Stauanlage Gigerwald saniert: Erhöhter Grundablass und Triebwassereinlauf sichern Wasserkraftwerk Mapragg langfristig ab

21. August 2025, Lesedauer: 7 min

An der Stauanlage Gigerwald im Schweizer Kanton St. Gallen erfolgte zwischen dem Herbst 2024 und dem Frühling 2025 eine großangelegte Teilsanierung. Notwendig geworden war das sowohl baulich als auch logistisch herausfordernde Projekt der Kraftwerke Sarganserland AG (KSL), um der zunehmenden Verlandung des Speichersees durch Sedimente entgegenzuwirken. Während der rund 6-monatigen Umsetzungsphase wurden der Grundablass und der Triebwassereinlauf durch die Errichtung eines neuen Bauwerks um rund 20 m nach oben versetzt. Zudem wurde der Betriebsstillstand der Anlage für Wartungs- und Sanierungsarbeiten am Triebwasserweg und in der Kraftwerksstufe Mapragg sowie den Grundablassschützen genutzt. Dank des vorbildlichen Einsatzes der beteiligten Unternehmen und eines eng getakteten Zeitplans konnte der Wiederaufstau des Gigerwald-Speichers bereits einen Monat früher als geplant erfolgen.

Gigerwaldsee als zentrales Speicherreservoir im Weisstannental

Der Gigerwaldsee auf dem Gebiet der Gemeinde Pfäfers ist ein Speicherreservoir, das in den 1970er-Jahren beim Bau des Pumpspeicherkraftwerks Mapragg errichtet wurde. Gespeist wird der über 30 Millionen Kubikmeter fassende Speicher durch Zuflüsse aus dem Weisstannental und dem Calfeisental. Die Höhe der Staumauer vom Fundament bis zur Mauerkrone beträgt 147 m, die Kronenläge erstreckt sich zwischen den Talflanken über 430 m. Gemeinsam mit der weiter unten gelegenen Kraftwerksstufe Sarelli erzeugt die KSL, an der die Axpo mit 98,5 Prozent und der Kanton St. Gallen mit 1,5 Prozent beteiligt sind, im Regeljahr rund 460 GWh Ökostrom.

Sedimente machen neue Bauwerke notwendig

Nach einer Betriebszeit von knapp 50 Jahren war es am Fuß der Staumauer Zeit für ein großangelegtes Erneuerungsprojekt, erklärt Axpo-Projektleiter Erich Schmid: „Die zunehmende Verlandung am Seegrund, die durch den Eintrag von Sedimenten aus den Zubringerbächen im Durchschnitt 43 Zentimeter pro Jahr beträgt, hatte eine Erhöhung der Einlaufbauwerke für das Triebwasser und den Grundablass dringend notwendig gemacht.“ Ursprünglich wollte die Axpo das Projekt bereits im Herbst 2022 in Angriff nehmen. Aufgrund der Ukraine-Krise und den damit einhergehenden Verwerfungen auf den internationalen Energiemärkten, die auch in der Schweiz zu Befürchtungen von Stromengpässen während der Wintermonate geführt hatten, wurde das Bauvorhaben zeitlich nach hinten versetzt. Der rund 2-jährige Aufschub war allerdings mit erheblichen Zusatzkosten verbunden.

Lawinengefahr erfordert spezielle Baustellenlogistik

Die Zufahrt zur Stauanlage ist im Winter einer dauerhaften Lawinengefährdung ausgesetzt – wenn ein Lawinenzug runterkommt, ist die Baustelle von der Außenwelt komplett abgeschnitten. Aus diesem Grund wurden die Baustelleninstallationen am Standort dergestalt ausgeführt, dass die Arbeiten auch bei Lawinenabgängen unterbrechungsfrei fortgesetzt werden konnten. „Unsere Lager vor Ort waren gut gefüllt, wir hatten genug Zement, Zuschlagsstoffe, Armierungseisen und Schalungen auf der Baustelle, um im Anlassfall 14 Tage durcharbeiten zu können. Zudem wurde eine temporäre Halle errichtet, in der 1.400 m³ Kies gelagert waren, auch die Zementsilos waren sehr groß dimensioniert. Nachdem schließlich im September 2022 beschlossen wurde das Projekt aufzuschieben, waren in weiterer Folge kontinuierliche Mieten für die Installationen und Gerätschaften fällig – und die waren teuer. Beispielsweise haben die Mietkosten für den größeren der beiden Kräne rund 60.000 Franken pro Monat ausgemacht. In Summe hat sich die Projektverschiebung in rund 10 Millionen Franken Zusatzkosten niedergeschlagen.“

Staumauer des Gigerwaldsees
Vogelperspektive auf den Installationsplatz an der Staumauer des Gigerwaldsees während der vergangenen Wintermonate.
© Axpo

Baustart im Herbst 2024 und kritische Phase bei der Entleerung

Die im Frühjahr 2024 getroffene Entscheidung, mit dem Projekt im Herbst zu beginnen, sollte sich nicht nur aus finanziellen Gründen als richtig herausstellen. Denn im Sommer 2024 wurden laut Erich Schmid bereits erhöhte Sandanteile im Triebwassersystem der Anlage festgestellt. Das war ein klares Zeichen, dass die Sedimente am Seegrund die Höhe der bestehenden Einlaufbauwerke erreicht hatten, und die Projektdurchführung keinen längeren Aufschub mehr duldete. Der Inhalt des Speichers wurde in mehreren Etappen turbiniert, dabei erfolgten parallel zur Wasserspiegelabsenkung Felsräumungs- und Sicherungsarbeiten an den freigelegten Felsflanken.

Herausforderungen bei Wasserableitung und Bypassleitung

Nach der Entleerung des Stausees hatte die Herstellung einer zuverlässigen Wasserableitung höchste Priorität, so Erich Schmid: „Die Ableitung der kontinuierlichen Zuflüsse durch den alten Grundablass zählten zu den wichtigsten Randbedingungen des Projekts. Das war auch der Grund, warum die Sanierung in den zuflussärmeren Wintermonaten stattgefunden hat. Während der Schneeschmelze im Frühling und Sommer, in der die Zuflüsse durchschnittlich 20 bis 30 m³/s betragen, wäre eine sichere Wasserableitung nicht zu schaffen gewesen.“ Bevor die Wasserableitung hergestellt werden konnte, musste zunächst der von Geröll und Treibholz massiv verlegte Grobrechen am bestehenden Einlauf freigelegt werden. „Der teilweise verstopfte Einlauf war ein Problem, mit dem wir zuvor nicht gerechnet haben. Dank des vorbildlichen Einsatzes der beteiligten Unternehmen konnten die Verklausungen aber rasch gelöst werden“, betont Erich Schmid.

Rohrleitungstechnik und komplexe Montagen

Hergestellt wurde die Ableitungsinfrastruktur von den Rohrleitungsspezialisten der Schweizer Josef Muff AG. Die Installation der provisorischen Bypassleitung DN600 und der Hauptableitung DN1000 stellte dem Unternehmen zufolge eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Nach der Demontage des Bypasses stand den Fachkräften ein äußerst knapp bemessenes Zeitfenster von nur 24 Stunden zur Verfügung, um diese kritischen Komponenten zu montieren. Eine detaillierte Planung und eine einwandfreie Umsetzung waren für die Bewältigung dieser zeitlichen Herausforderung unerlässlich. Neben der Herstellung der Wasserableitung war die Josef Muff AG auch für die Lieferung von vier massiven Rohrschüssen DN3500 für den neuen Grundablassschacht zuständig.

Neuer Grundablass und Triebwassereinlauf um 20 m angehoben

Realisiert wurde die Höherlegung des neuen Grundablasses und des Triebwassereinlaufs durch die Errichtung eines insgesamt rund 24 m hohen Bauwerks. Der Projektleiter hebt hervor, dass dank der Verwendung von Fertigteilen in vergleichsweise kurzer Zeit große Baufortschritte erzielt werden konnten: „Der Einsatz der vorgefertigten Betonelemente hat das Projekt enorm beschleunigt. Damit es beim Einbau aufgrund von fehlerhaften Abmessungen keine unangenehmen Überraschungen gibt, wurden die Komponenten bei der Herstellung mittels 3D-Scans eingehend überprüft. Durchgeführt wurden die Bauarbeiten von der Marti AG.

Erneuerung von Hydraulik, Schützen und Korrosionsschutz

Darüber hinaus waren noch eine ganze Reihe weiterer Schweizer Branchenspezialisten an der Erneuerung bzw. der Sanierung der Anlageninfrastruktur beteiligt. Die Stahlwasserbauexperten der Fäh Maschinen- und Anlagenbau AG sorgten für die Erneuerung der Hydraulikaggregate inklusive Verrohrungen an der Drosselklappe der Kraftwerksstufe Mapragg, an der Drosselklappe Gigerwald sowie am Grundablass der Staumauer. Sämtliche Hydraulikaggregate stammen von der bewährten Schweizer Hagenbuch Hydraulic Systems AG. Zudem war die Fäh AG für die Sanierung der Revisions- und Betriebsschützen und den dazugehörigen Hydraulikzylindern am Grundablass zuständig. Die Sanierung der Panzerung am Grundablass sowie die Revision des Umleitungsstollens durch die Erneuerung des Korrosionsschutzes zählte ebenfalls zu den Aufgaben der Fäh AG. Umgesetzt wurde die Erneuerung der Korrosionsbeschichtung am 30 m langen Umleitungsstollen DN800 und der 80 m langen Panzerung DN2800 am Grundablass durch die als Subauftragnehmer engagierten Experten der Sandstrahlwerk First AG. Neben den Arbeiten an der Staumauer und dem Triebwasserweg nutzte die KSL den Betriebsstillstand auch zur Revision der Maschinengruppen in der Zentrale Mapragg.

Gigerwaldsee Erneuerung Korrosionsschutz 90 x 120 mm
Die Sandstrahlwerk First AG war für die Erneuerung des Korrosionsschutzes am Grundablass zuständig.
© First AG

Termingerecht, unfallfrei und zukunftssicher

Dank der günstigen Witterungsbedingungen und des eng getakteten Terminplans, der eine 6-Tage Woche und einen 2-Schicht-Betrieb beinhaltete, konnten die Hauptarbeiten des Projekts weitaus schneller als geplant zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Fast vier Wochen früher als geplant startete am 2. April rechtzeitig vor dem Einsetzen der Schneeschmelze der Wiederaufstau des Gigerwaldsees. „Man kann guten Gewissens von einem geglückten Projekt sprechen. Bis auf die unerwartet massive Blockade des Einlaufrechens am alten Grundablass gab es keine negativen Überraschungen. Sehr erfreulich war auch, dass keine schweren Arbeitsunfälle geschehen sind. In technischer Hinsicht haben alle geplanten Konzepte funktioniert. Zu verdanken ist dies dem großen Engagement der vielen Unternehmen und Personen, die am Projekt beteiligt waren“, resümiert Erich Schmid. Die Investition von rund 25 Millionen Franken hat sich definitiv bezahlt gemacht. Mit dem Projekt konnte die KSL die langfristige Betriebssicherheit der Stauanlage Gigerwald sichern und einen substanziellen Beitrag für die Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien leisten.

Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 3/2025