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Kraftwerk Schächen liefert Strom für rund 3.600 Urner Haushalte10 min read

13. Feber 2020, Lesedauer: 7 min

Kraftwerk Schächen liefert Strom für rund 3.600 Urner Haushalte10 min read

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Der Schächen liegt dem EWA gewissermaßen in der DNA“, sagt Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident der KW Schächen AG und Vorsitzender der Geschäftsleitung von EWA.

Schließlich kommt dem Gewässer innerhalb der 80 größeren Urner Bächen tatsächlich eine besondere Bedeutung zu: Bereits 1894 hatte der Urner Re­gierungsrat eine Konzession für die hydroelektrische Nutzung des Bachs erteilt – und wenig später errichtete EWA sein erstes Kraftwerk am Schächen, das im Februar 1895 in Betrieb ging. Es war die Geburtsstunde des EWA. Im Laufe der Jahre folgten weitere Kleinkraftwerke, die den Bach Stück für Stück, Kaskade für Kaskade energetisch nutzbar machten. Effektiv ungenutzt blieb bis zuletzt nur der unterste Abschnitt des Schächens – von der Rückgabe des Kraftwerks Bürglen bis zur Einmündung in die Reuss. Somit erscheint es folgerichtig und konsequent, dass das EWA hier den kraftwerkstechnischen „Lückenschluss“ anstrebte. 2009 startete man mit der Projektidee in das Vorprojekt – nicht ahnend, dass sich in der Folge doch einige massive Hürden auftürmen würden. „Wir waren von Beginn an mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert: Es begann mit der Zusammensetzung der wirtschaftlichen Trägerstruktur, die in diesem Fall etwas Zeit benötigte, und setzte sich fort mit dem UVP 1. Stufe und dem UVP 2. Stufe, sowie einer aufwändigen Konzessionsbewilligung. Wir sahen uns auch mit Einsprachen konfrontiert. Zum Glück konnten wir diese in einem konstruktiven Dialog ausräumen – und sind froh, dass das im Kanton Uri noch so gut funktioniert“, freut sich Werner Jauch.

Umsetzung mit bewährten Partnern
Die aufwändige Vorarbeit der erfahrenen Wasserkraftplaner und Betreiber des EWA sollte letztlich auch den erhofften Erfolg bringen. Nachdem der Urner Landrat im September 2016 die erforderliche Nutzungskonzession erteilt hatten, wurde im November 2016 die Kraftwerksgesellschaft – die KW Schächen AG – gegründet. Sie wird heute von EWA mit 51 Prozent, dem Kanton mit 34 Prozent sowie der Korporation Uri mit 15 Prozent gehalten. Wie bei vorangegangenen Kraftwerksprojekten hatten sich also auch beim KW Schächen die drei bewährten Partner erneut gefunden. Nachdem die beiden Gemeinden Schattdorf und Bürglen ihrerseits grünes Licht signalisierten, stand dem Baubeginn im Herbst letzten Jahres nichts mehr im Weg. Als eine der größten Herausforderungen des Projektes sah man sich mit der in Planung    begriffenen „West-Ost-Verbindung WOV“,  konfrontiert, die für eine Verkehrsentlastung im Urner Talboden sorgen soll. „Da die WOV auch das RUAG-Areal, wo die Zentrale des neuen Kraftwerks situiert ist, tangiert, war von Beginn an eine enge Abstimmung mit den Verantwortlichen des Verkehrsprojekts unumgänglich. Und diese Koordination hat letztlich sehr gut funktioniert“, resümiert Werner Jauch zufrieden. Doch es sollten noch andere Herausforderungen im Zuge des Baufortschritts auftauchen, die für rauchende Köpfe sorgten.

Druckrohrverlegung als Nagelprobe
Wie erwartet, war es vor allen Dingen die Verlegung der Druckrohrleitung von der Fassung unterhalb des KW Bürglen bis hinunter zur neuen Zentrale am RUAG-Areal, die letztlich jede Menge Know-how und Erfahrung erforderte. Werner Jauch: „Wir waren uns dessen bewusst, dass wir mit der Druckrohrleitung, die ja immerhin 2,5 km lang ist, hier im Urner Talboden Wohn-, Wirtschafts- und Industriezonen kreuzen, also Bereiche, in denen jede Menge Einbauten zu erwarten waren. Letztlich war dies baulich auch die große Nagelprobe für alle Beteiligten.“ Abgesehen vom obersten Bereich verläuft die Trasse vorrangig in der linken Böschungs- seite des Schächen. Als besonders diffizil  entpuppte sich ein Bereich im oberen Leitungsdrittel, wo die angrenzenden Wohnhäuser bis direkt an die Böschung heran reichen. „Von der Häuserseite aus konnte man hier nicht bauen, was bedeutete, dass wir vom Bach aus die Rohrleitung errichten mussten. Zu diesem Zweck wurde eine Baupiste im Bachbett aufgeschüttet. Natürlich konnten wir aufgrund der Hochwassersituation hier nur im Winter bauen. Daher wurde diese Baupiste Anfang Dezember letzten Jahres aufgeschüttet. Leider war das Wetter im Advent äußerst nass – und die Baupiste wurde zweimal weggeschwemmt“, erzählt Simon Kempf, Projektleiter Energie, und erläutert im Detail, warum dieses Malheur zu einer echten Bedrohung für das Projekt wurde: „Hätte es beim dritten Anlauf nicht geklappt, hätten wir dieses Baulos um ein ganzes Jahr verschieben müssen – und damit hätte unser Terminplan nicht mehr gehalten.“ Ein derartiges Worst-Case-Scenario wollte man sich nicht ausmalen: Schließlich ist die KEV-Zusage an den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage gebunden. Sollte das Kraftwerk nicht vor dem Jahreswechsel Strom ans Netz liefern, fällt die Anlage aus der KEV-Förderung. Alleine aus diesem Grund durfte beim dritten Versuch mit der Baupiste im Bachbett nichts mehr schiefgehen – und zum Glück tat es das auch. Die Rohrleitung wurde mustergültig in die Böschung unterhalb der Häuserreihe verlegt, sodass davon heute nichts mehr sichtbar ist.

Arbeiten unter beengten Bedingungen
Zudem bereitete den Verantwortlichen noch ein weiterer Trassenabschnitt Kopfzerbrechen: Im oberen Bereich der Druckleitung, dem Bereich Klausenstraße, war zwar im Vorfeld schon bekannt, dass man im Untergrund auf Trinkwasserrohre stoßen würde. Was nicht bekannt war: Die Rohre waren älter als angenommen und im Grunde auszutauschen. „Es war natürlich verständlich, dass die Gemeinde die Gelegenheit nutzen und die Rohre gleich ersetzen wollte. Aber wir wollten natürlich weiterarbeiten. Der kleine Unterbruch bedeutete für uns eine kleine Verzögerung, die wir aber wieder aufholen konnten“, erinnert sich Simon Kempf. Generell stellten die beengten Platzverhältnisse schwierigste Voraussetzungen für die Rohrverlegung dar. Um den Schnitt mit den Höhenquoten einzuhalten, wurde die neue Druckrohrleitung, bestehend aus GFK-Rohren vom Typ Flowite DN1600 vom eidge­nössischen Systemlieferanten APR Schweiz, in Tiefen von bis zu 10 m verlegt. Erschwerend kam das Verkehrsmanagement hinzu: Schließlich galt es, die sehr dicht befahrenen Straßen zumindest einspurig befahrbar zu erhalten. „Speziell im unteren Bereich, wo wir mit der Leitung die stark befahrene Gotthardstraße queren mussten, brachte die Verkehrsführung einige Knacknüsse für uns. Das war sehr anspruchsvoll“, blickt Werner Jauch zurück. Für ihn steht heute außer Frage, dass die größte Herausforderung im Projekt der kurze Zeitrahmen zwischen der Projektfortschrittsmeldung 2 und der geplanten Inbetriebnahme war: „Diese zwei Jahre einzuhalten ist bei kleineren Anlagen schon eine Herausforderung. Im Fall des KW Schächen war es eine regelrechte Herkulesaufgabe“, so der Verwaltungsratspräsident der KW Schächen AG.

Inbetriebsetzung von Wintermaschine im Gange
Doch aktuell haben die Verantwortlichen der Projektbetreiber keinen Grund mehr, sich große Sorgen zu machen. Das Kraftwerksprojekt liegt voll in der Zeit, die letzten Arbeiten gehen gut voran. Anfang November wurde die Anlage, die zuvor mit Baustrom versorgt worden war, mit der 15 kV-Stromleitung zusammengeschaltet und verfügt somit bereits über Netzspannung. Die Druckprobe an der 2,5 km langen Druckrohrleitung wurde zuvor durchgeführt. Sie konnte auf Anhieb erfolgreich abgewickelt werden, sodass die wichtigste Voraussetzung für die Nass-Inbetriebsetzung gegeben ist. Mit Stand Mitte November wird allerdings zuvor noch an der Trockeninbetriebnahme der kleinen „Winterturbine“ gearbeitet. Dabei handelt es sich um eine Durchströmturbine vom Fabrikat Ossberger – eine Maschine, die vor allem für ihre Robustheit und Wartungsarmut berühmt ist. Was die „Cross-Flow-Turbine“ darüber hinaus auszeichnet, sind ihre ungewöhnliche Toleranz hinsichtlich niedriger Lasten. Das heißt, dass die Maschine auch noch bei sehr niedrigem Wasserdargebot mit einem moderaten Wirkungsgrad am Netz verbleibt – bis deutlich unter der 5 Prozent-Marke. Die Turbine ist bereits verkabelt, die Techniker der Firma Troyer, die für die  maschinentechnische  und steuerungstechnische Ausrüstung des Kraftwerks verantwortlich zeichnet, bereiten indes die Trockeninbetriebnahme vor. Nach geglückter Trockeninbetriebsetzung sollte der Nassinbetriebsetzung in der dritten November-Woche nichts mehr im Wege stehen. Dann wird die Druckrohrleitung befüllt, und das zweizellige Laufrad, ausgelegt auf eine Nennleistung von 0,66 MW, erstmals von der Kraft des Schächen angetrieben. Damit ist das große Ziel der Energieproduktion vor dem Jahreswechsel in greifbare Nähe gerückt. „Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir dieses Ziel jetzt nicht erreichen“, sagt Simon Kempf.

Große Maschinen folgen im Frühling
Doch auch wenn das Augenmerk derzeit auf den kleinen Maschinensatz gerichtet ist, so stehen die anderen Arbeiten daneben natürlich keineswegs still. Bei den beiden größeren Turbinen, die ihrerseits wieder unterschiedliche Bau- und Leistungsgrößen aufweisen, werden die letzten Betonarbeiten abgeschlossen. Nachdem die Fundamente für die Turbinen vergossen wurden, konnten bereits die direkt gekoppelten Generatoren aufgesetzt werden. Im Wesentlichen sind die baulichen Arbeiten im Krafthaus abgeschlossen – ein Umstand, der sich positiv auf die Inbetriebsetzungsarbeiten und das gesamte technische Equipment aufgrund fehlender Staubentwicklung auswirkt. Konkret handelt es sich bei den installierten Turbinen um leistungsstarke Francis-Turbinen aus der Fertigung des Turbinenspezialisten Troyer AG aus Sterzing, die jeweils einen direkt gekoppelten Synchrongenerator des bayerischen Traditionsherstellers WKV antreiben. In Summe erreichen alle drei Maschinen eine Engpassleistung von 4,9 MW. Für eine Inbetriebsetzung der großen Maschinen fehlt in der aktuellen Niederwasserphase noch das Wasser im Schächen. In den nächsten Wochen soll dann Schritt für Schritt die In- betriebnahme der beiden größeren Francis-Turbinen erfolgen, sodass diese im Frühling kommenden Jahres bereit sind, wenn das Schmelzwasser den Schächen anschwellen lässt. Neben der maschinentechnischen Ausrüstung stattet die Troyer AG die Anlage auch mit der erforderlichen Automatisierungs- und Steuerungstechnik aus, wobei dabei das Anpassen der SICAM Steuerung und Zenon Oberfläche an den Standard des EWA die zentrale Herausforderung für die Spezialisten der Troyer AG darstellt.

Wertschöpfung für Uri
Insgesamt investieren die drei Projektpartner in das neue Kraftwerksprojekt 21,4 CHF. Die Investition in das Kraftwerk Schächen wird auch neue Werte generieren“, ist Werner Jauch überzeugt. „Wir steigern die Produktion von sauberem, nachhaltigem Strom aus Urner Wasserkraft und leisten damit einen Beitrag an die Energiestrategien des Bundes und des Kantons Uri. Darüber hinaus bringt das Kraftwerk einen beachtlichen wiederkehrenden volkswirtschaftlichen Nutzen. Von der Gesamtinvestition fließen über 75 Prozent oder 16 Millionen Franken in Form von Aufträgen an Unternehmen in Uri. Die Wasserzinsen aus dem Kraftwerk belaufen sich künftig auf 240.000 Franken pro Jahr. Weiter generiert der Betrieb zusätzliche Steuereinnahmen für die Gemeinden Bürglen und Schattdorf sowie den Kanton Uri plus neue Wertschöpfung für Uri. Und schließlich sichert das Projekt auch bestehende Arbeitsplätze.“ Dass sich die öffentliche Hand in der Höhe von immerhin 49 Prozent an dem Kraftwerksprojekt beteiligt, ist nicht zuletzt auch ein starkes Zeichen für die Urner Wasserkraft.

Strom für 3.600 Haushalte
Einmal im Regelbetrieb wird das neue Kraftwerk Schächen im Jahr durchschnittlich 16,4 GWh sauberen Strom aus der Kraft des Schächens erzeugen. Das reicht aus, um circa 3.600 Urner Haushalte zu versorgen. Für EWA nimmt das KW Schächen im Ranking seiner Kraftwerke den Rang der viertgrößten Anlage ein. Dies allerdings nur bis Ende nächsten Jahres, wenn das in Bau befindliche, größere Kraftwerk Erstfeldertal ans Netz gehen wird. Außerdem kommt der Anlage, die im Umfeld der „Wiege“ des EWA realisiert wurde, ein besonderer Stellenwert zu: Immerhin wird der Urner Energiedienstleister sein 125-jähriges Bestandsjubiläum feiern, wenn das Kraftwerk im kommenden Jahr feierlich eröffnet wird. Aller Voraussicht soll es im Juni soweit sein. Angesichts der Komplexität und des hohen Aufwands, den das Kraftwerksprojekt mit sich gebracht hatte, kann Werner Jauch bereits heute ein zufriedenes Resümee ziehen: „Dieses Werk in Betrieb zu nehmen, ist schön und macht uns stolz. Ich bin stolz, dass unser hauseigenes Kraftwerksteam so viel Know-how, aber auch Ausdauer und Kreativität mitbringt, um ein derartig schwieriges Projekt zu meistern.“ Und dies wird durchaus auch von den Projektpartnern sowie dem Gros der Bevölkerung so gesehen. Nicht umsonst gelang es den Projektbetreibern, am Tag der offenen Baustelle Ende September dieses Jahres rund 800 Besucher anzulocken, die sich den Blick hinter die Kulissen der Bauarbeiten sowie der Wasserkrafttechnik nicht entgehen ließen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass man mit dem neuen KW Schächen auch ein Urner Identifikationsobjekt geschaffen hat.

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