Passeirer Verteilerbetrieb vertraut auf moderne Tiroler Gussrohrtechnologie7 min read
Lesedauer: 5 MinutenGussrohr ist eben doch nicht Gussrohr. Diese Erfahrung musste auch das E-Werk St. Martin im Passeiertal machen, deren veraltete Gussleitung nicht mehr den Anforderungen moderner Wasserkraftnutzung entsprach.
Der anstehenden zehnjährlichen Druckprobenkontrolle hätte diese nach Ansicht der Betreiber nicht mehr standgehalten. Darüber hinaus war sie auch etwas zu klein ausgelegt. Aus diesem Grund wurde nun dieser Bereich der alten Druckrohrleitung DN400 aus Guss, der ungesichert war, durch eine moderne, schub- und zuggesicherte Druckrohrleitung DN600 aus dem Hause TRM ersetzt. Dadurch hat sich nicht nur die Betriebssicherheit der Anlage erhöht, sondern dank geringerer Reibungsverluste auch die Effizienz. Heute produziert das Kraftwerk St. Martin um etwa 5 bis 8 Prozent mehr Strom als zuvor.
Die Stromversorgung des zentralen Passeiertals ist untrennbar mit dem Namen Schwarz verbunden. Seit 1927 versorgt die Familie Schwarz als kleines E-Werk die Gemeinde St. Martin und später auch Teile des angrenzenden St. Leonhard mit Strom aus dem eigenen Wasserkraftwerk. Dieses wurde 1927 von Johann Schwarz, damals bekannt als der Mitterwirt in St. Martin, an einem Waalweg errichtet. Er galt als echter Pionier in Sachen Elektrizität, sein erstes Kraftwerk kam immerhin auf eine Leistung von 45 kW. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Strombedarf rasant an. Um diesem Anstieg nachzukommen, baute sein Sohn, Simon Schwarz, ein neues Kraftwerk, wobei er die Wasserfassung weiter nach oben verlegte. Das neue Kraftwerk in der Gilf verfügte über 120 kW Leistung. Der nächste Ausbau ließ nicht lange auf sich warten. Gemeinsam mit seinem Neffen Johann Schwarz baute Simon Schwarz 1965 noch einmal das Kraftwerk in der Gilf aus. Mit einer neuen Druckrohrleitung und neuen Maschinen erreichte dieses Kraftwerk bereits ca. 300 kW Leistung. 1974 wurde das heute noch bestehende Speicherbecken gebaut, um den Bedarf an Spitzenstrom abzudecken.
ERHÖHUNG DER KONZESSIONSWASSERMENGE
Wesentliche Meilensteine in der Firmengeschichte wurden 2003 gesetzt. Zum einen wurde mit der Firma Moosmair GmbH erstmalig ein Miteigentümer in die Gesellschaft aufgenommen, der nicht Teil der Familie Schwarz ist. Zum anderen wurden im selben Jahr Wasserfassung, Entsander und ein ca. 1.030 m langes Teilstück der Druckrohrleitung in Gussausführung DN400 neu errichtet. Darüber hinaus wurde das Beruhigungsbecken saniert. Dabei handelt es sich um einen kleinen Speicher mit einem Fassungsvermögen von ca. 900 m3, der Großteils unterirdisch angelegt wurde. Das Ansuchen, eine Erhöhung der konzessionierten Wassermenge von bisher maximal 50 l/s auf 300 l/s aus dem Fartleisbach zu erwirken, wurde behördlich genehmigt. Im Anschluss daran ging man daran, das Kraftwerk in seinen wesentlichen Bestandteilen zu sanieren und zu modernisieren. Die Planungsarbeiten und die Bauaufsicht vergaben die Betreiber an das Sterzinger Unternehmen Ernst Troyer Engineering. Zum einen wurde der untere Teil der Druckrohrleitung getauscht, indem eine 870 m lange Stahlleitung DN600 verlegt wurde. Zum anderen wurden das Maschinenhaus und dessen elektromaschinelle Ausrüstung vollständig erneuert. Im Herbst 2008 nahm das EVU sein modernisiertes Kraftwerk am Fartleisbach in Betrieb. Im Wesentlichen entspricht es von seiner Ausführung dem heutigen Zustand der Anlage.
STROM FÜR 1.000 ABNEHMER
Beim Kraftwerk St. Martin handelt es sich um ein Hochdruckkraftwerk, das den Fartleisbach über eine natürliche Gefällestufe von rd. 500 m nutzt. Die Wasserfassung befindet sich auf rund 1.153 m Seehöhe, und das kleine Speicherbecken ist rund 30 m tiefer situiert, während das Kraftwerk mit den beiden baugleichen 2-düsigen Peltonturbinen aus dem Hause Troyer AG auf etwa 622 m NN liegt. Die elektromaschinelle Ausrüstung besteht aus zwei 2-düsigen Peltonturbinen aus dem Hause Troyer AG, die jeweils auf ein Schluckvermögen von 150 l/s ausgelegt sind, sowie den beiden direkt gekoppelten Synchrongeneratoren mit je 1.000 kVA Nennscheinleistung. Beide Maschinen drehen mit einer Nenndrehzahl von 1.500 Upm und kommen im Betrieb unter Volllast auf eine singuläre Nennleistung von 767 kW. In Summe erzeugt die Anlage rund 5,7 bis 6 Mio. kWh im Regeljahr. „Wir versorgen mit diesem Strom circa 1.000 Abnehmer in unserem Netzbereich“, sagt Christian Ladurner und verweist darauf, dass die Verfügbarkeit der Anlage in Hinblick auf die Versorgung der Abnehmer an erster Stelle steht. Doch nicht alle Komponenten der Anlage entsprachen zuletzt den hohen Ansprüchen.
ALTES ROHRSYSTEM WURDE ANGEPASST
Grundsätzlich sind wir dazu angehalten, alle zehn Jahre eine Druckprüfung durchzuführen. Das ist uns behördlich vorgeschrieben. Leider stellte sich heraus, dass unsere beste hende Druckrohrleitung hohen Druckbelastungen nicht mehr gewachsen war – sie war definitiv nicht mehr drucksicher“, so der erfahrene Betreiber. „Daher beschlossen wir, die bestehende Gussleitung aus dem Jahr 2003 komplett heraus zu reißen und durch eine moderne, neue Leitung zu ersetzen.“ Das Kraftwerk verfügt seit 2003 über eine Art „Hybrid-Leitung”, die aus einer rund 870 m langen Stahlleitung im unteren Abschnitt und über eine 1.030 m lange Gussrohrleitung im oberen Trassenbereich bestand – und heute noch besteht. „Im Hinblick auf den Tausch der Gussrohrleitung haben wir uns ganz bewusst für Rohre von TRM entschieden. Es ging uns vor allen Dingen um eine Lösung, auf die wir langfristig bauen können. Aufgrund der Qualität dieser Rohre ist eine hohe Langlebigkeit garantiert“, ist Christian Ladurner überzeugt. Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht darin, dass das alte Leitungssystem mit keinerlei zug- bzw. schubgesicherten Verbindungen ausgeführt war – und nun ein Rohrsystem mit den bewährten längskraftschlüssigen VRS-T-Verbindungen realisiert wurde. Auf diese Weise ist die Rohrleitung in statischer Hinsicht sowohl in Längs- als auch in Querrichtung höchst stabil. Auch in Sachen Betriebsdrücke sind TRM-Rohrsystemen in dieser Ausführung hoch belastbar, Drücke von weit über 100 bar stellen kein Problem dar. Christoph Obkircher, Vertriebsleiter bei TRM für Südtirol geht noch weiter ins Detail: „Es gibt mehrere gewichtige Argumente, warum man bei einer Verlegung im Steilhang VRS-T-Verbindungen einsetzen sollte. Abgesehen vom Druck im Rohr muss man auch das Eigengewicht des Rohres berücksichtigen. Denn durch die Hangabtriebskraft zieht der Rohrstrang am oberen Ende der Steilhangleitung nach unten. Hier können erhebliche Zugkräfte auftreten, die durch die längskraftschlüssigen Verbindungen gehalten werden.“
EIGENES KNOW-HOW FÜR ROHRVERLEGUNG
Nicht zuletzt dank der ausgezeichneten Reputation des Brixner Planungsbüros EUT Engineering setzten die Betreiber im Fall dieser Teilsanierung der Anlage auf die Kompetenzen des erfahrenen Wasserkraftplaners. Was die Verlegung der neuen Druckrohrleitung angeht, so wurde diese vom Miteigentümer, von der Firma Moosmair GmbH aus St. Martin im Passeiertal, in höchst professioneller Weise umgesetzt. Die Firma Moosmair gilt als absoluter Spezialist für heikle Aufträge bei alpinen Bauprojekten, angefangen von diversen Materialseilbahnen, über Brückenbau, Hoch- und Tiefbauprojekten bis hin zu Montagen und der Errichtung von Druckrohrleitungen. Zum allgemeinen Leistungsspektrum zählt auch die Instandhaltung von Kraftwerken. „Mit unseren Materialseilbahnen bewerkstelligen wir das Heben, Transportieren, Absenken und Verlegen von Druckrohrleitungen. Hierbei können wir auf eine jahrelange Erfahrung verweisen, die durch die enge Zusammenarbeit mit den Energiekonzernen und lokalen Stromanbietern entstanden ist“, heißt es dazu auf der Firmen-Homepage von Moosmair. Unter der Führung von EUT Engineering errichtete das Team von Moosmair den Gussteil der Druckrohrleitung für das E-Werk St. Martin neu. Dabei kam eine weitere positive Eigenschaft der TRM-Gussrohre zum Tragen: die schnelle Verlegbarkeit. Dank der außergewöhnlichen Kombination aus Robustheit und Elastizität kann bei der Verlegung auf den Einsatz von Bettungsmaterial verzichtet werden. Unter normalen Umständen können die Rohre im Mutterboden verlegt werden. Für die Verlegung an sich ist nur ein schmaler Grabenaushub erforderlich, zudem können die Rohre auch problemlos bei Schlechtwetter verlegt werden. Am Ende stellt eine schnelle Verlegung der Druckrohrleitung auch einen entscheidenden wirtschaftlichen Aspekt eines Umbauprojektes dar – und spielt natürlich bei Arbeiten im Steilhang eine doppelt wichtige Rolle.
LEITUNGSVERLUSTE MINIMIERT
Ein Schwachpunkt des alten Rohrsystems war – wie beschrieben – die mangelhafte Dichtigkeit des Systems. Unter Volllast stellten sich die Leitungsverluste gravierend dar. Ein weiterer Schwachpunkt bestand zudem in einer relativ hohen Rohrreibung, die nicht unerhebliche Leitungsverluste nach sich zog. „Aus diesem Grund haben wir beschlossen, auf eine größere Rohrdimension zu wechseln“, erklärt Christian Ladurner. Während die alten Gussrohre noch eine Dimension von DN400 aufwiesen, kamen nun duktile Gussrohre der Dimension DN600 zum Einsatz. Dies sollte sich als kluge Entscheidung erweisen. Nach Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks im Frühling dieses Jahres stiegen die Leistungsdaten an der Maschine höher an als erwartet. Der Betreiber spricht von einer Steigerung von 5 bis 8 Prozent, die sich durch die Minimierung der Rohrreibungsverluste erzielen ließ. Damit hat sich für die Betreiber des E-Werk St. Martin die unliebsame Sanierung der Rohrleitung am Ende doch noch bezahlt gemacht. Nun ist das Kraftwerk wieder leistungsfit für viele Jahre.
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