Kleinwasserkraftwerk Saint Barthélemy im Aostatal: Neue Pelton-Anlage liefert seit 2025 sauberen Strom

1. September 2025, Lesedauer: 7 min

Seit dem Frühjahr 2025 erzeugt im italienischen Aostatal ein neues Kleinwasserkraftwerk am Gewässer Saint Barthélemy sauberen Strom. Bei der Errichtung des Ausleitungskraftwerks mit rund 3,5 GWh Erzeugungskapazität konnten sowohl die erzeugungstechnischen Anforderungen als auch die gewässerökologischen Belange vereinbart werden. Das Maschinengebäude der Anlage, in der sich eine vertikalachsige Pelton-Turbine mit 1.305 kW Engpassleistung befindet, wurde aus Landschaftsschutzgründen komplett unter der Erde errichtet. An der Wasserfassung, die für die fischökologische Durchgängigkeit mit einem Vertical-Slot-Pass ausgerüstet wurde, kommt das bewährte Coanda-System „Grizzly“ vom Südtiroler Branchenspezialisten Wild Metal zum Einsatz. Das patentierte System dient einerseits für den Einzug von 1.000 l/s Ausbauwassermenge und gewährleistet zudem die optimale Filtration der anfallenden Sedimente.

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Die über 1,6 km lange Druckrohrleitung besteht zur Gänze aus Stahlrohren DN800.
© Alessandro Mosso

Projektstandort: Gemeinde Nus im Aostatal

Die knapp 3.000 Einwohner zählende Gemeinde Nus im norditalienischen Aostatal ist bei Weinkennern vor allem für die lokale Rebsorte Vien de Nus bekannt. Darüber hinaus bietet die idyllische Region aufgrund ihrer alpinen Topographie optimale Bedingungen für die Stromgewinnung aus Wasserkraft, wovon eine Vielzahl von Anlagen im Tal zeugen. Eines der jüngsten Kleinwasserkraftwerke im Aostatal wurde am Gebirgsbach Saint Barthélemy errichtet. Realisiert wurde das im Frühjahr 2025 fertiggestellte Projekt von der Kraftwerksgesellschaft Soc. Idroelettrica St Barth Alto srl.

Kraftwerk St Barth
Unter Volllast schaffft der Maschinensatz über 1,3 MW Engpassleistung
© Alessandro Mosso

Wasserkraft und Bewässerungssystem clever kombiniert

Die ersten Konzeptionen für den Bau des neuen Kraftwerks entstanden dem Generalplaner Alessandro Mosso zufolge, der das Projekt gemeinsam mit dem Unternehmen Blue Energy Srl. geplant hat, bereits vor fast 20 Jahren: „Das Projekt begann im Jahr 2007 mit dem ersten Konzessionsantrag. Im Laufe der Jahre mussten zahlreiche Überarbeitungen und Optimierungen vorgenommen werden, um die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten und die Energieeffizienz der Anlage zu verbessern. Dabei wurde etwa die vorhandene Bewässerungsinfrastruktur der landwirtschaftlichen Nutzflächen im Projektgebiet in das Funktionskonzept des Wasserkraftwerks miteinbezogen. Durch diese Integration konnten die Projektauswirkungen auf die Umwelt minimiert und gleichzeitig die hydraulische Effizienz des Kraftwerks maximiert werden.“ Der Planer betont, dass durch den Kraftwerksbau eine Optimierung des landwirtschaftlichen Bewässerungssystems erzielt werden konnte und somit auch ein Beitrag für die regionalen Nachhaltigkeitsziele geleistet wurde. Hinsichtlich der Projektierungsphase spricht der Planer von einem komplexen Genehmigungsverfahren, das sich über mehr als ein Jahrzehnt hingezogen hat und mehrere Projektprüfungen, hydraulische und ökologische Folgeabschätzungen sowie Umweltverträglichkeitsverfahren umfasste. Letztendlich konnte eine Lösung gefunden werden, bei denen sowohl die bautechnischen als auch die ökologischen Belange erfüllt werden konnten.

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Generator beim Einheben in das unterirdische Maschinengebäude des neuen Kleinwasserkraftwerks Saint Barthélemy
© Alessandro Mosso

Baustart 2022: Arbeiten im alpinen Gelände

Die Realisierungsphase des Projekts startete schließlich im Juli 2022. Aufgrund der Höhenlage des Projektgebiets zwischen ca. 1.480 und 1.650 m. ü.M. wurden die primären Arbeiten zwischen den Frühlings- und Herbstmonaten durchgeführt. Während der Wintermonate waren wegen der Lawinengefahr Bauunterbrechungen erforderlich. Laut Alessandro Mosso stellten die instabilen geologischen Verhältnisse eine große Herausforderung während der Bauarbeiten dar. Diesen Bedingungen wurde insofern Rechnung getragen, als von den ausführenden Unternehmen bautechnische Verstärkungsmaßnahmen an den Bauwerken sowie der Druckrohrleitung durchgeführt wurden. So wurden an der insgesamt 1.622 m langen Druckrohrleitung, die abschnittweise über sehr steiles Gelände verläuft, entsprechende Fixpunkte aus Beton hergestellt. Der Kraftabstieg an sich besteht zur Gänze aus robusten Stahlrohren mit der Dimension DN800, dieser überwindet einen Höhenunterschied von rund 160 m. Mit der Druckrohrleitung mitverlegt wurde zudem ein Lichtwellenleiterkabel, das die digitale Kommunikation zwischen den technischen Gewerken an der Wasserfassung und der Kraftwerkszentrale ermöglicht. Neben der Druckrohrleitung für das Wasserkraftwerk wurde noch eine zusätzliche Leitung für den Anschluss an das landwirtschaftliche Bewässerungssystem hergestellt. Diese ca. 950 m lange Leitung besteht ebenfalls aus Stahlrohren und wurde in der Dimension DN150 ausgeführt.

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Coanda-System an der Wasserfassung bei der Montage
© Wild Metal

Effiziente Wasserfassung mit Coanda-Rechen „Grizzly“

An der Wasserfassung setzten die Betreiber zur Ausleitung des Triebwassers auf das innovative Coanda-System „Grizzly“ vom Südtiroler Stahlwasserbauexperten Wild Metal GmbH. Bei dem patentierten System handelt es sich im Prinzip um ein nahezu selbstreinigendes Schutzsieb, das seine Praxistauglichkeit im gesamten Alpenraum mittlerweile mehrere hunderte Male unter Beweis stellt. Der Wassereinzug erfolgt durch ein Feinsieb mit lediglich 0,6 mm Spaltweite, wobei durch den namensgebenden Coanda-Effekt Treibgut und Geschwemmsel automatisch von der Rechenfläche gespült werden. Zuverlässigen Schutz vor grobem Schwemmgut wie Ästen und Felsen gewährleistet wiederum ein über dem Feinsieb angeordnetes Stahlgitter in feuerverzinkter Ausführung. Nach der Ausleitung durch das Coanda-System gelangt das Triebwasser in ein Entsanderbecken, in dem sich die feinen Sedimente des Triebwassers vor dem Beginn der Druckrohrleitung langsam absetzen können. Neben dem „Grizzly“ lieferten die Südtiroler auch noch das restliche Stahlwasserbauequipment für die Wehranlage, dazu zählten die Spülklappe für das Entsanderbecken sowie diverse Absperr- und Regulierorgane sowie das Hydraulikaggregat zur vollautomatischen Regelung der Schützen. Für die Gewährleistung der gewässerökologischen Durchgängigkeit wurde ein Vertical-Slot-Pass errichtet, der die Fische an der Wehranlage vorbei vom Unter- ins Oberwasser führt.

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Das patentierte Coanda-System „Grizzly“ mit Selbstreinigungsfunktion von der Südtiroler Wild Metal GmbH sorgt für die vollautomatische Ausleitung des Triebwassers.
© Wild Metal

Pelton-Turbine arbeitet unterirdisch und vollautomatisiert

Um den optischen Eingriff in das Landschaftsbild so gering wie möglich zu halten, wurde das Maschinengebäude der Anlage komplett unterirdisch errichtet. Das Herzstück der gut verborgenen Anlagenzentrale bildet eine 4-düsige Pelton-Turbine in vertikalachsiger Ausführung, die einen direkt mit dem Laufrad gekoppelten Generator antreibt. Geliefert wurde der Maschinensatz vom italienischen Hersteller Tamanini Hydro. Bei einer Ausbauwassermenge von 1.000 l/s und 159,11 m Nettofallhöhe schafft die Turbine bei vollem Wasserdargebot 1.305 kW Engpassleistung. Dank der mehrdüsigen Ausführung kann die Maschine über ein breites Betriebsband hinweg effektiv arbeiten und auch bei stark verringertem Zufluss hohe Wirkungsgrade erreichen. Komplettiert wird der Maschinensatz durch den 3-phasigen Synchron-Generator mit 1.500 kVA Nennscheinleistung. Der luftgekühlte Generator stammt vom Hersteller Marelli Motori und wurde auf 3.000 V Betriebsspannung ausgelegt. Das komplette elektro- und regelungstechnische Equipment im Krafthaus wurde ebenfalls von Tamanini Hydro geliefert. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert die Stromproduktion der Anlage vollständig automatisiert. Über eine gesicherte Online-Anbindung kann das Kraftwerk rund um die Uhr auch aus der Ferne überwacht und bedient werden. Die Anlagensteuerung wurde mit einer intuitiven Visualisierung versehen, die auf einen Blick die wichtigsten Informationen zum aktuellen Status des Kraftwerks zur Verfügung stellt.

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4-düsige Pelton-Turbine von Tamanini Hydro bei der Montage
© Alessandro Mosso

Seit Frühling 2025 in Betrieb: 3,5 GWh Ökostrom pro Jahr

Nach dem Abschluss der Bauarbeiten konnte das neue Kleinwasserkraftwerk Saint Barthélemy im Frühling 2025 erstmals sauberen Strom produzieren. Ins öffentliche Netz eingespeist wird der Ökostrom durch ein neu verlegtes Erdkabel mit ca. 3,5 km Länge. Der Generalplaner Alessandro Mosso zeigt sich mit dem Endergebnis des Projekts rundum zufrieden: „Die ersten Tests haben die hohe Effizienz des elektromechanischen Equipments bereits unter Beweis gestellt. Ich bin mir sicher, dass die Betreiber in der Zukunft noch viel Freude mit ihrem Kraftwerk haben werden.“ Im Regeljahr wird die mustergültig realisierte Anlage im Aostatal rund 3,5 GWh Ökostrom erzeugen.

Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 3/2025