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Kelag gelingt mit technischer Innovation die Erneuerung von Speicherpumpe Oschenik 111 min read

10. Feber 2020, Lesedauer: 7 min

Kelag gelingt mit technischer Innovation die Erneuerung von Speicherpumpe Oschenik 111 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Es war im September 2014, als der Aufsichtsrat des Kärntner Energieversorgers Kelag die weitreichende Entscheidung getroffen hatte, ….

… in eine neue Speicherpumpe für Oschenik 1 – integraler Teil des Pumpspeicherkraftwerks Innerfragant – zu investieren. Mehr als zwei Jahre sollten vergehen, ehe die neue Pumpe mit Ende Jänner 2017 ihren Probetrieb aufnehmen konnte. Es handelt sich dabei um eine Maschine, die von ihrem Aufbau und ihrem Konzept eine absolute technische Innovation darstellt und auf diese Weise noch nicht für eine ähnliche Leistungsklasse und Druckstufe umgesetzt worden ist. Entwickelt wurde die 6-stufige Niro-Speicherpumpe mit innenliegender Spirale sowie einem horizontal geteilten Gehäuse in mehrjähriger Arbeit von den  Ingenieuren von Andritz Hydro. Mittlerweile steht fest: Die neue Pumpe bewährt sich im täglichen Einsatz. Gegenüber dem Altbestand punktet sie mit einer Wirkungsgradsteigerung von 7,3 Prozent.

Im Kraftwerkspark der 73 Kraftwerke der Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, kurz Kelag, nimmt das Pumpspeicherkraftwerk Innerfragant, das in einem Seitental des Mölltals situiert ist, eine zentrale Stellung ein. Von der gesamten installierten Pumpleistung von 230 MW entfallen nicht weniger als 98 MW auf das PSKW Innerfragant. Diese Leistung verteilt sich dabei auf die drei ternären Pumpspeichersätze der Oschenikstufe. Unter ternären Systemen versteht man gemeinhin Maschinensätze eines Pumpspeicherkraftwerks, die aus einem Motorgenerator und einer separaten Turbine, sowie einem Pumpensatz bestehen. Das gesamte hydraulische System Oschenik umfasst mehrere Speicherbecken und Ausgleichsbecken, die über ein komplexes Druckleitungssystem miteinander verbunden sind. Im Wesentlichen und vorrangig zu nennen sind dabei der große Oscheniksee als Oberwasserbecken, der Speicher Wurtenalm und der Speicher Haselstein als Unterwasserbecken für den Pumpbetrieb sowie ein Ausgleichsbecken, das sich in unmittelbarer Nähe zum Kraftwerk Innerfragrant befindet. „Im Turbinenbetrieb beziehen die drei Turbinensätze der Oschenikstufe ihr Triebwasser aus dem Speicher Oschenik, das abgearbeitete Triebwasser wird in das Ausgleichsbecken Innerfragant abgegeben“, erklärt dazu Dipl.-­Ing. Stefan Leitner von der Kelag. „Die drei Speicherpumpen pumpen das Triebwasser in den Speichersee Oschenik, wobei die Speicherpumpe Oschenik 1 das hochzupumpende Wasser aus dem Speicher Haselstein entnimmt, oder direkt aus dem Ausgleichsbecken Innerfragant bezieht. In letzterer Betriebs­variante wird die Pumpturbine Haselstein als Vorpumpe herangezogen. Damit ist sie in der Lage, das Wasser 906 m in die Höhe zu befördern. Die beiden anderen Speicherpumpen beziehen das Pumpwasser aus dem wesentlich höher gelegenen Wurtenalmspeicher.“

Massnahmen wurden unumgänglich
Seit 1968 versieht die Speicherpumpe Oschenik 1 mittlerweile ihren Dienst. Im Regeljahr ist sie im Schnitt etwa 1.300 Stunden in Betrieb. 1987 wurde die Maschine zum letzten Mal generalüberholt. Für die Betreiber von der Kelag, die ihre Maschine natürlich ganz genau kennen, war allerdings der stark angestiegene Axialschub – hervorgerufen durch verschlissene Spalte – und auch der Verschleiß an den Laufrädern infolge von Abrasion unübersehbar geworden. Stefan Leitner: „Grundsätzlich war der Wirkungsgrad der Maschine einfach schlecht. Aufgrund der verschleißbedingten Mängel wurden umfangreiche Maßnahmen an der Speicherpumpe nun aber unumgänglich.“ Bereits 2013 begannen die Techniker der Kelag mit der Ausarbeitung der verschiedenen Varianten für die Sanierung bzw. die Neuerrichtung der Speicherpumpe. Dass dabei die bestehenden Hydrauliken saniert und somit beibehalten werden sollten, konnte bereits im Anfangsstadium ausgeschlossen werden. Zu bescheiden präsentierte sich der Wirkungsgrad, rückgerechnet auf den Neuzustand. Mit neuen Laufrädern, Umlenkern und Ringdeckeln sollte sich der Wirkungsgrad deutlich nach oben schrauben lassen, soviel war klar. Somit blieben von technischer Seite letztlich zwei Varianten übrig: Zum einen die umfangreiche Sanierung der alten Speicherpumpe, wobei vor allem die großen Stahlgussteile – Gehäuse und Pumpendeckel – erhalten geblieben wären und zum anderen eine Neuanschaffung. „Seitens der Kelag wurde die Neuerrichtung der Speicherpumpe favorisiert. Nicht zuletzt deshalb, da die großen alten Gussbauteile ja auch die Gefahr möglicher Gussfehler bargen, die nur mit großem Aufwand repariert werden hätten können“, so Stefan Leitner. Darüber hinaus versprach die Variante Neubau auch einen nicht unerheblichen Zeitvorteil. Während man die Stillstandszeit im Fall einer Sanierung mit etwa 13 Monaten annahm, war beim Einbau einer neuen Speicherpumpe lediglich mit 5 Monaten Stillstand zu rechnen.

Unternehmensstrategische überlegungen
Grundsätzlich sollten beide Varianten eine Steigerung des Wirkungsgrads zur Folge haben, der von den Ingenieuren der Kelag mit 89 Prozent als Zielsetzung vorgegeben wurde. Allerdings sollte im Rahmen der wirtschaftlichen Begutachtung noch eine dritte Variante ins Spiel kommen: die Stilllegung der Speicherpumpe. Die zu diesem Zeitpunkt angespannte Marktsituation hätte das Aus für die Speicherpumpe Oschenik 1 bedeuten können. Dass es beim Konjunktiv blieb, war letztlich unternehmensstrategischen Überlegungen geschuldet, die sich im Zuge des Abwägens der drei Varianten durchsetzten.

Unterschiedliche Pumpenkonzepte
Für die erfahrenen Maschinenbauer in den Reihen der Kelag sollte sich in weiterer Folge die Angebots- und Auftragsphase durchaus spannend gestalten. Zwei renommierte Hersteller hatten dafür ihre konstruktiven Pumpenkonzepte eingereicht. Das Angebot des ersten Anbieters entsprach von der Architektur und dem konstruktiven Konzept der Bestandspumpe. Für Stefan Leitner kein vollends überzeugendes Konzept: „Der Nachteil dieser Konstruktion liegt darin, dass die insgesamt erforderlichen 6 Stufen der Pumpe stirnseitig nacheinander in den Topf eingefädelt werden müssen. Bei Spaltmaßen von 5-6 Mikrometer ist es alles andere als einfach, den gesamten In-Crash auf diese Weise reinzubekommen. Der Vorgang ist zeitaufwändig und auch insofern risikobehaftet, als es bei jedem Einschieben einer Stufe zum ‚Fressen‘ (Anmerkung: Kaltverschweißen) in den Spalten kommen kann.“ Das zweite Angebot kam vom Wasserkraftspezialisten ANDRITZ AG, der mit einem völlig neuartigen Konzept einer Pumpe mit horizontal geteiltem Gehäuse und innenliegender Spirale zu überraschen und letztlich auch zu überzeugen wusste. Der Reiz dieser Alternativlösung offenbarte sich vor allem in der einfachen Montage sowie auch der Demontage des Rotors – sowohl bei der Erstmontage als auch bei späteren Revisionen. Eine kürzere Stillstandszeit der Pumpe stellt schließlich ein gewichtiges wirtschaftliches Argument dar. Zudem ergibt sich durch die Teilung des Pumpengehäuses auch die Option, die Zwischenspaltenstufe und andere, sonst nur bei kompletter Demontage des Laufradverbandes einsehbare Bauteile, zu kontrollieren. Nach drei Verhandlungsrunden wurde der Auftrag für die neue Speicherpumpe Oschenik 1 an die ANDRITZ AG vergeben.

Mehrfachverschraubungen erforderlich
Hinter dem Konzept für die neuartige Speicherpumpe steckt eine Vielzahl an Ideen und großes Know-how, aber auch jede Menge harte Arbeit der Ingenieure von ANDRITZ. „Die Pumpe weist derart viele konstruktive Besonderheiten und Feinheiten auf, dass nur die Wesentlichsten in diesem Rahmen angeführt werden können“, meinte Stefan Leitner etwa bei der Präsentation der Maschine im Rahmen der letztjährigen Vienna Hydro in Laxenburg. Ein ganz wesentlicher Punkt betraf die Verschraubung der beiden Gehäusehälften, die die gesamten auftretenden Druckkräfte aufnehmen müssen. Im Gegensatz dazu werden diese Kräfte bei der Topfpumpe über den Werkstoff des zylindrischen Körpers abgeleitet. Konkret beläuft sich bei der Pumpe Oschenik 1 der Druck im Nennbetrieb – natürlich abhängig vom Speicherknoten – vor der ersten Pumpenstufe auf 262 mWS (Meter Wassersäule), steigert sich mit jeder Pumpenstufe um rund 160 mWS und beträgt in der Spirale schließlich 1.220 mWS. Diesen Anforderungen entsprechend haben die Ingenieure von ANDRITZ eine Gehäuseverschraubung aus hochfestem martensitischen Werkstoff entwickelt, die nach dem Prinzip der Mehrfachverschraubung aufgebaut ist.  Je nach Belastungsanforderungen wurden Schrauben der Dimension M120 und M140 eingesetzt, wobei jede einzelne dieser Schrauben nach dem „Superbolt-Prinzip“ mit 24 kleinen Schrauben vorgespannt wird. In Summe sind es nicht weniger als 852 Schrauben, die bei der Montage der beiden Gehäusehälften anzuziehen sind. Für die Optimierung des Pumpengehäuses wurde von den Entwicklern im Vorfeld eine komplette 3D-­Modellierung vorgenommen, wobei auch ein Schraubenmodell mit 100 Schrauben zum Einsatz kam. Für die Druckprobe wurde das gesamte Gehäuse mithilfe einer Mittelscheibe unterteilt, danach erfolgte selbige mit 1,5-fachem Betriebsdruck. Bei einem Druck von 225 bar präsentierten sich letztlich alle Flansche trocken, die Dehnungsmessungen stimmten exakt mit den Messprognosen überein. Die Druckprobe war erfolgreich.

Beständigkeit für 75 Jahre
Der mechanischen Berechnung für die Entwicklung der 6-stufigen Speicherpumpe lagen mehrere Anforderungen zugrunde: Zum einen die statischen Anforderungen, sowohl im Regelbetrieb als auch bei Druckschlag, die Lastfälle sowie die Anforderungen hinsichtlich der Ermüdungsbeständigkeit. Bei avisierten 10 Start-Stopp-Vorgängen pro Tag und 3.200 Betriebsstunden im Jahr wurde mit 273.750 Zyklen kalkuliert, wenn man von einer Betriebszeit von 75 Jahren ausgeht. Vor diesem Hintergrund kam natürlich auch den verwendeten Werkstoffen erhöhte Bedeutung zu. „Aufgrund bisheriger guter Erfahrungen haben wir in der Ausschreibung bereits vorgegeben, dass der gesamte Pumpen­rotor mit Welle, Laufrädern und Distanzbuchsen in rostfreier Ausführung zu erfolgen hatte. Im Zuge der ersten mechanischen Berechnungen des Pumpengehäuses zeigte sich, dass ein höherfester Werkstoff als der ausgeschriebene Stahlguss unumgänglich war. Aus diesem Grund wurde in gemeinsamer Absprache zwischen Kelag und ANDRITZ ein nichtrostender weichmartensitischer Chrom-­Nickel-Molybdän-Stahl für Unter- wie Oberteil gewählt.“ Dass damit ein zusätzlicher Korrosionsschutz obsolet wurde, konnte als weiterer Vorteil verbucht werden.

Herausforderungen der Materialwahl
Ein weiterer spezieller Aspekt der Materialwahl betraf in der Folge die Pumpenwelle und die Laufräder, die ebenfalls aus einem weichmartensitischen Stahl gefertigt wurden. Um die Gefahr des „Fressens“ oder auch „Kaltverweißens“ zwischen Laufradnabe und Welle zu bannen, musste eine konstruktive Lösung gefunden werden. Stefan Leitner geht ins Detail: „Man wollte sich in diesem Fall nicht mit einem Härteunterschied begnügen, der sich durch unterschiedliche Vergütungsstufen ergibt. Es standen entweder spezielle Beschichtungen, wie etwa Molybdän, oder ein Verfahren zur Verfestigung der Oberfläche zur Wahl. Schlussendlich wurde entschieden, dass die Laufradsitze auf der Welle rolliert werden sollten. Bei diesem Verfahren erreicht man eine Härtedifferenz der beiden Oberflächen von mindestens 75 HB.“

Modelle simulieren Realität
Eine absolute Herausforderung der konstruktiven Art stellte sich den Ingenieuren von ANDRITZ bei der Auslegung und Bemessung der im Pumpengehäuse integrierten Spirale. Im Gegensatz zu herkömmlichen Spiralkonstruktionen besitzt die innenliegende Spirale dieser Pumpe keine Stützschaufeln. Mittels numerischer Strömungsmechanik (CFD) wurden Laufräder, der Umlenkkanal, das Spiralgehäuse sowie der Saugkrümmer für die neuartige Pumpe optimiert. Auf Basis der Ergebnisse aus den CFD-Analysen konnte auch das Zusammenspiel zwischen festigkeits- und strömungstechnischen Anforderungen getunt werden. Um die Vorgaben des Betreibers hinsichtlich Modellwirkungsgrad, Durchflussmessung am Modell, Wirkungsgrad der Speicherpumpe, Förderstrom, maximale Leistungsaufnahme, transiente Betriebszustände, Laufruhe und Kavitation garantieren und um eine optimale hydraulische Auslegung der Pumpe gewährleisten zu können, wurde ein vollhomologer Modellversuch mit ausgeschrieben – und letztlich im Februar 2015 in Graz durchgeführt. „Im Hinblick auf die Performance der Laufräder wurde ein 2-stufiges Modell herangezogen. Um die sehr ambitionierten Garantiewerte zu erreichen, wurde in weiterer Folge ein 3-stufiger Modellversuch – mit Saug-, Mittel- und Endstufe – ausgeführt. Dabei zeigte sich, dass sämtliche für den Modellversuch abgegebenen Garantien erfüllt bzw. sogar übererfüllt wurden. Im Zuge der Inbetriebsetzung wurden letztlich Pumpenwirkungsgrad, aufgenommene Leistung und Fördermenge über eine thermodynamische Wirkungsgradmessung erfasst. Auch dabei wurden wieder sämtliche Garantiewerte erfüllt“, freut sich Stefan Leitner.

Sämtliche Garantiewerte erfüllt
Ein ganz wesentlicher Aspekt in der Entwicklung der neuen ANDRITZ-Speicherpumpe kam der Gleitringdichtungstechnologie zu. Es galt, Leistungsverluste zu minimieren, Leckagen zu verhindern und diese an die schwierigen Betriebsbedingungen anzupassen. Umfangreiche CFD-Untersuchungen und Modellversuche sollten auch in diesem Punkt letztlich eine absolut markttaugliche Lösung liefern. Neben den Aspekten der Performance hatten die Entwickler der neuen Maschine auch Fragen hinsichtlich Geräuschemissionen und Vibrationen im Visier. Und auch dabei gelang es, die Garantiewerte zu erfüllen. Die generell sehr ruhige Maschine zeigt im Regelbetrieb heute Schwingungswerte, die weit unter dem vertraglich vorgegebenen Maximalwert von 2,5 mm/s liegen. Ihre unübertroffene Stärke präsentierte die Maschine allerdings im Rahmen der Montage, mit der am 1. August 2016 begonnen wurde. Stefan Leitner: „Das Konzept des horizontal geteilten Gehäuses hat sich hinsichtlich Montagefreundlichkeit und Montagezeitbedarf wahrlich bewährt. Die geplante Montagezeit konnte letztlich sogar unterschritten werden. Für die Nassinbetriebsetzung inklusive aller der geplanten Messprogramme (z.B. thermodynamische Wirkungsgradmessung) und der Abschaltversuche waren dann nur mehr vier Kalendertage erforderlich.“ Mit 28. Januar 2017 konnte die neue Speicherpumpe Oschenik 1 den Probebetrieb aufnehmen.

Prototyp mit Potenzial
Zwar ist die Kelag durchaus in der Lage, neue Maschinenkonzepte fachlich fundiert zu beurteilen, dennoch bewies sie mit ihrer Entscheidung für die neue horizontale Speicherpumpe aus dem Hause ANDRITZ ihren Mut zur Innovation.  Am Ende zahlte sich das Vertrauen auch aus. Sämtliche geforderten Leistungen im Hinblick auf Wirkungsgrad, Fördermenge und Laufruhe wurden eingehalten und sogar übertroffen. Besonders erfreulich wurde zudem von Seiten der Hersteller bewertet, dass die hochgerechnete Pumpencharakteristik aus dem 3-stufigen Modellversuch im 6-stufigen Prototypen perfekt getroffen wurde. Noch nie zuvor war eine Speicherpumpe dieser Ausführung mit innenliegender Spirale und horizontal geteiltem Gehäuse in dieser Leistungsklasse und Druckstufe gebaut worden. Die Pumpe Oschenik 1 stellt somit einen höchst erfolgreichen Prototypen dar. Höchst erfolgreich deshalb, da auch die bisher gesammelten Betriebserfahrungen eindrücklich belegen, dass sich diese Art von Speicherpumpe in der Praxis bewährt und hohes Potenzial für vergleichbare Einsatzstandorte hat. Seit knapp zwei Jahren stellt die neue Speicherpumpe Oschenik 1 dies Tag für Tag unter Beweis.






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