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Imposantes Sperrenkraftwerk erfolgreich in eine neue Ära geführt10 min read

23. Oktober 2023, Lesedauer: 7 min

Imposantes Sperrenkraftwerk erfolgreich in eine neue Ära geführt10 min read

Lesedauer: 7 Minuten

So spektakulär die Einbausituation des Kraftwerks Rettenstein in der gewaltigen Wildbachsperre an der Wagrainer Ache in St. Johann im Pongau auch wirkt, so dürftig war über viele Jahre hinweg seine Stromausbeute. Kurzum: Es arbeitete suboptimal. Im Vorjahr nahm der bekannte Planer Dipl.-Ing. Thomas Grimmer, der diese Anlage 2018 erworben hatte, einen umfassenden Umbau vor. Ohne Änderungen der Konzessionsdaten, alleine durch Adaptierung der Fassung, einer besseren Ausnutzung des Gefälles, einem Wechsel der elektromechanischen Ausrüstung und der Integration einer modernen Steuerung gelang es, die Leistung um gut 80 Prozent zu erhöhen. Das zuvor nur schwer zu betreibende Kleinkraftwerk liefert heute im Regeljahr rund 1 Million Kilowattstunden. Dank der Kunstinstallationen im Krafthaus hat die Anlage auch einen interessanten ästhetischen Mehrwert zu bieten.

Kraftwerk Rettenstein
Das Kraftwerk Rettenstein, dessen Triebwasser direkt aus einer Wildbachsperre an der Wagrainer Ache ausgeleitet wird, wurde im Sommer letzten Jahres technisch wieder in Schuss gebracht.
© Eschbacher

Die Wasserkraftnutzung entlang der Wagrainer Ache in St. Johann im Pongau hat eine lange, bewegte Geschichte hinter sich. Auf die Schmieden, Sägewerke und Mühlen folgten Anfang des 20. Jahrhunderts die Wasserkraftwerke, die erstmalig Elektrizität erzeugten. Darunter ein Kraftwerk, das 1906 errichtet wurde und damals für viel Aufregung gesorgt haben muss, wie Planer, Eigentümer und Betreiber Dipl.­-Ing. Thomas Grimmer erzählt: „Aus alten Überlieferungen wissen wir heute, dass man damals keine große Freude mit dem geplanten Kraftwerk hatte, da sich der Betreiber für eine Wechselstromanlage entschieden hatte. Zu dieser Zeit war noch Gleichstrom das Maß der Dinge – und dies dürfte der Grund gewesen sein, warum man diese Anlage so weit hinten in den Graben der damals noch ausgesprochen wilden Wagrainer Ache verbannt hatte.“ Dass es danach sehr wohl Akzeptanz finden sollte, legt die Tatsache nahe, dass es in den folgenden Jahrzehnten vom oberösterreichischen Energieversorger OKA, dem Vorgänger­unternehmen der heutigen Energie AG, betrieben wurde. Genau genommen bis in die 1980er Jahren, als die Anlage von einem lokalen, privaten Wasserkraft-Enthusiasten zum symbolischen Preis von 1 Schilling erworben wurde. Doch der konnte sich nicht allzu lange daran erfreuen. Denn in den Folgejahren wurden die großen Wildbach- und Lawinensperren gebaut, um die Infrastruktur darunter und vor allem auch oberhalb der Hänge zu sichern. Die Sperren verliehen den gefährlich abrutschenden Hängen endlich die gewünschte Stabilität. Allerdings war mit dem Sperrenbau auch ein Wermutstropfen verbunden: Das historische Kraftwerk ging verloren.

Kraftwerk Rettenstein
Archivaufnahme des Ursprungskraftwerks, das 1906 gebaut wurde und das im Zuge der Errichtung der Wildbachsperren in den frühen 1990er Jahren aufgegeben und komplett überschüttet wurde.
© Archiv OKA

Altes Kraftwerk wird zugeschüttet
„Mit Aushubmaterial aus dem zu dieser Zeit erfolgten Tunnelbau in der Nachbargemeinde Schwarzach wurde der Graben abschnittsweise um bis zu 50 m aufgefüllt. Damit wurde im Zuge des Sperrenbaus das alte Kraftwerk tatsächlich zugeschüttet. Der Besitzer stimmte dem unter der Bedingung zu, dass er als Kompensation ein Kleinkraftwerk betreiben durfte, das an einer der eben errichteten Sperren gebaut worden war. Doch das Kraftwerk wies einige Mängel auf“, lässt Thomas Grimmer die Geschichte Revue passieren. Für ihn steht fest, dass bei Planung und Bau einiges schiefgelaufen ist: „Warum man die Anlage überhaupt auf die orografisch linke Bachseite gelegt hat, erschließt sich mir bis heute nicht. Das brachte weder hydraulisch einen Vorteil noch wirtschaftlich. Schließlich musste dafür eine eigene Brücke über die Wagrainer Ache gebaut werden. Hinzu kommt, dass es keinen Grund­ablass gab und die ganze Wasserfassung ­äußerst schlecht funktionierte.“ Entsprechend mau stellte sich die Performance der Anlage in den letzten Jahren dar. „Die Wagrainer Ache ist ein extrem stark geschiebeführendes Gewässer. In so einem Fall ist ein funktionierendes Geschiebemanagement natürlich das Um und Auf. Vor dem Umbau war man nicht nur nach Hochwässern, sondern quasi nach jedem Spülvorgang dazu gezwungen, die verwinkelte Spülrinne, die durch die breite Sperrenmauer führt, manuell auszuräumen. Das ist nicht nur zeitaufwändig und mühsam, sondern kostet letztlich auch Geld, wenn man in dieser Zeit nichts produzieren kann“, so Thomas Grimmer. Doch der Planer und jetzige Betreiber sah nicht nur die Probleme, sondern auch das Potenzial der Anlage.

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Fassung quasi dysfunktional
„2018 habe ich gemeinsam mit einem Partner aus dem Pongau das Kraftwerk gekauft. Dieser ist allerdings 2021 ausgestiegen. Daraufhin habe ich mit den Plänen für den Umbau begonnen“, erinnert sich Grimmer. In den drei Jahren habe er die Anlage natürlich gut kennengelernt und dabei festgestellt, dass mit den vorliegenden Mängeln keine wirtschaftliche und moderne Wasserkraftnutzung möglich sei. „Die Stahlrohre in der Talsperre waren noch gut erhalten. Aber die Fassung selbst stellte sich zuletzt als komplett marode dar, sie war quasi dysfunktional. Teile des Betons waren bereits unterspült. Der ursprüngliche Tiroler Rechen an der Fassung war auch zu flach angeordnet, sodass immer wieder viel Schotter und Sand in den Triebwasserweg gespült wurde, sodass sich der verwinkelte Zulaufkanal binnen Minuten verlegte. Auch dieser musste danach wieder händisch freigelegt werden.“ Ein weiterer gravierender Mangel der Anlage war ihre Steuerbarkeit. Nicht weniger als vier unterschiedliche Steuerungen waren bis vor dem Umbau hier installiert. Dazu der erfahrene Wasserkraftplaner: „Steuerungskomponenten von vier unterschiedlichen Herstellern bei einer Anlage, die kaum über eine Engpassleistung von 120 Kilowatt hinausgekommen ist: Das sagt eigentlich alles aus. Außerdem kommunizierten diese höchst dürftig miteinander.“

Kraftwerk Rettenstein
Wie aus der Drohnenperspektive zu erkennen ist, wird am Krafthausdach PV-Strom erzeugt. Die Leistung von 28 kWp reicht für den Eigenbedarf.
© Eschbacher

Umbau in sechs Monaten
Im August 2022 machte sich Thomas Grimmer mit seinen Partnern – der Firma Voith Hydro für den elektromechanischen Bereich, die Firma Wild Metal für den Stahlwasserbau, die Firma Schubert CleanTech für die Steuerung, die Firma Spiluttini Bau für die Bauarbeiten und die Firma Grabner Stahl- und Maschinenbau sowie die Fa. Metallbau Pointner für die Metallarbeiten und viele lokale Fachfirmen – an den Umbau der Anlage. Die Pläne dazu, die der routinierte Planer im Frühling desselben Jahres eingereicht hatte, beschränkten sich im Wesentlichen auf den Maschinentausch und die Erneuerung der Rechenanlage an der Wasserfassung. Da auf diese Weise keinerlei Änderungen an der Konzessionswassermenge angedacht war, gab es für den Umbau auch schnell grünes Licht von Seiten der Behörden. In weniger als 6 Monaten sollte es dem Betreiber gelingen, das Gros der Umbauarbeiten abzuschließen.

Kraftwerk Rettenstein
Der neue Tiroler Rechen der Fa. Wild Metal mit vier Wehrfeldern ermöglicht heute einen effektiven Triebwassereinzug und ein optimales Sedimentmanagement.
© Eschbacher

Angepasste Rechenanlage
„Ich habe mich mit dem erfahrenen Südtiroler Stahlwasserbauspezialisten Markus Wild von Wild Metal zusammengesetzt, der ein optimales Konzept für ein funktionales Rechensystem für die Wasserfassung sowie einen neuen Grundablass vorlegen konnte“, erzählt der Betreiber. Eingebaut wurde nun ein beweglicher Tiroler Rechen mit einem Spaltmaß von 15 mm – im Vergleich dazu wies der alte ein Spaltmaß von 25 mm auf. Die Rechenanlage ist in vier Felder aufgeteilt, wobei jedes einzeln be­dien- und steuerbar ist. Der Gegenrechen ist an einem Drehpunkt gelagert und wird durch einen Hydraulikzylinder zwischen die Stäbe des Hauptrechens gedrückt, wodurch dieser gereinigt wird. Dank des geringeren Spaltmaßes fällt heute, nach dem erfolgten Umbau, deutlich weniger Sediment in den Entsander. Dort wurde nun auch eine Schottermessung installiert. Sobald diese anschlägt, wird der Entsander durchgespült. „Die Firma Wild Metal hat auch eine neue Hydraulikanlage installiert und rund 420 m Hydraulikleitungen an der Wasserfassung verlegt. Damit werden heute zwei Entsanderschieber, die zwei Grundablassschieber, die hydraulische Rechenreinigung der vier Rechenfelder sowie zusätzlich der alte Feinrechen vor dem Einlauf in die Druckrohrleitung angetrieben“, erklärt Thomas Grimmer. Die Einhausung über dem Altbestand des Rechenreinigers wurde von den Firmen Pointner bzw. Grabner Stahl- und Maschinenbau mustergültig in Stahl-Modularbauweise umgesetzt. Das Team von Grabner hat zudem eine neue solide Treppe aus Stahl an der Sperrenmauer errichtet, in der wir die erforderlichen Steuerkabel verlegen konnten.

Kraftwerk Rettenstein
Mit der neuen Kaplan-Spiral-Turbine von Voith Hydro ließ sich eine Leistungssteigerung von rund 80 Prozent erzielen.
© Eschbacher

Umfassender Maschinentausch
Die zweite Säule des Projekts betraf den elektromechanischen Umbau, nur wenige Meter entfernt im Maschinenhaus im Schatten der Sperrenmauer. „Die installierte Durchströmturbine war grundsätzlich noch in einem guten Zustand. Aber durch eine doppeltregulierte Kaplan-Turbine sollte sich an dem Standort mehr herausholen lassen. Vor allem weil man damit die die bisherigen Triebwasserrückgabeverluste vermied und sich somit ein unterwasserseitiger Fallhöhengewinn von immerhin gut 2,5 m lukrieren ließ“, erklärt der Planer. Vom Bauteam der Firma Spiluttini wurde die bestehende Durchströmturbine samt Getriebe und Generator ab dem Flansch nach der Mauerdurchführung ausgebaut und in der Folge der Ausschnitt in der Betondecke des Krafthauses hin zum Unterwasser hergestellt. In weiterer Folge wurde das neue Turbinengehäuse an die ebenfalls neue Zuführleitung angeschlossen. Konkret setzte Thomas Grimmer bei seiner Turbine auf eine horizontale doppeltgeregelte Kaplan-Spiralturbine von Voith Hydro. Ausgelegt auf 2.000 l/s und eine Fallhöhe von 12,5 m bringt die Turbine eine Nennleistung von 225 kW. Die leistungsstarke Turbine treibt einen Synchrongenerator vom Fabrikat Hitzinger mit 300 kVA an. Das an den Turbinenauslauf anschließende Saugrohr wurde circa. 5 m unterhalb der bestehenden Triebwasserrückführung eingebaut und analog zur alten Rückführung in Beton ausgeführt.

Schwieriges Sedimentmanagement
Die dritte und letzte tragende Säule des Umbauprojekts stellte die neue elektro- und leittechnische Modernisierung des Kraftwerks dar. Diese wurde in bewährter Manier von der Firma Schubert CleanTech aus dem niederösterreichischen Ober-Grafendorf umgesetzt. Gerade einem voll autarken Sedimentmanagement kam dabei zentrale Bedeutung zu, wie der Projektleiter von Schubert CleanTech, Benjamin Wagner betont: „Ermöglicht wurde das durch den Einsatz von Schottermessungen in Kombination mit Spülungen durch die Entsanderschieber. Durch die eigens für dieses Projekt programmierte Gesamtspülung kann die gesamte Anlage mit einem Mausklick gespült werden.“ Betreiber Thomas Grimmer ergänzt: „Im Rahmen des Probebetriebs hat das Team von Schubert das gesamte Spül- und Entsandungsmanagement optimiert und an die Gegebenheiten angepasst. Das war speziell an diesem Standort keineswegs einfach, hat am Ende aber sehr gut funktioniert. Heute läuft die Anlage, die zuvor kaum steuerbar war auch automatisierungs- und leittechnisch auf dem neuesten Stand der Wasserkrafttechnik.“ Von seiner Betriebsweise her änderte sich nichts für das Kraftwerk Rettenstein. Wie schon zuvor wird es weiterhin als Volleinspeiser betrieben, der den produzierten Strom an die bestehende Trafostation der Salzburg Netz GmbH liefert. In Summe werden das im Regeljahr rund 1 Mio. Kilowattstunden sein, wie der Betreiber betont. Somit konnte die Effizienz der Anlage beachtlich gesteigert werden.

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Moderne Kunst im Maschinenhaus
Letztlich sollte auch das Krafthaus saniert, sandgestrahlt und optisch wieder auf Hochglanz gebracht werden. Und diese Optimierung sollte nicht aufs Äußere beschränkt bleiben. „Der Grund warum damals das Krafthaus so groß geplant worden war, lag darin, dass der Betreiber die historische Technik aus dem alten OKA-Kraftwerk ausstellen wollte. Und diesen Gedanken habe ich aufgegriffen und weitergesponnen. Die nun ausgestellten Bilder stammen von Markus Habersatter, einem Schüler von Hermann Nitsch, dessen abstrakte Kunst den Betonwänden eine neue Dynamik und dem ganzen Maschinenhaus eine eigene Charakteristik verleihen“, erklärt der Planer. Generell wurde die Halle mit viel Charme und einer mutigen Verbindung von Altem und Neuem zu einer ganz speziellen Leitstelle gestaltet, von der aus der Betreiber seine Anlage kontrolliert und gegebenenfalls steuernd eingreift. Mit der erfolgreichen Adaptierung des Kraftwerks Rettenstein hat der Planer und Kraftwerksbetreiber allerdings erst den ersten Grundstein für eine geplante kleine Kraftwerkskette an der Wagrainer Ache gelegt. Sowohl an einer Sperre oberhalb als auch einer unterhalb ist noch je ein weiteres Kleinkraftwerk mit zum Teil größerer Erzeugungskapazität geplant. Deren Umsetzung soll Schritt für Schritt in den nächsten Jahren erfolgen.

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