Kärntner nutzt Revitalisierung als Ausweg aus wirtschaftlichem Dilemma9 min read
Lesedauer: 6 MinutenEs ist eine gute Nachricht für die Wasserkraftbetreiber, dass der Marktpreis für eine Kilowattstunde Strom aus Wasserkraft aktuell wieder vorsichtig über die 6-Cent-Marke zu klettern beginnt.
Über lange Monate hinweg lag selbiger bleiern in Untiefen, die so manche Anlage an den Rand der Wirtschaftlichkeit drängte – und sogar darüber hinaus. Speziell Anlagenbetreiber, die – wie etwa der Kärntner Gerald Glanzer – in Österreich eine Investitionsförderung erhielten, kamen in Bedrängnis. Ein rückwirkender Wechsel in ein Tariffördermodell der OeMAG schien verwehrt. Die einzige Möglichkeit aus dem Dilemma: Revitalisierung mit einer Leistungssteigerung von mehr als 15 Prozent. Gemeinsam mit der Firma Geppert nahm der findige Kärntner diese Option wahr. Letztlich gelang das Kunststück, das Kleinkraftwerk aus dem Jahr 2013 mit erhöhter Ausbauwassermenge und einem neuen Design des Peltonlaufrads auf eine Steigerung der Engpassleistung von rund 18 Prozent zu trimmen. Die Belohnung: die Eintrittskarte in das Tariffördermodell der OeMAG und damit die langerhoffte Investitionssicherheit.
Als das nagelneue Kraftwerk am 12. April 2013 seinen Betrieb aufnahm, war die Wasserkraftwelt der Familie Glanzer noch in Ordnung. Gerald und sein Sohn David Glanzer hatten sich und ihrer Familie mit großem Engagement, Herzblut, viel Eigenleistung und natürlich einer erheblichen Investition den langgehegten Wunsch nach einem eigenen, modernen Kleinwasserkraftwerk am Kaningbach in der Heimatgemeinde Radenthein erfüllt. Rund 2,2 Mio. Euro hatte man in die Anlage investiert, circa ein Fünftel davon wurde aus dem Fördertopf der OeMAG als Investitionsförderung abgedeckt. „Wir haben seinerzeit mit einem Marktpreis von rund 5,20 Cent pro Kilowattstunde gerechnet. Damit hätten wir schon unser Auslangen gefunden“, erinnert sich Gerald Glanzer. Aber es sollte anders kommen. In der Folge bekam man immer weniger für den Strom, 2017 waren es dann nur mehr 2,8 Cent. Viel zu wenig, um die laufenden Kreditraten zu bedienen. „Wir haben im Jahr rund 30.000 Euro in die roten Zahlen hinein gewirtschaftet. Es war definitiv existenzbedrohend“, erinnert sich der Radentheiner.
Förderung über Investitionszuschuss
Bevor ihm die Insolvenz oder der Ausverkauf an eine Kapitalgesellschaft drohte, wandte sich Gerald Glanzer an die OeMAG, die Abwicklungsstelle für Ökostrom AG. Es sollte doch einen Weg geben, wie man vielleicht rückwirkend in das Tariffördermodell, das Investitionssicherheit für 13 Jahre bietet, einsteigen könnte, so die Idee des Kärntner Kraftwerksbetreibers. Er hörte sich in der Branche um und stellte schnell fest: seine Familie war mit dem Problem nicht alleine. „In Kärnten waren es 11 Betroffene und in ganz Österreich waren es weitere 200, denen es gleich oder ganz ähnlich ging wie uns. Sie alle hatten ihr neues Kleinkraftwerk im Zeitraum von 2009 bis 2012 errichtet und die Förderung nach dem Ökostromgesetz 2002 in Anspruch genommen“, sagt Gerald Glanzer. Er verweist darauf, dass gemäß diesem ÖGS 2002 ausschließlich die Möglichkeit einer Förderung über Investitionszuschüsse in Abhängigkeit von der Engpassleistung bestand. Eine Tarifförderung war damals noch nicht verfügbar. Erst mit Inkrafttreten des ÖGS 2012 konnte zwischen den beiden Optionen gewählt werden.
Alle Türen bleiben zu
Um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, schlossen sich einige der betroffenen Kraftwerksbetreiber zusammen und hofften auf politische Unterstützung – allerdings ohne Erfolg. Die zuständigen Politiker unterschiedlicher Coleur konnten oder wollten nichts ausrichten. In der Folge brachten die Betreiber, die Gerald Glanzer zu diesem Zeitpunkt vertrat, eine Petition im Parlament ein, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und um darin die gleiche Wahlfreiheit zu fordern, wie sie gemäß ÖGS 2012 angeboten wurde. Man hoffte, dass dieser Punkt im Rahmen der Diskussionen zur großen Ökostromnovelle neu verhandelt werden könnte. Das offizielle Ziel lautete, die Investitionsförderung teilweise rückabwickeln und im Gegenzug in das Tariffördermodell einsteigen zu können. In Summe hatten die betroffenen Kraftwerksbetreiber rund 300 Millionen Euro in ihre Anlagen investiert, die unter den gegebenen Umständen in wirtschaftliche Bedrängnis geraten waren. Doch letztlich sollte auch diese Initiative zu keinem Ausweg führen. „Wir haben uns dann überlegt, dass wir den Strom an private Firmen verkaufen könnten, die Geld für Regelenergie anbieten. Es wäre uns als sinnvolle Alternative erschienen. Aber auch dafür bekamen wir von Behördenseite einen Riegel vorgeschoben – das war uns nicht erlaubt. Es hat so ausgesehen, als wären wir gezwungen, weiter in die Miesen zu rutschen“, schildert Gerald Glanzer die Situation. Eine letzte Möglichkeit, doch noch ins Tariffördermodell einsteigen zu können, gab es allerdings noch: die Revitalisierung des Kraftwerks.
Revitalisierung als Chance
„Doch zu Beginn unserer Überlegungen ist uns diese Option illusorisch vorgekommen“, erinnert sich Gerald Glanzer. Nicht ganz zu Unrecht. Immerhin bedarf es eines Leistungsplus von mindestens 15 Prozent, wobei mehr als zwei der wesentlichen Kraftwerkskomponenten unverändert bleiben müssen, um die geforderten Kriterien zu erfüllen. „Unser Kraftwerk war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal fünf Jahr alt. Wie sollten wir aus dem Stand mindestens 15 Prozent mehr Leistung rausholen, ohne die Fallhöhe zu erweitern?“ In jedem Fall war eine Analyse dazu den Versuch wert. Gemeinsam mit dem Planer des Kraftwerks Dipl.-Ing. Johann Jaklin aus St. Veit und der Firma Geppert wollte sich Gerald Glanzer diese Option genauer ansehen. Zwar bestand keine Möglichkeit der Fallhöhenerweiterung, aber eine moderate Erhöhung der Ausbauwassermenge sollte machbar sein. „Wir hatten gehofft, dass unser Ansuchen um eine zusätzliche Wassermenge in der Höhe von 160 l/s nur ein behördlicher Formalakt wird. Aber das wurde es keinesfalls. Es brauchte schon einiges an Ausdauer und Hartnäckigkeit, bis wir die Genehmigung in Händen hielten“, sagt Glanzer. Am Ende konnte ein Ausbau der maximalen Triebwassermenge von nominell bislang 1.760 l/s auf 1.920 l/s erreicht werden. Abzüglich der Restwasserdotationen bleiben im Sommerhalbjahr demzufolge immer noch 1.760 l/s bzw. im Winterhalbjahr 1.832 l/s, wodurch bereits ein Gutteil der Leistungssteigerung erklärt ist. Natürlich galt es im Vorfeld abzuklären, inwieweit diese Änderungen mit den bestehenden Anlagenteilen des Kraftwerks vereinbar seien. „Sowohl unsere Wasserfassung mit dem Entsander, wo auch die Restwasserdotation erfolgt, als auch unsere Druckrohrleitung DN900, waren ausreichend dimensioniert für die neue Konsenswassermenge“, so Gerald Glanzer. Der Maschinensatz war ein Kapitel für sich. Schließlich war die 6-düsige Peltonturbine aus dem Hause Geppert auf einen Durchfluss von 1.400 l/s ausgelegt und mit einer Überöffnung ausgeführt. Eine Adaption war also unbedingt erforderlich.
Alte Kontakte „revitalisiert“
„Mit der Firma Geppert verbindet unsere Familie eine inzwischen schon sehr lange Geschichte“, erinnert sich Gerald Glanzer. „Mein Vater hatte früher ein kleines Wasserkraftwerk hier am Kaningbach betrieben, es hatte nicht mehr als 15 kW Leistung. Da habe ich bereits mitgearbeitet. In den 1980er Jahren hat mein Vater dann eine Francis-Turbine selbst gebaut, und wollte sich dafür Ezzes bei einem jungen Ingenieur holen, der damals erst kurze Zeit bei der Firma Geppert gearbeitet hat. Das war Ing. Thomas Marthe, heute Leiter Engineering und Vertrieb beim traditionsreichen Tiroler Wasserkraftspezialisten. In der Zwischenzeit habe ich ihn immer wieder kontaktiert, und er war es auch, der uns vor sechs Jahren das deutlich beste Angebot für unsere Turbine gemacht hat. Natürlich war er für mich bei der Frage der Revitalisierung wieder mein wichtigster Ansprechpartner. Letztlich war er die entscheidende Triebfeder für die erfolgreiche Abwicklung der Revitalisierung.“ Von Seiten der Firma Geppert kam die positive Rückmeldung, dass angesichts der neuen Konsenswassermenge durch eine erfolgreiche Adaption der bestehenden Turbine das erforderliche Leistungsplus erreichbar ist. Es galt nun, das Schluckvermögen zu erhöhen und die Performance zu verbessern.
Turbine wird vergrößert
Zu diesem Zweck wurde primär einmal das Laufrad getauscht. Das neue weist größere Peltonbecher bei gleichgebliebenem Strahlkreis auf und wurde somit auf ein komplett neues hydraulisches Design getrimmt. Es wurde, wie bereits das Original zuvor, aus einem Monoblock aus hochwertigem Inox- Stahl gefräst. Um die erhöhte Triebwassermenge über die sechs Düsenstöcke auf das Laufrad leiten zu können, mussten zudem die Düsenmundstücke nachbearbeitet werden. Weiters mussten die sechs Strahlablenker nachbearbeitet werden. Dies war erforderlich, um im Betrieb eine Kollision mit den vergrößerten Peltonbechern zu verhindern. Sämtliche Umbauarbeiten, ebenso wie die Montage und Inbetriebsetzung wurden vom Team der Firma Geppert abgewickelt. Der Umbau an sich wurde termingemäß zwischen 16. und 20. April dieses Jahres durchgeführt. „Wir hatten am 20. April gleich sehr gute Wasserbedingungen zur Verfügung und haben die Maschine langsam auf die Nennwassermenge hochgefahren. Wenige Tage später haben wir schon die maximale Nennleistung von 1.474,8 kW an der Generatorklemme erreicht. Das ist natürlich alles dokumentiert“, erzählt Gerald Glanzer. Rechnerisch wird die neue Engpassleistung des KW David Glanzer, so die korrekte Bezeichnung des Kraftwerks, mit 1.465 kW beziffert, im Winterhalbjahr kann sie zu Zeiten des Schmelzwassers auch bis zu 1.495 kW betragen. Eine wichtige Rolle kommt dabei auch dem direkt angetriebenen Synchrongenerator, einer leistungsstarken Maschine aus dem Hause Hitzinger, zu. „Ein neuer Generator wäre aus wirtschaftlichen Gründen für uns nicht mehr in Frage gekommen. Daher war es entscheidend, dass unsere Maschine auch bei 1.500 kVA bei cos phi 0,98 betrieben werden kann. Dafür war die Bestätigung der Firma Hitzinger erforderlich, die wir in der Folge auch problemlos bekommen haben“, so der Betreiber.
18 Prozent mehr Leistung
Das Regelarbeitsvermögen des revitalisierten Kraftwerks beträgt heute im Schnitt 4,060 GWh im Jahr. Zuvor lag dieser Wert bei knapp 3,9 GWh/a, das bedeutet eine Steigerung von ca. 4,3 Prozent. „Dieser Wert liegt zwar deutlich unterhalb der geforderten 15-Prozent-Marke, ist aber in unserem Fall nicht von Belang, weil wir den 15-Prozent-Sprung ja im Rahmen unserer Leistungssteigerung geschafft haben“, argumentiert Gerald Glanzer. Mehr als das: Die Steigerung von bislang 1.240 kW auf nunmehr 1.465 kW bedeutet ein Leistungsplus hinter der Generatorklemme von 18,15 Prozent. Damit hat Gerald Glanzer mit seinen Partnern das Ziel erreicht, das er wenige Wochen zuvor noch für ein wenig utopisch gehalten hatte. Seine Anlage erfüllt nun sämtliche erforderlichen Vorgaben, um als erfolgreich revitalisierte Ökostromanlage in den Genuss der Tarifförderung der OeMAG zu wechseln. Für 13 Jahre können Gerald und sein Sohn David nun mit einem gesicherten Tarif rechnen. Dessen Höhe ist abhängig von der jeweils erfolgten Stromproduktion gestaffelt, sodass sich für die Glanzers ein Mittelwert von rund 5,3 C/kWh ergibt. „Damit schaffen wir es wieder, unseren Kredit zu bedienen. Natürlich sind durch die Revitalisierung auch Kosten angelaufen. Aber am Ende hat sich das für uns ausgezahlt. Sollten die Preise für Strom aus Wasserkraft jetzt wieder ansteigen, bin ich auch nicht böse. Das ist gut für die Wasserkraft und für all jene Betreiber, die nicht die Möglichkeit hatten, diesen Weg der Revitalisierung zu gehen. Ich bin mit dem Erreichten sehr zufrieden, damit können wir endlich wieder ruhig schlafen“, resümiert der Kärntner.
Teilen: