Projekte

Südtiroler Wasserkrafttechnik punktet in der West-Ukraine7 min read

25. Oktober 2016, Lesedauer: 5 min

Südtiroler Wasserkrafttechnik punktet in der West-Ukraine7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Seit 2005 engagiert sich die ukrainische Kommertsconsult in Transkarpathien, im Westen der Ukraine, in Sachen erneuerbare Energien. Bislang hatte man sich vorrangig auf die Wasserkraftnutzung konzentriert.

Basierend auf diesen Erfahrungen kamen die Verantwortlichen zu dem Entschluss, für ihr neuestes Kraftwerksprojekt – Shypot 2 – auf Wasserrafttechnologie aus dem Alpenraum zu vertrauen. Als innovationsstarken und pragmatischen Partner fanden sie den Südtiroler Markus Wild, der mit seinem Unternehmen Wild Metal bereit war, alpenländische Wasserkrafttechnik nach Transkarpathien zu liefern. Und dies mit Erfolg: Sowohl Kunde als auch Auftragnehmer konnten ein sehr zufriedenstellendes Fazit über die Südtiroler-Ukranische Kooperation ziehen.

Transkarpathien, die westlichste Provinz der Ukraine, ist um circa 40% größer als Südtirol und hat ungefähr doppelt so viele Einwohner. Der Vergleich in Sachen Wasserkraft fällt jedoch zugunsten Südtirols aus: Während in der Freien Provinz knapp 1.000 Wasserkraftwerke in Betrieb stehen, gibt es in Transkarpathien deren sieben an der Zahl. Eine Gesellschaft, die sich mit erneuerbaren Energien im Allgemeinen und Wasserkraft im Speziellen beschäftigt, ist die Gesellschaft Kommertsсonsult, die zum Energiekonzern RENER mit Sitz in Uzghorod – der Hauptstadt von Transkarpathien – gehört. Die Gesellschaft betreibt derzeit drei Wasserkraftwerke mit jeweils ca. 1 MW und zwei Photovoltaikanlagen mit maximal 5 und 10 MW Leistung. 2005 startete man mit den ersten Ansuchen um die Genehmigungen für den Bau von Wasserkraftwerken. Dazu sind sowohl Genehmigungen von staatlichen Behörden in Kiew als auch von der Provinz notwendig. Als wichtigster Baustein am Projektbeginn gilt die Zustimmung der betroffenen Gemeinde. Im Allgemeinen sind 140 Genehmigungen für die Realisierung eines Wasserkraftprojektes einzuholen. Für die letztliche Genehmigung den Betrieb aufzunehmen und in das öffentliche Netz einzuspeisen, muss zuerst die Anlage komplett errichtet sein. Danach wird diese von der Behörde inspiziert und – wenn alle Vorschriften eingehalten wurden – die Betriebskonzession ausgestellt. Die Genehmigung für die Wassernutzung wird für ein bis drei Jahre vergeben und muss immer wieder erneuert werden. Das Gesetz für die Basis der Einspeisevergütung ist vorerst einmal bis 2030 gültig und garantiert die Abnahme der Stromproduktion.

ERSTE ERFAHRUNGEN IN SACHEN WASSERKRAFT
Mit sehr viel Einsatz konnte die Gesellschaft Kommertsconsult im Jahre 2008 die erste Genehmigung für den Bau des Kraftwerks Krasna erwirken. Dabei tauchte sehr früh ein massives Problem auf: Es war sehr schwierig, einen kompetenten Projektanten zu finden. Es gibt zwar staatliche Institutionen, die Kraftwerksplanung theoretisch anbieten, aber keine Erfahrung im Bereich Kleinwasserkraft vorweisen können. Letztendlich wurde doch ein ukrainischer Projektant gefunden. 2010 ging die Anlage mit der ersten Maschine mit maximal 800 kW ans Netz. 2011 wurde eine Erweiterung mit einer zweiten Francis-Turbine genehmigt, die den Betrieb 2012 starten konnte. Das zweite Projekt, das von der Gesellschaft umgesetzt wurde, liegt am Shypot River. In diesem Fall wurde die Planung an armenische Ingenieure vergeben. Zum Einsatz kommt dabei eine Cink-Durchströmturbine mit ca. 1020 kW, die ebenfalls 2012 den Betrieb aufnehmen konnte.

SÜDTIROLER BEWEIST PIONIERGEIST
Für das nächste Projekt hatten sich die Bauherren vorgenommen, eine Vorzeigeanlage in der Ukraine mit modernster Technik umzusetzen. In einer der Zeitschriften zek HYDRO waren sie auf das innovative System für Wasserfassungen, den Grizzly-Rechen der Fa. Wild Metal, gestoßen. Bei einer Besichtigungstour von Wasserkraftwerken im Alpenraum lernte man auch die Firma Wild Metal und das Produkt kennen und nebenbei die hochstehende Turbinentechnik für Kleinwasserkraftwerke aus dem Tiroler Raum schätzen. Im Jänner 2013 luden die Bauherren Markus Wild und Adolf Dengg in die West-Ukraine ein, um die Standorte für die nächsten Projekte zu besuchen und sie bei der Entscheidung der Prioritätensetzung zu unterstützen. Das Projekt Shypot 2 war mit dem Stand der Genehmigungen am weitesten fortgeschritten. Es wurde vereinbart, von Wild Metal das Anlagenkonzept und die Detailplanung erstellen zu lassen. Die endgültige Planung wurde in der hausinternen Planungsabteilung für die ukrainischen Gesetze und Normen passend erstellt. In einem nächsten Schritt wurde wiederum die Firma Wild Metal gebeten, die komplette elektromechanische Anlagentechnik samt Stahlwasserbau zu liefern. Das bedeutete für das mittelständische Südtiroler Unternehmen ein erhebliches Risiko, entspricht aber dem Pioniergeist von Markus Wild.

SCHWIERIGE ROHRVERLEGUNG
Am Ende der Wintersaison 2013/2014 wurden die Bauarbeiten mit der Vorbereitung der Rohrtrasse, den erforderlichen Holzschlägerungen, begonnen. Sobald die Temperaturen es zuließen, wurden die ersten Laufmeter der Stahlrohrleitung DN1000 verlegt. Die gesamte Trasse führt bergseitig entlang der Forststraße, die neben dem Gewässer über ca. 3 km von der Fassung bis zum Krafthaus verläuft. Die Platzverhältnisse entpuppten sich als sehr beengt. Stellenweise musste die Böschung bis zu 20 m hoch bearbeitet werden. Dabei wechselten sich Lockergesteinspartien mit Felsbereichen und Seitenbachquerungen ab. Um den Hanganschnitt in Grenzen zu halten, wurde großenteils nur eine Mulde für ein konstantes Längsgefälle der Leitung ausgehoben. Um die notwendige Überdeckung für einen frostsicheren Betrieb zu erzielen, wurde zwischen der Straße und der Leitung mit Steinkörben oder Holzbohlenwänden eine Abtrennung errichtet, die mit Aushubmaterial hinterfüllt wurde. Diese arbeitsintensive Lösung wurde mit der Unterstützung von Arbeitskräften aus der Umgebung durchgeführt.

INNOVATIVE SCHÜTZEN-VARIANTE
Für den Bau der Wasserfassung wurde das Gewässer mit Stahlrohren seitlich an der Baustelle vorbei geleitet. Das Triebwasser mit einer Ausbauwassermenge von ca. 900 l/s wird über 9 Grizzly 1000er-Module gefasst und unter dem Fischpass hindurch zum unterirdischen Druckhaltebecken geleitet. Auf der orografisch linken Seite wurde ein Spülschütz für das Vorbecken installiert, das mit einem in der Doppel- schützplatte versenkten Zylinder wieder eine innovative Lösung der Firma Wild Metal darstellt. Außer der Öffnung im Beton an der Vorderseite der neuen Sperre ist vom Schütz nichts zu sehen. Für den Baugrubenaushub des Druckhaltebeckens musste über 12 Meter in die Tiefe gegraben werden. Das Druckhaltebecken mit tiefergesetztem Rohrabgang hat über dem Wasserspiegel einen auf der gesamten Breite montierten Wartungssteg aus Gitterrost. Damit sind die Schütze und das Hydraulikaggregat leicht zugänglich. Allerdings ist jetzt nur mehr die Eingangstüre zu sehen und man ahnt nicht, welches Bauvolumen unter der Erde steckt. Die Fassung ist für Gewässerlebewesen über einen technischen Fischpass durchgängig gestaltet, wobei aus gestalterischen Gründen die Betonwände mit Naturstein verkleidet wurden. Grundsätzlich wurden vom Bauherrn Sergej Kovach und seinem Geschäftsführer für den eigenen Bausektor Yuriy Korolychin bei den kleinsten Details größter Wert auf saubere Ausführung und kreative Gestaltung gelegt.

TURBINE EBENFALLS AUS SÜDTIROL
Im Krafthaus arbeitet eine 4-düsige vertikale Peltonturbine aus dem Hause Troyer mit knapp 1 MW maximaler Leistung, die von Wild Markus als Teil seines Gesamtauftrages geliefert wurde. Dazu gehört auch der Hitzinger Synchrongenerator, der Trafo die Steuerungs-, die Niederspannungs- und die Mittelspannungsanlagen sowie die Leitungen bis zur Fassung und das im Druckhaltebecken installierte Steuerungsfeld für die Fassung samt kleinem Trafo. Die Stromversorgung für den Fassungsbereich wurde bewusst stärker ausgelegt, weil man damit ein Ferienheim in der Nähe gleichzeitig mit Strom versorgen konnte. Die Fassade des neuen Krafthauses erhält durch die gefühlvolle Gestaltung mit traditionellen und modernen Elementen einen starken Charakter und braucht weder in technischer noch in optischer Hinsicht den Vergleich mit den modernsten Anlagen im Alpenraum zu scheuen.

ENGAGEMENT MIT SOZIALEM SIDE-EFFEKT
Die Gesellschaft Kommertsconsult plant, sich in Zukunft in einem möglichst breiten Spektrum der erneuerbaren Energiequellen zu engagieren. Dazu wird eine Art Konzernstruktur mit der Bezeichnung RENER geschaffen. Eine Tochtergesellschaft wird Projekte im Bereich Energiebereitstellung aus Biomasse vorantreiben. Sehr wichtig für die Gesellschaft ist auch das begleitende Umsetzen von sozialen Ausgleichsmaßnahmen in Bezug zu den Projekten. Es wurde zum Beispiel bereits ein Kindergarten in der Gemeinde errichtet, in der man das nächste Wasserkraftwerk realisieren wird. Ein weiteres Hauptanliegen für die Bauherren ist, dass man danach trachtet, neben den Arbeitern der eigenen Bauabteilung auch Menschen aus der Projektumgebung zu beschäftigen und diese später in den Betrieb einzugliedern. Und nicht zuletzt ermöglicht man in strukturschwachen Regionen eine gewisse Unabhängigkeit der Energieversorgung.

Teilen: