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Serbisches Wasserkraftwerk Rekovici setzt zur Ökostromerzeugung auf österreichisches Know-how6 min read

30. Mai 2022, Lesedauer: 4 min

Serbisches Wasserkraftwerk Rekovici setzt zur Ökostromerzeugung auf österreichisches Know-how6 min read

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Mit der Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks Rekovici im Juni 2021 hat die GUGLER Water Turbines GmbH aus Oberösterreich ihr erstes Projekt in Serbien erfolgreich abgeschlossen.

Für den Neubau des Laufwasserkraftwerks am Gewässer Lim in der Kleinstadt Priboj lieferten die international renommierten Wasserkraftspezialisten drei horizontalachsige Kaplan-Turbinen in Pit-Bauweise. Unter Volllast erreicht jede der auf 55 m³/s Durchflussmenge ausgelegten Maschinen eine Engpassleistung von 2,6 MW. Komplettiert wurde der GUGLER-Lieferumfang für das neueste und gleichzeitig leistungsstärkste Wasserkraftwerk der Betreibergesellschaft HIDRO-TAN durch drei luftgekühlte Synchron-Generatoren, die dazugehörigen Getriebe und die massiven, jeweils 10 m langen und mehr als 8 m hohen stählernen Pits der Maschinensätze.

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Mit Ausnahme von Australien und der Antarktis war die im oberösterreichischen Feldkirchen an der Donau ansässige GUGLER Water Turbines GmbH bis dato auf jedem Kontinent aktiv. Die hydroelektrischen Lösungen der international renommierten Wasserkraftexperten genießen weltweit einen hervorragenden Ruf. Im heurigen Sommer hat GUGLER beim Neubau des Laufwasserkraftwerks Rekovici das erste Projekt in der ex-jugoslawischen Republik Serbien erfolgreich abgeschlossen. In dem knapp 7 Millionen Einwohner zählenden Staat nimmt die Stromgewinnung aus Wasserkraft neben dem fossilen Energieträger Kohle traditionell eine wichtige Rolle. Davon zeugen eine ganze Reihe von Kraftwerken unterschiedlicher Bauart und Leistungsklassen im ganzen Land. So ist die 1972 fertiggestellte Anlage „Eisernes Tor 1“ an der serbisch-rumänischen Grenze mit einer Leistungskapazität von rund 2.280 MW das leistungsstärkste Kraftwerk an der Donau.  
 
Größte Kaplan-Maschinen seit Jahrzehnten
„Von diesen Leistungsdimensionen ist das Wasserkraftwerk Rekovici in der südwestserbischen Kleinstadt Priboj zwar weit entfernt. Dennoch zählen die drei Kaplan-Turbinen mit insgesamt ca. 7,8 MW Engpassleistung von ihren Abmessungen her dem Vernehmen nach zu den größten Maschinen, die in den vergangenen Jahrzehnten in Serbien in Betrieb gegangen sind“, so der GUGLER Projektleiter und Maschinendesigner Nihad Suljagic. Konzipiert wurde der in unmittelbarer Nähe zur bosnischen Grenze realisierte Neubau als klassisches Laufwasserkraftwerk von der Betreibergesellschaft HIDRO-TAN. Für das Aufstauen des Gewässers sorgt eine aus fünf Wehrfeldern bestehende Wehranlage, wobei jedes Wehrfeld mit hydraulisch betriebenen Segmentschützen inkl. aufgesetzter Klappen ausgestattet wurde. Das Maschinengebäude befindet sich auf der in Flussrichtung gesehen linken Uferseite. Ein obligatorischer Fischaufstieg in Form eines technischen „Vertical Slot Pass“ zur Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit wurde am rechten Ufer errichtet. „Wenige Kilometer flussaufwärts vom neuen Kraftwerk Rekovici befindet sich eine noch leistungsstärkere Anlage. Zwar handelt es sich bei den Kraftwerken um zwei grundsätzlich eigenständige Anlagen unterschiedlicher Besitzer, dennoch ist der Betrieb des Neubaus vom älteren Kraftwerk abhängig. Verkürzt gesagt, kann beim Kraftwerk Rekovici nur so viel Wasser turbiniert werden, wie vom Oberlieger durchgelassen wird“, erklärt Suljagic.    

Flexibilität gefragt    
Die anspruchsvollen geologischen Bedingungen führten zu Hangrutschungen im Projektgebiet und stellten das ausführende Bauunternehmen vor größere Herausforderungen, merkt Suljagic an. Aufgrund der damit einhergehenden Projektverzögerungen war GUGLER­­ gefordert, flexibel auf die jeweiligen Baufortschritte zu reagieren. „Flexibilität ist bei uns gängige Praxis, wir sind stets darum bemüht, auch bei unvorhergesehenen Ereignissen eine optimale Lösung für unsere Kunden zu finden. Den Auftrag von HIDRO­-TAN haben wir im September 2018 erhalten, die Auslieferung des Equipments erfolgte fast genau ein Jahr später. Die Montage auf der Baustelle startete bedingt durch die baulichen Verzögerungen erst im März 2020“, so Suljagic. Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühling des Vorjahres führte zu weiteren Erschwernissen. Zunächst wurde der komplette Baustellenbetrieb für mehrere Wochen ein­gestellt. Danach konnten die Arbeiten erst wieder mit entsprechenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen fortgesetzt werden. „Die Werksabnahme des technischen Equipments im Beisein von Kundenvertretern konnte glücklicherweise noch vor der Corona­krise im Herbst 2019 erfolgen“, sagt der Projekt­­­­leiter.

Stählerne Schwergewichte    
Gefertigt wurde die elektrohydraulische Ausstattung beim langjährigen GUGLER-Partnerbetrieb Pelfa Group aus der norditalienischen Region Friaul. „Obwohl wir Turbinen mit Leistungskapazitäten bis zu 25 MW im Portfolio haben, spielte der Auftrag für das Kraftwerk Rekovici hinsichtlich der Dimensionen der Maschinen und der dazugehörigen Pits auch für uns in der oberen Liga“, sagt Suljagic. So wiegt jeder der aus 10 mm starken Stahlplatten gefertigten Pits rund 35 Tonnen. Dieses beachtliche Gewicht ergibt sich aus den jeweils 8.160 mm hohen und 10 m langen Pits, die zur Stabilisierung gegen den anstehenden Wasserdruck zusätzlich verstrebt werden mussten. Jeder der massiven Pits besteht aus insgesamt drei großen Einzelteilen, die auf der Baustelle vor Ort zusammengeschweißt wurden. Zur Anlieferung der Turbinen und Stahlbauteile von Norditalien nach Priboj waren in Summer 18 Lkw-Transporte notwendig, wobei 14 davon aufgrund der Überbreite und des Gewichts als Sondertransporte deklariert waren.  

Leistungsstarkes Komplettpaket    
Der Einbau bzw. die Montage des Equipments hatte sich nach den Fortschritten auf der Kraftwerksbaustelle zu richten, so Suljagic: „Zunächst wurden die Pits Stück für Stück einbetoniert, erst dann konnte die Montage der maschinellen Ausstattung erfolgen. Mehrere Turbinenkomponenten, beispielsweise die Leitapparate, wurden soweit wie möglich bereits im Werk vormontiert. Der Projektleiter ergänzt, dass die für jeweils 55 m³/s Ausbauwassermenge und 5,33 m Nettofallhöhe konzipierten Maschinen sowohl im Volllastbetrieb als auch unter Teillast bei verringerten Zuflüssen sehr gute Wirkungsgrade erreichen. Bei vollem Wasserdargebot schafft jede der horizontalachsig ausgeführten Turbinen eine Engpassleistung von 2,6 MW. Auf die mit jeweils ca. 50 l biologisch abbaubarem Öl gefüllten Laufräder mit einem Durchmesser von 2.850 mm wurde zum Verschleißschutz eine auf Zink basierende „ZINGA“-Beschichtung aufgetragen. Zur Verbindung zwischen den Turbinen und den ebenfalls horizontalachsig ausgeführten Synchron-Generatoren der italienischen Marke Marelli kommen drei Getriebe mit einem Übersetzungsverhältnis von jeweils 1:4,87 vom österreichischen Hersteller Eisenbeiss GmbH zum Einsatz. Dank der Getriebeübersetzung konnten die wälzgelagerten Generatoren mit einer Nennscheinleistung von je 2.900 kVA und 6.300 V Spannung kompakt gefertigt werden. Die erwärmte Abluft der luftgekühlten Energiewandler wird mittels Blechkanälen aus dem Maschinengebäude abgeführt. Komplettiert wurde das GUGLER­-Komplett­paket durch drei Hydraulikaggregate, welche die exakte Einstellung der Leitapparate und der Laufradflügelverstellung übernehmen. Die Steuerungs- und Regeltechnik, die Transformatoren zum Umwandeln des erzeugten Stroms auf Netzspannung sowie das komplette Stahlwasserbauequipment wurden von lokalen bzw. serbischen Unternehmen ausgeführt.    

Probebetrieb erfolgreich bestanden    
Die Erstinbetriebnahme der neuen Ökostrom­anlage im Südwesten von Serbien erfolgte schließlich im heurigen Juni. „Der Jahreszeit entsprechend war das Wasserdargebot der Lim zu Beginn des Probetriebs relativ niedrig, wodurch die Maschinen nicht gleich unter Volllast getestet werden konnten. Trotz der vergleichsweise geringen Zuflussmengen sind die ersten Tests der auf insgesamt 165 m³/s ausgelegten Anlage sehr positiv verlaufen. Die Maschinen laufen allesamt sehr ruhig und erreichen auch bei wenig Wasser äußerst zufriedenstellende Wirkungsgrade“, resümiert Nihad Suljagic, der davon ausgeht, dass das Kraftwerk Rekovici im Regeljahr um die 20 Millionen kWh nachhaltig erzeugter Energie liefern wird.

 

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