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Neues Schnecken-Kraftwerk an der Ager liefert Strom für 200 Haushalte7 min read

10. Juni 2024, Lesedauer: 6 min

Neues Schnecken-Kraftwerk an der Ager liefert Strom für 200 Haushalte7 min read

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Innerhalb von rund sechs Monaten Bauzeit wurde zwischen Herbst des Vorjahres und dem heurigen Frühjahr im oberösterreichischen Bezirk Vöcklabruck ein neues Restwasserkraftwerk an der Ager errichtet. Realisiert wurde die Anlage vom regionalen Energieversorger Kraftwerk Glatzing-Rüstdorf eGEN (KWG), der mit seinem mittlerweile achten Kleinwasserkraftwerk das hydroelektrische Potential der Restwasserabgabe beim Buchleitenwehr nutzbar macht. Durch den Einsatz einer Wasserkraftschnecke kann die behördlich vorgeschriebene Dotation nun für die Erzeugung von sauberer Energie genutzt werden. Ausgelegt wurde die Schnecken-Turbine auf einen maximalen Durchfluss von 4 m³/s, wodurch diese bei entsprechender Wasserführung 105 kW Engpassleistung erreicht. Bei ihrem neuesten Wasserkraftwerk rechnet KWG mit rund 750.000 kWh Jahresproduktion.

Kraftwerk Buchleitenwehr Eröffnung 122 x 68 mm
Ehrenobmann Wolfgang Stadlmayr, Obmann Michael Stiefmüller, technischer Leiter Eduard Krainz und KWG-Geschäftsführer Peter J. Zehetner bei der offiziellen Eröffnung Mitte März.
© KWG

KWG mit Sitz im oberösterreichischen Schwanenstadt hat sich in ihrem 104-jährigen Bestehen als zuverlässiger regionaler Stromanbieter, Netzbetreiber und Energieversorger etabliert. Auf rund 125 km² betreibt das 1920 gegründete, genossenschaftlich organisierte Unternehmen sein eigenes Stromnetz, wozu als technische Infrastruktur unter anderem mehr als 120 Trafostationen und ein ca. 500 km langes Leitungsnetz gehören. Erzeugt wird der Strom für die rund 6.000 Kundinnen und Kunden von KWG zu 100 Prozent aus den nachhaltigen Ressourcen Wasser und Sonne. Obwohl KWG in den vergangenen Jahren die Erzeugungskapazitäten im Bereich der Photovoltaik stark ausgebaut hat, bildet die Stromerzeugung aus Wasserkraft nach wie vor das wirtschaftliche Rückgrat des Unternehmens.

Kraftwerk Buchleitenwehr Einhub Schnecke (1) 90 x 120 mm
Die langsam drehende Schnecke sorgt für eine sichere Fischabstiegsmöglichkeit ins Unterwasser.
© KWG

Ausbauwassermenge verdoppelt
Sämtliche Wasserkraftwerke von KWG befinden sich an der Ager, die auf ihrem rund 34 km langen Verlauf als Abfluss des Traunsees das gesamte nordwestliche Salzkammergut entwässert, und dabei traditionell eine ganze Reihe von Wasserkraftwerken antreibt. Das mittlerweile achte Wasserkraftwerk hat KWG vor kurzem auf dem Gebiet der Gemeinde Desselbrunn beim Buchleitenwehr errichtet, an dem durch eine Gewässerausleitung von maximal 14 m³/s der Kaufinger Mühlbach entsteht. An dieser Ausleitungsstrecke betreibt KWG zwei Kleinwasserkraftwerke, hinzu kommen noch zwei weitere Anlagen von privaten Betreibern. „Vor rund zehn Jahren wurde am Buchleitenwehr, bedingt durch die Vorschreibung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, eine neue Fischaufstiegsanlage errichtet. Im Zuge dessen entstand auch die Idee, die günstigen Voraussetzungen am Standort für den Bau eines Restwasserkraftwerks zu nutzen“, erklärt Eduard Krainz, technischer Betriebsleiter bei KWG. Ursprünglich sollte das neue Dotierkraftwerk auf eine Ausbauwassermenge von lediglich 2 m³/s ausgelegt werden, was genau der konstanten Restwasserabgabe am Wehr entspricht. Diese Variante war bereits von behördlicher Seite genehmigt, sollte aber später noch einmal abgeändert werden. „Damit auch bei höherer Wasserführung, bei der ohnehin mehr Restwasser abgegeben wird, das größere Wasserdargebot auch vom Dotierkraftwerk effektiv genutzt werden kann, wurde die geplante Ausbauwassermenge auf 4 m³/s verdoppelt. Dieser Erhöhung der Nutzwassermenge wurde auch von der Behörde im Rahmen einer weiteren Verhandlung zugestimmt“, so Eduard Krainz.

Kraftwerk Buchleitenwehr Einhub Schnecke (3)
Beim Einheben der vormontiert ausgelieferten Schnecke war Fingerspitzengefühl notwendig.
© KWG

KWG setzt auf Schnecke
Aufgrund der lokalen Gegebenheit mit konstanter Wasserführung und geringer Fallhöhe entschieden sich die Betreiber, das neue Kraftwerk am Buchleitenwehr mit einer Wasserkraftschnecke auszustatten. Mit dieser bewährten Technologie, die auf dem Prinzip der archimedischen Schraube basiert, hatte KWG bereits bei einem anderen Eigenkraftwerk gute Erfahrungen gemacht. Gleichzeitig sollte der Kraftwerksbau auch für die Erneuerung der Schützenanlage am Beginn des Ausleitungskanals genutzt werden. In die Realisierungsphase konnte das Projekt mit der Baustellenerschließung im September 2023 übergehen. Positioniert wurde das neue Bauwerk für die Wasserkraftschnecke direkt vor dem Beginn des Ausleitungskanals in den Kaufinger Mühlbach. Um angelandeten Schotter und Sedimente vor der Ausleitung ins Unterwasser ­abzuführen, wurde unterhalb des Maschinengebäudes ein Spülkanal errichtet. Je nach Anforderung, etwa nach längeren Niederschlagsperioden mit erhöhtem Geschiebetrieb, können die Sedimente auch durch das Öffnen des neben der Wasserkraftschnecke positionierten Grundablassschütz in die Ager ­abgeführt werden. Während der Bauarbeiten stellten laut Eduard Krainz die Wasserhaltungsmaßnahmen eine große Herausforderung dar: „Im November und Dezember war wegen der hohen Wasserführung der Ager der Einsatz von leistungsstarken Pumpen notwendig, um die Baugrube möglichst trocken zu halten. Zwischen Weihnachten und Mitte Jänner war die Wasserführung schließlich so stark, dass ein Baustopp aus Gründen der Arbeitssicherheit unabdinglich war.“

Kraftwerk Buchleitenwehr Schützen neu
Die Einlaufschützen am Ausleitungskanal wurden ebenfalls erneuert.
© KWG

Solide Technik
Das Herzstück der Anlage, die rund 28 Tonnen schwere Schnecken-Turbine, wurde schließlich Mitte Februar eingebaut. Dabei war sowohl beim Einheben der Wasserkraftschnecke als auch beim Transport viel Fingerspitzengefühl gefragt, denn die letzten Meter vor dem Buchleitenwehr führten über enge Straßen und eine schmale Brücke. Gefertigt wurde die Schnecken-Turbine vom Branchenexperten REHART GmbH, dessen zuverlässige Lösungen weit über die deutschen Landesgrenzen hinweg einen hervorragenden Ruf genießen. Davon zeugen eine Vielzahl von Projekten, die das bayerische Unternehmen im In- und Ausland erfolgreich realisiert hat. In ökologischer Hinsicht bietet die konstruktionsbedingt langsam drehende Schnecke den Fischen eine sichere Abstiegsmöglichkeit ins Unterwasser. Gewährleistet wird die verletzungsfreie Passage durch die spaltfreien Verbindungen zwischen der Schneckenwendel und dem zentralen Rohr. Durch die einfache und robuste Technik sowie den vergleichsweise geringen Bauaufwand können Projekte in kurzer Zeit realisiert werden. Zudem kann eine Wasserkraftschnecke auch bei variierenden Wasserständen und niedrigen Fallhöhen durchgängig Strom produzieren. Diesen Punkt hebt auch Eduard Krainz besonders hervor: „Anders als eine Photovoltaikanlage, die nur bei passender Witterung Strom erzeugt, liefert die Wasserkraftanlage konstant Strom. Bei unserem neuesten Kraftwerk rechnen wir mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von ca. 750.000 kWh, was in etwa dem Jahresbedarf von 200 Haushalten entspricht.“

Kraftwerk Buchleitenwehr Getriebe und Generator
Für die Stromerzeugung dient ein via Übersetzungsgetriebe mit der Wasserkraftschnecke gekoppelter Asynchrongenerator.
© zek

Vollautomatisierte Anlage
Beim Kraftwerk Buchleitenwehr dreht die auf 4 m³/s Ausbauwassermenge und 3,6 m Fallhöhe ausgelegte Schnecken-Turbine mit 21 U/min, womit diese im Vollastbestrieb 105 kW Engpassleistung erzielt. Als Verbindung mit dem auf 1.000 U/min ausgelegten Asynchron-Generator dient ein zwischengeschaltetes Getriebe mit dem Übersetzungsverhältnis 1:47,62. Für die Ausführung des elektro- und regelungstechnischen Equipments sorgte mit der Elektro Habermann GmbH ein langjähriger Partner der REHART GmbH. Zum Lieferumfang der Mittelfranken zählte unter anderem die auf der Siemens S7-Reihe basierende Kraftwerkssteuerung, die für den vollautomatischen Betrieb der Anlage sorgt. Die Bedienung der Anlage erfolgt über eine intuitive Visualisierung, wobei wahlweise über ein Touchpanel im Maschinengebäude oder aus der Ferne zugegriffen werden kann. Die Leitwartenanbindung zur Übergabe von Anlagendaten erfolgt mit dem Kommunikationsprotokoll Modbus TCP, womit die Fernsteuerung und Überwachung der Anlage möglich wird. Für die Analyse des Kraftwerksbetriebs über einen längeren Zeitraum hinweg legt die Steuerung automatisiert ein digitales Logbuch an, das verschiedene Parameter wie Erzeugung, Wasserstände, Zuflussmengen, etc. über Wochen und Monate hinweg visuell aufbereitet.

Kraftwerk Buchleitenwehr
Visualisierung der Kraftwerkssteuerung vom REHART-Partner Elektro Habermann
© Elektro Habermann

In Rekordzeit am Netz
Mit einer Einweihungszeremonie feierte KWG Mitte März die Inbetriebnahme des neuesten Kleinwasserkraftwerks, das erst zwei Wochen zuvor erstmals den Probebetrieb aufgenommen hatte. Dabei äußerte sich der KWG-Geschäftsführer Peter J. Zehetner sehr erfreut über den erfolgreichen Abschluss des Projekts: „Die Fertigstellung des Restwasserkraftwerks Buchleitenwehr ist ein bedeutender Schritt für KWG und ein wertvoller Beitrag zur Energiewende. Wir sind stolz darauf, saubere Energie für unsere Region zu erzeugen. KWG ist aber nicht nur ein regionaler Energieversorger, sondern legt als Genossenschaft auch großen Wert auf die Einbindung der Bevölkerung. So wurde die Finanzierung des Kraftwerks teilweise durch eine Bürgerbeteiligung unterstützt.“ Der technische Betriebsleiter Eduard Krainz zieht ebenfalls ein positives Projektfazit und betont die gute Arbeit und das Engagement der beteiligten Firmen. Das nächste potenzielles Wasserkraftprojekt hat KWG wenige Kilometer flussaufwärts der Ager schon ins Auge gefasst. Wenn die finalen umweltrechtlichen Verhandlungen positiv verlaufen, könnten die Bauarbeiten bereits im heurigen Herbst beginnen.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2024

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