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Revitalisierung des Kraftwerk Gsteig5 min read

5. Feber 2016, Lesedauer: 4 min

Revitalisierung des Kraftwerk Gsteig5 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Das 1946 erstmals in Betrieb genommene Wasserkraftwerk Gsteig im Kanton Bern präsentiert sich nach den kürzlich abgeschlossenen Umbauarbeiten fast wie ein Neubau.

 

Völlig neu sind so gut wie alle Anlagenkomponenten, von der Wasserfassung bis hin zur maschinellen Ausrüstung. Während im Krafthaus seit dem Frühjahr eine Ossberger-Durchströmturbine und eine Francis-Turbine im Doppelpack saubere Energie erzeugen, sorgt an der Wasserfassung der komplett erneuerte Stahlwasserbau für optimalen Zufluss.

Bereits im Jahr 1998 erhielt das Kraftwerk Gsteig der gleichnamigen schweizerischen Gemeinde die Konzession für weitere 40 Jahre. Doch schon in den Jahren davor wurden an der von der Elektrizitätsgenossenschaft (EG) Gsteig betriebenen Anlage sukzessive Sanierungen am Maschinensatz, der Wasserfassung und dem Ausbau des örtlichen Stromnetzes vorgenommen. „Die letzte umfangreiche Baumaßnahme vor der aktuellen Groß-Sanierung erfolgte dabei 2004 mit dem Austausch der Druckrohrleitung. Dabei wurden auf einer Gesamtlänge von rund 500 m die alte Zementleitung entfernt und glasfaserverstärkte Kunststoffrohre DN 1000 verlegt“, sagt Roland Baumgartner, technischer Leiter der Gsteiger EG. Weitere Bedingungen zur Konzessionsverlängerung stellten die verpflichtende Restwasserabgabe von 135 l/s sowie die Herstellung einer Fischtreppe dar. Diese Auflage löste man auf ökologisch besonders wertvolle Weise. Und zwar errichtete man 2007 einen Fischpass an der Wasserfassung, wodurch erstmals seit Bestehen der Anlage die Gewässerlebewesen des Reuschbach das Querbauwerk umgehen können. 2012 reichte man das erste Ansuchen für das umfangreiche Revitalisierungsprogramm der bestehenden Anlage bei den zuständigen Behörden und Umweltverbänden ein. Die Planung für die Umbauarbeiten übernahm die auf Wasserkraftwerke spezialisierte Hydro-Solar Engineering AG, mit der die EG Gsteig bereits bei der Erneuerung der Druckleitung sowie der Realisieung eines örtlichen Trinkwasserkraftwerks gute Erfahrungen gemacht hat. Die Genehmigungsphase erstreckte sich dabei über mehr als zwei Jahre, bis man schließlich im Herbst des Vorjahres mit den konkreten Umbauarbeiten am Wehrbauwerk  beginnen  konnte.

Wehranlage am Stand der Technik
Die Wehranlage des Kraftwerks Gsteig ist im etwas abgelegenen Ortsteil „Heiti“ gelegen. Weil die neuen Turbinen mit 2.000 l/s ein um 675 l/s erhöhtes Schluckvermögen gegenüber dem Altbestand aufweisen, wurde die gesamte Wasserfassung sowie der dazugehörige Entsander völlig neu errichtet. Die entsprechenden Stahlwasserbauteile wurden dabei passgenau von der Südtiroler Wild Metal GmbH aus korrosionsbeständigem Material hergestellt und fachgerecht montiert. Der Lieferumfang bestand unter anderem aus einer horizontal fahrbaren Rechenreinigungsmaschine (RRM) mit Elektroantrieb, welche den dazugehörigen Feinrechen zuverlässig von anfallendem Geschwemmsel befreit. Weiters stellten die Stahlwasserbauer die hydraulisch betriebene Wehrklappe, den Grundablassschieber sowie den Einlaufschütz zur Verfügung. Sämtliche Bauteile sind dabei in die intelligente Kraftwerkssteuerung integriert und verrichten völlig automatisiert ihre Aufgaben. Die RRM ist dabei vor und hinter dem Schutzrechen mit Pegelsensoren ausgestattet und startet den Reinigungsvorgang abhängig vom jeweiligen Wasserstand beziehungsweise durch eine programmierte Zeitautomatik. Dabei fährt die Putzharke entlang des horizontalen Feinrechens und befördert das Geschwemmsel in den Grundablass. „Weil das Treibgut im Gewässerlauf des Reuschbach belassen wird, erspart man sich zudem die zeit- und kostenaufwändige Entsorgung des Materials“, merkt Roland Baumgartner an, der sich mit der Umsetzung des Stahlwasserbaus sehr zufrieden zeigt.

Doppeltes Maschinengespann
Mit der neuen Maschinenausrüstung des KW Gsteig, bei der die in die Jahre gekommenen Francis-Turbinen durch eine Ossberger-Durchströmturbine sowie eine Francis-Spiralturbine des Herstellers Kössler ersetzt wurden, erhöht sich die jährliche Stromproduktion um satte 40 %. Dabei sorgte Hydro-Solar Projektleiter Leif Karcheter schon in der Planungsphase für die Optimierung der Energieerzeugung im Zusammenspiel der beiden Turbinen. Der Vorteil des hydroenergetischen Doppelgespanns liegt auf der Hand, lässt sich dadurch doch ein viel breiteres Betriebsband abdecken. Dabei kann die Durchströmturbine ihre konstruktionsbedingten Vorzüge voll ausspielen, bleibt diese doch auch bei geringem Durchfluss zuverlässig am Netz. Bei einem Schluckvermögen von 825 l/s kommt sie auf eine Leistung von 287 kW. Das Laufrad der Ossberger-Turbine hat einen Durchmesser von 500 mm und versetzt damit einen horizontal gekoppelten Hitzinger-Synchrongenerator mit einer Drehzahl von exakt 500 U/min in Rotation. Die Francis-Spiralturbine hingegen ist auf einen Durchfluss von 1,2 m³/s ausgelegt, bringt eine Leistung von 438 kW und dreht mit 750 U/min. Der als Stromwandler zum Einsatz kommende Synchrongenerator stammt ebenfalls von Hitzinger, dieser sitzt allerdings in vertikaler Bauart auf der Turbine auf. Gemeinsam kommt die Maschinenkombination bei einer Bruttofallhöhe von 45 m auf eine Jahresarbeit von rund 2,55 GWh.

Leittechnik sorgt für optimalen Betrieb
Für die Ausstattung der Anlage mit der entsprechenden Steuerungstechnik beauftragte man die Kobel Elektrotechnik AG aus Affoltern. Diese rüstete Wasserfassung, Entsander und Krafthaus mit aktueller Leittechnik aus, die physische Verbindung und Kommunikation zwischen den drei Örtlichkeiten geschieht über Lichtwellenleiter. Zur eigentlichen Steuerung setzt man in der Kraftwerkszentrale auf eine übersichtliche Visualisierung, welche sich über ein 12-Zoll Touchpanel bedienen lässt. „Interessanter Punkt dabei: Die Bedienung der Wasserfassung ist ebenfalls in dieses Panel integriert. Am Fassungsbauwerk selbst wurde nur noch ein Client eingebaut, der im Prinzip das Bedienpanel der Kraftwerkszentrale widerspiegelt. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass die Regelung der Anlage von jeder Örtlichkeit aus erfolgen kann, mittels Internetzugang wahlweise auch über Smartphone, Tablet oder PC“, erläutert Kobel-Steuerungsexperte Patric Bertschy. Damit der Anlagenbediener nicht „blind“ agieren muss, geben drei installierte Webcams jederzeit Übersicht über die aktuellen Gegebenheiten an Wasserfassung und Zentrale. Etwaige Störungen werden zudem sofort auf elektronischem Wege erfasst und via SMS an die Betreiber des KW Gsteig gesendet.

Ökostrom versorgt Gemeinde
Zum ersten Mal angedreht wurde der neue Maschinensatz im April 2015. In den darauf folgenden Monaten konnten im Probebetrieb die ideale Konfiguration der Anlagenkomponenten für eine reibungslose Stromproduktion gefunden werden. Kein Wunder also, dass Roland Baumgartner den am Umbau beteiligten Unternehmen ein gutes Zeugnis ausstellt. In Summe investierte die EG Gsteig rund 4 Mio. Franken in die Anlagenrevitalisierung. Ausgezahlt hat sich diese Maßnahme auf alle Fälle, mit der gesteigerten Produktionskapazität kann rund die Hälfte des Strombedarfs der Gemeinde durch nachhaltig erzeugte Energie abgedeckt werden.

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