Kärntner Kettenspezialist vervielfacht Leistungskapazität mit Kraftwerkserneuerung8 min read
Lesedauer: 6 MinutenMit dem Neubau des firmeneigenen Wasserkraftwerks hat der Kettenhersteller pewag in der Kärntner Gemeinde Brückl im Görtschitztal ein erhebliches Leistungsplus erzielt. Das über 115 Jahre alte Bestandskraftwerk mit seiner Francis-Turbine wurde durch eine komplett neue Anlage mit zwei Durchström-Turbinen ersetzt. Die beiden identisch konstruierten Maschinen schaffen nun dank erhöhter Ausbauwassermenge eine gemeinsame Engpassleistung von 355 kW – dies übertrifft das Leistungsvermögen der Altanlage um mehr als das Dreifache. Darüber hinaus überzeugen die vom Osttiroler Kleinwasserkraftallrounder Maschinenbau Unterlercher GmbH gefertigten Turbinen konstruktionsbedingt in einem breiten Teillastspektrum. Gemeinsam mit der großflächigen Photovoltaik-Anlage am Firmengelände, die bald erweitert wird, und dem neuen Wasserkraftwerk kann der Traditionsbetrieb zukünftig 85 Prozent seines Eigenbedarfs aus erneuerbaren Quellen abdecken.
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Die Wurzeln der pewag group, die zu den weltweit führenden Kettenherstellern zählt, befinden sich im beschaulichen Kärntner Görtschitztal in der Gemeinde Brückl und reichen mehrere Jahrhunderte zurück. Noch heute ist die pewag mit dem Kettenwerk Brückl an jenem Standort ansässig, an dem im Jahr 1479 die erste urkundliche Erwähnung eines Schmiedewerkes belegt ist. Von dort ausgehend entwickelte sich eine global aktive Unternehmensgruppe mit rund 1.000 Mitarbeitern, deren Portfolio von Schneeketten über die Anschlag- und Fördertechnik, Reifenschutz und Hebezeug bis hin zu Heimwerker-Lösungen reicht. Beim Kettenwerk in Brückl, einem der wichtigsten Arbeitgeber in der Region, ist man vor allem auf die Herstellung von Schneeketten spezialisiert und nutzt für die energieintensive Produktion traditionell die Kraft des Wassers. Geschäftsführer Hubert Schemitsch bekräftigt die wichtige Rolle erneuerbarer Ressourcen bei der pewag in Brückl: „Seit 2021 wurden auf den Werkshallen und Freiflächen Photovoltaik-Paneele mit rund 1.000 Kilowatt peak Leistung installiert. Hinzu kommt unser kürzlich vollständig erneuertes Wasserkraftwerk, das 1905 erstmals in Betrieb genommen wurde.“
Kompletterneuerung für Traditionsanlage
Laut pewag Projektmanager Christoph Götzhaber war die Erneuerung des Kraftwerks in erster Linie durch den Zustand bzw. das Alter der technischen Infrastruktur begründet: „Die Francis-Turbine haben wir selbst mit zusätzlichen Sensoren bestückt, außerdem wurde der zuvor manuell zu bedienende Öldruckregler in Eigenregie automatisiert. Dennoch kam es immer wieder zu unterschiedlichen Störungen, die Betriebsunterbrechungen und Produktionsausfälle zur Folge hatten und keinen rentablen Betrieb mehr ermöglichten.“ 2019 wurde beim Klagenfurter Ingenieurbüro Geos Consulting ZT-GmbH eine Machbarkeitsstudie zur Erneuerung der Anlage in Auftrag gegeben, bei der drei grundsätzliche Varianten ausgearbeitet wurden: „Die erste Variante mit der größtmöglichen Leistungssteigerung bestand aus einem kompletten Neubau inklusive der Verlegung der Wehranlage rund 1 km bachaufwärts für einen Zuwachs an Fallhöhe. Eine Realisierung war durch die Weigerung der angrenzenden Landwirte, die ihre Grundstücke nicht für die Verlegung der Druckrohrleitung freigaben, leider nicht möglich. Variante 2 hätte mit einer Erneuerung der Technik ohne größere Umbauten letztendlich die unwirtschaftlichste Option dargestellt. Beschlossen wurde schließlich die dritte Variante mit der Errichtung eines neuen Maschinengebäudes am Rand des Werksgeländes und der Erneuerung der Wasserfassung am angestammten Standort. Der zuvor oberirdisch ausgeführte Werkskanal sollte durch eine komplett unterirdisch verlegte Druckrohrleitung ersetzt und nicht zuletzt auch die Ausbauwassermenge erhöht werden.“
Deutlich mehr Dotation gefordert
Die vormals auf 3,2 m³/s limitierte Ausbauwassermenge wurde im Zuge der Wasserrechtsverhandlung auf 5,2 m³/s erhöht. Damit einher ging allerdings auch eine deutliche Erhöhung der vorgeschriebenen Restwasserabgabe in die Görtschitz. Die vormals in Abhängigkeit vom Zufluss zwischen Minimum 600 l/s und Maximum 1.100 l/s festgelegte Restwassermenge liegt nun bei konstant 1.100 l/s und bewegt sich dynamisch bis zu 1.600 l/s. Geschäftsführer Hubert Schemitsch bedauert diese Erhöhung: „Ich würde mir hinsichtlich des Restwassermanagements generell einen besseren Konsens zwischen Betreibern und Umweltschützern wünschen. Im Falle unserer Anlage liegt der potentielle Produktionsentgang durch die Restwassererhöhung bei ca. 20 Prozent.“ Die Umsetzungsphase des Projekts startete schließlich im August des Vorjahres. Projektleiter Götzhaber lässt nicht unerwähnt, dass der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle spielte: „Im Zuge der Corona-Krise wurde zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft seitens der Bundesregierung die sogenannte AWS-Förderung ins Leben gerufen. Projekte aus dem Bereich der Erneuerbaren Energie wurden dabei mit 14 Prozent der Investitionskosten unterstützt, sofern diese Anlagen bis zum Stichtag 28. Februar 2023 erstmals ins Netz eingespeist haben. Eile war bei der baulichen Umsetzung also geboten.“
Kompletterneuerung für Traditionsanlage
Um den knappen Zeitplan einhalten zu können wurde prinzipiell an drei Baustellen gleichzeitig gearbeitet – beim neuen Standort des Maschinengebäudes, an der Wasserfassung und an der Verlegung der neuen Druckrohrleitung. An der Wasserfassung konnte für die Wasserhaltungsmaßnahmen die bereits 2014 in naturnaher Ausführung gestaltete Fischaufstiegshilfe genutzt werden. Die Görtschitz wird durch eine Wehrklappe in Fischbauchausführung gestaut und das Triebwasser zum Einlaufbereich geleitet. Dort durchströmt das Wasser zunächst einen vertikalen Schutzrechen, der Laub und Geschwemmsel fernhält. Gereinigt wird die Rechenfläche durch eine hydraulisch betriebene Rechenreinigungsmaschine, deren grundsätzlich unter der Wasseroberfläche angeordnete Putzharke das Treibgut nach oben in eine Spülrinne befördert. Geliefert wurde das komplette Stahlwasserbauequipment, darunter Einlaufschütz mit integriertem hydraulischen Grobrech- en, Rechenreinigungsmaschine mit vollem Zahneingriff über die gesamte Rechenbreite, Dotationsabsperrorgane und Schützen von der steirischen S.K.M. GmbH, deren Geschäftsführer Sepp Köhl als Besitzer eines eigenen Kleinkraftwerks aus erster Hand bestens über Betreiberansprüche Bescheid weiß. Nach der Ausleitung strömt das Triebwasser in ein äußerst geräumiges Absetzbecken mit ca. 4.400 m³ Fassungsvermögen. Das neu geschaffene Reservoir dient zum Abscheiden des hohen Sedimentanteils des Gewässers und ersetzt ein betoniertes Entsanderbecken. Am Auslaufbereich des Absetzbeckens installierte S.K.M. einen weiteren vertikalen Schutzrechen mit identischem Rechenreinigungssystem wie beim Einlauf. Anfallendes Laub von den angrenzenden Bäumen neben dem Becken wird somit vor dem Beginn der Druckrohrleitung zuverlässig aus dem Triebwasser befördert. „Für die kalte Jahreszeit, in der die Beckenoberfläche gefriert und somit die Wasserentnahme erschwert wird, wurde außerdem ein separater Wintereinlauf angelegt. Dabei handelt es sich um eine Bypassleitung, bestehend aus GFK-Rohren DN1400 mit 80 m Länge, die am Absetzbecken vorbeiführt. Dieser zweite Einlauf an der Wasserfassung hat sich im heurigen Winter bereits bewährt“, so Christoph Götzhaber. Die in einer möglichst linearen Linie zum Krafthaus verlegte Druckrohrleitung hat eine Länge von ca. 600 m und besteht zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) in der Dimension DN1700. Geliefert wurde das komplette Rohrmaterial inklusive Sonderformstücke von der Amiblu Holding GmbH. Der ehemalige Ausleitungskanal wurde im Zuge der Bauarbeiten eingeebnet und begrünt.
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Stromerzeugung im Doppelpack
Das nun prominent neben der Werkseinfahrt positionierte Krafthaus wurde vom Osttiroler Wasserkraftallrounder Maschinenbau Unterlercher GmbH mit einem zuverlässigen Turbinengespann ausgestattet. Mit den zwei identisch konstruierten Durchström-Turbinen, jede auf eine Ausbauwassermenge von 2,6 m³/s ausgelegt, kann das jahreszeitlich und witterungsbedingt variierende Wasserdargebot der Görtschitz weitaus effizienter als mit der alten Francis-Turbine genutzt werden. Die Durchström-Turbinen spielen ihre Stärken konstruktionsbedingt vor allem im Teillastbereich aus und sorgen somit für eine hohe Energieausbeute bei geringem Wartungsaufwand. Unter Volllast erreichen die Turbinen jeweils 185 kW, womit die beiden neuen Maschinen im Doppelpack das Leistungsvermögen der alten Turbine, deren Maximalleistung auf ca. 100 kW begrenzt war, um den Faktor 3,5 vervielfachen. Die vertikal angeströmten und mit 175 U/min rotierenden Laufräder der Turbinen sind durch zwischengeschaltete Getriebe mit den Wellen der beiden Synchron-Generatoren verbunden. Diese wurden vom Linzer Branchenexperten Hitzinger in wassergekühlter Ausfertigung hergestellt und drehen durch die Getriebeübersetzung mit 1.000 U/min. Für optimale Temperaturen bei der Stromproduktion sorgen zwei im Unterwasserbereich platzierte Wärmetauscher, die vom abgearbeiteten Triebwasser gekühlt werden. Auch das komplette elektro- und leittechnische Equipment der Anlage stammt durch die SOWA-Control GmbH von einem Osttiroler Unternehmen. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert das neue Kleinwasserkraftwerk vollständig automatisiert und kann aus der Ferne via gesicherter Online-Anbindung überwacht und gesteuert werden. Der von der Anlage erzeugte Strom dient in erster Linie für die Deckung des Eigenenergiebedarfs, darüber hinaus erfolgt vorwiegend an Wochenenden oder während der Nachtstunden eine Einspeisung ins öffentliche Netz.
Kettenwerk bald komplett energieautark
Nach einer Bauzeit von nur rund sechs Monaten konnte das Kraftwerk im Februar 2023 erstmals in Betrieb genommen werden. Die Frist zur Gewährung der AWS-Förderung wurde damit zeitgerecht eingehalten. Unmittelbar nach der Inbetriebnahme hatte sich hoher Besuch durch den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser im Rahmen der offiziellen Inbetriebnahme angekündigt: „Wir sind sehr froh, dass die Anlage in Betrieb gegangen ist, denn das Projekt stellte vom Genehmigungsverfahren bis hin zur eigentlichen Realisierung doch eine merkliche Belastung für unsere Managementressourcen dar. Ein Lob möchte ich den politischen Vertretern aussprechen, die das Projekt von Beginn an unterstützt haben“, so Hubert Schemitsch. Unisono stellen der Geschäftsführer und Projektleiter Christoph Götzhaber den an der Umsetzung beteiligten Unternehmen ein sehr gutes Zeugnis aus, die mit ihrem Einsatz die fristgerechte Fertigstellung ermöglicht haben. Schon bald soll die Nutzung erneuerbarer Ressourcen am Standort durch die Vergrößerung der Photovoltaik-Anlage um weitere 500 kwp noch weiter verstärkt werden. Damit ist das Kettenwerk in Brückl zukünftig in der Lage, rund 85 Prozent seines Jahresenergiebedarfs aus nachhaltigen Quellen selbst zu erzeugen. Das Ziel, den Standort bis 2030 vollständig energieautark zu gestalten, rückt in greifbare Nähe.
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