KW Tschambreu: Vorarlberg setzt auf den Ausbau eigener Ressourcen8 min read
Lesedauer: 5 MinutenMit viel Know-how realisierten illwerke vkw – in Koperative mit der lokalen Agrargemeinschaft – ein neues Kleinwasserkraftwerk am Tschambreubach in Gaschurn.
Intensive Diskussionen zum Thema Gewässergüte verzögerten den Start des Bauvorhabens und ließen das Projekt an den Rand der wirtschaftlichen Machbarkeit schrumpfen. Im vergangenen Jahr konnte es schließlich doch als moderne Ökostromanlage verwirklicht werden, die mit ihrer 2-düsigen Peltonturbine aus dem Hause Tschurtschenthaler jährlich rd. 1,2 GWh sauberen Strom erzeugt.
Österreichs westlichstes Bundesland, Vorarlberg, scheint es mit seinen Hausaufgaben in Sachen Energieautonomie sehr ernst zu nehmen. Bis zum Jahr 2050 will man im Ländle die Energieunabhängigkeit erreicht haben. Im Rahmen dieses Fahrplans kommt vor allem der Wasserkraft die entscheidende Rolle zu. 200 GWh aus Kleinwasserkraft und 300 GWh aus Großwasserkraft werden angepeilt. Um das ambitionierte Ziel der Energieautonomie zu erreichen, realisiert illwerke vkw gemeinsam mit Grundbesitzern Kleinwasserkraftwerke bis zu einer Leistung von 10 MW. Dadurch wird der weitere Ausbau der Kleinwasserkraft in Vorarlberg forciert. Eine dieser Kleinkraftwerksanlagen ist das Kraftwerk Tschambreu in Gaschurn, das vergangenes Jahr erfolgreich umgesetzt werden konnte. Als Errichtungs- und Betriebsgesellschaft wurde dafür die Kleinkraftwerk Tschambreu GmbH gegründet, die sich zu 51% aus der VKW und zu 49% aus der lokalen Agrargemeinschaft zusammensetzt. Sie wird von zwei Geschäftsführern, Ing. Rainer Salomon als Vertreter der VKW und Peter Flöry als Vertreter der Agrargemeinschaft Maisäß Ausschlag Bofa, geführt.
Nässe beeinträchtigt Rohrverlegung
Die ersten Planungen für das Kraftwerk vom Ingenieurbüro Breuß Mähr reichen bis ins Jahr 2010 zurück. Die wasserrechtliche Genehmigung für das Projekt lag Ende Januar 2013 auf dem Tisch. Im Mai letzten Jahres folgte der Spatenstich. Damit konnten die Bauarbeiten beginnen, die gerade im Hinblick auf die Witterungsbedingungen unter keinem allzu guten Stern zu stehen schienen. Dazu Ing. Martin Neuhauser von der illwerke vkw, Projektleiter des KW Tschambreu: „Die Rohrverlegung war geprägt von Regenwetter. Alleine im Juli und August hatten wir 52 Niederschlagstage. Die Verlegearbeiten gestalteten sich entsprechend schwierig.“ In der steilen Schlepplifttrasse war das Aushubmaterial zum Teil dermaßen durchnässt, dass keine Verdichtung der Rohrleitungsbettung möglich war. Aufgrund der vielen Regentage kam es immer wieder zu Wetterschichten. Die verlorene Zeit musste aufgeholt werden, daher wurde ab September auch an den Samstagen gearbeitet, damit die Arbeiten möglichst vor dem Wintereinbruch fertiggestellt werden konnten.
Die ca. 900 m lange Druckrohrleitung verläuft vom Krafthaus die ersten ca. 310 m in einer aufgelassenen recht steilen Schlepplifttrasse, danach auf einem bestehenden Güterweg bis zur Wasserfassung. Aufgrund der günstigen Trassierung waren kaum Rodungsarbeiten erforderlich. Für die Zufahrt zur Wasserfassung musste der bestehende Güterweg um ca. 150 m verlängert werden. Zum Einsatz kamen duktile Gussrohre vom Tiroler Traditionshersteller TRM mit einer Nennweite von DN400. Die komplette Leitung wurde aus Gründen der Sicherheit mittels längskraftschlüssiger Verbindung ausgeführt.
Wasserfassung bestmöglich in die Landschaft integriert
Was die Art der Wasserfassung angeht, so wird das Triebwasser über ein Tirolwehr auf 1.241 Meter Seehöhe eingezogen. Danach wird es über einen Verteilkanal geführt, der auch als Schotterfang dient. Am Ende des Verteilkanals befindet sich ein Spülschütz für allfällige Spülvorgänge. Im Schotterfang ist eine Schotterwaage installiert, die den Schütz ab einem vorgegebenen Wert aktiviert. Im Anschluss an den Verteilkanal gelangt das Triebwasser zum Coanda-Rechen – einem Modell aus dem Hause Wild Metal – wo die Fein-Entsandung erfolgt. Die organische Drift gelangt von hier aus in einen weiteren Spülkanal. An der Wasserfassungsstelle waren die Böschungen im Uferbereich recht flach, sodass zur Verhinderung der Umläufigkeit lange Flügelmauern erforderlich waren. Zum Höhengewinn wurde die Wasserfassung oberirdisch errichtet und anschließend eingeschüttet. Am Anfang ähnelte das Bauwerk mehr einer Talsperre als einer Wasserfassung. Nach dem Einschütten und der Kolksicherung war vom Bauwerk beinahe nichts mehr zu sehen, außer dem Tirolerwehr und der Zugangstür zum Bauwerk.
Arbeiten voll im Zeitplan
Als am 23. Oktober letzten Jahres bereits der Winter seine ersten Vorboten ins südliche Montafon schickte, stand ein Abbruch der alpinen Baustelle zu befürchten. „Gemäß behördlicher Auflage konnten wir erst Anfang Oktober mit dem Bau der Wasserfassung beginnen. Zum Glück war der Wintereinbruch Ende Oktober nur von kurzer Dauer, sodass die Fassung noch vor dem eigentlichen Winter fertiggestellt werden konnte. Wäre dies nicht möglich gewesen, hätten wir auf die diesjährige Schneeschmelze verzichten müssen“, so der Projektleiter. Doch das Projekt sollte im Zeitplan bleiben – und so konnte auch der beauftragte Turbinenlieferant, die Firma Tschurtschenthaler aus dem Südtiroler Sexten, noch im Spätherbst die elektromaschinelle Ausrüstung des Kraftwerks installieren. Dass man auf die Kompetenzen des bekannten Turbinenherstellers aus den Dolomiten vertraute, sollten die Auftraggeber am Ende nicht bereuen. Im Gegenteil: „Wir waren mit der Abwicklung und mit der Qualität der Maschine hoch zufrieden. Man muss ehrlich sagen, die Firma Tschurtschenthaler hat Handschlagqualität“, sagt Martin Neuhauser. Dabei setzten sich die Südtiroler im Rahmen der elektromaschinellen Ausschreibung gegen fünf Mitbewerber durch.
Hochwertiges Krafthaus-Equipment
Konkret kam eine horizontalachsige 2 düsige Peltonturbine mit „fliegender“ Wellenanordnung zum Einsatz. Ausgelegt ist die Turbine für eine Nettofallhöhe von 204,4m und eine Ausbauwasserwassermenge von 250 l/s. Die Turbine vom Fabrikat Turtschenthaler weist eine Nenndrehzahl von 1000 U/min und eine Durchgangsdrehzahl von ca. 1700 U/min auf. Die elektrische Wirkleistung bei Ausbauwassermenge beträgt 435 kW. Der Synchrongenerator stammt aus dem Hause Hitzinger und hat eine Leistung von 550 kVA. Die Generatorwelle wurde für die direkte Aufnahme des Peltonrades als verlängerte Welle ausgeführt. Somit lässt sich das Laufrad direkt mittels Ringfederspannelement mit der Generatorwelle verbinden. Damit hat die Kleinkraftwerk Tschambreu GmbH auf einen sehr hochwertigen Maschinensatz vertraut, der über Jahrzehnte eine verlässliche Stromerzeugung sicherstellt. Auch in Hinblick auf die steuerungstechnische Ausrüstung des Kraftwerks setzten die Betreiber auf bewährte Qualität – und zwar auf das Know-how von Rittmeyer, Österreich. Der erfahrene E-Technik- und Leittechnik-Spezialist konnte die gestellten Anforderungen ebenfalls in der vorgegeben Zeit erfolgreich umsetzen. Die steuerungstechnische Ausführung des modernen Kleinkraftwerks erforderte gehobenes Fachwissen und große Erfahrung. Attribute, die Rittmeyer Österreich auch über die Grenzen von Schweiz und Österreich hinaus, wie etwa in Bayern zu einem geschätzten Partner machen.
Ausgeklügeltes Kühlsystem
Das Krafthaus ist klein und dezent gehalten. Umso wichtiger ist es, eine sichere und effiziente Abfuhr der Wärmeverluste der Maschine zu gewährleisten. Zu diesem Zweck haben die Bauherren der Tschambreu GmbH eine Wasser-Umluftkühlung zur Kühlung des Krafthaus gewählt. Sie funktioniert im Wesentlichen wie folgt: Ein Ventilator saugt die warme Krafthausluft aus dem Krafthaus und führt diese über ein Kühlregister. Ein Kühlkreislauf mit Umwälzpumpe transportiert das erwärmte Kühlmedium über den Unterwasser-Wärmetauscher. Im Unterwasser wird die Temperatur des Kühlmediums abgesenkt und wieder zum Kühlregister gefördert. Der Kühlkreislauf hat ein geschlossenes System. Dadurch kann ein geschlossenes Krafthaus gebaut werden, wodurch sich der Lärmpegel draußen maßgeblich reduziert und zudem wird kein Schmutz ins Krafthaus angesaugt, wie es bei einem Lüfter der Fall wäre.
Auf Grund der beengten Platzverhältnisse im Unterwasser fiel die Wahl auf einen Kissenplatten-Wärmetauscher. Konkret wird das Kissen- Platten Bündel in Strömungsrichtung im Unterwasser installiert, um ideale thermodynamische Übertragungswerte zu erzielen. Auf diese Weise wird die anfallende Abwärme über die Oberfläche des Wärmetauschers an das Unterwasser abgeführt. Durch die spezielle Kissenform treten einerseits nur sehr geringe hydraulische Verluste auf, zudem ist der Wärmetauscher sehr kompakt im Vergleich zu anderen Bauformen und ist zudem noch preiswert. Dies seien, bestätigt Ing. Martin Neuhauser, auch die Hauptgründe gewesen, warum man sich für einen DIADEM Kissen- Platten-Wärmetauscher entschieden hätte. Das aus hochwertigen Edel-stählen hergestellte System punktet nicht zu-letzt auch mit dem Vorteil, dass es sich sehr einfach reinigen lässt
Andrehfeier mit „Turbinen-Roulette“
Im Rückblick kann der Projektleiter ein positives Fazit ziehen. Vor allem die professionelle Zusammenarbeit zwischen Bauherrn, Planer und den ausführenden Unternehmen habe über die gesamte Projektphase ausgezeichnet funktioniert. Beste Stimmung herrschte dann auch am 11. Dezember letzten Jahres, als sich sämtliche am Projekt beteiligten Partner zur Andrehfeier im Maschinenhaus einfanden. Höhepunkt der Feier war das „Turbinen-Roulette“, das mancherorts zu diesem Anlass immer noch gerne praktiziert wird. Die Idee: An der Generatorwelle wird ein Zahlenkranz aufgeklebt. Die Teilnehmer wählen eine Zahl aus und zahlen dafür einen Einsatz. Dann wird die Maschine kurz synchronisiert und wieder vom Netz genommen. Nachdem sie in aller Ruhe ausgelaufen ist, kommt es darauf an, bei welcher Zahl die Welle am Ende stehen bleibt. Über den Gewinn freute sich ein junger Familienvater aus den Reihen der Agrargemeinschaft, der mit seinem Sohn den richtigen Tipp für das spannende „Turbinen-Roulette“ hatte.
Weitere Projekte folgen
Das erfolgreiche erste Andrehen der Maschine markierte somit auch den Start für den Probebetrieb, der sich mit Sicherheit noch über die nächsten Monate hinziehen wird. Schließlich soll das neue Kraftwerk auch unter Volllastbedingungen auf Herz und Nieren getestet werden. Und selbige werden wohl erst mit Ein-setzen der Schneeschmelze vorliegen. In Summe rechnet Ing. Rainer Salomon mit einer Jahresproduktion von etwa 1,2 GWh – konservativ kalkuliert. Gemeinsam mit einigen anderen Kraftwerken, die sich derzeit in Bau oder noch in der Planungsphase befinden, trägt das Kraftwerk Tschambreu seinen Teil dazu bei, dass Österreichs westlichstes Bundesland seine ambitionierten Energieziele erreichen kann.
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