Österreichische Wasserkraftexperten liefern leistungsstarke Technik für taiwanesisches Kraftwerk
Im Februar 2025 hat die international renommierte GUGLER Water Turbines GmbH ihr erstes Projekt in Taiwan erfolgreich abgeschlossen. Die österreichischen Branchenspezialisten lieferten für den Neubau des Kleinwasserkraftwerks Hushan der Betreibergesellschaft AES Mega die komplette elektromechanische und regelungstechnische Ausrüstung. Das Herzstück des Kraftwerks bildet eine hocheffiziente Francis-Turbine, die bei vollem Wasserdargebot 1.657 kW Engpassleistung erzielt. Errichtet wurde die mustergültig realisierte Anlage neben der Wasseraufbereitungsanlage der Taiwan Water Corporaton Yunlin, die vom nahegelegenen Hushan-Reservoir versorgt wird. Neben der leistungsstarken Technik punktet das Kraftwerk auch mit einer äußerst ansprechenden Optik.

© AES Mega
In dem rund 23 Millionen zählenden Inselstaat Taiwan, der sich rund 130 Kilometer östlich von der chinesischen Küste befindet, stehen aufgrund des Wasserreichtums und der gebirgig geprägten Landschaft grundsätzlich ideale Bedingungen für die Stromgewinnung aus Wasserkraft zur Verfügung. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen nimmt die hydroelektrische Stromproduktion in Taiwan nur einen sehr geringen Stellenwert ein. Dem Onlineportal „lowcarbonpower.org“ zufolge stammten im Jahr 2024 rund 83 Prozent des in Taiwan erzeugten Stroms aus den fossilen Energieträgern Kohle und Erdgas. Lediglich 3 Prozent der Stromgewinnung erfolgten durch Wasserkraftwerke, Photovoltaik und Windenergie waren mit jeweils 4 Prozent Anteil ebenfalls weit unten angesiedelt. Trotz dieser ernüchternden Zahlen gibt es im Land starke Bestrebungen, um die Nutzung erneuerbarer Energieformen voranzutreiben.

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Erstes Referenzprojekt in Taiwan
Zu den großen Befürwortern der taiwanesischen Energiewende zählt das 2018 gegründete Unternehmen AES Mega. Das in der Hauptstadt Taipeh ansässige Unternehmen beschäftigt sich mit der Nutzung nachhaltiger Energien, wozu unter anderem der Bau von Wasserkraftwerken und Geothermie-Anlagen gehören. Erst vor kurzer Zeit hat das neueste eigene Wasserkraftwerk von AES Mega, das im westlichen Teil Taiwans in der Nähe der Stadt Douliu errichtet wurde, erstmals sauberen Strom produziert. Einen wichtigen Teil bei der technischen Umsetzung des Kraftwerks Hushan spielte der oberösterreichische Wasserkraftallrounder GUGLER Water Turbines GmbH, der sich im Rahmen der internationalen Ausschreibung für die Lieferung des Maschinensatzes qualifizieren konnte, sagt GUGLER-Projektleiter Markus Weglehner: „Das Projekt stellte für uns eine Premiere dar: Wir konnten zum ersten Mal unsere Kompetenz in Taiwan unter Beweis bestellen. Im Prinzip umfasste der Auftrag die Ausführung der kompletten elektromechanischen Ausstattung. Dazu zählten eine Francis-Turbine inklusive Generator, zwei Hydraulikaggregate, vier Absperrklappen und die Kraftwerkssteuerung.“

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Speichersee versorgt Wasserkraftwerk
Zur Stromproduktion nutzt das neue Wasserkraftwerk von AES Mega das hydroelektrische Potential des Hushan-Reservoirs, welches für die Trinkwasserversorgung des Landkreises Yunlin errichtet wurde. Der Speichersee mit über 52 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen ist durch den Bau der 75 m hohen Hushan-Staumauer entstanden und wurde erst 2016 offiziell eingeweiht. Rund fünf Kilometer von der Staumauer entfernt befindet sich die staatlich betriebene Trinkwasseraufbereitungsanlage der Taiwan Water Corporation Yunlin, neben der das neue Kleinwasserkraftwerk errichtet wurde. „Das generelle Funktionsprinzip des Kraftwerks Hushan ist nicht kompliziert. Nachdem das Wasser vom Hushan-Reservoir ausgeleitet wird, wird dieses von einem etwas älteren Kraftwerk zum ersten Mal für die Stromgewinnung genutzt. Nach der Turbinierung fließt das Wasser zu einem relativ großen Beruhigungsbecken, an welches eine Druckrohrleitung anschließt. Dieser in DN1800 ausgeführte Kraftabstieg führt schließlich zur Aufbereitungsanlage bzw. zum neu gebauten Wasserkraftwerk“, erklärt der Projektleiter.

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Bypass wird benötigt
Der Anschluss der Turbine an die bestehende Druckrohrleitung war laut Markus Weglehner mit etwas Zusatzaufwand verbunden: „Üblicherweise hat man bei einem Turbinen-Saugrohr die technische Freiheit, dass dieses um einige Zentimeter nach links oder rechts gedreht werden kann, da es ohnehin in einem drucklosen Kanal mündet. Beim Kraftwerk Hushan war das allerdings nicht der Fall, weil die zur Turbine hin- bzw. wegführenden Rohrleitungen bereits fix vorhanden waren. Diese Gegebenheiten machten während der Konstruktionsphase zusätzlichen Abklärungsbedarf notwendig, damit die Maschine exakt zwischen den beiden Leitungsachsen eingepasst werden konnte.“ Die Integration des neuen Wasserkraftwerks in die bestehenden Druckrohrleitungen erforderte zudem die Installation eines Bypasssystems. Der Bypass, für den GUGLER drei zusätzliche Absperrklappen lieferte, stellt sicher, dass die Aufbereitungsanlage auch bei einem Kraftwerksstillstand oder obligatorischen Wartungsarbeiten konstant mit Wasser versorgt werden kann.
Francis-Turbine mit hohem Wirkungsgrad
Bei einer Ausbauwassermenge von 3 m³/s und 60,7 m Nettofallhöhe stellte der Einsatz einer horizontalachsigen Francis-Turbine Markus Weglehner zufolge die ideale Variante für das Kraftwerk Hushan dar. Die Maschine, die bei vollem Wasserdargebot 1.657 kW Engpassleistung erzielt, gewährleistet den Betreibern beste Wirkungsgrade und eine konstant effektive Stromproduktion. Komplettiert wird der Maschinensatz durch einen direkt mit dem Laufrad gekoppelten Synchron-Generator vom italienischen Hersteller Marelli in luftgekühlter Ausführung. Der mit Wälzlagern bestückte Generator wurde für eine Betriebsspannung von 690 V und 1.870 kVA Nennscheinleistung ausgelegt. Bei der Fertigung der Turbine setzte GUGLER auf bewährte europäische Partnerunternehmen, die im Maschinenbausektor über jahrzehntelange Erfahrung verfügen. Nach der im Beisein eines Kundenvertreters erfolgten Werksabnahme wurde die weit vormontiert ausgelieferte Maschine seefest verpackt und per Schiff auf die Reise nach Taiwan geschickt. „Aufgrund der unsicheren Lage vor der Küste von Jemen, die auf die Umtriebe der Huthi-Rebellen zurückgeht, wurde für den Schifftransport eine alternative Route gewählt. Diese Route führte um den gesamten afrikanischen Kontinent, weswegen der Transport von Europa nach Asien fast drei Monate dauerte“, merkt Markus Weglehner an. Die Montage des Maschinensatzes und der verschiedenen technischen Gewerke im Krafthaus erfolgte ab Mitte 2024 und wurde in mehreren Etappen durch lokales Personal unter der Anleitung eines GUGLER-Supervisors durchgeführt. Der Lieferumfang von GUGLER beinhaltete neben dem elektromechanischen Equipment auch die Ausführung der Kraftwerkssteuerung, die für den vollautomatischen Betrieb der Anlage sorgt. Für die Programmierung der Leittechnik mit intuitiver Visualisierung war die ebenfalls aus Österreich stammende GUGLER-Tochtergesellschaft H&W Control GmbH zuständig. Die Steuerung und Überwachung der Anlage kann sowohl im Maschinengebäude am Leittechnik-PC oder in der AES Mega-Zentrale in Taipeh durch eine gesicherte Online-Anbindung erfolgen. Die elektrotechnischen Komponenten wie Mittelspannungsschaltanlage, Schutzeinrichtungen und Transformatoren wurden von der Betreibergesellschaft in Eigenregie ausgeführt.

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Anlage überzeugt innen & außen
„Nach den abschließenden Installationsarbeiten war es im Februar 2025 schließlich an der Zeit für den Inbetriebnahmeprozess. Im Rahmen unseres standardisierten Inbetriebnahmeprotokolls wurden umfangreiche mechanische und elektrische Tests und Kontrollen durchgeführt. Die dabei erzielten Erkenntnisse im Hinblick auf die Funktionalität und das bestätige Leistungspotential der Anlage haben sowohl uns als auch die Vertreter von AES Mega äußerst zufriedengestellt. Ich bin der Meinung, dass wir bei unserem ersten Einsatz in Taiwan einen sehr guten Eindruck hinterlassen haben“, bekräftigt Markus Weglehner. Apropos guter Eindruck: Der Projektleiter weist darauf hin, dass bei der Realisierung des Kraftwerks Hushan nicht nur hoher Wert auf die leistungsstarke Technik, sondern auch auf ein ansehnliches Äußeres der Anlage gelegt wurde. Der japanische Architekt Hojo Kenji sorgte für die sehenswerte Optik des Maschinengebäudes mit großflächigen Glasfassaden, die Besuchern des Kraftwerks einen ungetrübten Blick auf die moderne hydroelektrische Technik im Inneren gewähren.
Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 2/2025