Kraftwerk Glarey im Schweizer Rhonetal mit österreichischer Technik am Netz6 min read
Lesedauer: 5 MinutenIn der Gemeinde Bex im Südwesten der Schweiz erzeugt das Wasserkraftwerk Glarey seit Februar 2024 sauberen Strom. Realisiert hat den Neubau im Kanton Waadt der Energieversorger Romande Energie SA. Das Triebwasser für die Anlage stammt von einem ca. 1,5 km flussaufwärts gelegenen Kraftwerk der Schweizer Salinen AG, das sein turbiniertes Wasser direkt in ein Übergabebecken für den Unterlieger weiterleitet. Als Komplettausstatter für das gesamte elektromechanische und leittechnische Anlagenequipment wurde die bewährte österreichische GUGLER Water Turbines GmbH beauftragt. Das Kernstück des Lieferumfangs bildeten zwei leistungsstarke Francis-Spiralturbinen, die im Volllastbetrieb eine gemeinsame Engpassleistung von rund 2,3 MW erreichen. Im Regeljahr wird das neue Ökostromkraftwerk am Gewässer Avançon rund 7,5 GWh saubere Energie erzeugen.
Rund 20 Kilometer südlich des Genfer Sees im Rhonetal wurden in der Gemeinde Bex in den vergangenen beiden Jahren zwei Wasserkraftwerke neu gebaut bzw. umfassend erweitert. Bei der erweiterten Anlage handelt es sich um das vor über 80 Jahren fertiggestellte Kraftwerk der Schweizer Salinen AG. Das in den 1940er Jahren errichtete Kraftwerk wurde im Zuge der Erweiterung umfassend modernisiert und mit drei neuen Turbinen ausgestattet. Neben der Deckung des gesamten Strombedarfs der Salinenproduktion speist die Anlage ihren erzeugten Strom auch ins öffentliche Netz ein. Unabhängig von der Erweiterung des Salinenkraftwerks wurde in dessen Unterwasserbereich auch ein neues Wasserkraftwerk errichtet.
Triebwasser direkt vom Oberlieger
Der nach dem Ortsteil Glarey benannte Kraftwerksneubau wurde vom Energieversorger Romande Energie SA realisiert, der mit seinen rund 30 Wasserkraftwerken im Regeljahr rund 600 Millionen kWh Strom erzeugt. Konzipiert wurde der neueste Zuwachs im Kraftwerkspark von Romande Energie als Ausleitungskraftwerk am Gewässer Avançon. „Das Kraftwerk Glarey erhält sein Triebwasser direkt vom Oberliegerkraftwerk der Saline, bei dem das abgearbeitete Wasser nach dem Maschinengebäude in ein Übergabebecken geleitet wird. Dort beginnt auch die Druckrohrleitung des Kraftwerks Glarey, für das somit keine separate Wasserfassung erstellt werden musste“, erklärt Thomas Berger, Projektleiter der GUGLER Hydro Power GmbH, die für die Lieferung der gesamten elektromechanischen Kraftwerksausstattung zuständig war. „Obwohl die Kraftwerke unabhängig voneinander betrieben werden, ist das Kraftwerk Glarey hinsichtlich der Triebwasserübernahme dennoch direkt von der Oberliegeranlage abhängig. Aus diesem Grund findet auch ein Datenaustausch zwischen Unter- und Oberliegerkraftwerk statt, um auf die Betriebsweise des Oberliegers gegebenenfalls schnell reagieren zu können.“
GUGLER liefert Komplettpaket
Mit dem Zuschlag als Generalausrüster für das Kraftwerk Glarey konnten die international renommierten Wasserkraftexperten aus Österreich einmal mehr ihre Kompetenz in der Schweiz unter Beweis stellen. Thomas Berger betont, dass der GUGLER-Lieferumfang im Prinzip die komplette elektromechanische und regelungstechnische Ausstattung für das Maschinengebäude beinhaltete. Dazu gehörten unter anderem zwei unterschiedlich groß dimensionierte Francis-Spiralturbinen und die dazugehörigen Generatoren, die Schmier- und Hydraulikaggregate, die Kühlpaneele, die Ein- und Auslaufschützen sowie der Hallenkran. Der große Lieferumfang sorgte laut Thomas Berger auch für beträchtlichen Koordinationsaufwand: „Um das Projekt ohne Verzug über die Bühne zu bringen, hatte die Anlieferung und Montage der unterschiedlichen Gewerke punktgenau eingetaktet zu werden. Dies erforderte ein enges Abstimmen mit dem ausführenden Schweizer Bauunternehmen, wobei die Kommunikation stets sehr gut funktioniert hat.“ Die Situierung des Maschinengebäudes in direkter Nähe zu einer Bahnlinie brachte erheblichen Bauaufwand mit sich, schließlich musste die in der Dimension DN1600 verlegte Druckrohrleitung vor dem Übergang in die Kraftwerkszentrale noch die Bahntrasse unterqueren. Hergestellt wurde die Querung der Bahnstrecke durch einen Betondüker, nach welchem die Druckrohrleitung direkt auf das stählerne Hosenrohr vor den Turbinen übergeht. Die Montage des Hosenrohrs, das ebenfalls im GUGLER-Lieferumfang enthalten war, nahm rund zwei Wochen in Anspruch. Wegen der kalten Witterungsbedingungen und Schneefälle wurden für die Schweiß- und Montagearbeiten temporäre Montagezelte aufgebaut.
Akustik im Fokus
Aus Schallschutzgründen – das Krafthaus befindet sich im verbauten Siedlungsgebiet der Gemeinde – wurde das funktionell entworfene Maschinengebäude als Betonblock ohne Fenster errichtet. Der Schallschutz war laut Projektleiter Berger auch bei der Konzeption der Maschinensätze eine wichtige Thematik: „Man hätte die Generatoren auch in luftgekühlter Variante ausführen können, aus akustischen Gründen kamen allerdings deutlich leisere, wassergekühlte Maschinen zum Einsatz. Zudem wurden die Generatoren mit Gleitlagern bestückt, was bei dieser Baugröße eher unüblich ist. Als weitere schallreduzierende Maßnahmen wurden die Generatoren mit zusätzlichen Einhausungen versehen und die Hydraulikaggregate mit speziellen, leiseren Motorpumpeinheiten bestückt. Grundsätzlich wurde alles unternommen, um jene Komponenten, die bekanntlich höhere Geräusche verursachen, möglichst leise auszuführen, damit ein bestimmter Schallpegel nicht überschritten wird.“
Francis-Spiralturbinen im Doppelpack
Das Zentrum des Maschinengebäudes bilden zwei horizontalachsige Francis-Spiralturbinen, die jeweils für 5,25 und 1,8 m³/s Ausbauwassermenge konzipiert wurden. Mit den unterschiedlich groß dimensionierten Turbinen kann auch bei variierenden Zuflüssen eine maximal effektive Stromproduktion gewährleistet werden. Beide Maschinen nutzen eine Nettofallhöhe von ca. 30,5 m, womit die größere Turbine bei vollem Wasserdargebot 1.615 kW Engpassleistung erzielt, die kleinere Turbine erreicht unter Volllast 625 kW Engpassleistung. Die Francis-Laufräder mit 880 bzw. 620 mm Durchmesser treiben die direkt gekoppelten Wellen der Synchron-Generatoren ohne zwischengeschaltete Getriebe an. Ausgelegt wurden die beiden Generatoren auf jeweils 690 V Betriebsspannung sowie auf 1.800 bzw. 700 kVA Nennscheinleistung. Komplettiert wurde der GUGLER-Lieferumfang durch die gesamte Elektro- und Leittechnik, wozu etwa die Mittelspannungsschaltanlage, der Haupt- und Eigenbedarfstransformator, die Turbinenregler und das SCADA-System zählen.
Erfolgreicher Testbetrieb
Nach Abschluss der finalen Installationsarbeiten wurden die beiden Maschinensätze im Februar 2024 erstmals mit dem Netz synchronisiert und ersten Tests unterzogen. „Die ersten Betriebserfahrungen der Anlage sind sehr positiv verlaufen. Wegen der begrenzten Wasserführung konnte zunächst nur die kleinere Turbine unter Volllast betrieben werden. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass auch die größere Maschine einwandfrei ihre volle Funktionalität unter Beweis stellen wird. Grundsätzlich freuen wir uns, dass wir mit dem Kraftwerk Glarey eine weitere schöne Referenzanlage in der Schweiz realisieren konnten“, so Thomas Berger. Mit der auch in höheren Lagen bald einsetzenden Schneeschmelze wird das Kraftwerk schon bald unter Volllast laufen. Im Regeljahr rechnet Betreiber Romande Energie bei seinem neuesten Kleinwasserkraftwerk mit rund 7,5 GWh Ökostromproduktion.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2024
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