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Osttiroler Kraftwerk Kalserbach zum Siebziger technisch top in Schuss7 min read

13. Dezember 2019, Lesedauer: 5 min

Osttiroler Kraftwerk Kalserbach zum Siebziger technisch top in Schuss7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

„Dreimal großes Service“ hieß es für die Pelton-Turbinen des Osttiroler Speicherkraftwerks Kalserbach während der vergangenen beiden Wintersaisonen.

Aufgrund der generellen Abnützung der Laufräder hatte Betreiber TIWAG eine Totalrevision aller drei Maschinen der bald 70 Jahre zählenden Anlage in Auftrag gegeben. Umgesetzt wurde das Retrofit-Programm vom Tiroler Wasserkraft-Allrounder Geppert GmbH, der für die TIWAG bereits mehrfach erfolgreiche Turbinenrevisionen bei verschiedenen Leistungsklassen und Bauformen durchgeführt hatte. Im Zentrum der Sanierung stand die Fertigung von sowohl wirk­ungsgradoptimierten als auch verschleißoptimierten Laufrädern für die zweimal auf 3,9 MW sowie einmal auf 5,1 MW Engpassleistung ausgelegen Turbinen. Das hydraulische Profil der neuen Maschinen wurde von Geppert in enger Absprache mit den Experten der TIWAG grundlegend optimiert, wodurch der Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerks um beachtliche 2 Prozent gesteigert werden konnte.

Errichtet wurde das Kalserbachkraftwerk im Osttiroler Bezirk Lienz zwischen 1948 und 1950 als Speicherkraftwerk mit Tagesspeicher auf dem Gebiet der Gemeinden St. Johann im Walde und Kals am Großglockner. Bei einer Bruttofallhöhe von 274 m nutzt die Anlage primär die Abflüsse aus dem rund 163 km² großen Einzugsgebiet des Kalsertals. Rund 30 Jahre nach der Erstinbetriebnahme des Kraftwerks erfolgte mit der Beileitung von drei zusätzlichen Bächen eine Erweiterung des Einzugsgebiets um etwa 6 km² aus den Zuflüssen der Südabdachung der Schobergruppe. Der weitaus größte Teil des zur Stromerzeugung genutzten Wassers wird in einem klammartigen Abschnitt des Kalsertals beim Weiler Staniska durch eine mit Seitenentnahme ausgeführte Wehranlage gefasst. Nach dem Entsanderbauwerk gelangt das Triebwasser über einen 2,8 km langen Freispiegelstollen in den rund 110.000 m³ fassenden Speicher Oblass. Um die Effizienz des Kraftwerks zu erhöhen, wurden 1981 der Oblasser Alpenbach, der Oberleibnigbach und der Niedristbach jeweils mit drei Tiroler Wehren gefasst und das zusätzliche Wasser durch eine erdverlegte, 1,6 km lange Druckleitung zum Tagesspeicher geleitet. Der Speichersee wurde in einer natürlichen Felswanne errichtet und wird von drei niedrige Dämmen begrenzt. Den Überstau des Speichers verhindert eine in die Kalserbachschlucht entwäs-i sernde Entlastungsanlage. Von der Entnahmestelle im Speicher gelangt das Triebwasser über einen oberirdisch verlegten Kraftabstieg mit einer Länge von rund 650 m ins Krafthaus. Die Stromproduktion im Krafthaus übernehmen drei Maschinensätze, bestehend aus jeweils 2-düsigen Pelton-Turbinen mit horizontalen Wellen und direkt gekoppelten Synchron-Generatoren. Bei seiner Inbetriebnahme 1950 war das Kraftwerk vorerst nur mit den baugleichen Maschinen 1 und 2 ausgestattet, diese schaffen eine Engpassleistung von jeweils 3,9 MW. Der Einbau der noch stärkeren Maschine 3, die unter Volllast eine Engpassleistung von 5,1 MW erreicht, folgte 1966. Die Ableitung des verarbeiteten Triebwassers in die Isel geschieht über einen rund 200 m langen offenen Kanal. Im Durchschnitt erzeugt das Kalserbachkraftwerk jährlich rund 61,4 GWh Ökostrom, der zur Gänze ins öffentliche Netz eingespeist wird.

Anlage laufend modernisiert
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde das bald 70 Jahre Betriebsjahre zählende Kraftwerk vom Betreiber TIWAG sukzessive saniert und modernisiert. 1985 und 1987 wurden Stratorbleche und Wicklung von Generator 3 erneuert. Anfang der 1990er Jahre erhielt die Anlage ein umfangreiches elektrotechnisches Update, zudem kam es zum Tausch sämtlicher Turbinenlaufräder durch den Hersteller. 2007 folgte der Einbau einer automatischen Rechenreinigungsanlage für den Tagesspeicher, 2009 und 2010 wurden die Generatoren 1 und 2 einer Generalüberholung unterzogen. Für die Wintermonate 2017 auf 2018 sowie 2018 auf 2019 hatte man sich bei der TIWAG die Revision der Turbinen vorgenommen. Zwischen 2016 auf 2017 wurde der Speicher abgesenkt und die Sedimente mittels Bagger entnommen und deponiert. Da im Winter die Laufräder getauscht werden sollten, hatte man sich entschlossen, die Sommermonate über den Speicher mit abgesenktem Stauziel zu betreiben. So blieben die über die Wasserfassung eingezogenen Sedimente im Triebwasser erhalten. Bei diesem Betrieb gelangten Sedimente mit einer Korngröße von bis zu 2 mm auf die Laufräder, erklärt TIWAG-Projektleiter Rainer Maldet: „Ähnliche Untersuchungen führen wir seit mehreren Jahren beim nahe gelegenen Laufkraftwerk Dorferbach durch, dessen Triebwasser noch viel stärker mit Sedimenten aus hartem Gletscherschliff belastet ist. Aus den daraus gewonnen Erkenntnissen auf die Abnützungen verschiedener Turbinen­elemente haben wir ein laufend erweitertes Modell entwickelt, mit dem wir die Auswirkungen auf Laufräder und Turbinen bei erhöhter Sedimentfracht besser einschätzen und vorhersagen können.“ Neben den eigenen Messungen der TIWAG wurde die ETH-Zürich mit dem Monitoring-Programm beauftragt. Mit einem automatisierten Probensampler wurden täglich Wasserproben aus dem Triebwasser entnommen und die darin enthaltenen Sedimente im Labor untersucht.
Vor und nach der gezielten Sedimentabfuhr über die Laufräder wurden die Peltonräder durch eine Spezialfirma mittels Scanverfahren zur Analyse des Verschleißes digitalisiert.
 
Revitalisierung von den Profis
Im Anschluss an die Speicherspülung und das Ausbaggern der Verlandungen startete im Dezember 2017 der mechanische Teil der Sanierungsmaßnahmen. Durchgeführt wurde die Revision von der national und international vielfach bewährten Tiroler Geppert GmbH, die sich branchenweit einen hervorragenden Ruf als Revitalisierungsexperte erarbeitet hat. Für die TIWAG hat Geppert in der jüngeren Vergangenheit eine ganze Reihe von Maschinen wieder auf Vordermann gebracht. Aktuell sorgen die Haller im Auftrag der IKB für die Revitalisierung der auf 10 MW Engpassleistung ausgelegten Francis-Turbine des Kraftwerks Untere Sill in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck. Damit der Betrieb des Kraftwerks Kalserbach während der Revisionsarbeiten weitgehend ungestört weiter laufen konnte, wurden die Revisionen jeweils in den kalten Wintermonaten bei verringertem Wasserdargebot ausgeführt. Dadurch kam es laut Betriebsingenieur Bernhard Leitner, der die Revitalisierung von Beginn an begleitet hat, zu keinen Wasserverlusten und nur geringfügigen Betriebseinschränkungen.

Dreimal neues Innenleben
Mit der Demontage von Maschine 2 startete schließlich im Dezember 2017 die praktische Umsetzung, führt Geppert-Projektleiter Stefan Veiter aus: „Das tatsächliche Ausmaß der auszuführenden Revisionsmaßnahmen hatte man bereits im November bei einer genauen Inspektion der Maschinen festgestellt. Grundsätzlich wurden bei allen Turbinen neben dem Wechsel der Laufräder die Düsenhauben, Düsennadeln, Strahlablenker, Strahlschutzdach und die Führungskreuze am Düsenstock neu ausgeführt. Dazu kamen Ausbesserungen an Gehäuseteilen, die beim Betrieb mit erhöhter Sedimentfracht in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Komponenten wie Düsenstöcke und Düsennadeln wurden zum Schutz vor abrasivem Verschleiß mit einer beständigen Wolframcarbid-Beschichtung versehen. Die von Geppert nach höchsten Qualitätskriterien gefertigten Bauteile wurden von dem auf Werkstoffprüfungen spezialisierten Unternehmen Temat mittels verschiedener zerstörungsfreier Testverfahren eingehend überprüft, erst danach erteilte die TIWAG die Freigabe zum Einbau. Dieser grundsätzliche Ablauf wurde bei allen drei Maschinen beibehalten.“ Nachdem Maschine 2 Anfang März 2018 wieder in Betrieb ging, folgte wenige Tage darauf die Demontage der baugleichen Maschine 1, bereits rund einen Monat später konnte auch diese mit komplett neuem Innenleben ausgestattete Turbine wieder in Gang gesetzt werden. Die Revision von Maschine 3 erfolgte schließlich während der vergangenen Wintersaison, im März 2019 ging die leistungsstärkste Turbine des Kraftwerks wieder in Betrieb.

Wirkungsgrad inFolge von Retrofit-Programm erhöht
Projektleiter Veiter hebt im Gespräch mit zek Hydro speziell die bei Maschine 3 erreichten Optimierungen hervor: „Maschine 3 erzeugte vor der Sanierung während des Betriebs eine Lautstärke von bis zu 100 Dezibel. Dieses Problem hatte man bei zuvor durchgeführten kleineren Revisionen nicht in den Griff bekommen. Ein vergrößerter Spalt beim Abstreifblech, ein verstärkter Deckel und das hydraulisch verbesserte Laufrad sorgen nun für deutlich geringere Schallemissionen. Darüber hinaus konnte auch die Leistung der Maschine deutlich erhöht werden“ Auf Seiten der TIWAG zeigt man sich neben den technischen Optimierungen sehr zufrieden mit der gesteigerten Leistungseffizienz der Turbinen, wie Rainer Maldet bestätigt: „Die gemeinsam mit Geppert exakt nach unseren Vorgaben erstellten hydraulischen  Profile führten bei jeder Maschine zu einer Wirkungsgradsteigerung zwischen 4 und 5 Prozent gegenüber den bereits stark verschlissenen alten Laufrädern. Beim Design der Laufräder flossen im Hinblick auf die erhöhte Verschleißresistenz Erkenntnisse aus unseren früheren Belastungstests mittels Sedimentabfuhr ein. Der Schlüssel zum Gelingen der anspruchsvollen Instandsetzung war die gute Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Firma Geppert. Das Ergebnis unserer Bemühungen ist der um erfreuliche 2 Prozent gesteigerte Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerks“. Obwohl alle rundum überholten Turbinen mit verbesserter Leistung seit dem heurigen Frühjahr wieder ihren Regelbetrieb aufgenommen haben, ist der Revitalisierungseinsatz im Osttiroler Traditionskraftwerk noch nicht komplett abgeschlossen. Aufgrund von bei der Sanierung festgestellten Beschädigungen der Turbinenwelle bei Maschine 3 geht die TIWAG kein Risiko ein, und hat für den kommenden Winter den Ersatz des Bauteils als finalen mechanischen Sanierungsschritt beim Kalserbachkraftwerk in Auftrag geben.

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