Projekte

Oberösterreichische Versicherung und Murauer Energiezentrum realisieren Kraftwerksprojekt8 min read

13. Mai 2019, Lesedauer: 6 min

Oberösterreichische Versicherung und Murauer Energiezentrum realisieren Kraftwerksprojekt8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Etwas mehr als ein Jahr nach dem offiziellen Spatenstich konnte Mitte Oktober 2018 ein modernes Kleinwasserkraftwerk im steirischen Oberwölz feierlich eröffnet werden.

Umgesetzt wurde das Projekt primär von den Unternehmen des „Murauer EnergieZentrum“, einem hochprofessionellen Partnernetzwerk aus der Obersteiermark. Neben interessierten Bürgern hatten sich auch zahlreiche Vertreter der an der Umsetzung beteiligten Unternehmen sowie hochrangiger Besuch aus Politik und Wirtschaft zum feierlichen Anlass beim Krafthaus eingefunden. Viele lobende Worte und Dank gab es dabei unter anderem für die Gemeinde für die geleistete Pionierarbeit, die Kooperationsbereitschaft der in den Kraftwerksbau involvierten Grundstücksbesitzer und natürlich für die mustergültige Arbeit der ausführenden Unternehmen. Small Hydro-Weltmarktführer ANDRITZ Hydro lieferte als Herzstück des Kraftwerks eine hydraulisch bis ins Detail optimierte Kaplan-Turbine mit einer Nennleistung von 536 kW. Mit der neuen Ausleitungsanlage, in deren Realisierung die Eigentümerin Oberösterreichische Versicherung AG etwa 3,5 Millionen Euro gesteckt hat, kann der Jahresstrombedarf von rund 500 Haushalten im Wölzertal gedeckt werden.

Dass der Wettergott für die offizielle Eröffnung des neuen Wasserkraftwerks am Wölzerbach am 16. Oktober angenehmes Kaiserwetter spendiert hatte, wurde von den Anwesenden als gutes Omen gedeutet. Bürgermeister Hannes Schmidhofer wies in seinen Begrüßungsworten darauf hin, dass die Idee ein Kraftwerk im Ortsteil Raiming zu errichten ursprünglich von der Gemeinde stammte: „Da wir als Gemeinde in erster Linie unsere Kernaufgaben wie den Bau eines  Seniorenheims oder des Feuerwehrgebäudes erfüllen mussten, haben wir uns schließlich gegen das Wasserkraftprojekt entschieden. Mit der Übernahme und Finanzierung durch die Oberösterreichische Versicherung, die ja auch ein verlässlicher Partner bei uns in der Region ist, ist es schließlich doch noch etwas geworden. Mein größter Dank geht auch an die Grundbesitzer für deren Verständnis und ihre Bereitschaft, Grund und Boden zur Verfügung zu stellen.“ Kurt Woitischek, als Geschäftsführer der Stadtwerke und des Murauer Energiezentrums war er federführend an der Projektentwicklung und der Realisierung beteiligt, bestätigte das seit Jahren ausgezeichnete Verhältnis mit den Oberösterreichern und bedankte sich für das Vertrauen der Investoren in das rund 3,5 Millionen teure Projekt. Anschließend wurden Funktionen und Zusammenspiel der verschiedenen Anlagenbestandteile und Gewerke erläutert und die Herausforderungen der Umsetzungsphase bis zur endgültigen Fertigstellung beschrieben. Als hochrangiger Eigentümervertreter teilte Josef Stockinger, Generaldirektor der Oberösterreichische Versicherung AG, seine Begeisterung für das Projekt mit: „Für uns ist heute ein Tag der Freude – wir können uns nun das erste Mal als Besitzer eines Wasserkraftwerks in der Öffentlichkeit präsentieren. Wir wussten, wenn wir in dieses Projekt investieren, ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist ein gutes Signal, dass wir als Versicherung uns auch in einer Region, aus der viele unserer Kunden stammen, engagieren, um ein Stück Energiezukunft hier in Oberwölz zu realisieren.“ In diesen Kanon stimmte als abschließende Rednerin Manuela Khom, Zweite Präsidentin des steirischen Landtags, ein. Sie verwies auf die Vorreiterrolle des Bezirks Murau im Bereich der nachhaltigen Energiegewinnung und die Leistungen des regionalen Partnernetzwerks Murauer Energiezentrum.

Turbine für Höchstleistungen konzipiert
Nach den einleitenden Worten durchschnitten die Ehrengäste gemeinsam ein symbolisches rotes Band, und die Pforten des Krafthauses öffneten sich zur Demonstration der modernen Technik. Die anwesenden Vertreter der beteiligten Unternehmen erläuterten den Gästen Funktion und Besonderheiten des Kraftwerks und der spezifischen Gewerke. So gab der in der Branche allseits geschätzte Edwin Walch – der „echte Andritzer“ (Zitat Woitischek) hat bereits im Vorjahr seine Pension angetreten – bereitwillig Auskunft über das Herzstück der Anlage, einer axial verbauten Kaplan-Rohrturbine: „Die hydraulische Auslegung der Maschine wurde derart optimiert, dass für den Standort die größtmögliche Energieeffizienz erreicht wird. Mit unserem Design haben wir sichergestellt, dass sowohl bei Niedrigwasser als auch im Volllastbetrieb effizient Strom erzeugt wird.“ In Summe stehen der mittels Leitapparat und Laufradverstellung doppelt-regulierten Turbine eine Ausbauwassermenge von 6 m³/s sowie eine Bruttofallhöhe von 12 m für die Stromgewinnung zur Verfügung. Bei ausreichend Wasserdargebot kann die Maschine somit eine Engpassleistung von 536 kW erreichen. Die potentielle Energie der Anlage wird mittels direkt gekuppeltem horizontalen Synchron-Generator des Linzer Traditionsherstellers Hitzinger in elektrische Energie umgewandelt. Der luftgekühlte Generator läuft mit einer Drehzahl von 500 U/min. „Um eine optimale Energieübertragung zwischen Turbine und Generatoren zu gewährleisten, wurde auf ein Getriebe verzichtet. Abrasive Kleinstteile des Betriebswassers werden von der Wellendichtung ferngehalten, wobei dies an der speziellen Dichtung mittels kontinuierlich beaufschlagtem Reinwasser (Sperrwasser) umgesetzt wird“, erklärt Walch.“ Woitischek ergänzt, dass bei der neuen  Anlage wie bei Kleinwasserkraftwerken im alpinen Raum üblich an durchschnittlich 60 Tagen pro Jahr ein Volllastbetrieb möglich sein sollte: „Die Erfahrung sagt uns aber, dass es aufgrund des ergiebigen Einzugsgebietes sehr wahrscheinlich ist, dass wir im Durchschnitt sogar an 80 Tagen unter Volllast produzieren können – da darf man natürlich nicht an der Qualität der Turbine sparen“.

Vollautomatisierte Ökostromproduktion
Zur Lieferung der gesamten elektro- und leittechnischen Anlagenausstattung wurde mit der MGX Automation GmbH aus Leibnitz ein weiteres im Kleinwasserkraftsektor vielfach bewährtes Unternehmen aus der Steiermark beauftragt. Der technische Projektleiter von MGX Automation Hannes Hölzl merkt im Gespräch mit zek Hydro bei der Eröffnung an, dass neben einer möglichst effektiven Stromproduktion auch dem Aspekt der Hochwassersicherheit hohe Bedeutung beigemessen wurde. Zur digitalen Kommunikation zwischen der Wehranlage und dem Steuerungspanel im Krafthaus dient ein gemeinsam mit der Druckleitung verlegter Lichtwellenleiter. Die gesamte steuerungstechnische Ausrüstung mit Turbinenregler im Krafthaus sowie an der Wehranlage wurde – wie von MGX Automation gewohnt – in nachhaltig hoher Qualität ausgeführt.
Für die eigentliche Anlagensteuerung setzten die Steirer auf ihre vielfach bewährte Leittechnik aus eigener Hand. Via Onlineverbindung können die für die Betriebsführung zuständigen Mitarbeiter der Murauer Stadtwerke jederzeit auf die Steuerung zugreifen und dabei umfangreiche Informationen über den aktuellen Anlagenstatus abrufen. Geschäftsführer Grübler-Haselsteiner ergänzt im Hinblick auf die Visualisierung der Steuerung, dass bei MGX-Automatisierungslösungen stets der Fokus auf Funktionalität und Qualität liegt, um den Anwendern eine klare und einfache Bedienbarkeit zu ermöglichen. Die gesamte Ausführung der Elektro-Verkabelungsarbeiten und Anbindung an das 30 kV-Netz samt Errichtung einer eigenen Umspannstation erfolgte wiederum durch die Murauer Stadtwerke GmbH.

Druckleitung aus GFK
Mit dem offiziellen Spatenstich Mitte Juli 2017 ging das vom Ingenieurbüro PITTINO ZT GmbH aus Graz geplante Projekt im Vorjahr in die Bauphase über. Im Bereich Tiefbau stellte sich laut DDI Maximilian Rumpf, Projektleiter der für die Rohrverlegung zuständigen Rumpf Bau GmbH, vor allem die Grundwasserthematik als große Herausforderung dar. „Trotz unserer jahrzehntelangen Erfahrung im Kraftwerksbau verlegen auch wir nicht alle Tage Rohre mit den großvolumigen Dimensionen DN2100 und DN1900. Elemente mit solch großen Abmessungen verlangen eine entsprechende Einbautiefe, wobei der hohe Grundwasserspiegel im Projektgebiet alles andere als hilfreich war.“ Aufgrund des anhaltenden Wassereintritts mussten während der gesamten Bauphase leistungsstarke Pumpen zur Wasserabfuhr eingesetzt werden. An diesen schwierigen Gegebenheiten sollte sich auch während der kalten Herbst- und Wintermonaten nichts ändern – keine leichten Bedingungen für die mit der Rohrverlegung betrauten Monteure. Beim Rohrmaterial setzten die Betreiber auf hochwertige GFK-Rohre der Marke SUPERLIT, die vom oberösterreichischen Vertriebsprofi Geotrade geliefert wurden. Die Rohre zeichnen sich unter anderem mit hochglatten Innenflächen und gleichzeitiger Beständigkeit gegen Abrieb aus, und sorgen somit für die Minimierung hydraulischer Verluste im Druckleitungssystem. Obwohl sich die gewählte Rohrtrasse von der Wasserfassung zum Krafthaus in einem weiten Bogen entlang des Wölzerbachs orientiert, konnte die gesamte Leitung ohne den Einbau von Bogenstücken hergestellt werden. Dies wurde durch die anwenderfreundliche Abwinkelbarkeit des GFK-Muffensystems ermöglicht, wobei die Rohrenden – jeweils in Abhängigkeit vom Durchmesser – innerhalb der Muffen um wenige Grad abgewinkelt werden können.

Hochwassersicherheit gewährleistet
Die Betonarbeiten zur Errichtung von Krafthaus und Wehranlage erledigte mit der Petauschnig Bau GmbH ebenfalls ein Partner des Murauer Energiezentrums. Speziell beim Bau des Krafthauses machte der hohe Grundwasserspiegel erneut hohen Zusatzaufwand erforderlich, merkt der für die Ausführungsplanung zuständige DI Thomas Reicher vom Ingenieurbüro PITTINO ZT GmbH an. Wie bei der Verlegung der Druckleitung spielte auch bei der Herstellung der massiven Bodenplatte des Krafthauses das Thema Auftriebssicherheit eine wichtige Rolle. Die rund sechs Meter tiefe Baugrube erforderte eine Spezialgründung und den Einsatz von Spundwänden gegen den Wassereintritt. Bei der baulichen Ausführung der Wehranlage hingegen lag die höchste Priorität bei der Hochwassersicherheit. Eine robuste Stauklappe der S.K.M. GmbH gewährleistet am Querbauwerk auch bei akuten Hochwasserbedingungen jederzeit freien Durchfluss. Bewegt wird das 12 m breite tonnenschwere Bauteil von einem einzelnen Hydraulikzylinder. Nach der Ausleitung gelangt das Triebwasser zuerst in ein offen ausgeführtes Entsanderbecken, in welchem sich die feinen Sedimente am Boden absetzen. An der Stirnseite des Entsanders hält ein vertikaler Feinrechen Treibgut und Geschwemmsel vom Beginn der Druckrohrleitung fern. Ein ebenfalls vertikal arbeitender Teleskoprechenreiniger mit Pegelregelung sorgt für freien Durchfluss. Geliefert wurde der komplette Stahlwasserbau vom steirischen Stahlwasserbau-Allrounder S.K.M. GmbH, deren Geschäftsführer Sepp Köhl als aktiver Kleinkraftwerksbetreiber stets eine Menge an Erfahrung in seine Projekte einfließen lässt.

Kraftwerk macht Rekordsommer nichts aus
Naturgemäß musste beim Anlagenbau auch auf die Fisch-Passierbarkeit des Gewässers Rücksicht genommen werden. Durch einen mittels Betonelementen ausgeführten Beckenpasses auf der orographisch rechten Seite der Wasserfassung wird die ökologische Durchgängigkeit des neuen Kraftwerks am Wölzerbach sichergestellt. 150 l/s werden als Teil der verpflichtenden Dotationsabgabe ganzjährig über den Fischaufstieg geleitet, die übrige Restwassermenge fließt separat in das Gewässer zurück. Geschäftsführer Woitischek zeigte sich bei der Kraftwerkseröffnung überaus zufrieden mit dem neuen Vorzeigeprojekt des Murauer Energiezentrums: „Dass die ausführenden Unternehmen sehr gute Arbeit geleistet haben, wurde heute ja zu Recht schon mehrfach erwähnt. Man sollte aber durchaus auch erwähnen, dass das Kraftwerk seit der Inbetriebnahme während der äußerst trockenen Bedingungen im heurigen Rekordsommer kein einziges Mal stillgestanden hat. Wenn im kommenden Frühjahr der Schnee schmilzt werden die Oberösterreichische Versicherung als frischgebackene Kraftwerksbesitzer viel Freude mit der Effizienz ihrer Anlage haben.“

Teilen: