Modernisierung Wasserkraftwerk Shirayama am Tedori-Fluss in Japan – nachhaltiges Leuchtturmprojekt
Im Westen Japans, dort wo die natürlichen Kräfte des Hakusan-Nationalparks auf jahrhundertealte Ingenieurskunst treffen, wurde im Juni 2025 ein bedeutender Meilenstein für eine nachhaltige und zukunftssichere Wasserkraftnutzung erreicht. Im Einklang mit der Umwelt, dem baulichen Bestand und dem kulturellen Kontext wurde das Wasserkraftwerk Shirayama am Fluss Tedori umfassend modernisiert. Mit dem Fokus auf ökologische Verantwortung, regionale Wertschöpfung und technische Präzision haben Voith, Fuji Electric und Hokuriku Electric Power Company ein starkes Signal für eine nachhaltige Energiezukunft in der ostasiatischen Region gesetzt.

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Tedori-Fluss und Hakusan-Gebirge als Grundlage für nachhaltige Wasserkraft in Japan
Mit Ursprung im Hakusan-Gebirge spielt der Tedori-Fluss seit Jahrzehnten eine bedeutende Rolle in der Energieversorgung der Region – und hat gleichzeitig die Landschaft nachhaltig geprägt. Sein hoher Sedimentgehalt, seine wechselhaften Abflussmengen und die markante Topografie stellen besondere Anforderungen an wasserbauliche Projekte. Am Standort Shirayama, eingebettet in diese anspruchsvolle Flusslandschaft, wurde ein bestehendes Kleinkraftwerk unter sorgfältiger Berücksichtigung hydrologischer, ökologischer und baulicher Gegebenheiten modernisiert. Die neue Turbine – eine vertikale semispiralförmige Kaplan – wurde in das bestehende Krafthaus integriert und bildet den Kern eines technisch wie funktional neu konzipierten Systems, das sich harmonisch in das Bestandsbauwerk einfügt. Die Region rund um Shirayama, traditionell geprägt von Handwerk, Leichtindustrie und einem tief verwurzelten Naturbewusstsein, verfolgt mit Nachdruck die ambitionierten Klimaziele der japanischen Energiepolitik. Mit dem klaren Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 stellt Hokuriku Electric Power seine Weichen für eine klimafreundliche Energiezukunft – durch innovative Technologien und die Weiterentwicklung bestehender Infrastruktur.
Internationale Projektumsetzung am Wasserkraftwerk Shirayama mit Voith, Fuji Electric und Hokuriku Electric Power
Die Umsetzung des Projekts Shirayama erfolgte im Rahmen einer länderübergreifenden Kooperation zwischen den Projektteams von Voith, Fuji Electric und dem Endkunden Hokuriku Electric Power Company. Bereits in der Planungsphase wurden die technischen, regulatorischen und kulturellen Anforderungen in regelmäßigen Abstimmungen gemeinsam analysiert und in das Projektkonzept integriert.
Im Verlauf der Entwicklung erwies sich insbesondere die Berücksichtigung marktspezifischer Anforderungen in Japan – etwa hinsichtlich Redundanzvorgaben, Umweltverträglichkeit und Fertigungstoleranzen – als komplexe Schnittstelle zwischen Konstruktion, Qualitätssicherung und Umsetzung.
Die Projektabwicklung – von der Vertragsklärung 2021 über zwei formalisierte Werksabnahmen mit Delegationen aus Japan bis zur Inbetriebnahme im Juni 2025 – war durch eine enge Taktung, detaillierte Planung und durchgängige Dokumentationspflicht geprägt. Die Montagephase wurde von einer erfahrenen Projektaufsicht aus Österreich begleitet, die als Schnittstelle zwischen Entwicklung und Ausführung vor Ort fungierte. Die physische Präsenz vor Ort ermöglichte es, technische Rückfragen unmittelbar zu klären und die Einhaltung der projektspezifischen Abläufe und Qualitätsstandards sicherzustellen.
Kaplan-Turbine und hydraulische Optimierung für effiziente Kleinwasserkraft
Kern der technischen Erneuerung ist eine vertikale Kaplan-Turbine mit einem Laufraddurchmesser von 2,4 Metern, die exakt auf das bestehende Bauwerk abgestimmt wurde. Mit einer Nettofallhöhe von 6,3 Metern, einem Nenndurchfluss von 30 m³/s und einer installierten Leistung von 1.684 KW ist die Anlage auf eine hohe jährliche Laufzeit von rund 8.000 Betriebsstunden ausgelegt – eine Auslegung, die auf maximale Energieausbeute bei stabiler Wassermenge und zur Niveauregelung im Flusslauf abzielt.
Der direkt gekuppelte, luftgekühlte Synchrongenerator ist auf die japanische Netzfrequenz von 60 Hz abgestimmt und arbeitet mit einer Nenndrehzahl von 171,4 U/min – eine Kenngröße, die sowohl die hydromechanische Optimierung als auch die Anforderungen an Netzstabilität berücksichtigt. Die Technik ermöglicht eine gleichbleibend hohe Stromproduktion und trägt zur Stabilisierung des Wasserstands im Fluss bei.
Die Wasserfassung befindet sich rund 200 Meter oberhalb des Krafthauses und besteht aus einem kompakten Stauwehr, das den Tedori-Fluss seitlich aufstaut und in den Triebwasserweg überführt. Über einen offenen Kanal wird das Triebwasser in ein Absetzbecken geleitet, gefolgt von einer Rechenanlage zur Feinreinigung. Anschließend strömt das Wasser in das Turbineneinlaufbauwerk und wird nach Durchlauf der Maschine rund 150 Meter flussabwärts wieder in das natürliche Gewässerbett zurückgeführt. Die Einbindung in das Gelände erfolgte unter strikter Wahrung bestehender Strukturen – neue Betonarbeiten beschränkten sich auf punktuelle Anpassungen im Maschinenhaus, etwa an Generatorfundament und Turbinenkammer.
Die gesamte Anlage folgt dem Prinzip einer ressourcenschonenden Nutzung des Bestands bei gleichzeitig maximaler betriebstechnischer Effizienz. Im Zentrum steht eine kontinuierliche, stabil geführte Betriebsweise mit gleichbleibender Lastcharakteristik – ideal für die Grundlastversorgung in der Region und im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen des Betreibers Hokuriku Electric Power. Die komplexen hydrologischen Bedingungen des Tedori-Flusses – gekennzeichnet durch starkes Gefälle, hohe Abflussvariabilität und erheblichen Feststoffeintrag – wurden durch die Wahl der Turbinentechnologie und die angepasste Wasserführung technisch optimal bewältigt.

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Armaturen, Verschlussorgane und Facing Plates – maßgeschneiderte Lösungen für den Tedori-Fluss
Die erfolgreiche Modernisierung wäre ohne eine Reihe durchdachter Sonderlösungen im Bereich der Armaturen und Verschlussorgane nicht realisierbar gewesen. Der limitierte Bauraum im Bestand und die extremen Anforderungen an Umweltverträglichkeit machten eine differenzierte Auslegung aller sicherheitsrelevanten Komponenten notwendig. Die hydraulisch gesteuerten Leitschaufeln innerhalb des Leitapparates der Anlage wurden dabei gezielt auf die segmentierte Turbinenbauweise abgestimmt. Trotz der beengten Verhältnisse im Maschinenhaus ermöglichen sie eine exakte Steuerung der Strömungsführung – bei gleichzeitig hoher Wartungsfreundlichkeit und Systemverfügbarkeit.
Eine technische Besonderheit stellt der gezielte Einsatz sogenannter Facing Plates dar – speziell ausgeführte Deckel-Schutzbleche an Ober- und Unterdeckel der Turbine. Bei Niederdruckturbinen sind sie unüblich, wurden in diesem Fall jedoch aufgrund der hohen Schwebstoffbelastung des Tedori-Flusses vorgesehen. Die erosionsgefährdeten Bereiche der Maschine sind damit dauerhaft geschützt – ein exemplarisches Beispiel dafür, wie sich standardisierte Technik flexibel und betriebssicher an herausfordernde Standortbedingungen anpassen lässt.

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Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick:
- Segmentierte Bauteile:
Das Saugrohr wurde achtfach segmentiert – bestehend aus zwei Konusteilen und sechs Krümmersegmenten, um auch unter beengten Einbauverhältnissen eine exakte Montage zu gewährleisten. Der Stützschaufelring und der Pit-Liner wurden aufgrund der in Japan geltenden Transportbeschränkungen ebenfalls in mehreren Segmenten gefertigt und vor Ort passgenau montiert. - Ölfreie Komponenten:
Die luftgefüllte Laufradnabe, das wassergeschmierte Führungslager und die fettfreie Wellendichtung bilden ein vollständig ölfreies System. Da biologisch abbaubare Schmierstoffe in Japan nicht zulässig sind, war diese Konfiguration nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern technisch zwingend. - Leckageschutz mit Redundanz:
Der in die Nabe integrierte Servoantrieb verfügt über ein doppeltes Leckagekontrollsystem, das frühzeitig vor potenziellen Undichtigkeiten warnt – ein wesentlicher Baustein für den Gewässerschutz. - Sedimentresistenz:
Facing Plates an Ober- und Unterdeckel der Turbine schützen exponierte Komponenten vor Abrasion – eine gezielte Anpassung an die hohe Sedimentfracht des Tedori-Flusses.
Die Verschlussorgane und Stellglieder fügen sich in das modulare Gesamtsystem ein und leisten ihren Beitrag zur strukturellen Integrität der Anlage. Ihre spezielle Ausführung trägt maßgeblich dazu bei, die Lebensdauer der Maschine zu verlängern, Wartungsaufwände zu minimieren und zugleich sämtliche sicherheitsrelevanten Anforderungen des Standorts dauerhaft zu erfüllen. 

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Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit der Kleinwasserkraft in Japan
Das Projekt Shirayama zeigt in eindrucksvoller Weise, wie Nachhaltigkeit in der Kleinwasserkraft nicht allein durch den CO2-freien Betrieb, sondern auch durch ressourcenschonendes Bauen und langlebige Technik erreicht werden kann. Es wurden keine neuen Betonbauten errichtet, keine zusätzlichen Flächen versiegelt und keine ökologisch sensiblen Bereiche verändert. Die Energieeinspeisung erfolgt ins öffentliche Netz, wodurch ein direkter Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Region geleistet wird. Die Anlage ist ein sichtbarer Baustein der Dekarbonisierungsstrategie von Hokuriku Electric Power – gleichzeitig aber auch ein Symbol für die Zukunftsfähigkeit der Kleinwasserkraft im globalen Kontext. Das Wasserkraftwerk Shirayama zeigt, wie Tradition und Technik, Regionalität und Globalität sowie Nachhaltigkeit und Effizienz miteinander verbunden werden können.
Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 4/2025


