Niederösterreichische Hafner heizen Brennöfen mit Strom aus Wasserkraft ein6 min read
Lesedauer: 4 MinutenDas auf innovative Kachelöfen- und Zentralheizsysteme spezialisierte Unternehmen Hafnertec Bicker GmbH aus dem niederösterreichischen Waasen erzeugt seit Herbst des Vorjahres seinen eigenen Strom am Werksgelände.
Im Zuge eines umfassenden Revitalisierungsprojekts wurde ein für mehrere Jahrzehnte stillgelegtes Kleinkraftwerk am 2009 neu bezogenen Firmenstandort von Grund auf mit moderner Technik ausgerüstet. Die komplette elektromechanische und stahlwasserbauliche Kraftwerksausstattung, dessen Herzstück eine vertikale Kaplan-Turbine mit direkt gekoppeltem permanenterregtem Synchron-Generator bildet, lieferte der süddeutsche Kaplan-Spezialist WATEC-Hydro. Dank des vor allem im Teillastbetrieb hocheffizienten Wasserkraftwerks kann der Hafnerzulieferbetrieb nun einen beträchtlichen Teil des Eigenenergiebedarfs selbst abdecken. Bereits im vergangenen Oktober wurde die in rund sechs Monaten Bauzeit errichtete Anlage feierlich eingeweiht.
Für die niederösterreichische Hafnertec Bicker GmbH eröffneten sich vor rund zehn Jahren mit dem Bezug eines neuen Firmenareals in der Gemeinde Neumarkt an der Ybbs ganz neue Perspektiven zur Deckung des Eigenstrombedarfs. Auf dem für lange Jahre leerstehenden Gelände im Ortsteil Waasen sorgte bereits im Jahr 1890 ein Kleinkraftwerk für die Stromgewinnung. Eine Francis-Turbine diente der Elektrifizierung eines metallverarbeitenden Betriebs, später wurden am Standort unter anderem auch Regenschirme gefertigt. Rund 130 Jahre später siedelte sich am Gelände, das von einem künstlich angelegten Mühlbach durchflossen wird, der für seine innovativen Kachelöfen- und Zentralheizsysteme bekannte Traditionsbetrieb Hafnertec an. Nachdem der Platz am alten Standort in Ybbs an der Donau für das expandierende Unternehmen zu klein geworden war, entschied man sich dazu, das wenige Kilometer entfernte historische Werksgelände als neuen Firmensitz zu erschließen. Im Zuge der Umsiedelung wurden die bestehenden Fertigungshallen saniert und an die betrieblichen Anforderungen einer modernen Produktionsstätte angepasst. Darüber hinaus wurde im Zuge des Umbaus der Altbestand um ein energietechnisch hocheffizientes Bürogebäude und neue Fertigungsstätten ergänzt.
Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie
Für Hafnertec-Geschäftsführer Markus Bicker ist die Errichtung des ersten eigenen Wasserkraftwerks eine logische Konsequenz der Unternehmensphilosophie: „Da unsere Produkte auf dem 100 Prozent natürlichen Energieträger Holz basieren, war es für uns naheliegend, das vorhandene Potential am neuen Standort zur ökologisch verträglichen Eigenstromversorgung zu nutzen. Das macht nicht nur wirtschaftlich Sinn, sondern ist als exemplarisches Beispiel auch dringend notwendig, wenn die angestrebte Energiewende geschafft werden soll.“ Bicker ergänzt, dass die Pläne zur Revitalisierung des Kraftwerks um das Jahr 2014 konkrete Formen angenommen haben. Weil das Bestandskraftwerk schon seit rund 40 Jahren stillstand – die ursprüngliche Francis-Turbine war schon vor Jahrzehnten ausgebaut worden – musste für die Revitalisierung der Anlage um eine neue wasserrechtliche Bewilligung angesucht werden. In Summe nahm das Genehmigungsverfahren mit den zuständigen Behörden und Fischereiberechtigten rund drei Jahre in Anspruch. Nachdem das erste Ansuchen 2015 noch abgelehnt wurde, erhielt das Projekt nach entsprechenden Umplanungen 2016 schließlich grünes Licht von öffentlicher Stelle.
Beträchtlicher Bauaufwand
Mit dem Beginn der Baggerarbeiten ging das Projekt im April des Vorjahrs schließlich in die Bauphase über. Die Ausführung der gesamten Hoch- und Tiefbauarbeiten wurden an einen lokalen Baumeister vergeben, der darüber hinaus auch die Pläne für den adaptierten Einlaufbereich und den Krafthausumbau zeichnete. Für die Stauraumberechnungen wurde ein Ziviltechniker aus Krems engagiert. Bicker betont, dass die Errichtung des in den Altbestand integrierten Kraftwerks beträchtlichen Bauaufwand mit sich gebracht habe. Um den oberwasserseitigen Wasserspiegel auf einem sicheren Niveau halten zu können, musste unter anderem der Notüberlauf vor dem Einlaufbereich entsprechend vergrößert und modifiziert werden. Der Einsatz von schwerem Gerät war auch am Krafthaus unumgänglich, die Anlagenrevitalisierung erforderte den Abbruch von massivem Gemäuer und Stahlbeton. „Auf baulicher Ebene schätzen wir uns sehr glücklich, dass wir im Zuge der Kraftwerkssanierung keine Fischwanderhilfe errichten mussten. Eine solche wäre aufgrund der gegebenen Gebäudestruktur äußerst schwierig herstellbar gewesen und hätte das Projekt wahrscheinlich zunichte gemacht“, sagt Bicker.
WATEC-Hydro liefert Komplettpaket
Bei der Ausschreibung der elektromechanischen und stahlwasserbaulichen Kraftwerksausrüstung konnte das Komplettangebot der süddeutschen WATEC-Hydro GmbH am meisten überzeugen. Für den ausgewiesenen Kaplan-Spezialisten ist das niederösterreichische Mostviertel bekanntes Terrain, eine ganze Reihe von Wasserkraftbetreibern setzen in der Region bereits auf die leistungsstarken Maschinensätze von WATEC-Hydro. Beim Projekt Hafnertec kommt das vielfach bewährte System aus doppelt-regulierter Kaplan-Turbine mit vertikaler Welle und direkt gekoppeltem permanenterregtem Synchron-Generator zum Einsatz. Das Stahlwasserbaulos umfasste den 3,3 m breiten vertikalen Einlaufrechen sowie den dazugehörigen hydraulischen Rechenreiniger in Baggerarmausführung. Die pegelgeregelte Maschine befördert Treibgut und Geschwemmsel automatisch in eine Spülrinne, von welcher das organische Material wieder in den Mühlbach zurück geleitet wird. Komplettiert wurde der Auftrag durch die von einer Subfirma realisierte Kraftwerks-Leittechnik, die die vollautomatische Stromproduktion regelt. Mittels sicherer Online-Anbindung kann die Stromproduktion wahlweise über Smartphone oder PC rund um die Uhr aus der Ferne überwacht werden.
Spezielle Generatortechnik
Die maximale Ausbauwassermenge von 2,5 m³/s und eine Bruttofallhöhe von 3 m bildeten am Anlagenstandort die idealen Voraussetzungen für den Einsatz einer Kaplan-Turbine. Im Gegensatz zu einer Francis-Maschine, die bei entsprechenden Bedingungen zwar einen höheren Spitzenwirkungsgrad erreicht, kann eine Kaplan-Maschine bei wechselhaften Zuflussbedingungen ein deutlich breiteres Betriebsband abdecken. Für die Anlage Hafnertec lieferte WATEC-Hydro einen Maschinensatz des Systems KDP (Kaplan-Turbine, doppelt-reguliert, mit Permanentmagnet-Generator), der unter Volllast eine Engpassleistung von 66 kW erreicht. Dabei handelt es sich um eine innovative Weiterentwicklung des jahrzehntelang bewährten Basismodells KDR, bei dem der Generator mit einem Riemen angetrieben wird. Die Generatoren des Modells KDP wurden in enger Zusammenarbeit mit einem Institut für elektrische Anlagen und Maschinen entwickelt, wobei der Fokus auf den Einbau bei Kaplan-Turbinen ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Übersetzungsgetriebe gelegt wurde. Die Generatoren basieren auf insbesondere bei Windkraftanlagen angewandter Permanentmagnet-Technik und erlauben einen Betrieb mit starrer Drehzahl ohne zusätzliche Elektronikbauteile. WATEC-Hydro betont, dass diese integrierte Bauweise die Einfachheit und Zugänglichkeit klassischer Anlagen mit einer hervorragenden Energieausbeute kombiniert.
Inbetriebnahme im September 2018
Nach Abschluss der finalen Installationsarbeiten konnte die Turbine im September 2018 das erste Mal den Betrieb aufnehmen, schon wenige Wochen später wurde die Fertigstellung des Kraftwerks im Rahmen einer Feierlichkeit am Firmengelände entsprechend gewürdigt. Neben zahlreichen Gemeindebewohnern waren der Einladung der frisch gebackenen Wasserkraftbetreiber auch eine ganze Reihe von Gästen aus Politik und Wirtschaft gefolgt, die ihre Begeisterung für nachhaltige Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen einstimmig zum Ausdruck brachten. Dokumentiert wurde die Kraftwerkseröffnung vom regionalen Fernsehsender M4TV, der Videobeitrag ist online mit den entsprechenden Schlagwörtern einfach auffindbar. Mittlerweile steht dem neuen Kraftwerk, das von der Förderstelle OeMAG mit einer Investitionsförderung finanziell unterstützt wurde, bald das einjährige Betriebsjubiläum bevor. Im Regeljahr rechnen die Betreiber mit einer durchschnittlichen Erzeugung von rund 300.000 kWh. Obwohl zu Spitzenzeiten der Produktion nach wie vor Energie aus dem öffentlichen Netz bezogen wird, kann mit dem eigenen Wasserkraftwerk nun auch ein wesentlicher Teil des Eigenbedarfs (ca. 70 Prozent) aus lokalen Ressourcen gewonnen werden. Darüber hinaus speist das Kraftwerk beim Stillstand der Produktionsanlagen – vorwiegend während der Nachtstunden und Wochenenden – in das Verteilnetz des lokalen Stromnetzbetreibers ein.
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