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Kaiserschild Jagd- und Forstbetrieb GmbH realisiert Ökostromprojekt in der Obersteiermark9 min read

28. September 2024, Lesedauer: 7 min

Kaiserschild Jagd- und Forstbetrieb GmbH realisiert Ökostromprojekt in der Obersteiermark9 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Das auf dem Gebiet der steirischen Gemeinden Landl und Eisenerz neu gebaute Kleinwasserkraftwerk Kaiserschild hat im Frühjahr 2024 erstmals ins öffentliche Netz eingespeist. Realisiert wurde die Anlage von der namensgebenden Kaiserschild Jagd- und Forstbetrieb GmbH, die mit dem Kraftwerksbau das hydroenergetische Potential des Erzbachs für die saubere Stromgewinnung nutzbar macht. Das Kraftwerk basiert auf dem klassischen Ausleitungskonzept, wobei maximal 6,4 m³ Ausbauwassermenge durch eine ca. 1,2 km lange Druckrohrleitung zur Turbinierung ins Krafthaus geführt werden. Für die elektromaschinelle und stahlwasserbauliche Ausstattung sorgte die oberösterreichische Jank GmbH, die als Herzstück der Anlage eine vertikalachsige Kaplan-Turbine mit 724 kW Engpassleistung lieferte. Im Regeljahr wird das neue Ökostromkraftwerk, das bereits zehn Monate nach Baubeginn ans Netz gehen konnte, rund 3,5 GWh Ökostrom erzeugen.

Kraftwerk Kaiserschild Wassermannloch 1
Das steirische Naturdenkmal „Wassermannsloch“ befindet sich in der Nähe des Maschinengebäudes.
© zek

Am Nordrand der Eisenerzer Alpen in der Obersteiermark befindet sich das Jagd- und Forstgebiet der gemeinnützigen Privatstiftung Kaiserschild, die von Dr. Hans Riegel, dem ehemaligen Eigentümer des bekannten Süßwarenunternehmens Haribo, ins Leben gerufen wurde. Der Stiftungszweck liegt laut Satzung im wohltätigen Engagement in zentralen Bereichen der Gesellschaft wie Forschung, Bildung und Kunst, wobei ein zentraler Faktor die Förderung junger Menschen ist. Die Namensgebung des Jagd und Forstgebiets geht bis ins 15. Jahrhundert zurück, als der jagdbegeisterte Erzherzog Maximilian von Österreich einen kaiserlichen Jagdbann in der Region verhängte. Verlautbart wurde die Bannzone mit dem kaiserlichen Wappen nebst Inschrift, wodurch sich der Name Kaiserschild etablierte. Das wildromantische Gebiet beheimatet mit dem sogenannten „Wassermannsloch“ zudem eines der bekanntesten Naturdenkmäler der Steiermark. Der Legende nach wurde an dieser Quelle einst ein Wassermann gefangen, der sich durch seinen Hinweis auf die reichhaltigen Erzvorkommen im nahe gelegenen Erzberg seine Freiheit erkaufte. Mit einer Gesamtlänge von 1.084 m stellt das Wassermannsloch die zurzeit längste, hinter einem permanenten Siphon vermessene Höhle Österreichs dar.

Kraftwerk Kaiserschild Bauarbeiten 90 x 120 mm
Betonierarbeiten im Maschinengebäude.
© Brunnhofer

Neues Kraftwerk am Erzbach
Das Gebiet der Stiftung Kaiserschild erstreckt sich über ca. 4.500 Hektar, wobei in etwa die Hälfte der Fläche von Wald bedeckt ist, den Rest machen landwirtschaftliche Nutz- bzw. Ödflächen aus. Zuständig für die Gebietsverwaltung ist die Kaiserschild Jagd- und Forstbetrieb GmbH, die zu 100 Prozent der gemeinnützigen Stiftung gehört. „Neben der Forstwirtschaft, die rund 75 Prozent des Umsatzes ausmacht, ist die Gesellschaft seit dem heurigen Frühjahr auch als Betreiber eines Wasserkraftwerks aktiv“, erklärt Wirtschaftsführer Markus Brunnhofer: „Am Erzbach sind zwischen 2002 und 2009 drei Kleinwasserkraftwerke von einem privaten Betreiber errichtet worden. Der Bau dieser Anlagen wurde von unserer Seite aus mit Interesse verfolgt, da auch auf unseren Liegenschaften günstige Voraussetzungen für die Stromerzeugung aus Wasserkraft herrschen. Erste Konzepte für den Bau eines eigenen Kraftwerks wurden ab dem Jahr 2015 erstellt, 2018 wurde schließlich das Projekt bei der Behörde eingereicht.“ Markus Brunnhofer ergänzt, dass die Baubewilligung aufgrund der Themenbereiche Ökologie und Geologie nicht ganz unkompliziert zu erlangen war. So musste eine Lösung gefunden werden, um die notwenige Querung der Druckrohrtrasse im Bereich des Wassermannslochs ohne Beeinträchtigung des Natur­denkmals durchzuführen. Darüber hinaus wurden bei geologischen Voruntersuchungen entlang der Rohrleitungstrasse eine ganze Reihe von Hangschuttkegel festgestellt, die mit aufwändigen Spritzbetonsicherungen mit Felsankern gesichert werden mussten. Im Hinblick auf die Projektierungsphase hebt der Geschäftsführer ausdrücklich die hervorragenden Leistungen des zuständigen Planungsbüros e² engineering GmbH hervor. Das renommierte steirische Ingenieurbüro konnte in der Funktion als Generalplaner sein jahrzehntelanges Branchen-Know-how sowohl in der Projektierungs- als auch während der Umsetzungsphase voll ausspielen und das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.

Kraftwerk Kaiserschild Rohrverlegung 122 x 91 mm
Die 1,2 km lange GFK-Druckrohrleitung wurde aus logistischen Gründen in den Dimensionen DN2000, DN1800 und DN1700 ausgeführt. Geliefert wurde das komplette Rohrmaterial von der Geotrade Tiefbauprodukte GmbH aus Oberösterreich.

GFK-Rohre in drei Dimensionen
Gleich zu Beginn der Bauphase fokussierten sich die Arbeiten auf die Verlegung der rund 1,2 km langen Druckrohrleitung, die zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) besteht. Von der Wasserfassung weg verläuft die Druckrohrleitung in der Dimension DN2000, danach verjüngt sich der Kraftabstieg Richtung Maschinengebäude sukzessive. „Ursprünglich war es geplant, die Druckrohrleitung in der durchgängigen Dimension DN1800 auszuführen. Aufgrund von logistischen Vorteilen und der Optimierung der Transportwege kamen schließlich die Rohrdimensionen DN2000, DN1800 und DN1700 zum Einsatz. Mit dieser Anpassung fanden durch die ‚Rohr in Rohr‘-Methode gleich zwei Rohrschüsse auf einer LKW-Ladefläche Platz, wodurch in weiterer Folge Transportkosten im Ausmaß von ca. 100.000 Euro eingespart werden konnten“, sagt Markus Brunnhofer. Geliefert wurde das komplette Rohrmaterial des Fabrikats SUPERLIT vom oberösterreichischen Vertriebsexperten Geotrade Tiefbauprodukte GmbH. Die leichten und dennoch äußerst robusten Rohre vereinen eine ganze Reihe von Vorteilen. Beispielsweise die hochglatten Innenflächen, die für eine Minimierung der hydraulischen Verluste sorgen. Das anwenderfreundliche Muffensystem ermöglicht ein schnelles Fortschreiten der Verlegearbeiten und erlaubt dank der geringfügigen Abwinkelbarkeit der Rohrenden innerhalb der Verbindungsmuffen die Herstellung von weitläufigen Richtungsanpassungen der Trassenführung ohne zusätzliche Rohrkrümmer. Hinzu kommen die Bestän­digkeit gegen Umwelteinflüsse, zuverlässige Abriebfestigkeit sowie eine hohe Resistenz gegen Druckstöße.

Kraftwerk Kaiserschild Wehranlage Gegenseite 122 x 91 mm
Der gesamte Stahlwasserbau an der Wasserfassung wurde ebenfalls von der Jank GmbH ausgeführt.
© e² engineering

Wasserfassung nach bewährtem Muster
Die Wasserfassung des Kraftwerks besteht aus einer betonierten Wehrschwelle mit aufgesetzter Wehrklappe, die den Erzbach auf das erforderliche Stauziel hin reguliert. Das gesamte Stahlwasserbauequipment lieferte der oberösterreichische Wasserkraftallrounder Jank GmbH, der gleichzeitig auch ein elektromechanisches Komplettpaket für das Maschinen­gebäude geschnürt hatte. Die Ausleitung von maximal 6.400 l/s Ausbauwassermenge erfolgt durch einen auf der orographisch rechten Gewässerseite angeordneten Einlauf. Ein fischfreundlicher Horizontalrechen mit strömungsoptimiertem Profil sorgt am Einlaufbereich für zuverlässigen Schutz vor Treibgut und Geschwemmsel. Komplettiert wird der Schutzrechen mit einer dazugehörigen Rechenreinigungsmaschine, die von Jank mit einem elektrohydraulischen Antrieb ausgestattet wurde. Das vom Schutzrechen entfernte Geschwemmsel wird vom pegelgeregelten Rechenreiniger zum Spülschütz mit aufgesetzter Klappe befördert, von wo es auf direktem Wege in den Unterwasserbereich abgegeben wird. Über diesen Spülschütz erfolgt auch die Abgabe des größten Teils der Restwasserdotation. Die Pflichtwasserabgabe in den Erzbach beträgt Minimum 730 l/s bzw. 20 Prozent des jeweiligen Wasserdargebots. Rund 170 l/s der Restwassermenge werden für die Dotation der Fischaufstiegshilfe genutzt. Der auf der gegenüberliegenden Uferseite des Einlaufbereichs angeordnete Fischaufstieg wurde in Form eines technischen Vertical-Slot-Passes realisiert, ausgelegt wurde der Beckenpass für die Leitfischarten Äsche und Bachforelle.

Kraftwerk Kaiserschild Turbine Hochformat 90 x 120 mm
Der oberösterreichische Wasserkraftallrounder Jank GmbH lieferte mit der 5-flügeligen Kaplan-
Turbine und dem direkt gekoppelten Synchron-Generator ein leistungsstarkes Maschinengespann.
© zek

Leistungsstarkes Komplettpaket von Jank
Das Herzstück des Maschinengebäudes bildet eine doppeltregulierte Kaplan-Turbine in vertikal­achsiger Ausführung nach bewährtem Jank-Design, die bei vollem Wasserdargebot 724 kW Engpassleistung erzielt. Markus Brunnhofer merkt an, dass anfänglich eine andere Turbinenvariante für das Krafthaus geplant war: „Ursprünglich war der Einbau einer kostengünstigeren Durchström-Turbine geplant. Bei näherer Betrachtung stellte sich allerdings heraus, dass eine Kaplan-Turbine aufgrund des hohen Sedimentaufkommens des Erzbachs besser für den Standort geeignet ist. Dadurch konnte auch das Entsanderbecken an der Wehranlage erheblich kleiner dimensioniert werden, was in weiterer Folge zu einer beträchtlichen Minimierung der Baukosten führte.“ Jank-Konstruktionsleiter Siegi Jank hebt die leistungstechnischen Vorteile der Kaplan-Turbine hervor: „Es stimmt, dass eine Durchström-Turbine in der Anschaffung günstiger ist. Allerdings kann die Kaplan-Maschine durch die Kombination aus Leitapparatregulierung und der verstellbaren Laufradflügel ein weitaus größeres Betriebsband abdecken als eine Durchström-Turbine. Dadurch erreicht die Kaplan-Turbine auch einen höheren Spitzenwirkungsgrad und liefert somit deutlich mehr Strom.“ Das 5-flügelige Kaplan-Laufrad besteht aus hoch belastbarem Edelstahl und ist somit gegen Sedimentabrieb bestens gerüstet. Komplettiert wird der Maschinensatz durch einen direkt mit dem Laufrad gekoppelten Synchron-Generator in luftgekühlter Ausführung, der auf 400 V Spannung und 900 kVA Nennscheinleistung ausgelegt wurde. „Der Generator wurde mit einem Wälzlager bestückt, eine explizite Turbinenlagerung war nicht notwendig. Grundsätzlich wurde hoher Wert darauf gelegt, dass der Maschinensatz möglichst wenig Wartungsaufwand verursacht. Daher wurde der Generator mit einem verstärkten Führungslager bestückt, um ein zusätzliches Turbinenführungslager zu ersetzen. Dass die Anlage hält, was sie verspricht, konnte schon bei der Inbetriebnahme bewiesen werden. Noch am ersten Tag hat der Maschinensatz seine Maximalleistung erreicht“, bekräftigt Siegi Jank.

Kraftwerk Kaiserschild Steuerung Smartphone 2

 

Automatisierungstechnik am neusten Stand
Das elektro- und regelungstechnische Equipment des Kraftwerks stammt von der MBK Energietechnik GmbH, die als Automatisierungsexperte in der Kleinwasserkraftbranche auch weit abseits ihres Heimatbundeslands Steiermark einen hervorragenden Ruf genießt. Vom Leistungsschalter für den Generator bis hin zum Fernzugriff lieferte MBK die gesamt elektrotechnische Ausstattung aus einer Hand. Für die Energieableitung wurde im Krafthaus ein 1.000 kVA-Transformator mit einem entsprechenden Hauptverteiler installiert. Die energietechnische Verbindung zur Wehranlage besteht aus einem 400 V Stromkabel, für die digitale Kommunikation zwischen Krafthaus und Wasserfassung sorgt ein ebenso mit der Druckrohrleitung mitverlegter Lichtwellenleiter. „Bei der Wehranlage wurde zusätzlich zur üblichen Anlagensteuerung eine Kamera zur visuellen Fernüberwachung installiert. Zudem kommt eine Durchflussmessung zur Rohrbrucherkennung bzw. Rohrbruchsicherung zum Einsatz. „Dank der guten Zusammenarbeit mit den anderen beteiligten Firmen, konnte die Anlage pünktlich und problemlos in Betrieb genommen werden und läuft seit Mitte März störungsfrei“, so MBK-Geschäftsführer Christian Mund.

Kraftwerk Kaiserschild Markus Brunnhofer 90 x 120 mmVolle Leistung vom ersten Tag an
Am „Josefitag“, dem 19. März 2024, an dem der steirische Landespatron Josef von der Kirche gefeiert wird, gab es auch in der Gemeinde Landl einen besonderen Grund zum Feiern: „Um 16:00 synchronisierte das Kraftwerk Kaiserschild erstmals mit dem öffentlichen Netz und speiste die erste Kilowattstunde Strom ein“, so Markus Brunnhofer, der beim Lokalaugenschein von zek HYDRO im heurigen Mai ein positives Resümee über den Projektverlauf zieht: „Mit der einsetzenden Schneeschmelze kam der Zeitpunkt der Inbetriebnahme sehr gelegen. Rund zwei Monate nach dem ersten Einschalten hat das Kraftwerk bereits annähernd eine Million Kilowattstunden Energie erzeugt. Ich kann den an der Umsetzung beteiligten Unternehmen ausschließlich gute Noten ausstellen und freue mich, dass die Stiftung Kaiserschild mit dem Bau des Wasserkraftwerks ein weiteres Bekenntnis für eine nachhaltige Zukunft gegeben hat.“

Kraftwerk Kaiserschild Wehrklappe 200 x 150 mm
Mit dem Bau des neuen Kleinwasserkraftwerks am Erzbach wird die Kaiserschild Jagd- und Forstbetrieb GmbH rund 3,5 GWh Ökostrom im Regeljahr erzeugen.
© e² engineering

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 3/2024

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