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Südtiroler Mals setzt auf Wasserkraft11 min read

22. Dezember 2014, Lesedauer: 7 min

Südtiroler Mals setzt auf Wasserkraft11 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Grundsätzlich gilt das Südtiroler Vinschgau als recht trockenes Gebiet. Der Durchschnittsjahresniederschlag von nur 500 Millimetern ist mit jenem von Sizilien zu vergleichen.

Nichtsdestotrotz spielt in Mals, dem schönen Hauptort des Obervinschgaus, die Wasserkraft eine wichtige Rolle. Ende 2012 sind mit dem Kraftwerk Arundabach und dem Trinkwasserkraftwerk Schleis gleich zwei neue Ökostromerzeuger hinzugekommen, die ein wichtiges Scherflein zum Erreichen der angestrebten Energieunabhängigkeit beitragen. Ein weiteres Laufwasserkraftwerk und ein Trinkwasserkraftwerk sind aktuell in Bau.

Friedlich grasende Kühe und beschauliche Almhütten: Die Schleiser und die Laatscher Alm könnten direkt aus einem Werbefilm für unberührte Almen in den Südtiroler Alpen stammen. Dabei spielt der Tourismus in diesem Hochtal der Vinschgauer Gemeinde erstaunlicher Weise noch keine Rolle. „Dafür gewinnt der hier oben gemachte Käse regelmäßig Preise “, sagt der Planer, Dr. Ing. Walter Gostner vom Ingenieurbüro Patscheider und Partner, der als Einheimischer die Gegend bestens kennt.
Ein weiterer Bestandteil der Idylle: klare Quellen, die sich vom Arunda-Kopf und von anderen Hängen ihren Weg talwärts bahnen. Es handelt sich dabei um die 5 Quellen, die auf der Schleiser Alm auf knapp 1.900 m ü.M. gefasst werden und der Trinkwasserversorgung der Malser Gemeindefraktionen Laatsch und Schleis dienen. Das Wasser ist dabei qualitativ sehr hochwertig, eine hygienische Behandlung nicht erforderlich. Es war auch nicht das Trinkwasser selbst, sondern vielmehr die Leitungsinfrastruktur, die den Gemeindevätern Kopfschmerzen bereitete.

Projekt in der Schublade
„Die Trinkwasserversorgung war in diesem Bereich sanierungsbedürftig. Im Zuge der Planungen der neuen Rohrleitung bot es sich an, anstelle der alten Energievernichtungsschächte eine Turbine zu installieren. Damit war die Idee von einem Trinkwasserkraftwerk geboren“, sagt Gostner. Doch alleine dabei sollte es nicht bleiben. Dass man am Arundabach bei der Gelegenheit auch noch ein Kraftwerk bauen könnte, eröffnete im Hinblick auf mögliche Synergieeffekte eine reizvolle Perspektive. Abgesehen davon existierte bereits ein vollständig ausgearbeitetes Vorprojekt.
„Schon seit 2006 hatten wir aus eigener Initiative damit begonnen, ein Kraftwerk am Arundabach zu planen. 2009 übergaben wir das Projekt dann an die Fraktionen Schleis und Laatsch, die die beiden Almen verwalten. Nach Konzessionserhalt schlossen sich die zwei Fraktionen mit der Gemeinde Mals zur Arunda Konsortial GmbH zusammen“, sagt Gostner.

Synergien optimal genutzt
Das Interessante für Planer und Bauherren lag in der Nutzung der Synergieeffekte, die sich aus den drei Projekten ableiten ließen. Schon alleine in dem Umstand, dass man die Druckrohrleitung der neuen Trinkwasserleitung und jene des geplanten Kraftwerks Arundabach über eine relativ lange Strecke parallel, quasi in einem Rohrgraben, verlegen konnte, barg einiges an Einsparungspotential. Offiziell hätte man sich dabei am Ende rund 90.000 Euro erspart, heißt es.
Doch bevor überhaupt die ersten Bagger im Arundatal auffahren konnten, sollte noch einiges Wasser den Arundabach hinabfließen. „Die Behördenverfahren zogen sich relativ lange hin“, erinnert sich Walter Gostner. Erst 2010 lagen die Konzessionen auf dem Tisch. „Selbstverständlich richteten wir das Augenmerk darauf, alle drei Bauvorhaben möglichst effektiv und wirtschaftlich zu gestalten. Das war aber nicht ganz einfach, da der Bauherr nicht ein und derselbe war. Während logischerweise die Trinkwasserleitung und das Trinkwasserkraftwerk Schleis zu 100 % der Gemeinde Mals gehören, trat beim Kraftwerk Arundabach die Arunda Konsortial GmbH als Bauherr auf. Deren Gesellschaftsanteile werden zu 44 % von der Fraktion Schlinig, zu 22 % von der Fraktion Laatsch und zu 34 % von der Gemeinde Mals gehalten. Somit hatten wir einen öffentlichen und einen privaten Auftraggeber – und die Ausschreibungen hatten separiert zu erfolgen. Zum Glück hat es sich dann so ergeben, dass wir gerade für die umfangreichen Tiefbau- und Verlegearbeiten ein und dieselbe Firma beauftragen konnten“, so der Planer.

Wirtschaftlicher Leitungsbau
Auch was den Auftrag über die Rohrleitungen anging, konnte das Gros an eine Firma vergeben werden. Sowohl für die Trinkwasser-Druckrohrleitung, als auch für die Kraftwerks-Druckrohrleitung lieferte TechnoAlpin aus Bozen Sphärogussrohre. Die 5,26 km lange Trinkwasserleitung setzt sich aus PE-Rohren DN180, die über eine Länge von 1,55 km im ersten Trassenabschnitt verlegt wurden, und Sphärogussrohren DN150 über die restliche Strecke zusammen, während die Gussrohre für das Arunda-Kraftwerk mit einer Gesamtlänge von 1,55 km eine lichte Weite von DN500 aufweisen. In heiklen Abschnitten setzten die Planer auf schub- und zuggesicherte Verbindungen. Doch sei man damit, wie Gostner betont, bewusst sparsam umgegangen: „Gerade bei Rohren mit großem Durchmesser kann man einiges an Geld sparen, wenn man nur bei Rohrkurven oder in extremen Steilhängen die schub- und zuggesicherten Varianten einsetzt. Der Großteil der Leitung konnte mittels herkömmlicher Verbindungstechnik erfolgreich realisiert werden“. In Summe wurden für das Projekt 6,81 km Rohrleitungen verlegt. Hinzu kamen noch eine Mittelspannungsleitung von 2,04 km Länge und Niederspannungsleitungen von 3,87 km Länge.

Dichtes Paket an Baumaßnahmen
Konkret bestand das gesamte Bauvorhaben aus einem umfangreichen Paket an Maßnahmen: Zum einen musste die Fassung für die 5 Trinkwasserquellen vollständig erneuert, ein neuer Sammelschacht, sowie ein neuer Hochbehälter für die Trinkwasserversorgung errichtet werden. Hinzu kam eine Druckrohrleitung zwischen Sammelschacht und Hochbehälter, die auch für eine hydroenergetische Nutzung, also für ein Trinkwasserkraftwerk, geeignet war. Um dieses zu realisieren, musste oberhalb des Hochbehälters ein kleiner Maschinenraum mit einem trinkwassertauglichen Maschinensatz realisiert werden. Hinzu kamen noch die baulichen Maßnahmen für das Kraftwerk Arundabach. Es galt, eine Wasserfassung auf rund 1.880 m ü. M., etwas unterhalb der Quellfassung, zu errichten. Dabei mussten sämtliche Komponenten gemäß der Vorgaben der Naturschutzbehörden so gut wie möglich in die Naturlandschaft des Arundatals eingepasst werden. Technisch gesehen sah das Konzept von Patscheider und Partner ein klassisches Tirolerwehr vor, gefolgt von einem zweistrahligen Entsander und einer Druckhaltekammer, an die die Rohrleitung anschließt. An deren Ende war die Maschinenzentrale zu errichten – kurz oberhalb jener Fassung, die von der Seledison betrieben wird und Wasser in den Reschenstausee beileitet.

Oberstes Ziel: Punktlandung im Zeitplan
Die Bauarbeiten, die am 31. Mai 2012 starteten, verliefen zügig und ohne Probleme, obwohl angesichts der Vielzahl von zu verlegenden Leitungen durchaus Herausforderungen auf die Baufirma zukamen. „An gewissen Stellen hatten wir bis zu 9 Leitungen parallel zueinander zu verlegen: Angefangen von den beiden Druckrohrleitungen, über die Steuerkabelleitungen, ein neues Mittelspannungskabel bis hin zu Stromleitungen für die Beleuchtung sowie einer Wasserleitung für die Vereisung einer Naturrennrodelbahn“, sagt Gostner, der gemeinsam mit der Baufirma im Projektverlauf auch logistische Knacknüsse zu bewältigen hatte. Da die Leitungen größtenteils in der bestehenden Almstraße verlegt wurden, war ab Mitte Juni besondere Rücksicht geboten. Schließlich musste für den zu diesem Zeitpunkt beginnenden Almbetrieb jederzeit eine Zufahrtsmöglichkeit für den Tierarzt sichergestellt sein.
Das Ziel für die beiden Kraftwerksprojekte war klar definiert: Sie mussten unbedingt vor dem 31. 12. 2012 ans Netz. Nur dann konnten sie den bis dahin in Italien geltenden Fördertarif für Strom aus Kleinwasserkraft in der Höhe von 22 ct/kWh in Anspruch nehmen. Eine entscheidende Frage der Wirtschaftlichkeit. „Zwar war die für die elektromechanische Ausrüstung verantwortliche Firma Tschurtschenthaler optimal im Zeitplan. Allerdings hatte der Netzbetreiber ein wenig zu kämpfen, sodass wir mit der Trinkwasserkraftanlage erst am 31. Dezember 2012 in Betrieb gehen konnten, also im allerletzten Moment“, so der Planer.

Mit 80 bar aus den Düsen
Das Trinkwasserkraftwerk ist vor allem geprägt durch die große Fallhöhe von 780 Metern. Ein wesentlicher Grund, warum sich die Betreiber bewusst für eine sehr hochwertige Maschinenlösung entschieden. Man vertraute auf die jahrzehntelange Erfahrung und das Know-how des Südtiroler Turbinenbauers Tschurtschenthaler aus Sexten. „Wir wussten, dass die Firma Tschurtschenthaler schon sehr viele Trinkwasserkraftwerke ausgerüstet hat – und dass sie hohe Kompetenz mitbringt. Natürlich war bei einem Druck von 80 bar wichtig, dass wir eine solide und robuste Maschine installieren. Die Turbine hat uns voll überzeugt“, sagt Gostner. Da die Wassermenge aus der Trinkwasserquelle relativ konstant über das ganze Jahr zur Verfügung steht, fiel die Wahl auf eine eindüsige Peltonturbine. Diese ist ausgelegt auf eine Ausbauwassermenge von 12,7 l/s bei einer Fallhöhe von 781,2 m und bringt dabei eine Leistung von 85,6 kW. Zum Schutz des Trinkwassers wurden sämtliche Teile, die mit dem Wasser in Berührung kommen, in Edelstahl gefertigt. Im Maschinenraum wurde ein Bypass integriert, um im Falle eines Maschinenstillstands das Wasser problemlos vorbeileiten zu können und die Trinkwasserversorgung aufrecht zu erhalten.

Steuerung über den Pegelstand
Das kleine, aber feine Laufrad der Trinkwasserturbine treibt einen Asynchrongenerator mit 1.512 U/min an. Gesteuert wird die Anlage über ein von der Firma Electro Clara implementiertes Steuerungs- und Automatisierungssystem, das in seiner Ausführung durchaus ein wenig vom herkömmlichen Standard abweicht. So wurden Pegelmessungen am Sammelschacht und am Hochbehälter unterhalb des Kraftwerkes installiert. Diese ermöglichen eine pegelgeregelte Steuerung des Trinkwasserkraftwerks im Einklang mit den Bedürfnissen der Trinkwasserversorgung.
Sowohl die Düsenregelung als auch die Bypassregelung erfolgen über Servoantriebe mit Absolutencoder. Diese können auch während Netzausfälle durch eine 24V USV-Anlage den Wasserstand bei der Quelle weiter regeln und verhindern, dass sich die Leitung entleert oder dass Wasser bei der Quelle überläuft. Zudem kann bei Störungen ebenfalls von Düsenbetrieb auf Bypassbetrieb umgeschaltet werden, damit die prioritäre Trinkwasserversorgung mit Sicherheit aufrecht erhalten bleibt.
Nach Netzausfällen kann die Anlage dadurch auch ohne regelbarem Ablenker starten, indem die Düse die Drehzahlregelung übernimmt und das übrige Wasser zwischenzeitlich über den Bypass geleitet wird, wobei der Gesamtdurchfluss trotzdem gleich bleibt.

Wirkungsgrad nachgewiesen
Mit einer Gefällstufe von 320 m steht dem Kraftwerk Arundabach eine deutlich geringere nutzbare Fallhöhe zur Verfügung als dem Trinkwasserkraftwerk. Dafür kann aber deutlich mehr Triebwasser genutzt werden. Über das Tirolerwehr können bis zu max. 247 l/s eingezogen und der Turbine zugeführt werden. Das Herz der Anlage bilden eine 2-düsige Peltonturbine, ebenso aus dem Hause Tschurtschenthaler, und ein Hitzinger-Synchrongenerator, der mit einer Nenndrehzahl von 1.000 U/min angetrieben wird. Die hochwertige Turbine ist dabei auf eine Nennleistung von 675 kW ausgelegt.
Dass sie im Regelbetrieb hoch effizient arbeitet, das haben die Betreiber im Mals mittlerweile schwarz auf weiß. „Die Uni Graz hat in unserem Auftrag umfangreiche Wirkungsgradtests durchgeführt. Das war uns wichtig. Und es hat unser Vertrauen auch bestätigt: die Turbine erreichte sämtliche vereinbarten Leistungswerte“, resümiert Gostner.

Anforderung durch Beregnung Rechnung getragen
Was die Frage der Betriebssicherheit angeht, spielt zwar der Maschinensatz eine wichtige Rolle, aber auch andere Komponenten sind dafür entscheidend. Vorrangig zu nennen – die Steuerungs- und Regeltechnik. Aus diesem Grund vertrauten die Betreiber mit ihrem Planungsbüro Patscheider & Partner auf die Technik der Elektro Kühebacher M. & Co. KG aus dem Südtiroler Innichen, die sich in der Planung und Konstruktion von elektronischen Regelsystemen einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet haben. Turbinenhersteller wie etwa die Firma Tschurtschenthaler bauen seit Jahren auf den von EMK eingesetzten, voll digitalen elektrohydraulischen Drehzahlregler, der hinsichtlich Präzision und Betriebssicherheit keine Wünsche offen lässt. Dabei erfolgt die Drehzahlaufnahme über zwei Sensoren an einer Zahnscheibe der Turbine. Im Regelkolben ist eine magnetostriktive Positionsmessung (MTS) integriert, die den Regelkreis des Kolbens schließt. Als Hydraulikventil wird ein Proportionalventil des Herstellers „Bosch-Rexroth“ mit integrierter Elektronik verwendet. Nachdem der Regler via PC konfiguriert wurde, passten die Programmierer von EMK das ganze System optimal an die Eigenschaften und Anforderungen der Anlage an. Unter anderem musste auch steuerungstechnisch berücksichtigt werden, dass von der Druckrohrleitung aus gegebenenfalls Wasser für Beregnung und Bewässerung abgegeben werden muss. Gostner: „Dabei handelt es sich um alte Wasserrechte für die Beregnung der Hänge. Gerade im so trockenen Vinschgau hat die Beregnung in den heißen Monaten eine wichtige Bedeutung. Und das wurde auch beim Kraftwerksbau berücksichtigt.“

Bürger profitieren von dem Projekt
In gerade einmal 7 Monaten konnte das „Dreifach-Projekt“ bis Ende 2012 fertiggestellt werden. Ein Projekt, das am Ende viele Gewinner hat. Nicht nur, dass die Trinkwasserversorgung für Laatsch und Schleis wieder am neuesten Stand der Technik ist. Hinzu kommt, dass die beiden Almen im Arundatal nun mit Strom aus dem neuen Wasserkraftwerk versorgt werden können, dass man sich durch die Synergien im Bauablauf viel Geld sparen konnte und dass Mals um zwei neue Ökostromproduzenten reicher ist. Rund 1,9 Millionen Euro investierte das Konsortium in die Realisierung des Kraftwerks Arundabach, das im Regeljahr ca. 2,5 Millionen kWh Strom liefert. Und etwa 1,15 Millionen Euro kostete die Sanierung der Trinkwasser-Infrastruktur mit dem neuen Trinkwasserkraftwerk, das jährlich durchschnittlich etwa 700.000 kWh einspeist. „Gerade das Trinkwasserprojekt würde in vielen anderen Gemeinden die Trinkwassertarife für die Bewohner in die Höhe treiben, da diese in der Regel die Kosten an die Bürger weitergibt. In diesem Fall sind auch die Malser Bürger Gewinner, da durch die Einnahmen aus dem Trinkwasserkraftwerk die Trinkwassertarife auf dem ursprünglichen Niveau gehalten werden können“, sagt Walter Gostner.
Last but not least spielen beide Kraftwerke eine zentrale Rolle im Erreichen der anstrebten Energieautarkie der Gemeinde. Nach Angaben des „Malser Energieleitplans“ liegt der Strombedarf der Gemeinde aktuell bei etwa 21 GWh im Jahr. Mit den beiden neuen Kraftwerken kann man heute bereits rund 18 GWh aus eigenen Ressourcen abdecken. Mit den beiden derzeit in Bau befindlichen Anlagen könnte man das angestrebte Ziel bereits erreichen.

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