Gussrohre vom Fabrikat vonRoll. Zudem musste auch die Verbindungsleitung vom Hochbehälter Aue zur Quellstube Aue (390m) erneuert werden, in diesem Fall in PVC-Ausführung. In diesem Abschnitt hatten wir vor dem Umbau in einem Jahr sogar vier Rohrbrüche zu verzeichnen – da lag dringender Handlungsbedarf vor“, erzählt Michael Sporer. „In Summe erstreckt sich unser Leitungssystem nun über 5.670 m Länge.“
Partner mit Handschlagqualität
Das beachtliche Gefälle und die ausgezeichnete Schüttung der Quellen im Gemeindegebiet von Hippach stellten eine geradezu optimale Bedingung für die Trinkwasserkraftwerke dar. Über das gesamte Leitungssystem gesehen konnte eine Bruttofallhöhe von 700 m genutzt werden, die über das gesamte Jahr gegebene Konsenswassermenge von 21,8 l/s wird in den tiefer gelegenen Anlagen mittels der Greiderwaldquellen im HB Tal und HB Waldeck noch um 5-6 l aufgestockt. „Vor dem Neubau haben wir den Druck über sogenannte ‚Claytonventile‘ reguliert. Es war naheliegend, diese Energie nun über Trinkwasserkraftwerke zu nutzen“, argumentiert Michael Sporer. Gerade im Hinblick auf eine möglichst lange Lebensdauer der Anlagen, wollte man einen Partner mit großer Erfahrung und entsprechender Reputation. Man setzte auf die Firma Tschurtschenthaler aus dem Südtiroler Sexten, die gerade im Bau von Peltonturbinen für Trinkwasserkraftwerke eine beeindruckende Referenzliste vorweisen kann. Was die Qualität der Tschurtschenthaler-Turbinen ausmacht, lässt sich im Grund an drei Parametern festmachen: Innovation, Effizienz und Langlebigkeit. Durch modernste Laufraddesigns erreichen die Maschinen höchste Wirkungsgrade, dabei sind sie von Grund auf für den Einsatz über Jahrzehnte gebaut. „Bei der Firma Tschurtschenthaler hat man gleich eine tolle Motivation gespürt. Und man hat von Anfang an mit uns an einem Strang gezogen und auch jeden Liefertermin eingehalten“, lobt der Betreibervertreter der Gemeinde.
Maschinen mit 133 kW in Summe
Konkret wurden fünf Trinkwassermaschinen in den Hochbehältern Grün, Perler, Greider, Tal und Waldeck installiert. Es handelt sich um eindüsige Turbinen gleicher Bauart, aber unterschiedlicher Größe, die allesamt jeweils einen direkt gekoppelten Asynchrongenerator antreiben. Während die Turbinen der höhergelegenen Behälter Grün, Perler und Greider mit 12 kW, 18 kW und 21 kW die kleineren Anlagen darstellen, bringen es die beiden Anlagen im HB Tal mit 48 kW und dem HB Waldeck mit 34 kW dank größerer Fallhöhenstufen und dem zusätzlichen Konsenswasser aus den Greiderwaldquellen schon auf beachtliche Leistungen. In Summe erreichen alle fünf Trinkwasserkraftwerke eine Engpassleistung von 133 kW. „Man darf dabei ja nicht vergessen, dass wir das Wasser das ganze Jahr über zur Verfügung haben – und die Maschinen permanent arbeiten. Hinzu kommt, dass es sich um sehr sauberes Wasser ohne Schwebstoffe handelt, sodass die Turbinen auch keinerlei Abrasionsprozessen ausgesetzt sind“, freut sich Michael Sporer. Natürlich sind die Turbinen aus dem Hause Tschurtschenthaler voll trinkwassertauglich konzipiert. Sämtliche wasserführenden Teile sind in Edelstahl ausgeführt, dank servoelektrischer Steuerungen kann auch kein Öl ins Trinkwassersystem gelangen. Falls es zu einem unerwarteten oder auch zu einem geplanten Stillstand der Turbinen kommt, wird das Wasser über einen Bypass weitergeleitet, wobei im Bypass eine Lochplatte für die Energievernichtung sorgt. Zwar nehmen die Trinkwasserkraftwerke einen wichtigen Stellenwert ein, doch die Versorgung mit Trinkwasser hat eben stets höchste Priorität.
Modernes EMSR-System unverzichtbar
Mit der Installation der Trinkwasserkraftwerke stellten sich natürlich auch die Fragen nach der Stromableitung, den Stromanbindungen, sowie letztlich auch nach Kommunikationsleitungen. Michael Sporer: „Die Stromversorgung wurde komplett erneuert, die Ableitung aus den Trinkwasserkraftwerken ins Netz der TINETZ stellte kein Problem dar. Aber für uns war natürlich auch wichtig, dass wir im Hinblick auf eine moderne Steuerung auch Lichtwellenleiterverbindungen herstellen. Zum Glück waren unsere Vorgänger in der Gemeinde in den 1980er Jahren bei der Rohrverlegung schon sehr weitsichtig und haben damals eine Leerverrohrung DN100 angelegt. Über diese haben wir nun die Lichtwellenleiter eingezogen. Aktuell läuft unsere Steuerung zwar noch über die bestehende GSM-Verbindung, doch sie soll in nächster Zeit auf Glasfaser umgestellt werden.“ Hinzu kam noch ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt: „Wir haben nun für unsere Bewohner in höher gelegenen Weilern bis auf 1.500 m Höhe Breitband-Internet realisiert. Das ist durchaus ein Standortvorteil“, ist Sporer überzeugt.Eine schnelle Datenverbindung stellt eine zentrale Voraussetzung für ein modernes Steuerungs- und Leitsystem dar, das vom niederösterreichischen Branchenspezialisten Schubert Elektroanlagen umgesetzt wurde. „Dabei war uns wichtig, dass wir zwischen Energieerzeugung und Wasserversorgung nicht trennen wollten, um Schnittstellenprobleme zu vermeiden. Insofern war die Firma Schubert auch der ideale Partner, weil sie sowohl die Kompetenz aus der kommunalen Wasserversorgung als auch aus der Wasserkraft mitbringt. Letztlich hat sie für uns ein effizientes und anwenderfreundliches EMSR-System realisiert, das alle Stücke spielt“, so Michael Sporer. Heute haben die Wassermeister der Gemeinde die Pegelstände in den Behältern jederzeit im Blick, egal ob am Handy, am Tablet, oder in der Leitwarte der Gemeinde. Selbstverständlich kann nicht nur fernüberwacht, sondern auch ferngesteuert werden, ein ausgereiftes Alarmsystem ist selbstverständlich.
Projekt finanziert sich von selbst
„Unser neues Anlagenkonzept vereint mehrere Vorteile in sich. Ein wesentlicher ist, dass wir damit die Wasserqualität verbessern konnten. Früher verblieb das Wasser bei geringem Verbrauch oft lange in den Behältern, was die Bakterienbildung begünstigt. Bedingt durch den permanenten Durchfluss der Konsenswassermenge von 22 l/s gehören die langen Verweilzeiten nun der Vergangenheit an. Die UV-Anlage benötigen wir also nur mehr aus Sicherheitsgründen“, erklärt Michael Sporer.
Der entscheidende wirtschaftliche Vorteil resultiert allerdings aus dem Einsatz der Trinkwasserkraftwerke. Immerhin erzeugen die fünf Anlagen zusammen im Jahr rund 1,1 GWh Ökostrom, der über einen Zeitraum von 13 Jahren über das Ökostromtariffördermodell der ÖMAG abgegolten wird. „Die Kraftwerke alleine hätten sich schon in 5 bis 6 Jahren refinanziert. Rechnet man auf die gesamte Investitionssumme von rund 2,4 Millionen Euro, gehen wir davon aus, dass sich das gesamte Projekt inkl. Förderungen innerhalb von maximal 15 Jahren amortisiert“, so der Gemeindevertreter. Immerhin, über 100.000 Euro spülen die fünf Trinkwassermaschinen alljährlich in die Haushaltskasse der Gemeinde Hippach.
Symbol gelebter Nachhaltigkeit
Auch im Hinblick auf die nachhaltige Ausrichtung der Gemeinde und den Klimaschutz spielt die hydroelektrische Nutzung des Trinkwassers eine wichtige Rolle. Etwas mehr als 400 Haushalte gibt es in der kleinen Tourismusgemeinde im Zillertal, wobei rechnerisch rund 350 davon mit sauberem Strom aus dem Trinkwasserkraftwerks-Ensemble versorgt werden könnten. Das entspricht einer CO2-Ersparnis von rund 930 Tonnen im Jahr. Damit trägt die kleine Gemeinde auch ein nicht unwesentliches Scherflein zur Erreichung der Tiroler Klimaziele bei. Anfang November letzten Jahres wurde die nagelneue Trinkwasserversorgungsanlage im Rahmen einer feierlichen Einweihung eröffnet. Bei dieser Gelegenheit konnten sich auch die Bewohner der Gemeinde ein Bild von ihrem Trinkwasserversorgungssystem machen, das nicht nur zukunftsfit gemacht, sondern tatsächlich als wertvolle Infrastruktur für kommende Generationen realisiert wurde. Für Michael Sporer ein perfekter Abschluss, der unter Umständen auch Lust auf mehr gemacht hat: „Mit dem Hochbehälter im Ortsteil Laimach verfügen wir noch über eine weitere WVA, bei der die Leitungen und die Quellfassungen zu erneuern wären. Hier liegt eine nutzbare Fallhöhe von 700 m vor. Unter Umständen könnten wir in absehbarer Zeit also noch ein interessantes Trinkwasserkraftwerk realisieren.“
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