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Steirischer Wasserkraftspezialist setzt weiteren Baustein für Murauer Energievision6 min read

23. Mai 2016, Lesedauer: 5 min

Steirischer Wasserkraftspezialist setzt weiteren Baustein für Murauer Energievision6 min read

Lesedauer: 5 Minuten

„Energievision Murau“ taufte der gleichnamige Bezirk im Westen der Steiermark seinen Plan für eine energieautarke Zukunft. Bis 2015 galt es dieses Ziel zu erreichen.

 

Und dank der tragenden Rolle der Kleinwasserkraft wurde diese Vision Wirklichkeit. Einen Beitrag hierzu leistet nun auch das im November 2015 in Betrieb genommenen KW Tratten am Rantenbach. Mit einer Leistung von 1.114 kW zählt es zu den größeren der mittlerweile über 50 Kleinwasserkraftprojekte des Bezirks. Die Energie-Zotter-Bau GmbH & Co KG – Betreiberin und Eigentümerin des Kraftwerks Tratten – rechnet mit einer Jahresarbeit von ca. 5,2 GWh per anno. Die Firma Zotter-Bau plante und führte auch sämtliche Bauarbeiten selbst aus. Letztere waren aber alles andere als einfach, denn aufgrund zahlreicher Bach- und Straßenquerungen bei der Rohrverlegung, zählte das Projekt zu einem der herausforderndsten Projekte des erfahrenen Kraftwerkbauers. Dank modernster Maschinen- und Steuerungstechnik aus dem Hause GLOBAL Hydro ist das Kraftwerk Tratten bestens für die Zukunft gerüstet.

Der Bezirk Murau vereint mit 35 Gemeinden auf 1.385 km2 Fläche 8,4 % der Gesamtfläche der Steiermark auf sich. Mehr als 32.000 Menschen leben im Bezirk, der aber aufgrund geringer Wirtschaftsleistung bei gleichzeitiger Abwanderung massiv unter Druck steht. Um die Region wieder zu stärken und gegen die umliegende Agglomeration anzukämpfen, galt es Lösungen zu finden. Das Energiethema lieferte dabei für den sonnenreichsten Bezirk der Steiermark, und dem gleichzeitig großen Angebotes an Holz und Wasserkraft, ein Potential für eine gesicherte Zukunft. Im Jahr 2003 setzten sich die Verantwortlichen der Region zusammen und formulierten die Ziele für eine starke und unabhängige Energieregion – die Energie-vision Murau entstand. Anstatt diese Aufgabe einzelnen Akteuren zu überlassen, zog man in Murau also gemeinsam an einem Strang. Das große Ziel war Murau energieautark und vom externen Energiemarkt unabhängig zu machen. Im letzten Jahr konnte dieses Ziel bei Strom und Wärme erreicht werden. Im Bereich des Stroms zählt Murau heute sogar als Energieexporteur.

Fruchtbarer Boden für Wasserkraft
Wichtiger Träger dieser Errungenschaft ist die Kleinwasserkraft. Über 50 Kraftwerksprojekte kann der Bezirk bereits vorweisen. Von der Kleinanlage mit 25 kW bis zu Großanlagen von 20.000 kW zur Spitzenstromabdeckung ist jede Größenordnung vertreten. Im November 2015 gesellte sich das Kraftwerk Tratten, mit einer Leistung von 1.114 kW, zu diesem Kraftwerkspark hinzu. Initiator und Betreiber dieses Projekts war die Firma Energie-Zotter aus dem benachbarten Judenburg.

Schwieriges Projekt
Mit bereits 25 in Betrieb befindlichen Wasserkraftwerken verfügt das Unternehmen aus der Obersteiermark über ein umfangreiches Know-how auf diesem Gebiet. Diese Erfahrung kam der Betreiberin beim Bau des KW Tratten nun zugute. Aufgrund der beengten Verhältnisse war das Verlegen der Rohre eine große Herausforderung. „Wegen zahlreicher Bach- und Straßenquerungen gestaltete sich das Projekt aus bautechnischer Sicht äußerst schwierig“, berichtet Ing. Gernot Wölfler, Techniker bei der Firma Zotter-Bau GmbH. Insgesamt mussten auf der rund 3.660 m langen Rohrstrecke acht Bach- und zwei Straßenquerungen vorgenommen werden. Grund hierfür waren zum einen die beengten Platzverhältnisse und zum anderen konnte nicht mit allen Grundstückseigentümern eine Einigung erzielt werden.

Handliche GFK Rohre
Im Februar 2015 startete die Zotter-Bau nach dreijähriger Planungsphase mit der Verlegung der Rohrleitung. Dabei setzte man auf hochwertige GFK-Rohre aus dem Haus HOBAS mit der Dimension DN1.800, einer Druckstufe von PN03 bis PN06 und einer Steifigkeit von 5.000 N/m2. Dank des geringen spezifischen Gewichts der GFK Elemente, mit einer Standardlänge von 6 m, wird die Handhabung vor Ort erheblich erleichtert. Betreiber schwören zudem auf den besonders niedrigen Reibungskoeffizienten dank sehr glatter Rohraußen- und -innenflächen. Zusammen mit der hohen Korrosionsbeständigkeit, besitzen GFK-Rohre von HOBAS daher eine sehr lange Lebensdauer von 50 Jahren und mehr.

Nadelöhr Bundesstraße
Dank bauseitigen Schrägschnitts konnte die kurvige Trassierung gewährleistet werden. Aufgrund der zahlreichen Richtungsänderungen konnte man jedoch auf Rohrbögen nicht gänzlich verzichten. Bei dem Höhenunterschied von 42 m wurde vom Projektleiter DI. Martin Fritz ein Tief- und ein Hochpunkt geplant. Beim Hoch- und Tiefpunkt wurde jeweils ein T-Stück mit einem Mannloch installiert. „Einen Hochpunkt mussten wir installieren, da wir sonst wirklich zu tief geworden wären“, so Ing. Wölfler. Die größte Tiefe erreichte man im Bereich der Bundesstraße, da diese gegenüber dem Rantenbach erhöht liegt. Anstehendem Grundwasser entgegnete man mit mehreren Pumpen. Dank der Überdeckung und einem Geotex-Vlies werden die Rohre sicher im Boden gehalten. Eine logistische Herausforderung war die Rohrverlegung an der Bundesstraße. Eine Genehmigung zur Vollsperrung dieser wurde nämlich nicht erteilt, und so musste der Verkehr auf einer Spur stets weiterlaufen – eine nicht ungefährliche Situation, da es sich hier um eine stark befahrene Landstraße handelt. Der Verlegeplan von HOBAS und die durchnummerierten Elementen garantierten aber einen fließenden Verlegevorgang. So konnten diese Passagen zügig und ohne Probleme genommen werden. Ein wichtiger Faktor hierfür war auch die zuverlässige Lieferung der benötigten Elemente aus dem HOBAS Werk in Klein St. Paul.

 Fischbauch- und Spülklappe
Zeitleich mit der Rohrverlegung startet auch der Bau der Fassung am Rantenbach. „Die Bauarbeiten im Fassungsbereich mussten wir noch vor der Schneeschmelze abschließen – das ist uns auch ohne Probleme gelungen“, so Wölfler. Sämtliche Bauarbeiten führte die Firma Zotter-Bau dabei selbst aus. Dazu zählen auch das ca. 20 m lange Entsanderbauwerk und der Vertical-Slot-Fischpass. Nach Fertigstellung der Betonarbeiten wurde rechtsufrig der Grundablass, der auch als Spülklappe für die horizontale Rechenreinigungsmaschine dient, montiert. Bei der Installation der 10 m breiten Fischbauchklappe wurde der Bach über den Grundablass umgeleitet.

Horizontale Francis-Spiralturbine
Nachdem die Bauarbeiten im Wehrbereich termingerecht noch vor der Schneeschmelze weitgehend abgeschlossen werden konnten, startet im April 2015 der Bau des Krafthauses. Es wurde rechtsufrig zwischen dem Rantenbach und der Bundesstraße angelegt. Viel Wert legte man dabei auf die Optik des Bauwerks, und versah es mit einer Holzfassade und dunklem Blech. Im energieautarken Bezirk Murau muss sich ein Kraftwerk nicht verstecken – ganz im Gegenteil und so fällt der Kraftwerksschriftzug „KW Tratten“ beim Vorbeifahren auf der angrenzenden Bundesstraße sofort ins Auge. Nicht nur äußerlich wirkt das Kraftwerk sehr modern, auch das Innenleben setzt auf moderne Kraftwerkstechnik. Bei einer Nettofallhöhe von 40,31 m und einem Nenndurchfluss von 3,3 m3/s kommt eine vertikale Francis-Spiralturbine aus dem Hause GLOBAL Hydro zum Einsatz. Der Laufraddurchmesser beträgt 753 mm und die Maschine dreht mit 600 Upm. Die maximale Turbinenleistung beträgt bei diesen Parametern 1.114 kW. Für die Stromproduktion sorgt ein Synchron-Generator aus dem Hause Hitzinger. Die Firma Energie-Zotter-Bau GmbH rechnet mit einer Jahresarbeit von ca. 5,2 Millionen kWh. Damit die kontinuierliche Versorgung des Unterlieger-Kraftwerks gesichert ist, wurde ein geregeltes Bypass-Ventil installiert. Zusätzlich wurde für den Hochwasserfall eine Druckluft-Stillstands-Dichtung integriert.

Mit dem Blick in die Zukunft
Im Steuerungs- und Regelbereich setzte man auf neueste Technik. Im KW Tratten sorgt HEROS 3 – das neue Steuerungssystem aus dem Hause GLOBAL Hydro – für alle steuerungsbedürftigen Aufgaben. Der Nachfolger der bereits etablierten Version 2 wurde in zweieinhalb Mannjahren von der F&E Abteilung von GLOBAL Hydro entwickelt. Bei der Konzeption von HEROS3 fokussierte man auf drei Eigenschaften:

Erstens: Die Bedienung sollte mittels smarten Tablet-PCs erfolgen und sehr einfach, übersichtlich und individuell adaptierbar sein.

Zweitens: Die Steuerung sollte größte Flexibilität in Bezug auf den Anwendungsbereich bieten und zukünftige Entwicklungen, wie etwa Regelaufgaben für eine Einbindung in ein Smart-Grid, berücksichtigen.

Drittens: Schutz durch Monitoring und einfacher Zugriff für Investoren und Betreiber – sowohl für das interne als auch externe Controlling der Anlage. HEROS 3 setzt damit neue Maßstäbe im Bereich der Kraftwerkssteuerung. Das System ist dank modularem Aufbau und erweiterbarer Software zukunftssicher aufgestellt. Das KW Tratten ist eines des ersten Kraftwerke die mit HEROS 3 ausgerüstet wurden und ist somit bereits heute Teil der Kraftwerke von Morgen.

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