Steirische Wasserkraft- und Bauprofis realisierten neues Kraftwerk an der Feistritz7 min read
Lesedauer: 5 MinutenSeit Anfang des Jahres 2020 erzeugt das neu gebaute Kleinwasserkraftwerk Ratten in der gleichnamigen oststeirischen Gemeinde saubere Energie. Umgesetzt wurde die Anlage gemeinschaftlich vom Sägewerkstechnik- und Wasserkraftallrounder Mayrhofer GmbH und der Herbitschek Bau-GmbH, deren Vertreter die HM Wasserkraftwerk GmbH & Co. KG gründeten. Das komplette Stahlwasserbauequipment an der Wehranlage, die 1-zellige Durchström-Turbine als Restwassermaschine und die gesamte elektro- und regelungstechnische Ausstattung stammt von Mayrhofer, die kompletten Bauarbeiten und die Verlegung der knapp 430 m langen Druckrohrleitung DN1400 erledigten die Profis der Firma Herbitschek. Im Maschinengebäude kommt eine vertikalachsige Kaplan-Turbine vom Niederdruckspezialisten WATEC-Hydro GmbH mit 250 kW Engpassleistung zum Einsatz. Nach mehrjähriger Betriebserfahrung der mustergültig realisierten Anlage ziehen die Betreiber ein positives Fazit über das erfolgreiche Gemeinschaftsprojekt.
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Entlang ihres ca. 116 Kilometer langen Verlaufs durch die Bundesländer Steiermark und Burgenland wird die Feistritz von einer Vielzahl von Wasserkraftwerken für die nachhaltige Stromgewinnung genutzt. Eines der neuesten Kleinwasserkraftwerke am Gewässer ging vor ca. 3,5 Jahren auf dem Gebiet der oststeirischen Gemeinde Ratten erstmals in Betrieb. Entstanden ist das Projekt durch die Initiative von Daniel Mayrhofer, dem Bereichsleiter Wasserkraft bei der Mayrhofer GmbH. „Daniel Mayrhofer ist auf der Suche nach potentiellen Kraftwerksstandorten an das Unternehmen Herbitschek Bau-GmbH herangetreten, deren Firmenareal neben der Feistritz ideale Voraussetzungen für die Errichtung eines neuen Kleinwasserkraftwerks bot“, sagt Herbitschek-Gesellschafter Karl Ziegerhofer zur Entstehung des neuen Kleinwasserkraftwerks, dessen jährliches Regelarbeitsvermögen rund 1 Million kWh Strom beträgt.
Kooperatives Projekt
„Schlussendlich wurde man sich einig, das Projekt gemeinsam umzusetzen“, so Karl Ziegerhofer, der von der Projektierung bis hin zur baulichen Umsetzung der Anlage von Beginn an maßgeblich beteiligt war: „Wir haben schon länger mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Wasserkraftwerk zu errichten. Der Vorschlag von Daniel Mayrhofer war schließlich der auslösende Moment, das Projekt kooperativ zu realisieren.“ Für den rechtlichen Rahmen wurde die HM Wasserkraftwerk GmbH & Co. KG gegründet, an der mehrere Vertreter der Firmen Mayrhofer und Herbitschek Anteile halten. Karl Ziegerhofer fährt fort, dass die topographischen Bedingungen im Projektgebiet sehr gute Voraussetzungen für die hydroelektrische Stromproduktion darstellen. So findet man auf einer vergleichsweise kurzen Strecke ein relativ hohes Gefälle vor – ideale Gegebenheiten also für den Bau eines Wasserkraftwerks. Außerdem steht das gesamte Gelände mit Ausnahme eines kleinen Abschnitts im Besitz von Herbitschek, wodurch keine oftmals aufwändigen Verhandlungen mit mehreren Grundstücksbesitzern zur Verlegung der Druckrohrleitung notwendig waren. Für jenes Grundstück entlang der Rohrleitungstrasse, das im Besitz des bischöflichen Ordinariats Graz steht, wurde eine einvernehmliche Lösung für den Kraftwerksbau erzielt.
Zuverlässiger Stahlwasserbau
Als Generalplaner für die neue Ökostromanlage wurde die bewährte niederösterreichische IB Mosbacher GmbH beauftragt, zu deren Portfolio neben dem Kleinwasserkraftsektor ebenso Planungsleistungen für Fischwanderhilfen, Hochwasserschutz, Aquakulturen und die Bereiche Entwässerungen und Versickerungen zählen. Die gesamten Hoch- und Tiefbauarbeiten sowie die Verlegung der Druckrohrleitung wurden von Herbitschek in Eigenregie durchgeführt. Gestartet wurde die Bauphase mit der Errichtung der Wasserfassung im Frühjahr 2019, wenige Monate später erfolgten die Rohrverlegung und der Bau des Maschinengebäudes. Für das Aufstauen der Feistritz sorgt eine 10,5 m breite Wehrklappe in Fischbauchausführung, die wie das restliche Stahlwasserbauequipment vom Anlagenbetreiber Mayrhofer stammt. Der Einzug des Triebwassers erfolgt über einen am orographisch rechten Ufer angeordneten Seiteneinlauf. Um Treibgut und Geschwemmsel vom Einlaufbereich fernzuhalten wurde ein fischfreundlicher horizontaler Schutzrechen montiert. Zur Reinigung der Rechenfläche dient eine pegelgeregelte Rechenreinigungsmaschine mit elektromechanischem Antriebssystem. Das von der Putzharke entfernte Geschwemmsel wird über den Grundablassschütz mit aufgesetzter Spülklappe auf direktem Weg in den Unterwasserbereich der Wehranlage abgeführt. „Eine Herausforderung beim Betonbau der Wasserfassung bestand in der geologischen Situation auf der linken Gewässerseite. Dort wurden während der Bauarbeiten Rutschbewegungen im Steilhang festgestellt. Gelöst werden konnte dieses Problem durch entsprechende Uferbefestigungen, die allerdings auch mit erhöhten Kosten einhergingen“, merkt Karl Ziegerhofer an.
Kombinierter Fischaufstieg
Mit der Errichtung einer Fischaufstiegshilfe an der Wasserfassung wurde auch an die aquatischen Bewohner der Feistritz gedacht. Realisiert wurde die gewässerökologische Passage durch zwei kombinierte technische Systeme. Der erste Abschnitt besteht aus einem technischen Beckenpass in Vertical-Slot-Ausführung, der mittels Betonelementen hergestellt wurde. Danach kommt im mittleren Teil des Fischaufstiegs ein modifizierter Denil-Fischpass (eco²-Fischpass) vom Grazer Ingenieurbüro flusslauf.eu zum Einsatz. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um eine Weiterentwicklung des Denil-Pass, der bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts eingesetzt wurde. Dank verschiedener konstruktiver Modifikationen ermöglicht das System auch sohlorientierten, kleineren Fischen mit geringerer Schwimmkapazität den Aufstieg ins Oberwasser. Außerdem benötigt der eco²-Fischpass durch seine kompakte Ausführung nur sehr wenig Platz, gewährleistet aufgrund der Fertigteilbauweise einen schnellen Einbau und zählt gleichzeitig zu den kostengünstigsten Fischaufstiegsanlagen. Nach dem modifizierten Denil-Fischpass folgt eine weitere Vertical-Slot Strecke, die die Gewässerlebewesen zum Ausstieg ins Oberwasser führt. Dotiert wird das kombinierte Fischaufstiegssystem mit konstant 80 l/s. Um die übrige verpflichtende Restwassergabe, die in Abhängigkeit vom Wasserdargebot der Feistritz zwischen 500 und 650 l/s beträgt, energietechnisch nutzen zu können, wurde von Mayrhofer eine aus Eigenproduktion stammende Dotier-Turbine eingebaut. Konkret handelt es sich dabei um eine 1-zellige Durchström-Turbine mit 600 l/s Durchflusskapazität, die über ein zwischengeschaltetes Getriebe einen Asynchron-Generator antreibt. Die auf 15 kW Engpassleistung ausgelegte Restwasser-Turbine produziert alljährlich rund 80.000 kWh Strom.
Kraftabstieg aus GFK-Rohren
Der Kraftabstieg in der durchgängigen Dimension DN1400 verläuft von der Wasserfassung zum Maschinengebäude neben der Feistritz auf der orographisch rechten Gewässerseite und hat eine Länge von 427 m. „Die Druckrohrleitung wurde in einer möglichst linear gewählten Trassenführung ohne Hoch- oder Tiefpunkte hergestellt. Grundsätzlich verlief die Rohrverlegung ohne größere Hindernisse, lediglich die notwendige Unterquerung des örtlichen Abwasserkanals gestaltete sich etwas aufwändiger“, so Karl Ziegerhofer. Ausgeführt wurde die komplett erdverlegte Druckrohrleitung mit glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) des Fabrikats Amiantit, die inklusive Sonderformstücken vom niederösterreichischen Ver-i triebsspezialisten ETERTEC geliefert wurden. Das vergleichsweise leichte und dennoch robuste Rohrmaterial vereint eine ganze Reihe von Vorteilen. Dazu zählen unter anderem die ausgezeichneten hydraulischen Eigenschaften, Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse, konstant hohe Abriebfestigkeit sowie die sehr guten Fließeigenschaften zur Minimierung des Reibungswiderstands. Zusätzlich überzeugen die hochwertigen GFK-Rohre mit einem anwenderfreundlichen Muffensystem für ein rasches Fortkommen bei den Verlegearbeiten.
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Kaplan-Turbine von WATEC-Hydro
Das Herzstück des Maschinengebäudes in Form einer vertikalachsigen Kaplan-Turbine stammt vom süddeutschen Niederdruckspezialisten WATEC-Hydro GmbH. Ausgelegt wurde die mittels Leitapparat und verstellbarer Laufradflügel doppeltregulierte Kaplan-Turbine auf 2,6 m³/s Durchflussmenge und 11,8 m Nettofallhöhe. Damit erreicht die Maschine bei vollem Wasserdargebot 250 kW Engpassleistung. Dank der doppelten Regulierfähigkeit überzeugt die Turbine auch bei verringerten Zuflüssen und deckt konstruktionsbedingt ein breites Betriebsband ab. Das 5-flügelige Laufrad hat einen Durchmesser von 750 mm und dreht mit exakt 600 U/min. Zum Lieferumfang von WATEC-Hydro zählten zudem der elektrohydraulische Turbinenregler, das stählerne Vollspiral-Gehäuse der Turbine inklusive Mannloch und die Saugrohrkrümmer- und Auslaufschalungen. Vervollständigt wird der Maschinensatz durch einen ebenfalls vertikalachsigen Synchrongenerator, der von der Turbine mittels Riemenübersetzung angetrieben wird. Der 3-phasige Energiewandler, der ebenfalls im Lieferumfang von Mayrhofer enthalten war, rotiert mit 1.500 U/min und wurde auf eine Engpassleistung von 330 kVA ausgelegt. Auch das komplette elektro- und regelungstechnische Equipment sowie die Leittechnik zur vollautomatischen Steuerung und Fernüberwachung der Anlage stammt von Mayrhofer.
Projekt für Generationen
Nach der rund einjährigen Bauphase ging das neue Kleinwasserkraftwerk in der Gemeinde Ratten im Februar 2020 erstmals in Betrieb. Karl Ziegerhofer lässt nicht unerwähnt, dass im Zuge der Projektumsetzung auch eine ganze Reihe von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt wurden. Dazu gehörten die Restrukturierung des Flussbetts, das Setzen von Sohlschwellen und Buhnen, die Uferbepflanzungen und der Einbau von Flussbausteinen. Aktuell läuft an der Anlage ein ökologisches Monitoring für den Funktionsnachweis der Fischaufstiegshilfe. Die Betreiber zeigen sich zuversichtlich, dass das Monitoring ein positives Ergebnis bringen wird. „Grundsätzlich sind wir mit der Leistung und der Produktion der Anlage sehr zufrieden. Leider fiel das vergangene Jahr witterungsbedingt eher trocken aus, was sich natürlich auf die Erzeugung ausgewirkt hat. Davon lassen wir uns aber nicht aus der Ruhe bringen. Der Bau eines Wasserkraftwerks ist ein Generationenprojekt, das über viele Jahrzehnte seinen Nutzen bringt“, resümiert Karl Ziegerhofer.
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