Kraftwerk Salten Partschins – Ökostrom aus dem Apfelhain8 min read
Lesedauer: 5 MinutenSeit knapp zwei Jahren liefert das neue Kraftwerk Salten im Südtiroler Partschins sauberen Strom ins Netz. Die Gemeinde am Fuße der Texelgruppe setzt seit vielen Jahren auf die Kraft des Wassers.
Nach der Realisierung des Kraftwerks Birkenwald 2012 folgte fünf Jahre später eine fast vollständige Erneuerung des bestehenden Unterliegerkraftwerks Salten, von dem nur das alte Krafthaus erhalten blieb. Die Betreiber legten dabei großes Augenmerk darauf, ein durch und durch „Südtiroler“ Kraftwerk zu realisieren. Mit Branchenspezialisten wie der Firma Troyer AG, dem Planungsbüro EUT Engineering GmbH, regionalen Bauunternehmen, oder dem Stahlwasserspezialisten Gufler Metall ist dies eindrucksvoll gelungen. Heute weist die Anlage mit 1,93 MW eine fast 6 Mal so große Leistungskapazität wie der Altbestand auf.
Die Vinschgauer Gemeinde Partschins zählt zu den Pionieren der Elektrifizierung in Südtirol. Bereits 1908 gelang es den findigen Vorvätern ein Kleinkraftwerk am Zielbach zu errichten, das immerhin über eine installierte Leistung von 185 kW verfügte. „Damit stand am Anfang mehr Strom zur Verfügung als man im Ort verbrauchen konnte. Es war eine wichtige und große Investition in die Zukunft des Ortes“, erzählt Andreas Colleselli, der heute in den Diensten der Gemeinde die beiden neuen Kraftwerke betreut. Das alte Kraftwerk Wasserfall ist längst stillgelegt. Heute soll es musealen Zwecken zugeführt werden. Das Kuratorium für technische Kulturgüter hat das Kraftwerk Wasserfall als erhaltenswertes Technikdenkmal ausgewiesen. Knapp 50 Jahre später nahm die Gemeinde mit dem Kraftwerk Salten eine weitere Anlage in Betrieb. Das Kleinkraftwerk mit einer installierten Leistung von 340 kW kam im Regeljahr auf eine Jahresproduktion von rund 2,6 Mio. kWh. Es sollte in den Jahren 2016 bis 2017 fast gänzlich erneuert und ausgebaut werden. Vorprojekt und Gesamtkonzept dazu wurden vom Ingenieurbüro Karbacher & Abler aus Lana gemacht.
Coanda-System aus Südtirol
Für die Ausführungsplanung und die Ausschreibungen beauftragte die Gemeinde das bekannte Ingenieurbüro EUT Engineering GmbH aus Brixen, das auch das Konzept der Anlage auf neue Beine stellte. Grundsätzlich handelt es sich um ein Ausleitungskraftwerk, das sowohl Wasser aus dem Zielbach als auch dem Holerbach bezieht. Die Wasserfassung wurde auf 966 m Seehöhe in Form einer massiven, rund 8 m breiten Wehrschwelle mit einem Coanda-Rechen realisiert. Das innovative Coanda-System, das unterhalb eines massiven Grobrechens aus Profilstäben liegt, wurde vom Südtiroler Stahlwasserbau-Spezialisten Gufler Metall aus Moos in Passeier gebaut und montiert. Es handelt sich um eine besonders robuste Ausführung, die einerseits einen effektiven Schutz vor Steinen, Geröll und schwerem Schwemmgut bietet, und anderseits die Vorzüge des Coanda-Rechens als Schutzfilter in sich vereint. „Der Coanda-Rechen von Gufler Metall hält Partikel, die größer als 0,5 mm sind, zu etwa 90 Prozent vom Triebwasserweg fern. Der große Vorteil dieses Systems liegt natürlich darin, dass es selbstreinigend ist und daher auch keine eigene Rechenreinigungsmaschine erforderlich ist. Damit spart man sich Investitons-, Betriebs- und Wartungskosten“, erklärt Andreas Colleselli vom E-Werk Partschins.
Wasser für die Landwirtschaft
Ein wesentlicher Punkt in der Planung der Wasserausleitung betraf die Berücksichtigung der Konzession der Bewässerungsinteressenschaft Partschins, deren Recht auf Wasser aus dem Zielbach prioritär zu behandeln war. „Die Ausleitungen im Ausgleichsbecken wurden daher so geplant, dass primär die Konzession der Bewässerungsinteressentschaft erfüllt wird. Die Entnahme für das Triebwasser erfolgt sekundär. Aus diesem Grund wurde die Ausleitung für die Landwirtschaft im Ausgleichsbecken tiefer angelegt als jene für das Kraftwerk, sodass eben bei Wasserknappheit die Konzession der Bauern zuerst vollzogen wird“, erklärt dazu der zuständige Abteilungsleiter Wasserbau Dr. Ing. Andreas Schrott vom Ingenieurbüro EUT Engineering. Was die unterschiedlich gestaffelten Restwassermengen angeht, die in den Zielbach dotiert werden, so werden diese über ein Schütz und eine fixe Öffnung, sowie eine zweite Fixöffnung geregelt, welche im Frühjahr und im Herbst geöffnet ist. Über das Schütz werden nur die großen Wassermengen während der Sommermonate abgegeben. Mittels einer Pegelsonde wird die Hubhöhe des Schützes so reguliert, dass ständig die exakt geforderte Wassermenge abgegeben wird. Die Pegelsonde ist in der Entnahmekammer installiert.
Triebwasser aus dem Oberlieger
In Summe können maximal 1.050 l/s in den Triebwasserweg eingezogen werden. Nach Passieren des Coanda-Rechens gelangt das Wasser in die Entnahmekammer. Von hier fließt es über einen Überfall direkt in eine Freispiegelleitung, die zum Ausgleichsbecken führt. Überschreitet die anfallende Wassermenge die 494 l/s-Grenze, dann springt der Begrenzungsüberfall an. Zwar verfügte das alte Kraftwerk bereits über ein Ausgleichsbecken, doch dieses wurde im Zuge des Um- und Neubauprojektes des KW Birkenwald ebenfalls neu errichtet. Das Fassungsvermögen liegt bei 300 m3. Das abgearbeitete Wasser aus dem Oberliegerkraftwerk, dem KW Birkenwald, wird direkt in das Ausgleichsbecken geführt. Von der Wasserfassung Durster Brücke gelangt das Wasser über eine ca. 140m lange Zuleitung in das Ausgleichsbecken. Hier schließt die neue Druckrohrleitung an, die komplett unterirdisch in einer Verlegetiefe von rund 1,2 bis 2,5 m über eine Länge von 1.120 m verläuft. Zusammen mit der Druckrohrleitung wurden großteils im Verlauf der alten Rohrtrasse gleichzeitig Infrastruktureinrichtungen, wie Schwarzwasser- bzw. Trinkwasserleitungen und Glasfaserkabel mitverlegt. Die Überdeckung mit steinfreiem Material beträgt im Schnitt rund 1,2 m. Am Ende der Verlegung wurde die Rohrtrasse wieder durchgehend rekultiviert.
Herausforderung Stahlrohrverlegung
In Hinblick auf das Rohrmaterial war es den Betreibern in Partschins wichtig, eine möglichst stabile und langlebige Lösung zu finden. Man entschied sich für spiralgeschweißte Stahlrohre der Dimension DN800 mit einer Wandstärke von 7,1 mm. Das Verschweißen der verlegten Stahlrohre wurde ebenfalls von der Firma Gufler Metall durchgeführt, die sich gerade in Sachen Stahlrohrschweißen über die letzten zwei Jahrzehnte einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat und mittlerweile auf eine lange Referenzliste verweisen kann. Und dies aus gutem Grund: Schließlich zählt das Schweißen der Stahlrohre in unwegsamem Gelände und unter schwierigen Witterungsverhältnissen noch immer zu den größten Herausforderungen im Rohrleitungsbau. Trotz teils widriger äußerer Bedingungen garantieren die geprüften Schweißer von Gufler Metall, die grundsätzlich bei ihrer Arbeit auf Elektroschweißen von Hand mit Stabelektrode setzen, die Qualität ihrer Schweißnaht. Letztlich ist es genau das, was zählt. Derzeit verfügt man hausintern über fünf derartige Spezialisten, kann aber im Bedarfsfall auf weitere Fachkräfte von außerhalb zurückgreifen. Betriebsintern wurde eine spezielle Schweißanweisung für das Schweißen von Druckrohren erstellt. Nicht von ungefähr hat Gufler Metall in den letzten 15 Jahren die Stahlrohrleitungen für rund 40 Wasserkraftwerke erstellt. Die kalkulierte Gesamtlänge aller von Gufler Metall geschweißten Stahlrohre hat mittlerweile rund 60 Kilometer überschritten. Die Varianten an Durchmessern reichend dabei von DN300 bis zu DN2400. Auch im Fall des Kraftwerks Salten konnte Gufler Metall seine Kompetenz unter Beweis stellen, wie Andreas Colleselli bestätigt: „Die Verlegung ist sehr zügig vonstatten gegangen – und die Druckprobe hat auch auf Anhieb geklappt.“
Technik aus einer Hand
Die Substanz des Krafthauses, das auf 728 m Seehhöhe inmitten eines malerischen Apfelhains situiert ist, wurde intern neu umstruktiert. Das großzügig angelegte Gebäude, das im Zuge des Bauprojekts saniert wurde, beherbergt auch heute den Maschinensatz, sowie eine Schaltwarte, MS-Raum und den Trafo-Raum. Im Gegensatz zum Altbestand, in dem eine 1-düsige horizontalachsige Peltonturbine das Triebwasser abarbeitete, wurde nun ein vertikalachsiger Maschinensatz, bestehend aus einer 6-düsigen Peltonturbine und einem wassergekühlten Synchrongenerator, der über eine „fliegende“ Welle angetrieben wird, installiert. Die gesamte elektromechanische Ausrüstung plus der gesamten Elektro- und Steuerungstechnik wurde vom renommierten Wasserkraftunternehmen Troyer AG geliefert. Seit Jahrzehnten weiß das Familienunternehmen aus Sterzing mit ihren Water-to-Wire-Lösungen zu überzeugen. Und auch im Fall des neuen KW Salten gelang dies eindrucksvoll, wie Andreas Colleselli bestätigt: „Die Firma Troyer AG hat hier wirklich gute Arbeit geleistet. Die Maschinen arbeiten effizient und hoch zuverlässig. Sowohl was die Maschinentechnik, als auch was die Steuerung angeht, haben wir bislang noch kein nennenswertes Problem gehabt. Wir sind sehr zufrieden.“ Der Generator, der sich ebenfalls im Lieferumfang der Fa. Troyer AG befand, wurde vom oberösterreichischen Traditionsunternehmen Hitzinger bezogen. „Das ist die einzige Komponente im ganzen Projekt, die nicht aus Südtirol kommt. Aber wir haben im Altbestand schon einen Hitzinger-Generator gehabt und waren immer sehr zufrieden damit. Daher diese Entscheidung.“ Der mit einem Gleitlager ausgeführte Drehstromgenerator ist auf eine Nennleistung von 2.500 kVA ausgelegt. Er wird mit einer Nenndrehzahl von 750 Upm von der sechsdüsigen Peltonturbine angetrieben. Diese ist auf eine Nettofallhöhe von 208 m und einen maximalen Ausbaudurchfluss von 1.050 l/s ausgelegt und kommt damit auf eine Nennleistung von 1.927 kW, knapp das 6-Fache der alten Maschine.
Erzeugung verdoppelt
Die mittlere Wassermenge, die dem Maschinensatz zur Verfügung steht, wird mit rund 335 l/s beziffert. Das Wasserdargebot ist somit ausreichend, um eine erhebliche Produktionssteigerung gegenüber der Altanlage erzielen zu können. Während das alte Kraftwerk Salten im Regeljahr rund 2,6 Mio. kWh ans Netz lieferte, kommt das neue Kraftwerk durchschnittlich auf etwa 5 Mio. kWh, also gut auf das Doppelte. Zusammen mit dem Kraftwerk Birkenwald erzeugt die Gemeinde Partschins mit ihren beiden Ökostrom-Kraftwerken im Regeljahr also 12 bis 14 GWh. Rein rechnerisch ist damit der gesamte private Stromverbrauch der 3.600-Einwohner-Gemeinde im Vinschgau abgedeckt. Seit Mai 2017 ist das neue Kraftwerk Salten nun in Betrieb. Es steht heute nicht nur stellvertretend für das Bekenntnis der Gemeinde zu ihrer langen Tradition der Wasserkraftnutzung, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zu den ambitionierten Energiezielen der autonomen Provinz Südtirol. Schließlich möchte die Alpenprovinz bis 2050 zur Gänze energieautonom sein.
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