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Kraftwerks-Oldtimer Zilfuri nach Kompletterneuerung wieder am Netz8 min read

7. Juli 2023, Lesedauer: 6 min

Kraftwerks-Oldtimer Zilfuri nach Kompletterneuerung wieder am Netz8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Mitte Dezember des Vorjahres ging in der Gemeinde Kandersteg im Berner Oberland das umfassend erneuerte Wasserkraftwerk Zilfuri wieder ans Netz. Das innerhalb von ca. zehn Monaten durchgeführte Projekt der Licht- und Wasserwerk AG Kandersteg (LWK) beinhaltete unter anderem die Erneuerung der Kraftwerkszentrale, den Austausch mehrerer Freispiegel- und Druckrohrleitungen sowie die Sanierung von drei Wasserfassungen. Anstelle von vier Pelton-Turbinen kommt in der neuen Zentrale nun eine einzelne 2-düsige Pelton-Maschine in horizontalachsiger Bauform zum Einsatz. Im Volllastbetrieb erreicht die direkt mit einem Synchron-Generator gekoppelte Turbine ca. 1,7 MW Engpassleistung. Dank der gesteigerten Ausbauwassermenge und der modernen Wasserkraft-Technologie erhöhte sich das Regelarbeitsvermögen des Wasserkraftwerks Zilfuri um rund 20 Prozent auf ca. 8,8 GWh.

Kraftwerk Zilfuri Zentrale_Unterwasser
Bauarbeiten im Unterwasserbereich der neuen Zentrale, die an der gleichen Stelle wie das alte Maschinengebäude errichtet wurde.
© LWK

Am Ende des Kandertals im Berner Oberland liegt die Gemeinde Kandersteg, die zum erweiterten UNESCO-Weltnaturerbe in der Region Schweizer Alpen Jungfrau Aletsch gehört. Die Naturkulisse und ein vielfältiges Sport- und Freizeitangebot machen die rund 1.300 Einwohner zählende Ortschaft zu einem beliebten Anziehungspunkt für Touristen und Erholungssuchende aus aller Welt. Für die Energieversorgung der Gemeinde spielt die nachhaltige Stromproduktion aus Wasserkraft eine tragende Rolle. So decken die beiden Wasserkraftwerke der Licht- und Wasserwerk AG Kandersteg (LWK) mehr als 80 Prozent des örtlichen Strombedarfs ab. Zusätzlich hält die LWK 40 Prozent der Aktienanteile am 2009 fertiggestellten BKW-Wasserkraftwerk Kanderalp, dessen Stromproduktion ins LWK-Versorgungsnetz eingespeist wird. Darüber hinaus versorgt die LWK Kandersteg zu 100 Prozent mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser. Kurz vor dem 120-jährigen Gründungsjubiläum im Jahr 2023 realisierte die LWK im Vorjahr eine Kompletterneuerung des 1903 erstmals in Betrieb genommenen Wasserkraftwerks Zilfuri.

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Sperrzone verhindert Fassungssanierung
Die ersten Sanierungskonzepte der 1995 mit der unteren Kraftwerksstufe „Dorf“ erweiterten Traditionsanlage entstanden bereits vor Jahrzehnten, erklärt LWK-Geschäftsführer Reto König: „Lose Ideen zur Erneuerung des Kraftwerks Zilfuri gab es schon in den 2000er-Jahren, diese wurden aus verschiedenen Gründen aber immer wieder verworfen. Konkreter wurde es ca. 20 Jahre später, als an der Anlageninfrastruktur verstärkt Abnützungserscheinungen aufgetreten sind.“ Die letzte größere Ertüchtigung hatte man 1958 durchgeführt. Zuvor hatten die Betreiber das Kraftwerk seit der Fertigstellung Anfang des 20. Jahrhunderts sukzessive erweitert und vergrößert. Zuletzt bestand die elektromaschinelle Ausstattung im Maschinengebäude aus vier Pelton-Turbinen, die 2018 um eine Trinkwasser-Turbine ergänzt wurden. Bei der Neuausführung, die von der BKW Engineering AG geplant wurde, sollten die ausgedienten Turbinen durch eine einzelne Pelton-Maschine ersetzt werden. „Da die Konzession für die zweite Kraftwerksstufe bis 2075 gültig ist, war für die Erneuerung des Kraftwerks Zilfuri nur eine Baubewilligung notwendig. Der Erhalt dieser Bewilligung war allerdings nicht ganz einfach, es mussten eine ganze Reihe von ökologischen Auflagen erfüllt werden“, so Reto König und ergänzt, dass die Nutzwassermenge der Anlage von 700 auf 900 l/s angehoben wurde: „Die konzessionierte Ausbauwassermenge liegt sogar bei 1.200 l/s. Allerdings steht dieses Wasserdargebot nur sehr selten zur Verfügung. Mit der Auslegung auf 900 l/s ist über das ganze Jahr hinweg ein optimaler Wirkungsgrad der Anlage sowie eine deutliche Steigerung der Leistung und Produktion gewährleistet.“ Wesentliche Auswirkungen auf das Projekt hatte die geologische Situation im Gebiet Spitzer Stein. Dort sind fast 20 Millionen m³ Gesteinsmassen kontinuierlich in Bewegung, weswegen die Region seit 2018 im Fokus der kantonalen Fachstellen Naturgefahren steht. Aufgrund des permanenten Risikos von Felsstürzen und Murenabgängen hat die Gemeinde ab 2019 unterhalb des Spitzen Stein eine dauerhafte Sperrzone eingerichtet. Innerhalb dieses Sperrgebiets befindet sich die zum Kraftwerk Zilfuri gehörende Wasserfassung Chalberspissi, deren geplante Ertüchtigung durch das Betretungsverbot nicht möglich war.

Kraftwerk Zilfuri Sanierung_wasserschloss
Neben den Fassungen Holzspicher und Weissenbach wurde auch das Wasserschloss (im Bild) der Anlage einer Ertüchtigung unterzogen. Einzig die Wasserfassung Chalberspissi und die dortige Hangleitung konnten aufgrund ihrer Lage innerhalb eines von Felsstürzen bedrohten Gebiets nicht saniert werden.
© LWK

Zentrale komplett erneuert
Nach dem Abstellen der alten Turbinen im März 2022 ging das Projekt in die Umsetzungsphase über. Zum Baustart fokussierten sich die Arbeiten auf den Abbruch der alten Zentrale, die wegen der vorgegebenen Schnittstelle zur Unterstufe Dorf wieder am selben Standort neu hochgezogen wurde. Die zweite Kraftwerksstufe konnte trotz des Umbaus an der Oberstufe weiter produzieren, da die Anlage durch eine zusätzliche Wasserfassung am Öschibach versorgt wird. „Die Zentrale Zilfuri hingegen nutzt das versickerte Wasser vom Oeschinensee, der über keinen natürlichen Überlauf verfügt. Dies ist auch der Grund, warum dem Kraftwerk oft bis Ende November vergleichsweise viel Wasser zur Verfügung steht. Das Sickerwasser tritt an unterschiedlichen Standorten unterhalb des Sees wieder an die Oberfläche und wird von mehreren Fassungen eingezogen“, erklärt Reto König. Um das Projekt möglichst schnell umsetzen zu können, waren mehrere Bauteams parallel im Einsatz. Für die Durchführung der Hoch- und Tiefbauarbeiten und die Rohrverlegungen wurde eine aus insgesamt vier Unternehmen bestehende Arbeitsgemeinschaft gegründet.

Wasserfassungen ertüchtigt
An den drei nicht im Sperrgebiet befindlichen Wasserfassungen Holzspicher und Weissenbach oben und unten sowie dem Wasserschloss wurden verschiedene Modernisierungen bzw. Ertüchtigungen durchgeführt. Bei der 1-feldrigen Wehranlage Holzspicher wurde unter anderem der Schutzrechen ausgetauscht. Zusätzlich wurde ein neuer Schieberschacht errichtet sowie die Absperrorgane und die Pegelmessung erneuert. An der Wasserfassung Weissenbach oben erfolgten diverse Ausbesserungen am Betonbau und bauliche Anpassungen für den Anschluss einer neuen Hangleitung. Neu installiert wurden diverse Absperrorgane und der Grundablassschütz, das bestehende Tiroler Wehr blieb weiter in Verwendung. Bei der Fassung Weissenbach unten, von der das eingezogene Wasser über ca. 50 m Höhenunterschied in die obere Fassung gepumpt wird, fokussierten sich die Arbeiten auf das dazugehörige Pumpenhaus. Dazu zählten der Austausch der Kreiselpumpe und die Erneuerung diverser technischer Komponenten. Beim Wasserschloss, in dem das Wasser der insgesamt vier Fassungen zentral gesammelt wird, wurde ein neuer Vertikalrechen inklusive dazugehöriger Rechenreinigungsmaschine installiert. Zusätzlich erfolgte die Erneuerung diverser Absperrorgane und die Errichtung eines neuen Beckens, in dem der Schutzrechen untergebracht ist.

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Neue Freispiegel- und Druckleitungen
Ebenfalls neu ausgeführt wurden die drucklosen Hangleitungen, die von den verschiedenen Fassungen zum Wasserschloss führen. Die Ausnahme war die Hangleitung Chalberspissi, die wegen ihres Verlaufs durch das Sperrgebiet nicht ausgetauscht werden konnte. Die vormals in dreifacher Ausführung vom Wasserschloss ins Maschinen­gebäude führenden Druckrohrleitungen wurden durch einen einzelnen Rohrstrang in der Dimension DN700 ersetzt. Aufgrund des anspruchsvollen Terrains im Projektgebiet entschieden sich die Betreiber für den Einsatz von duktilen Gussrohren. Die äußerst robusten Rohre kommen dank ihrer beständigen Materialeigenschaften auch mit extremen Belastungen bestens zurecht. Geliefert wurden die zur Gänze unterirdisch verlegten Hang- und Druckrohrleitungen von zwei Schweizer Herstellern. „Kurz vor dem Bau­­start wurde beschlossen, eine im Gefahrengebiet verlegte Trinkwasserleitung ebenfalls zu erneuern. Die neue Leitung verläuft in einer angepassten Trassenführung vom Trinkwasserstollen in der Nähe der Fassung Weissenbach zur Kraftwerkszentrale in Zilfuri. Da diese Leitung ohne Wasserschloss direkt ins Krafthaus führt, kann die Trinkwasser-Turbine um gut 10 m mehr Fallhöhe als die Haupt-Turbine nutzen“, sagt Reto König. In Summe wurden für das Wasserkraftwerk ca. 1.300 Laufmeter Rohre neu verlegt, hinzu kamen noch die in den Rohrgräben mitverlegten Strom- und Datenkabel.

Leistungsstarke Pelton-Turbine
Das Herzstück der neuen Kraftwerkszentrale bildet eine 2-düsige Pelton-Turbine in horizontalachsiger Bauform, die vom Wasserkraftallrounder Kochendörfer im Rahmen eines Komplettpakets geliefert wurden. Neben dem Maschinensatz stammen auch diverse Stahlwasserbaukomponenten vom süddeutschen Branchenexperten. Das elektro- und leit­technische Equipment wurde als Subauftrag vom Südtiroler Unternehmen EN-CO aus­geführt. Mit ihren beiden hydraulisch gere­gelten Pelton-Düsen kann die Turbine das Wasserdargebot ganzjährig mit einem Höchst­maß an Effizienz abarbeiten. Bei 900 l/s Ausbauwassermenge und 212 m Nettofallhöhe erreicht die mit 600 U/min rotierende Ma­schine 1.700 kW Engpassleistung. Als Energiewandler kommt ein direkt mit dem Pelton-Laufrad gekoppelter Synchron-Generator vom Hersteller Leroy-Somer zum Einsatz. Der Generator wurde auf 6.300 V Betriebs­spannung und 1.900 kVA Nennscheinleistung ausgelegt. Für optimale Temperaturen bei der Stromproduktion sorgt ein den Generatormantel umgebender Wasserkreislauf, der von einem im Unterwasserbereich platzierten Wärmetauscher gekühlt wird. Ebenfalls im neuen Krafthaus installiert wurde die 2018 erstmals in Betrieb genommene Trinkwasser-Turbine, die unter Volllast 160 kW Leistung schafft. Das elektrotechnische Equipment wie die Mittelspannungsschaltanlage und der Transformator wurden im neuen, vor Steinschlag geschützten Maschinenhaus untergebracht. Dem Stand der Technik entsprechend funktioniert der Anlagenbetrieb natürlich vollautomatisch. Über eine gesicherte Online-Verbindung können die Betreiber via PC oder Smartphone rund um die Uhr auf die Steuerung zugreifen und gegebenenfalls umfangreiche Einstellungen aus der Ferne vornehmen. Eingespeist wird der erzeugte Strom ins lokale Mittelspannungsnetz der LWK. Im Zuge der Erneuerung wurde das vormals auf 4,2 kV Spannung ausgelegte Netz durch den Einbau von neuen Transformatoren auf 16 kV umgerüstet.

Kraftwerk Zilfuri Hangleitung
Die Gesamtlänge der erneuerten Druck- und Hangleitungen beträgt ca. 1.300 m. Bei der Materialauswahl setzte das LWK wegen des anspruchsvollen Terrains auf duktiles Gusseisen.
© LWK

Leistung und Erzeugung erheblich gesteigert
Rund zehn Monate nach dem Abstellen der alten Anlage ging das rundum erneuerte Kraftwerk Zilfuri am 15. Dezember 2022 erstmals ans Netz. „Die Betriebserfahrungen seit dem Start des Probebetriebs sind sehr positiv, die Anlage produziert seit Mitte Dezember störungsfrei durch. Wir sind gespannt, wie das Kraftwerk in seinem ersten Betriebsjahr laufen wird“, freut sich der Geschäftsleiter Reto König und merkt an, dass eine der wesentlichen Projektherausforderungen der ambitionierte Zeitplan war, um die Anlage möglichst schnell wieder ans Netz zu bringen: „Es war sehr hilfreich, dass der BKW-Generalplaner Silvio Zingg und ich große Entscheidungskompetenzen während der Durchführung hatten. Bei allfälligen Fragen oder Unstimmigkeiten wurden stets schnellstmöglich Entscheidungen getroffen, wodurch die Firmen nicht lange aufgehalten waren. Ein großes Lob gebührt generell den beteiligten Unternehmen, die allesamt eine sehr gute Arbeit abgeliefert haben.“ Angesichts der um jeweils ca. 20 Prozent gesteigerten Leistung und der Erzeugungskapazität kann man definitiv von einem erfolgreichen Projekt sprechen. Im Regeljahr wird das Kraftwerk Zilfuri rund 8,8 GWh Ökostrom erzeugen, was umgerechnet dem Jahresbedarf von ca. 2.200 durchschnittlichen Haushalten entspricht.

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