Im Mai vor etwas mehr als zwei Jahren startete im Süden der bayerischen Landeshauptstadt München die Sanierung der denkmalgeschützten Großhesseloher Wehranlage, mit der die Isar bei Pullach reguliert wird. Mit der Erneuerung sorgten die Stadtwerke München GmbH (SWM) für eine optimale ökologische sowie dem Hochwasserschutz dienende Lösung. Die Modernisierung der bald 120 Jahre alten Anlage beinhaltete den Bau von drei neuen Wehrfeldern, einer Fischaufstiegsanlage sowie den Neubau des Trennwehrs zwischen Isar und Werkkanal. Technisch interessant ist die individuelle Ausführung der Wehrfelder, welche jeweils mit einer klassischen Wehrklappe, einem luftbetriebenen Wehrklappensystem sowie einer Wehrschwelle ausgeführt wurden. Die Projektumsetzung sollte sich aus mehreren Gründen als herausfordernd darstellen.
Bedeutung des Großhesseloher Wehrs für Isar, Werkkanal und Münchens Energieversorgung
Das Großhesseloher Wehr in Pullach reguliert seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 1908 die Wasserführung zwischen dem Werkkanal und der Isar und ist damit ein wichtiger Faktor für den Hochwasserschutz von München, aber auch für die Versorgung mehrerer Stadtbäche. Darüber hinaus ist die Wehranlage in energietechnischer Hinsicht relevant, denn am Werkkanal befinden sich vier Wasserkraftwerke und der Energiestandort Süd mit seiner Strom-, Fernwärme- und Kälteerzeugung. Die historisch gewachsenen Besitzverhältnisse der Anlage stellen eine Besonderheit dar: Während für den östlichen Teil des Wehrs die Stadt München zuständig ist, sind die SWM als eigenständige Gesellschaft für den westlichen Teil mit den regelbaren Wehrverschlüssen verantwortlich, mit denen die Wasserführung in Isar, Kanal und Fischaufstieg gesteuert wird.

© SWM
Sanierung und Denkmalschutz – lange geplante Erneuerung der Wehranlage
Die Sanierung bzw. die Erneuerung der Anlage war nicht nur wegen des fortgeschrittenen Alters der Technik schon länger geplant, erklärt SWM-Projektleiter Lukas Mas-Zehetbauer: „Der ursprüngliche Beschluss für die Erneuerung der Wehranlage zwischen den SWM und der Stadt München war bereits 2008 getroffen worden. Ein wesentlicher Punkt der Vereinbarung bestand darin, dass durch die Umbaumaßnahmen die fischökologische Durchgängigkeit am Standort hergestellt werden sollte. An der alten Wehranlage war zwar bereits eine Fischtreppe vorhanden, diese erfüllte aber bei Weitem nicht die Anforderungen einer modernen Fischaufstiegshilfe. Ein weiteres wichtiges Thema war die Optimierung des Treibgutmanagements an der Wehranlage. Durch die Renaturierungsprojekte in den vergangenen Jahrzehnten hat die Treibgutmenge in der Isar stark zugenommen. Die Entfernung des Schwemmmaterials an der zuvor in der Flussmitte positionierten Schützenanlage stellte ein kontinuierliches Problem dar, das wir durch die Erneuerung dauerhaft in den Griff bekommen wollten.“
Für den Ersatzneubau wurde schließlich 2015 ein erstes Genehmigungsansuchen eingereicht. Es sollte sich aber herausstellen, dass die für die Bewilligung notwendigen naturschutzfachlichen Auflagen mit den vorliegenden Planungen nicht erfüllbar waren. Deswegen wurde das Projekt unter der Berücksichtigung der behördlichen Bescheide grundlegend adaptiert und 2021 schließlich erneut zur Genehmigung eingereicht. Bei der Neuplanung wurde die Wehranlage mittels 3D-Simulation untersucht und hydraulisch optimiert, wobei als wesentliche Verbesserung ein kompakteres Bauwerk realisiert werden konnte. Die ursprünglich in den Planungen vorgesehene raue Rampe, bestehend aus groben Flussbausteinen der Flussmitte, wäre für die Fische schwerer auffindbar gewesen und hätte zudem einen Großteil des ökologisch wertvollen Kolks (strömungsbedingte Auswaschungen im Untergrund) überbaut. 2022 wurde die Wehranlage überraschenderweise unter Denkmalschutz gestellt, weswegen weitere planerische Anpassungen erforderlich waren. So musste eine verplombte Floßgasse, die eigentlich abgerissen werden sollte, aufgrund ihrer originalen Bausubstanz aus Stampfbeton erhalten und saniert werden. Mit der Floßgasse und dem daneben liegenden Schleusenwärterhaus blieben auch die wesentlichen landschaftsprägenden Merkmale am Standort erhalten. Auch die Sicherheit von Freizeitsportlern, die während der Sommermonate mit Schlauchbooten oder Kajaks auf der Isar unterwegs sind, wurde natürlich nicht außer Acht gelassen. Damit diese den Umstieg vor der Wehranlage nicht vergessen, wurden mehrere Warnschilder, Bojen eine Abweisschranke sowie ein Warnbalken installiert.

© SWM
Wehrtechnik mit innovativen Lösungen – Kombination aus Klappe, Luftkissensystem und Wehrschwelle
Für die Stauhaltung am Standort sorgt nun eine Kombination aus drei Systemen. Am linken Wehrfeld wurde eine stählerne Wehrklappe mit einem versteckt im Wehrpfeiler untergebrachten Torsionsantrieb für die Regulierung des Wasserstands installiert. An diesem Wehrfeld erfolgt auch die kontinuierliche Dotierung der Unterwasserstrecke. Beim zweiten Wehrfeld kommt eine luftbetätigte Wehrklappe zum Einsatz. Bei dem weltweit bewährten System handelt es sich um eine Kombination aus robusten Stahlpaneelen, die durch pneumatisch betätigte Luftkissen gehoben bzw. gesenkt werden. Anders als hydraulisch betriebene Wehrklappen werden die patentierten Wehrklappen über ihre gesamte Breite von den aufblasbaren Luftkissen gestützt. Dies ermöglicht einfache Fundamentanforderungen und eine kostengünstige sowie effiziente Klappenkonstruktion. Zudem müssen für das System keine Zwischenpfeiler errichtet werden, was in weiterer Folge den verfügbaren Querschnitt für die Hochwasserabfuhr erhöht und gleichzeitig Errichtungskosten reduziert. In ökologischer Hinsicht sammelt das System durch seine rein pneumatische Funktionsweise Pluspunkte, denn es sind keine Schmiermittel im Einsatz, die das Gewässer verunreinigen könnten. Das dritte Wehrfeld der Anlage wurde funktional am einfachsten gehalten, dieses besteht aus einer festen Wehrschwelle. Komplett neu errichtet wurde zudem das Trennwehr zwischen Isar und Werkkanal, dieses besteht aus fünf Wehrfeldern mit jeweils 5,5 m Breite. Das Stahlwasserbauequipment für das neue Bauwerk lieferte der Branchenspezialist Kochendörfer Wasserkraftanlagen in Form von drei Doppelschützen sowie zwei Einzelschützen inklusive der elektromechanischen Antriebe. Von Kochendörfer stammt auch die neue Wehrklappe inklusive Torsionsantrieb am Wehrfeld 1. Mit der Ausführung des elektro- und regelungstechnischen Equipments wurden die Automatisierungsexperten der F.EE GmbH beauftragt. Zum Leistungsumfang gehörten die Programmierung der neuen Wehrsteuerung, die Lieferung und Installation der Hardware sowie die Integration in die übergeordnete Leittechnik der SWM. Neben dem Trennwehr und einer hydraulisch betriebenen Klappe werden auch die luftkissengesteuerten Wehrklappen über die eigens entwickelte F.EE-Software gesteuert. Die gesamte Anlage lässt sich sowohl vollautomatisch als auch manuell bedienen, was deren zukünftigen Betrieb deutlich erleichtert.

© SWM
Bauphase Großhesseloher Wehr – Herausforderungen und Überraschungen
Die SWM setzten bei der Umsetzung des Erneuerungsprojekts auf bewährte Unternehmen aus der Bau- und Technikbranche. Im Frühjahr 2021 wurden die Wasserbauexperten der Tractebel Hydroprojekt GmbH von der Fachabteilung der SWM für die Ausführungsplanungen mit ins Boot geholt. Zu den Leistungen von Tractebel zählte unter anderem die Tragwerksplanung, die Bauablauf- und Bauphasenplanung sowie die örtliche Bauüberwachung. Den Zuschlag für die gesamten Bauarbeiten konnte sich im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung die Unternehmensgruppe Pfaffinger sichern. Die Umsetzungsphase war von einigen Herausforderungen sowie von mehreren Überraschungen gekennzeichnet. So waren etwa die Lagerverhältnisse für ein Bauprojekt dieser Größenordnung sehr beschränkt, heißt es von Seiten der Firma Pfaffinger, die während der Betonarbeiten zwischen 20 und 25 Mann auf der Baustelle im Einsatz hatte. Für die Betonage der Bodenplatte am Trennwehr wurden 750 m³ Beton sowie rund 150 t Bewehrungsstahl verbaut.

© Pfaffinger
Um das Baufeld während der Betonarbeiten einigermaßen trocken zu halten, liefen bis zu 13 Pumpen mit einer Förderleistung von bis zu 160 m³/h gleichzeitig. Grundsätzlich war bei der Durchführung der Bauarbeiten hohe Flexibilität gefragt. Schon zu Beginn der Bauphase stellte sich heraus, dass die Spundbohlen für die Wasserhaltungsmaßnahmen wegen der geologischen Bedingungen nicht vollständig in den Boden gerammt werden konnten. Diese Situation machte ca. 2.000 Bohrmeter Bodenaustauschbohrungen notwendig, die in den Bauablauf eingeflochten werden mussten. Das Wetter meinte es auch nicht immer gut während der rund zwei Jahre andauernden Bauphase. Insgesamt drei Mal wurde die Baugrube von Hochwasserereignissen heimgesucht. Ein überraschender Fund tat sich im Juni 2023 am Grund des Flussbettes auf. Bei Abbrucharbeiten kamen Teile der Münchner Hauptsynagoge zum Vorschein, die 1938 von den Nazis zerstört worden war. Zu dem Fund, der dem Projekt internationales Medienecho verschaffte, gehörten neben vielen kunstvoll behauenen Steinen auch ein gut erhaltener Teil des Tafelschreins. Pressewirksam war zudem eine Brandanschlagserie in und um München, von der auch die Baustelle betroffen war; dabei wurde im August 2023 ein Raupenkran komplett zerstört.

© SWM
Fertigstellung 2025 – ökologischer und sicherer Betrieb am Großhesseloher Wehr
Im Juli 2025 ist das Revisionsprojekt endgültig fertiggestellt, lediglich einige Restarbeiten sind noch am Laufen. Bei den Stadtwerken zieht man trotz der herausfordernden Umsetzungsphase ein positives Fazit über das Erneuerungsprojekt und betont die Vorteile, die damit erreicht wurden. Etwa die Verbesserungen bei Hochwassersituationen, durch die nun komplett überströmbar ausgeführte Wehranlage konnte die Gefahr von Verklausungen erheblich minimiert werden. In ökologischer Hinsicht stellt der Fischaufstieg die ideale Lösung für die Gegebenheiten am Standort dar. Dieser optimiert die Durchgängigkeit für die Wasserlebewesen und sorgt für die ökologische Vernetzung der Gewässersysteme Isar und Werkkanal.
Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 4/2025







