Kraftwerk am Wehrgraben in Steyr5 min read
Lesedauer: 4 MinutenDer Wehrgraben in der oberösterreichischen Industriestadt Steyr ist ein historischer und denkmalgeschützter Stadtteil. Anno dazumal spielte der Betriebswasserkanal eine maßgebliche Rolle bei der..
..Industrialisierung von Steyr. In den 1970er verlor er jedoch seine wirtschaftliche Bedeutung und die Kraftwerke, die den Wehrgraben säumten, wurden stillgelegt und teilweise demontiert. So geschehen auch beim Kraftwerk „Zeugstätte II“ an der Direktionsbrücke im Stadtzentrum. Mehrere Anläufe, das Kraftwerk in den Jahren danach wieder zu revitalisieren, scheiterten. Auch als sich die Jank GmbH aus Jeging in Oberösterreich entschied, das historische Kraftwerk im Jahr 2007 zu erwerben war unklar, ob eine Revitalisierung jemals bewilligt werden würde. Das Familienunternehmen vertraute aber auf seine langjährige Erfahrung und konnte so mit seinem nachhaltigen Projektplan das Vertrauen der Behörden für sich gewinnen. Es gelang den Oberösterreichern das Kraftwerk zu revitalisieren. Dies so erfolgreich, dass man am Ende den Denkmalschutzpreis der Stadt Steyr in Empfang nahm.
Bereits im 12. Jahrhundert wurde der Steyrer Wehrgraben von Handwerkern besiedelt, die sich die Wasserkraft des 1,5 km langen Kanals zu Nutze machten. Im 19. Jahrhundert siedelte sich mit der Waffenfabrik Josef Werndls auch eines der größten Industrieunternehmen der damaligen Monarchie am Wehrgaben an. Als in den 1970er Jahren die Stilllegung und teilweise Demontage der letzten Kraftwerke erfolgte, verlor er seine wirtschaftliche Bedeutung. Anschließend folgte ein dramatisches Jahrzehnt in der Geschichte des Wehrgrabens. Seiner einstigen Bedeutung verlustig, drohte ein Zuschütten wie es der Gemeinderat 1972 beschlossen hatte. Die Bürgerinitiative „Rettet den Wehrgraben“ konnte diese Bedrohung im Jahr 1983 jedoch abwehren. In den Jahren danach erhielt der Wehrgraben seine heutige kulturelle Anerkennung durch die Landesausstellung „Arbeit-Mensch-Maschine“, aus der auch das Museum „Industrielle Arbeitswelt“ hervorging. Seitdem steht der Stadtteil mit seinen insgesamt 220 Häusern auch unter Denkmalschutz.
Mut zur Herausforderung
Ein Teil dieser Geschichte ist das Kleinwasserkraftwerk „Zeugstätte II“ an der Direktionsbrücke. Hier nutzte man seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Wasserkraft zum Antrieb zweier Francis-Turbinen. Jahrelang standen das Kraftwerk still und das dazugehörige Gebäude leer. Interesse an einer Revitalisierung der Kraftwerksanlage gab es, aber die eingereichten Pläne konnten die Behörden nicht überzeugen. Als die oberösterreichische Turbinen- und Stahlwasserbau Firma Jank GmbH auf das Kraftwerk aufmerksam wurde, entschied man sich das Objekt zu erwerben. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar konkrete Überlegungen zur Revitalisierung der Kraftwerksanlage, eine Baugenehmigung lag jedoch nicht vor – in Anbetracht der bereits abgelehnten Projekte war dieses Unterfangen sicherlich auch mit einem Risiko behaftet. Der Umstand, dass sich das Kraftwerk mitten in der Stadt in einem denkmalgeschützten Gebäude befindet und Pläne so gut wie nicht vorhanden waren, machte die Angelegenheit nicht gerade einfacher. „Sicherlich war das Vorhaben von Beginn an eine Herausforderung. Jedoch macht gerade das für uns den Reiz aus – uns diesen schwierigen Projekten zu stellen und daraus auch etwas zu lernen“, so Dipl.-Ing. Siegfried Jank, technischer Leiter des Maschinenbaus der Jank GmbH. Mut zur Herausforderung die auch belohnt wurde. Durch das langjährige Know-how und die durchdachte Planung, unter größter Rücksichtnahme auf den Denkmalschutz, konnte man das Vertrauen der Behörden für sich gewinnen und erhielt die Baugenehmigung.
Bauplanung in 3D
Der Spatenstich zu den Bauarbeiten erfolgte 2010, rund drei Jahre nach Erwerb des Kraftwerks. In einem der ersten Schritte wurde das Kraftwerk tachymetrisch vermessen und die Daten in ein 3D-CAD Programm eingelesen. Auf Basis der virtuellen Darstellung des Kraftwerks wurden die Bauarbeiten geplant. Eine der schwierigen Aufgaben, aufgrund des Denkmalschutzes, war der Einbau der Saugrohre. Im alten Kraftwerk, das mit zwei Francis-Turbinen bestückt war, waren die beiden Betonsaugrohre in Richtung des weiteren Verlaufs des Wehrgrabens ausgerichtet. Eine neue Dotierrichtlinie sah jedoch vor, die Hälfte der Ausbauwassermenge in das Nebengerinne, den Kupferhammerbach, abzuführen. So musste bei einer der Turbinen das Saugrohr in einem 90 Grad Winkel neu ausgerichtet werden. Hierfür wurde unter dem Gebäude und der angrenzenden Straße hindurch in Richtung Nebengerinne ausgebrochen. „Dabei mussten wir sehr vorsichtig agieren, damit das Gebäude keinen Schaden nimmt. Es war keine leichte Aufgabe, aber alles verlief wie geplant und wir konnten keine Schäden oder Risse am Gebäude finden“, so Dipl.-Ing. Jank. Bei der ersten Turbine konnte das neue Saugrohr indessen komplett in das alte Betonsaugrohr hineingebaut werden.
Schallisolation und Wärmepumpe
Eine weitere Projektauflage war die Körperschallisolation, da sich das Kraftwerk mitten in der Stadt befindet. Im Gebäude sind zudem vier Wohnungen untergebracht. Um die Körperschallisolation der Maschinen richtig abzustimmen, wurde die Schwingungsausbreitung von einem Experten untersucht. Mittels einer Sylodyn-Schicht, ein spezielles PUR-Elastomer welches Vibrationsenergie abbaut, wurden die Maschinensätze vom Gebäude mechanisch isoliert. Das dazu von Jank neu entwickelte Entkopplungssystem lässt sich auch bei bestehenden Bauwerken realisieren. Eine Überprüfung der Körperschallisolation lieferte einwandfreie Werte. Die beiden Maschinen arbeiten zudem sehr leise und sind selbst in der Maschinenhalle kaum zu vernehmen. Die beiden baugleichen Kaplan-Turbinen verfügen jeweils über zwei direkt aufgesetzte Permanentmagnet-Generatoren und arbeiten mit einer Drehzahl von 150 Upm. Die Generatoren werden wassergekühlt um die Abwärme zum zusätzlichen Heizen der vier Wohnungen im Gebäude zu nutzen. Im Sommer wird die Wärme über den Wehrgraben abgeleitet.
Denkmalschutzpreis
Nach gut zwei Jahren konnte das Kraftwerk schließlich erfolgreich in Betrieb gehen. Die beiden Maschinengruppen mit einer maximalen Leistung von je 120 kW sollten im Regeljahr, bei einer Ausbauwassermenge von 5,7 m3/s und Fallhöhen von 2,2 m bzw. 2,5 m, ca. 1,4 Mio. kWh produzieren. Trotz der umfangreichen Komplexität des Projekts konnten alle Herausforderungen ohne größere Probleme gemeistert werden. „Wir waren schlussendlich positiv überrascht, wie unspektakulär das Projekt eigentlich verlaufen ist. Am Ende haben wir die Maschinen dann einfach eingeschaltet und es lief alles perfekt“, so Jank. Später erhielt das Projekt ganz unerwartet auch den Denkmalschutzpreis der Stadt Steyr. „Das war auch ein Signal der Stadt, dass sie mit dem, was wir hier geschaffen haben, sehr zufrieden sind. Für uns hat sich das Projekt am Ende ausgezahlt und wir konnten auch einiges an neuen Erfahrungen dadurch sammeln“, so Dipl.-Ing. Siegfried Jank abschließend.
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