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Projekt am Nassfeld auf der Zielgeraden11 min read

29. August 2013, Lesedauer: 7 min

Projekt am Nassfeld auf der Zielgeraden11 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Auch wenn ein unstabiler Hang für eine Verzögerung im Terminplan sorgte, so befindet sich das Kraftwerksprojekt Tröpolach am Kärntner Nassfeld nun trotzdem in seiner finalen Phase.

Während an der Wasserfassung noch mit Hochdruck an der Montage der stahlwasserbaulichen Ausrüstung gearbeitet wird, sind im Maschinenhaus bereits die letzten Montagearbeiten im Gange. Bis zum Herbst will die Kelag, die das Projekt gemeinsam mit einem privaten Partner betreibt, die Anlage ans Netz bringen. Einmal in Betrieb wird das Kraftwerk mit den zwei Maschinensätzen im Regeljahr rund 16,5 GWh sauberen Strom aus Wasserkraft erzeugen.

Die Anzahl und die Frequenz von Beton- Sohlschwellbauwerken in einem alpinen Wildbach lassen durchaus Rückschlüsse auf dessen Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit zu. Der Oselitzenbach in den Karnischen Alpen hat jede Menge davon. Es sind meterdicke, künstliche Kaskadenstufen in zigfacher Ausführung, die den Wildbach im Hochwasserfall in seiner immensen Zerstörungskraft einbremsen sollen. Für Kraftwerksbauer kein ungünstiger Umstand. Derart stark anthropogen geprägte Gewässer bringen den Vorteil mit sich, dass ein Stauwerk und eine Wasserentnahme in einem solchen Gewässer keine ökologische Verschlechterung mit sich bringen. Einer von mehreren Gründen, warum der Kärntner Energieversorger, Kelag, schon seit Anfang der 1980er Jahre Projektideen und Vorschläge für ein Kleinwasserkraftwerk am Oselitzenbach wälzte, die jedoch allesamt in der Folge in die Schublade wanderten. In den Jahren 2010/2011 ging man schließlich daran, Nägel mit Köpfen zu machen.

GANGLINIE MIT EXTREMEM GRADIENTEN
„Grundsätzlich weist dieser Bach jene beiden Eigenschaften auf, die ihn für eine hydroelektrische Nutzung interessant machen: eine gute Fallhöhe und viel Wasser“, erläutert DI Stefan Leitner von der Kelag die Grundvoraussetzungen des Projektes und verweist dabei gleich auf die Besonderheit, der in diesem Projekt Rechnung getragen wurde: „Die Wasserganglinie zeigt einen ganz extremen Gradienten, der sich zwischen ‚sehr viel Wasser’ und ‚fast gar nichts’ in Niederwasserphasen bewegt.“ Behördliche Vorgabe und Ziel war es, eine möglichst hohe Effizienz des geplanten Kraftwerksprojektes anzuvisieren – und für eine möglichst hohe Stromausbeute brauchte es nun einmal auch eine möglichst hohe Ausbauwassermenge. 4 m3/s lautete die Letztvariante, der die Behörden zustimmten. Stefan Leitner: „Wir haben im Vorfeld verschiedenste Ausbauvarianten zwischen 2 und 5 m3/s analysiert. Letztendlich hat sich eine Ausbauwassermenge von 4 m3/s mit einer Zweimaschinenlösung als wirtschaftlichste Variante herauskristallisiert. Durch die hohe Ausbauwassermenge und den starken Gradienten der Jahresganglinie haben wir den seltenen Fall, dass hier ein Kraftwerk realisiert wurde, das auf lediglich 7 Volllasttage ausgebaut ist. Der herkömmliche Rahmen bewegt sich im Vergleich zwischen 50 und 60 Volllasttagen.“ Mit einem Privaten wurde in weiterer Folge eine Beteiligungsgesellschaft gegründet. Alleinverantwortlich für alle technischen Belange wie Planung, Projektierung, Projektleitung, Bauaufsicht und in weiterer Folge Betrieb und Instandhaltung ist die Kelag.

ZWEI-MASCHINENLÖSUNG ALS KOMPROMISS
Konzipiert wurde das Kraftwerk Tröpolach als Hochdruckkraftwerk mit einer Wasserfassung auf knapp 956 m Seehöhe, direkt an einer Talsperre der Lawinen- und Wildbachverbauung situiert. Die Fassung wird als Querbauwerk mit seitlicher Entnahme ausgeführt, an die ein großzügiger Doppelkammer-Sandfang anschließt. Der Triebwasserweg führt durch eine 1.620 Meter lange Druckrohrleitung, davon 250 Meter durch einen neu errichteten Rohrstollen, bis zum Krafthaus auf circa 695 m Seehöhe. Welche Maschinenlösung im neuen Maschinenhaus zum Einsatz kommt sollte, war ebenfalls eine der spannenden Fragestellungen. Der entscheidende Parameter dabei – wie sollte es anders sein – die Wasserführung im Oselitzenbach. „Grundsätzlich hätte wohl eine einzige 6-düsige Pelton-Turbine ausgereicht. Allerdings bringt die extreme Wasserganglinie die 6-düsige Maschine doch stark in den Teillastbereich. Man muss sich vor Augen halten, dass unseren Berechnungen zufolge ein Produktionsäquivalent zwischen neun Tagen mit optimaler Wasserführung und 128 Tagen mit Niederwasserführung gegeben ist. Bei extrem geringem Wasserdargebot ist es zwar durchaus möglich, die Pelton-Turbine noch in Betrieb zu halten, jedoch geht dabei schließlich der Generator-Wirkungsgrad in die Knie. Er wird dabei zum limitierenden Faktor. Wir haben uns daher für eine Zwei-Maschinen-Lösung entschieden: eine große, 6-düsige Pelton-Turbine und eine deutlich kleinere 4-düsige Pelton-Turbine. Letztere wird quasi als klassische ‚Winterturbine’ eingesetzt, bringt also auch in den niederschlagsarmen Betriebsmonaten noch sehr gute Wirkungsgrade mit“, erklärt der Fachmann der Kelag.

MASCHINENSÄTZE WIE „PAT UND PATACHON“
Er räumt dabei allerdings auch ein, dass der kleine Maschinensatz somit einen eher geringfügigen Beitrag für die Gesamterzeugung leistet. Dessen vornehmliche Bedeutung liegt aber auch darin, dass durch seinen Einsatz ein ganzjähriger Betrieb des Kraftwerks sichergestellt ist. Ein gravierendes Problem, wie etwa das Einfrieren im Winter, ist damit gebannt. Eine zusätzliche Heizung ist nicht erforderlich. Diese Funktion erfüllt der kleine Maschinensatz in der kalten Niederwasserperiode nebenbei. Die Größenunterschiede zwischen den beiden Maschinensätzen sind somit eklatant: Während die große Hauptturbine auf 7,66 MW Leistung ausgelegt ist, beläuft sich die Ausbauleistung der „Winterturbine“ auf nur rund 1,28 MW. Den Berechnung der Experten der Kelag zufolge wird der große Maschinensatz im Regeljahr 214 Tage in Betrieb sein und dabei rund 14 GWh der insgesamt 16,5 GWh erzeugen, der Rest wird von der kleinen Maschine an durchschnittlich 163 Betriebstagen beigesteuert. Beide Turbinen werden vom renommierten Wasserkraftspezialisten Kössler aus dem niederösterreichischen St. Georgen am Steinfelde geliefert, montiert und in Betrieb gesetzt. Der niederösterreichische Traditionshersteller setzte sich in einem – wie es hieß – sehr harten Ausschreibungsverfahren gegen vier andere Mitbewerber durch.

GENERATORMONTAGE IM GANGE
Die große, 6-düsige Pelton-Maschine zeichnet sich nicht nur durch ein sehr ausgereiftes hydraulisches Design aus, das Top-Wirkungsgrade knapp unterhalb von 92 Prozent garantiert, sondern auch durch das Konzept der innengesteuerten Düsen – was ebenfalls dem Wirkungsgrad zugute kommt. Rein äußerlich ist dies aber heute nicht mehr zu erkennen, da die gesamte Ringrohrleitung im Maschinenhaus einbetoniert wurde. Der Korrosion wird damit ein Riegel vorgeschoben. Im Gegensatz dazu verschwand die kleine Maschine, aufgrund ihrer Größe noch mit außenliegender Düsensteuerung, nicht unter Beton, sondern blieb frei stehend. Was beide Turbinen gemeinsam haben, ist die hohe Qualität ihrer Laufräder, die beide aus ganzen Schmiedescheiben herausgefräst wurden – und somit höchste hydraulische Maßhaltigkeit zeigen. An die kleine Maschine ist bereits seit einigen Wochen der Synchrongenerator aus dem Hause Hitzinger angeflanscht und harrt somit seiner Inbetriebnahme, während Mitte Juli der große Synchrongenerator mit 8,37 MVA Leistung aufgesetzt wurde. Die Maschinenmontage war noch bis in den August hinein im Gange.

INSTABILER HANG SORGT FÜR VERZÖGERUNG
Zur gleichen Zeit wird auch noch an der Wasserfassung auf Hoch – touren gearbeitet. Hier findet sich der Grund, warum das Bauvorhaben nicht mehr im vorgegeben Terminplan ist. Der Steilhang oberhalb der Fassungsbaustelle war nach ungewöhnlich heftigen Regen – fällen im Herbst des vergangenen Jahres in Bewegung geraten und machte umfangreiche Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Es wurden Litzenanker mit Längen zwischen 22 und 36 Meter gesetzt. Die Maßnahmen waren erfolgreich – und die Arbeiten an der Wasserfassung konnten wieder vorangetrieben werden. Beim Konzept des Fassungsbauwerks wurde vor allem der Tatsache Rechnung getragen, dass vom Oselitzenbach erhebliche Sedimentfrachten zu erwarten sind. „Aus diesem Grund haben wir insgesamt drei Spülmöglichkeiten integriert: Bereits vor dem Einzug über den Grobrechen haben wir die erste Spülmöglichkeit konzipiert, um gleich das gröbste Geschwemmsel weiter ins Bachbett zu leiten. Es folgt eine Rinne mit einer weiteren Spülmöglichkeit – und natürlich befindet sich am Ende der beiden Entsander-Kammern jeweils ein Spülschütz. Ziel ist es, die Korngröße auf ein Maß von 0,2 bis 0,3 mm zu bringen, um die Abrasion an den Peltonbechern hintan zu halten“, sagt Ing. Michael Kandutsch, ebenfalls im Maschinenbau-Team der Kelag.

STEUERUNGSTECHNIK IN ARBEIT
Für den Regelbetrieb sind unterschiedliche Möglichkeiten im Hinblick auf die Spülvorgänge vorgesehen: Entweder wird der Vorgang permanent durchgeführt oder in Abhängigkeit vom Wasserdargebot. Im normalen Turbinenbetrieb werden die beiden Spülschütze in eine Teilstellung gebracht, damit wird der Pegel im Einlaufbauwerk konstant gehalten. Die gesamte elektro- und steuerungstechnische Ausrüstung, die dafür erforderlich ist, wird von der Firma Alpine Energie aus Graz ausgeführt, die gerade in dieser Hinsicht über sehr große Erfahrung verfügt. Seit Mitte Juni werden die aufwändigen Verkabelung durchgeführt, die Schaltanlagen sowie die Trafos sind bereits vor Ort im Maschinenhaus in Tröpolach. Was die steuerungstechnische Abstimmung der beiden Turbinen angeht, so wird dies in wenigen Wochen beginnen, sobald ein erster Probebetrieb möglich wird. „Das Zusammenspiel der beiden Turbinen sollte regeltechnisch relativ einfach lösbar sein“, so Michael Kandutsch. „Die optimalen Umschaltpunkte der Turbine sind auf Basis der jeweiligen Turbinenmuschelkurven ohnehin vom Turbinenhersteller vorgegeben.“

STOLLEN FÜHRT BERGAUF
Das neue Kraftwerk Tröpolach präsentiert sich nicht nur ob seiner Gesamtauslegung und der Zwei-Maschinen-Lösung als außergewöhnlich. Auch der Triebwasserweg weist gewisse Besonderheiten auf, die man so vielleicht nicht erwartet. Vorweg zu nennen ist ein Rohrstollen mit 250 Meter Länge, der – nicht dem Gefälle der Rohrleitung folgend – von oben nach unten führt, sondern mit einer Steigung von etwa 8 Prozent angelegt wurde. Hoch- und Tiefpunkt nahm man billigend in Kauf, die wirtschaftlichen Vorteile überwogen. „Im Zuge der wirtschaftlichen Optimierung haben wir uns genau die Vor- und Nachteile, Kosten und Nutzen einer derartigen Lösung durchgerechnet. Und die kürzere Stollenvariante zahlte sich letztlich aus. Natürlich kamen durch den Hochpunkt und den Tiefpunkt neue Herausforderungen auf uns zu. Man benötigt entsprechende Be- und Entlüftungsventile. Am Hochpunkt braucht man eine eigene Apparatekammer, in der die Ventile frostsicher verlegt sind, am Tiefpunkt sind natürlich Spülleitung und Entleerungsmöglichkeit vorzusehen“, sagt Stefan Leitner.

GF-UP MIT EINIGEN VORTEILEN
Was die Druckrohrleitung an sich angeht, so schenkten die Verantwortlichen über den größten Teil der Leitungstrasse GF-UP-Rohren das Vertrauen. Konkret handelt es sich dabei um die Rohre der Marke Flowtite aus dem Hause Amitech. „Deren Vorteil liegt vor allem darin, dass sie aufgrund ihres Gewichtes sehr einfach verlegbar sind. Außerdem ist bei diesem Werkstoff Korrosion kein Thema. Wir setzen GF-UP-Rohre bis zu Druckstufen von 20 bar ein. Darüber hinaus kommen dann nur mehr Guss oder Stahl in Frage“, sagt Michael Kandutsch. Im Fall des neuen Kraftwerks Tröpolach kamen die von der Firma Etertec gelieferten GF-UP-Rohre DN1100 – DN1400 über etwas mehr als drei Viertel der Gesamtlänge, rund 1.600 Meter, zum Einsatz. Für die ideale Anpassung an das Gelände fanden auch rund 20 Rohrbögen Verwendung. Im untersten Abschnitt der Druckrohrleitung, wo die höchsten Drücke auftreten, wurden Rohre aus duktilem Guss der Marke Duktus DN1000 verlegt. Die Verlegung der Gussrohre entlang eines Steilhangs mit rund 80 Prozent Gefälle gehörte zu den größten baulichen Herausforderungen des Projektes. „Für den Materialtransport wurde eine Materialseilbahn eingerichtet. Außerdem mussten zur Stabilisierung von Hang und Druckrohrleitung nach jeweils drei Rohrschüssen, also etwa nach je 18 Metern, Betonabschottungen eingebaut werden“, so Kandutsch.

BYPASS FÜR DEN UNTERLIEGER
Als weitere kleine Besonderheit des neuen Kraftwerks Tröpolach wäre da noch die Bypass-Lösung im Unterwasserbereich zu nennen. Diese wurde in Abstimmung mit dem Betreiber des Unterlieger-Kraftwerks, eines ehemaligen Sägewerks, verwirklicht. Hintergrund ist, dass die Unterlieger-Anlage ihr Triebwasser direkt aus dem Unterwasserkanal des neuen KW Tröpolach entnimmt. Dies hat natürlich den großen Vorteil für den Unterlieger, dass ausschließlich vorgereinigtes Wasser an die Turbine gelangt. Doch es birgt den Nachteil, dass im Falles einer Netzabschaltung die Triebwasserzufuhr abreißt. Aus diesem Grund wurde eine Art Bypass installiert. Kandutsch: „In der Verteilrohrleitung ist bereits ein Abzweiger für diesen Nebenauslass vorgesehen, über den im Bedarfsfall 420 l/s abgegeben werden können. Die Öffnung und die gleichzeitige Energievernichtung erfolgt über ein belüftetes Ringkolbenventil.“

AB HERBST IN DEN PROBEBETRIEB
Noch laufen diverse Fertigstellungsarbeiten an der Kraftwerksbaustelle am Nassfeld. Doch spätestens im Oktober sollen die Maschinen erstmals durch Wasser aus dem Oselitzenbach in Rotation versetzt werden. Im Regeljahr werden die beiden Maschinensätze in Zukunft dann rund 16,5 Millionen kWh sauberen Strom erzeugen. Im Vergleich zu den 11 großen Speicherkraftwerken und dem einen großen Laufkraftwerk der Kelag nimmt sich die Produktion nicht allzu spektakulär aus. Aber damit können immerhin rund 4.700 Haushalte versorgt werden. Der Anteil an der Gesamtproduktion der insgesamt 65 Kelag-Kraftwerke, die dem Energieversorger mittlerweile das Gütesiegel „100 Prozent Strom aus Wasserkraft“ gesichert haben, wird mit circa 1,5 Prozent beziffert.

ÄHNLICHE BELASTUNGSKLASSEN WIE IN GROSSKRAFTWERKEN
Nach den Kraftwerken Twimberg, Tieferbach und Gailitz ist Tröpolach die vierte Kleinwasserkraftanlage, die der Kärntner Energieversorger in den letzten Jahren in Österreich errichtet hat. Von den in letzter Zeit durch die Kelag umgesetzten Kleinwasserkraft- werken stellt es nicht nur das am aufwändigsten zu realisierende Kraft-werk, sondern auch das leistungsstärkste Kleinkraftwerk dar. Dabei scheint der Ausdruck „Klein“ im gegebenen Fall durchaus als unnötiger Euphemismus. Denn die Unterschiede zu den Großen seien – wie Stefan Leitner betont – nicht mehr allzu groß: „Wir haben ähnliche Belastungs- und Beanspruchungsklassen, wir haben gleiche Werkstoffe und gleiche Sicherheitseinrichtungen. Die Unterschiede beginnen bei den Tonnagen der Bauteile, den Leistungsklassen und natürlich den Kosten.“ Die Bedeutung für die Stromversorgung ist in jedem Fall hoch einzuschätzen. In Zeiten, da Großkraftwerke aktuell fast nur mehr auf den Reißbrettern realisiert werden, können Anlagen wie das neue Kraftwerk Tröpolach einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Versorgungssicherheit mit Strom aus heimischen, erneuerbaren Ressourcen auch in Zukunft gewährleistet ist.

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