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Neue Maschinentechnik macht Kraftwerksbetrieb am Fuße des Matterhorns sicher und effizient11 min read

4. November 2019, Lesedauer: 7 min

Neue Maschinentechnik macht Kraftwerksbetrieb am Fuße des Matterhorns sicher und effizient11 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Das Elektrizitätswerk Zermatt musste handeln. Das Energieversorgungsunternehmen, das in dem berühmten Walliser Ferien­ort drei Wasserkraftwerke betreibt,…

… hatte vor einigen Jahren im Zuge einer turnusmäßigen Inspektion Risse in der Welle des Maschinesatzes in einer seiner Anlagen entdeckt. Vor die Wahl gestellt, die mehr als 40-jährigen Maschinen des KW Findelnbach zu reparieren oder einen Kompletttausch durchzuführen, entschieden sich die Betreiber für die Erneuerung der gesamten elektromaschinellen Ausrüstung. Der Auftrag darüber erging an das Südtiroler Traditionsunternehmen Troyer AG, das dabei einmal mehr seine große Kompetenz unter Beweis stellen konnte. Die neue 4-düsige Peltonturbine, die vor knapp einem Jahr den Betrieb aufnahm, erreicht heute – nicht zuletzt dank etwas erhöhter Ausbauwassermenge – mit ca. 4,3 MW um rund ein Drittel mehr Leistungskapazität als der Altbestand.

Es war ein denkwürdiger Meilenstein in der Geschichte des Walliser Bergdorfs, als 1891 die Bahnstrecke von Visp nach Zermatt für den Sommerbetrieb eröffnete. Der Fortschritt am oberen Ende des Mattertals war nicht mehr aufzuhalten. Auf die Erschließung sollte bereits kurze Zeit später die Elektrifizierung folgen. 1892 wurde in Zermatt ein Syndikat mit dem Ziel gegründet, durch Nutzung von Wasserkraft elektrisches Licht in das Bergsteigerdorf zu bringen. Keine zwei Jahre später wurde aus der Vision Wirklichkeit: Das Kleinkraftwerk am Triftbach konnte in Betrieb genommen werden. Die Anlage, die in ihren ersten Betriebsjahren nur in den kurzen Sommermonaten Strom lieferte, wurde somit zur Keimzelle der Elektrizitätswerk Zermatt AG, die seit nunmehr 125 Jahren die Region mit elektrischem Strom versorgt. Mit dem permanent steigenden Zustrom an Gästen, dem Ausbau der Hotels und Seilbahnen wuchs mit den Jahren und Jahrzehnten auch der Stromhunger. Es wurden neue Erzeugungskapazitäten geschaffen, wie etwa das Kraftwerk Findelnbach mit der Zentrale Wiesti. „1947 wurde auf rund 2.600 m Seehöhe unterhalb des Gebiets Gant der Findelnbach gefasst, der über ein sehr großes Einzugsgebiet verfügt. Zudem wurde unweit des Mosjesees ein Tagesspeicherbecken mit einem Fassungsvermögen von ca. 18.000 m3 errichtet. Von hier schließt die Hangleitung unterhalb der Sunnegga an. Die Druckleitung verläuft an der Ostflanke des Dorfs bis zur Zentrale Wiesti, die ebenfalls 1947 in Betrieb genommen wurde“, erklärt der Direktor des EW Zermatt, Stefan Aufdenblatten das Anlagenkonzept. In seinem Rückblick verweist er darauf, dass das Kraftwerk Findelnbach in seiner Geschichte mehrere große Erneuerungen erfahren hatte.

Umbauten und Erweiterungen
Im Jahr 1975 wurde in der Zentrale Wiesti etwa der komplette Maschinensatz ausgetauscht. Zum Einsatz kam ein Gespann, bestehend aus zwei Zwillingspeltonturbinen und einem Synchron-Drehstromgenerator – mittig auf der gemeinsamen Welle platziert. Ausgelegt auf eine Bruttofallhöhe von 544 m und eine Ausbauwassermenge von 800 l/s erreichte der Maschinensatz generatorseitig 3‘300 kVA. Der nächste Umbau an der Anlage erfolgte 1990, als die Druckrohrleitung ersetzt wurde. Sie wurde über die gesamte Länge von 1‘350 m als Stahlrohrleitung unterirdisch verlegt. Die Rohrleitung weist einen Durchmesser von DN610 auf, ihr Gefälle schwankt zwischen 8  und 51 Prozent. Erst 2013 wurde eine professionelle Rohrinspektion durchgeführt, als deren Fazit der Druckrohrleitung ein guter Zustand attestiert ­wurde. Ein weiterer Modernisierungsschritt wurde 2004 vollzogen, als ein neues Steuerungs- und Automatisierungssystem implementiert wurde.

Risse an der Welle entdeckt
„Grundsätzlich ist das Kraftwerk Findelnbach immer sehr gut gelaufen, war ein verlässlicher Stromlieferant. Allerdings gab es zu Beginn Probleme mit der Lagerung und der Ausdehnung der Welle, die wir aber über die Jahrzehnte hinweg gut im Griff hatten“, erinnert sich Stefan Aufdenblatten. „Im Jahr 2013 führten wir turnusmäßig die Kontrollen am Generator und der Welle durch, wobei die Welle trockengelegt wurde. Dabei haben wir Risse im Bereich des Pressverbands entdeckt. Bei näherer Betrachtung erwiesen sich diese als wesentlich größer und tiefer als gedacht. Tatsächlich war Gefahr im Verzug. Hätten wir nicht reagiert, wäre uns die Maschine vermutlich in ein paar Jahren um die Ohren geflogen.“ Nachdem man in der Folge den Hersteller über das Problem in Kenntnis gesetzt hatte, wurde eine provisorische Reparatur eingeleitet, um die Anlage im eingeschränkten Betrieb weiterführen zu können. Danach widmete man sich der Frage, wie es weitergehen sollte mit dem Traditionskraftwerk. Stefan Aufdenblatten: „Es gab zwei Alternativen: Zum einen hatten wir die Option, die Welle reparieren zu lassen. Allerdings galt es dabei zu bedenken, dass zusätzlich zu den Reparaturkosten auch Kosten für zwei neue Laufräder angefallen wären. Keine ganz günstige Option, an deren Ende immer noch ein alter Maschinensatz in der Zentrale gestanden wäre. Aus diesem Grund entschieden wir uns für Variante zwei: einem kompletten Austausch des bestehenden Maschinengespanns.“ 2016 wurde die elektromaschinelle Ausrüstung für das Kraftwerk Findelnbach ausgeschrieben.

Auf horizontal folgt vertikal
Mit der Ausschreibung des neuen Maschinensatzes war schnell eines klar: Das Maschinenkonzept würde nun ein anderes sein. Im Januar 2017 stellten die Verantwortlichen in Zermatt dafür die Weichen. Sie erteilten den Auftrag für die neue elektromaschinelle Ausrüstung an die Firma Troyer AG aus Sterzing, den erfahrenen Südtiroler Wasserkraftspezialisten, der sich auch in der Schweiz einen hervorragenden Ruf erarbeitet hatte. Er war nun dafür verantwortlich, dass anstelle des horizontalen Maschinenkonzeptes nun ein vertikales treten sollte. Konkret fiel die Wahl auf eine 4-düsige Peltonturbine mit innenliegender Düsensteuerung, die einen direkt gekoppelten, auf der fliegenden Welle aufsitzenden Generator antreiben soll. Neben dem Herzstück Turbine umfasste der Lieferumfang zudem Konstruktion, Fertigung, Lieferung und Inbetriebsetzung von Zuleitung, Kugelhahn, Bypassleitung für eine Winterdotierung, die komplette Steuerung der Anlage inklusive Anbindung an die Leitstelle, die Einbindung der Rittmeyer Durchflussmessungen, der ABB Steuerungen von Fassung und Wasserschloss, sowie ein Kühlsystem und die Eigenbedarfsverteilung. Zudem war die Troyer AG auch für die Lieferung und Inbetriebnahme des Generators und der Steuerhydraulik verantwortlich. „Für uns war wichtig, dass die neue Turbine einen möglichst breiten Lastbereich abdecken kann. Daher entschieden wir uns für diese 4-düsige Turbinenvariante. Das ist für uns essentiell, da wir über die Maschine auch die Spitzenlast in unserem Netz regeln. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir auch mit geringen Wassermengen am Netz verbleiben können“, so der Direktor des EW Zermatt.

Gebäude wird behutsam entkernt
Bereits im Mai 2017 starteten die Bauarbeiten in der Zentrale Wiesti, jenem Monat, in dem Bauen mit schwerem Gerät in dem Tourismusort erlaubt ist. „Aus Rücksicht auf unsere Gäste dürfen wir hier nur im Mai und im November mit vollem Maschineneinsatz bauen. Das erschwert natürlich Bauvorhaben wie das unsere durchaus“, sagt Stefan Aufdenblatten, der aber im gleichen Atemzug das Positive hervorkehrt: „Zum Glück haben wir hier Anrainer, die unserem Umbauprojekt wohl gesonnen waren und daher viel Verständnis für die Bauaktivitäten hatten.“ Mithilfe eines Krans wurde das Dach der Zentrale abgehoben und von oben mit dem Umbau begonnen. Peu à peu wurden alte Betonmauern und Gebäudeteile ausgesägt und entfernt. Das Ziel lautete: Entkernen der Zentrale. „Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, das alte Gebäude abzureißen und neu aufzubauen. Aber in der Praxis ist dies nicht so einfach: Schließlich hat sich um die Zentrale ein Wohngebiet entwickelt. Das hätte bedeutet, deutlich größere Abstände zu anderen Wohnhäusern sowie der Straße einzuhalten. Damit wäre eine Zentrale in dieser Form nicht mehr möglich gewesen“, so der Direktor des Elektrizitätswerks. Im Zuge der Bauarbeiten wurde natürlich das obsolet gewordene alte Hosenrohr herausgerissen und eine neue Zuleitung eingebaut, die keineswegs Standard war, wie der Projektleiter aus dem Hause Troyer, Hubert Wassertheurer betont: „Speziell die Zuleitung, jenes Verbindungsstück von der Druckrohrleitung bis zum Kugelhahn, erwies sich als diffizil für unsere Konstrukteure. Es galt die dreidimensionale Verwindung und die beengten Platzverhältnisse unter einen Hut zu bringen. Doch letztlich fanden die Konstrukteure eine praktikable Lösung.“ Die neue Planung der Zentrale sah vor, dass im oberen Bereich des Maschinenhauses der Boden um 40 cm angehoben, während er im unteren Bereich, in dem die Maschinen und die Steuerungseinheiten untergebracht werden sollten, um 1,70 m abgesenkt wurde. Summa summarum bedeutete dies also einen Fallhöhenzugewinn von brutto 1,30 m. Um ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten zu können, wurde das Außenmauerwerk aus Bruchstein verstärkt. Generell stellten die beengten räumlichen Bedingungen eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Mit viel Gehirnschmalz und Know-how gelang es, den neuen Maschinensatz ideal zu positionieren.

Schutz der Anrainer vor Lärm
Ein wesentlicher Punkt im Rahmen des Umbaus betraf die Tatsache, dass das Kleinkraftwerk sich inmitten einer Wohnsiedlung befindet – und das Thema Lärmemissionen entsprechend bedeutend wurde. Man entschloss sich daher, den Lärmschutz konsequent nach neuestem Standard umzusetzen. „Zu diesem Zweck haben wir ein umfassendes Lärmschutzkonzept entwickelt. Kern dieses Konzepts war einerseits, das Fundament des Maschinensatzes vollständig vom Gebäude zu entkoppeln und anderseits das Gebäude innen möglichst schallisolierend zu gestalten. Wir haben daher den Maschinensatz auf Isomer-­Matten gestellt, die eine Übertragung von Körperschall auf ein Minimum reduzieren. Alle Verbindungen nach außen, wie die Zuleitung, die Lüftung, oder der Unterwasserkanal mussten so ausgeführt werden, dass möglichst wenig Schall nach außen entweicht. Zusätzlich wurde der Innenraum mit schallschluckender Isolierung auskleidet und ein effizientes Schallschutztor eingebaut. Heute hört man außen vom Kraftwerksbetrieb tatsächlich so gut wie nichts mehr“, zeigt sich Stefan Aufdenblatten zufrieden mit der Umsetzung.

Heikler Transport ins Gebirge
Nachdem die baulichen Voraussetzungen geschaffen waren, konnte das Energieversorgungsunternehmen im Januar letzten Jahres grünes Licht für den Transport der Turbine geben. Ein durchaus heikles Unterfangen, wie sich herausstellen sollte. Zermatt ist ein auto- freies Dorf. Aufgrund der Abmessungen kam eine Lieferung per Bahn nicht in Frage, zumal man ohnehin einen Lkw für den Transport vom Terminal zur Zentrale benötigt hätte. Lieferungen mit dem Lkw bedürfen einer Sondergenehmigung. Eine solche wurde dem Spezialtransporter auch erteilt, doch bedingt durch eine intensive Schneesituation wurde die Anlieferung zur Herausforderung, die letztlich aber erfolgreich gemeistert wurde. Für noch mehr Sorgenfalten sorgte allerdings wenig später der Transport des Generators. Stefan Aufdenblatten: „Wir hatten zu dieser Zeit einige größere Lawinenabgänge. Daher kam es zu einer Verzögerung von rund zwei Wochen, ehe der Generator dann doch angeliefert werden konnte.“ Zum Einbringen war in beiden Fällen ein Kranwagen erforderlich. Die Montage selbst verlief reibungslos, wie Hubert Wassertheurer betont: „Tatsächlich sind die Arbeiten sehr gut vorangegangen. Das lag nicht zuletzt auch an der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit dem E-Werk Zermatt, das – ebenso wie wir – sehr lösungsorientiert und kooperativ arbeitet. Somit war stets eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre gegeben. Einziger Wermutstropfen für unsere Monteure war, dass im Montagezeitraum einmal so viele Lawinen abgegangen waren, dass Zermatt über Tage von der Außenwelt abgeschnitten war.“

Leistungskapazität steigt markant
Am 5. April letzten Jahres war es dann endlich soweit: Die neue Maschine wurde das erste Mal angedreht, dem Probebetrieb stand nichts mehr im Weg. „Für uns war es natürlich ein echter Meilenstein, dass wir unser Kraftwerk Findelnbach nach einem Stillstand von fast einem Jahr wieder ans Netz nehmen konnten“, freut sich Stefan Aufdenblatten, wobei er einschränkend einräumt: „Von den Erzeugungsdaten hat sich im Wesentlichen nicht allzu viel verändert. Da wir in Summe rund die gleiche Wassermenge zur Verfügung haben, wird die Regeljahreserzeugung weiterhin bei etwa 15 GWh liegen. Das entspricht in etwa 15 Prozent des Strombedarfs hier in Zermatt.“ Was sich allerdings markant geändert hat, ist die Leistungskapazität der Anlage. Der neue 4-düsige Maschinensatz wurde nun auf die volle Konzessionswassermenge von 1.000 l/s ausgelegt, wohingegen der alte ein Schluckvermögen von nur 800 l/s aufwies. Aus diesem Grund und nicht zuletzt wegen des ausgezeichneten Wirkungsgrads der neuen Maschine stieg die Nennleistung von 3,3 auf nunmehr 4,3 MW. Das bedeutet ein Leistungsplus von rund einem Drittel, was die Einsatzmöglichkeiten der Maschine und somit ihre Wirtschaftlichkeit im täglichen Betrieb verbessert.

Energiestadt lebt Nachhaltigkeit
Rund 3,4 Mio. CHF investierte die Elektrizitätswerke Zermatt AG in den Umbau und die Neuausstattung ihres Traditionskraftwerks, das damit ein neues Kapitel in seiner über 70-jährigen Geschichte aufschlug. Heute liefert das Kleinkraftwerk verlässlich und dabei flüsterleise sauberen Strom aus der Kraft des Findelnbachs ans Netz des Energieversorgungsunternehmens. Stefan Aufdenblatten kann mittler-i weile ein rundum zufriedenes Resümee unter dem fordernden Projekt ziehen: „Grundsätzlich sind wir absolut zufrieden, wie der Umbau vonstattengegangen ist. Die Firma Troyer hat bewiesen, dass sie hochprofessionell arbeitet und echte Handschlagqualität hat. Mit der neuen Ausrüstung blicken wir zuversichtlich in die Zukunft des Kraftwerks.“ Seit 2017 darf sich das Bergdorf am Fuße des berühmten Matterhorns „Energiestadt“ nennen. Dieses Label wurde Zermatt für dessen „vorbildliche und messbare Energiepolitik“ verliehen und belegt eindrucksvoll das Bekenntnis des berühmten, hochalpinen Dorfes zu gelebter Nachhaltigkeit. Energiestädten kommt in der Umsetzung der Schweizer Energiestrategie 2050 eine wichtige Rolle zu. Das Kraftwerk Findelnbach ist somit als integraler Baustein dieser Strategie zu sehen.

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