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Pinzgauer Almkraftwerk nutzt nach Rundum-Ertüchtigung sein ganzes Potenzial10 min read

16. September 2023, Lesedauer: 7 min

Pinzgauer Almkraftwerk nutzt nach Rundum-Ertüchtigung sein ganzes Potenzial10 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Die steil aufragenden Hänge des Rauriser Hochtals im Salzburger Pinzgau sind reich an Gewässern, diese zur Stromerzeugung zu nutzen ist allerdings kein ganz einfaches Unterfangen. Das Kraftwerk Gaißbach, gebaut Mitte der 1980er Jahre, war erzeugungsseitig über viele Jahre hinter seinen Möglichkeiten geblieben. Nun wurde die Anlage modernisiert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht, sodass sie heute ihr volles Potenzial nutzt und im Regeljahr rund 5,5 GWh grünen Strom produziert. Parallel zur Ertüchtigung des Kraftwerks gelang es dem neuen Betreiber – dem erfahrenen Planungsingenieur und Kraftwerksbetreiber Thomas Grimmer – auch zwei Kleinkraftwerke an den Flanken des Gaißbachtals zu realisieren, die erstmals eine komplette Elektrifizierung der Alm ermöglichen. Die bislang eingesetzten Dieselaggregate gehören damit nun der Vergangenheit an.

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Lage der Gaißbachfassung aus der Drohnenperspektive. Die Steuerungseinheit und die Rechenreinigungsmaschine sind nun eingehaust.
© Eschbacher

 

Die Salzburger Nationalparkgemeinde Rauris hieß nicht immer so. Vor Jahrhunderten kannte man sie unter dem Namen Gaisbach, benannt nach jenem Gewässer, auf dessen Schwemmkegel das Berg­dorf errichtet worden war. Die ersten urkundlichen Erwähnungen gehen auf das frühe 12. Jahrhundert zurück. So bedeutsam der Gebirgsbach für die kleine Gemeinde in historischer Hinsicht gewesen sein mag, so bedeutsam ist er heute noch für die Stromerzeugung. Seit knapp 50 Jahren liefert das Kraftwerk Gaißbach am Eingang zum Gaißbachtal grünen Strom. Errichtet wurde die Anlage in den frühen 1980er Jahren von der Familie Langreiter, vom Altbauer des Heustadlhofs Jakob und seinem Sohn Erich. Die umtriebigen Landwirte des Heustadlhofs, der heute bekannt ist für seinen urigen Almgasthof, die beliebten Chalets und den von Bäuerin Margot betriebenen Hofladen, hatten bereits in den 1960ern mit der Elektrifizierung der Kaaralm begonnen, wie Kraftwerksplaner Thomas Grimmer zu erzählen weiß: „Damals hatten die beiden zur Versorgung der Karalm ein kleines Wasserkraftwerk mit 15 kW Leistung errichtet. Einige Jahre später folgte das Kraftwerk am Heustadl mit 20 kW Leistung. Dann hat man die beiden Anlagen zusammengeschlossen, sodass je nach Bedarf der Strom auf der Alm oder weiter unten beim Heustadl genutzt werden konnte.“ Damit hatten die Erbauer bereits die so wichtigen Strom- und Datenkabelverbindungen hergestellt. Ein Umstand, der dem neuen Nachbesitzer sehr zupass kommen sollte.

 

Landwirte realisieren die große Lösung
In den frühen 1980er Jahren trugen sich die Bauern vom Heustadlhof mit Ausbauplänen. Es war angedacht, das Krafthaus des Almkraftwerks nach weiter unten zu verlegen, um damit eine Leistung von 60 bis 80 kW zu erreichen. Doch die Energiepolitik der 1980er Jahre sollte diese Pläne durchkreuzen. „Damals lautete die energiepolitische Vorgabe im Land: Entweder man nutzt die gesamten Wasserkräfte des Gaißbachtals in einer großen Ausbaulösung – oder eben gar nicht. Mit kleinen bis mittleren Anlagen hatte man keine besondere Freude. Und vor diesem Hintergrund entschieden sich die Bauern, Jakob und sein Sohn Erich, das Kraftwerk Gaißbach zu bauen“, skizziert Thomas Grimmer die Vorgeschichte des Kraftwerks. Gemeinsam mit dem in Westösterreich damals sehr bekannten Tiroler Wasserkraftspezialisten Felder erarbeiteten die beiden Rauriser Bauern ein hydraulisches Konzept, bestehend aus drei Wasserfassungen, die ihr Triebwasser in einer GFK-Druckrohrleitung zum Maschinenhaus auf 1.050 m Seehöhe führen. „Obwohl die beiden damals sehr viel in Eigenregie geschafft haben, legten sie auch größten Wert auf eine Top-Ausrüstung ihres Kraftwerks. Davon zeugt das heute immer noch bestens erhaltene maschinelle Equipment: die Turbine mit Gleitlager von Voith, der Stahlwasserbau von Braun, oder der Generator, Trafo und E-Technik von ELIN“, so der erfahrene Wasserkraftspezialist, der selbst zahlreiche Kleinkraftwerke betreibt.

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Manchmal braucht es auch manuellen Einsatz: Planer & Betreiber Thomas Grimmer räumt den Grobrechen der Karbachfassung frei.
© zek

Fehlende automatisierung als Manko
Seit März 2019 zählen zu diesem Kraftwerkspark auch die drei Anlagen im Gaißbachtal, die Thomas Grimmer vom Heustadlbauer erwerben konnte. Während die Landwirte nicht unglücklich darüber waren, die ständigen technischen Herausforderungen der doch recht komplexen Anlage weitergeben zu können, freute sich der gebürtige Bayer auf die Herausforderung, das System zu optimieren und an den aktuellen Stand der Technik anzupassen. „Die Heustadlbauern haben im Grunde eine sehr schöne und durchdachte Anlage gebaut. Was sie allerdings verabsäumt haben, war, die Einläufe mit den Entsandern zu automatisieren. Das brachte immer wieder betriebliche Probleme und ungeplante Stillstandszeiten mit sich, sodass auch der Gesamtstromertrag darunter gelitten hat“, so der leidenschaftliche Wasserkraftspezialist. Damit war ihm natürlich auch klar, wo er den Hebel ansetzen musste. Noch im März 2019 begann Thomas Grimmer mit dem Umbau. Am hydraulischen Konzept wurde allerdings festgehalten: Die beiden Seitenfassungen Beerebenbach und Karbach sind etwas höher gelegen als die Hauptfassung am Gaißbach, wobei die Fassung Karbach als untere der beiden für die Staupegelhaltung zuständig ist. Über eine Rohrleitung DN200 gelangt das Wasser aus dem Beerebenbach in die Leitung DN400 des Karbachs, um danach im obersten Teil der Gaißbach-Druckrohrleitung einzumünden. Am Ende der Druckrohrleitung ist im Krafthaus eine 2-düsige Peltonturbine vom Fabrikat Voith Hydro installiert, die ursprünglich auf eine Fallhöhe von 279 m und bei einer Ausbauwassermenge von 450 l/s auf 1,1 MW Leistung ausgelegt war. Sie treibt einen Synchrongenerator von ELIN Hydro an. Der erzeugte Strom wird über einen Trafo ins 30 kV-Netz der Salzburg Netz AG eingespeist. Die Anlage wird im Netzparallelbetrieb gefahren, während die kleineren Almkraftwerke für die Inselversorgung der Höfe und Almhütten auf der Karbachalm sorgen.

Alte Technik reaktiviert
Optimierungsbedarf ortete der neue Betreiber unter anderem beim bestehenden Almkraftwerk, dessen Krafthaus etwas tiefer situiert ist als die Karbachfassung. „Das turbinierte Wasser aus dem Almkraftwerk konnte somit über Jahrzehnte nicht vollumfänglich genutzt werden. Daher habe ich beschlossen, dieses Wasser mithilfe einer drehzahlgeregelten Pumpe wieder hochzupumpen und in die Karbachfassung einzuleiten. Der Nettoverlust von 5 kW durch den Pumpenbetrieb ist zu verschmerzen, da ich das Wasser ja doppelt abarbeiten kann“, erklärt Grimmer. Das Equipment des alten Almkraftwerks stammt noch aus den 1960er Jahren und wurde vom neuen Betreiber komplett erhalten. Nachdem die Turbine bei Voith Hydro rundumsaniert und der Generator von der Firma Heurix neu gewickelt worden war, konnte das beschauliche Kraftwerk wieder den Betrieb aufnehmen. Seitdem läuft die kleine Maschine mit ungefähr 13 kW Leistung wie ein Uhrwerk.
Doch die Bedeutung des kleinen Almkraftwerks geht deutlich über seine Stromproduktion hinaus. „Ich habe die kleine Anlage nicht zuletzt auch deshalb wieder saniert und revitalisiert, weil sich der Standort als idealer Datenknotenpunkt hier auf der Alm anbietet. Hier werden alle gewonnenen Daten aus den drei Fassungen zusammengeführt. Der Knotenpunkt ermöglicht erst die Inselversorgung der Abnehmer hier oben im Gaißbachtal“, erklärt der neue Betreiber.

 

Trinkwasser trägt zur Stromversorgung bei
Allerdings sollte es nicht beim Refurbishment der beiden Bestandsanlagen bleiben. Ergänzend zu den zwei bestehenden Erzeugungsanlagen KW Gaißbach und KW Karbach ging der erfahrene Ingenieur daran, noch eine weitere kleine Anlage zu errichten – diesmal ganz neu. „Der Vorschlag kam eigentlich vom Heustadlbauer Erich Langreiter, der auf eine bislang energetisch ungenutzte Trinkwasserquelle auf seinem Grund hingewiesen hat. Rund 200 Höhenmeter unterhalb der Quelle, die bereits gefasst war, könnte anstelle eines Druckvernichters eine Trinkwasserturbine installiert werden. Eine gute Idee, die ich gerne aufgegriffen habe, auch wenn das Ganze baulich nicht ganz einfach zu realisieren war“, sagt Thomas Grimmer. Die eigentliche bauliche Herausforderung lag vor allem in der enormen Steilheit des Hanges, in dem die neue 600 m lange Druckrohrleitung verlegt werden sollte. Neigungen von bis zu 100 Prozent stellten die erfahrensten Baggerfahrer auf eine harte Probe. Letztlich gelang die unterirdische Verlegung der PE-Rohre, die im unteren Bereich aufgrund des höheren statischen Drucks verschweißt worden sind. Direkt oberhalb des Hochbehälters – das ausgewiesen hochwertige Trinkwasser wird von den Landwirten selbst verwendet – wurde nun eine durchgängig in Edelstahl ausgeführte Trinkwasserturbine des Südtiroler Branchenexperten Sora installiert, die auf 15 l/s ausgelegt ist. Bei einer Bruttofallhöhe von rund 203 m kommt die Turbine im Schnitt auf eine Nennleistung von 23 kW.

Komplexes Konzept für die Leittechnik
Im Hinblick auf die Wiederverleihung des Wasserrechts stand in Summe eine ganze Reihe an Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen auf dem Programm: So wurde etwa an der kleinen Beerebenfassung die bislang fehlende Rohrbruchklappe eingebaut, es wurden an sämtlichen Fassungen Restwasser- und Durchflussmessungen ebenso installiert wie Schottersonden in den Entsanderanlagen. Zudem wurden die Gewerke an den bestehenden Fassungen inklusive der neuen Steuerungsanlagen gemäß Stand der Technik eingehaust. Für die Kommunikation der einzelnen Anlagenteile brauchte es auch eine Stromversorgung sowie eine Datenkabelanbindung, wo noch keine war. Thomas Grimmer: „Im Hinblick auf die Wiederverleihung haben wir sämtliche Auflagen erfüllt. Ganz entscheidend für uns war, dass wir nun an allen Anlagenkomponenten über Strom- und Datenanbindung verfügen. Dafür haben wir bis zu den entlegensten Fassungen Kabel verlegt. In dem Bereich, wo schon Kupferleitungen verlegt waren, haben wir mit Kupfer weitergearbeitet. Die neuen Leitungen wurden mittels LWL erstellt.“ Wo keine Kabelverbindung möglich war, wurde überdies eine Funkverbindung zwischen dem Knotenpunkt am Almkraftwerk und der Gaißbachfassung hergestellt. Das gesamte neue Steuerungs- und Leitsystem wurde gemeinsam mit Spezialisten der Salzburg AG in einem Gesamtkonzept entwickelt, das sowohl Stromnetz, als auch Datennetz und nicht zuletzt auch die neue Internetverbindung für die Karbachalm umfasst.

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Wie die anderen zwei Fassungen wurde auch die Gaißbachfassung vor allem in automationstechnischer Hinsicht modernisiert.
© Eschbacher

Automatismen verbessern Kraftwerksbetrieb
Die nun erfolgte Automatisierung und Vernetzung der Wasserfassungen mit den Erzeugungsanlagen stellt für die Nutzung der Wasserkraft auf der Karbachalm einen weiteren Meilenstein dar. Über die neuen Kamerasysteme erkennt der Betreiber in Echtzeit, ob etwaiges Geschiebe, das durchaus in größeren Mengen von den Bächen kommen kann, den Einlaufrechen verlegt und ob ein Eingreifen erforderlich ist. Dank der neuen Schottermesssonden in den Entsanderbauwerken wird heute nur mehr gespült, wenn es unbedingt erforderlich ist. „Durch die vorgenommenen Automatisierungsmaßnahmen hat die Anlage heute so gut wie keine Stillstandszeiten mehr. Und das merkt man natürlich an der Jahreserzeugung. Wenn wir heute ein ganz schlechtes Erzeugungsjahr haben, produzieren wir immer noch mehr Strom als früher in einem absoluten Rekordjahr“, freut sich der erfahrene Wasserkraftspezialist. Zur höheren Effizienz tragen natürlich auch die Retrofitprogramme am elektromaschinellen Equipment bei. So wurde etwa das Laufrad im KW Gaißbach im Zuge der Maschinensanierung von der Fa. Sora 2019 mit einem neuen, wirkungsgradoptimierten Design versehen, was sich gerade im Teillastbereich sehr positiv auswirkt. Der Maschinensatz aus den 1980ern präsentiert sich mittlerweile besser als zu seinen besten Zeiten.

Win-Win-Situation für alle
Während also das frisch revitalisierte KW Gaißbach heute als Volleinspeiser im Parallelnetzbetrieb im Regeljahr rund 5,5 GWh sauberen Strom ans Netz liefert, dienen die beiden Kleinkraftwerke Trinkwasser und Almkraftwerk vorrangig der Versorgung der Höfe und Almhütten auf der Karbachalm. „Alles was wir hier heroben auf der Alm an Strom brauchen, können wir in der Regel mit den beiden Kraftwerken selbst erzeugen. Wir speisen niederspannungsseitig auf der Alm über eine 400 kV-Schiene ein. Bleibt noch etwas Überschuss, wird dieser über das KW Gaißbach dann auch ins Netz geführt. Früher wäre die Eigenversorgung aufgrund der geringen Leistung und der unsicheren Betriebsstabilität nicht möglich gewesen“, sagt Thomas Grimmer. Damit einhergehend hat sich auch eine ökologische Verbesserung eingestellt, da die bislang verwendeten Dieselaggregate ihren Dienst einstellen konnten.
Wasserkraftprofi Thomas Grimmer kann mittlerweile ein sehr positives Fazit über das am Ende recht aufwändige Kraftwerksprojekt im Rauriser Gaißbachtal ziehen. Der Erfolg basiert wie so oft auf einer gelungenen Kooperation. „Ohne die Bauern vom Heustadlhof und im Gaißbachtal, die mich bei jedem Schritt unterstützt und mitgeholfen haben, wäre es nicht gegangen“, räumt der Ingenieur ein. Die Win-Win-Situation, von der letztlich alle Beteiligten profitieren, sei schließlich das Ergebnis offener Kommunikation und eines ehrlichen, harmonischen Miteinanders gewesen.

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