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Tirols neues Vorzeigekraftwerk Stanzertal17 min read

25. April 2016, Lesedauer: 11 min

Tirols neues Vorzeigekraftwerk Stanzertal17 min read

Lesedauer: 11 Minuten

Die Schneeschmelze steht vor der Tür – und die drei Maschinensätze  im neuen Tiroler Wasserkraftwerk Stanzertal, die sämtliche Belastungstests erfolgreich absolviert haben, sind bereit für die großen Lasten.

 

Das freut in diesem Fall ungewöhnlich viele. Schließlich ist die Projektgesellschaft aufgrund eines findigen Beteiligungsmodells breit aufgestellt: Eigentümer sind sämtliche Stanzertaler Standortgemeinden, drei Tiroler Energieversorgungsunternehmen, sowie die Tiroler Projektentwicklungsgesellschaft INFRA. . Dieser Umstand hat dem Kraftwerksprojekt einen hohen regionalen Stellenwert eingebracht. Mehr noch, es gilt als regelrechtes Vorzeigekraftwerk, das sowohl in organisatorischer als auch in technischer und nicht zuletzt auch in ökologischer Hinsicht Standards setzt. Rund 58 Mio. Euro haben die Projektpartner in die Anlage investiert, die jährlich rund 52,2 GWh umweltfreundlichen Strom erzeugen wird und dabei aufgrund ihres Speicherstollens in der Lage ist, Spitzenstrom nach Bedarf zu liefern. Vom 650-Einwohner-Dorf Stanz, das auf einem Sonnenplateau oberhalb von Landeck liegt, bis nach St. Anton am Arlberg erstreckt sich in Ost-West-Richtung das Stanzertal. Es stellt im Grunde die Verlängerung des Inntals Richtung Westen in gerader Linie dar. Entwässert wird das Tal von der Rosanna, die sich in Wiesberg mit der Trisanna vereint und als Sanna in Landeck in den Inn mündet. 205 km2 beträgt das Einzugsgebiet der Rosanna, aus der das Kraftwerk Stanzertal sein Triebwasser bezieht.

Konkret handelt es sich bei der neuen Anlage um ein Laufkraftwerk mit Stollenspeicher. Die Wasserfassung des Kraftwerks ist in der Gemeinde Flirsch situiert. Von hier aus wird das Wasser über einen insgesamt 5,4 km langen Triebwasserweg, der den 4,8 km langen Einlauf- und Speicherstollen beinhaltet, zum Maschinenhaus in der Gemeinde Strengen geleitet. Dort trifft es auf drei 6-düsige Peltonturbinen, die zusammen eine installierte Leistung von 13,5 MW aufweisen. Die er-zeugte Energie wird vom Krafthaus über erdverlegte 25kV-Kabel über das neue Umspannwerk Tobadil in das öffentliche Netz –    eingespeist. Das abgearbeitete Triebwasser wird über einen kurzen, geschlossenen Unterwasserkanal zum Auslaufbauwerk geführt und dort wieder der Rosanna übergeben. Ende Oktober letzten Jahres wurde mit der ersten Maschine der Probebetrieb eröffnet.

Projektentwicklung im Eilzugstempo
Was beim Kraftwerksprojekt Stanzertal besonders hervorsticht, sind die kurzen Projektierungs-, Planungs- und Umsetzungszeiten. Von der Idee im Jahr 2010 bis zur Inbetriebnahme der ersten Maschinen im Herbst letzten Jahres waren keine fünf Jahre vergangen. Bereits in der Vergangenheit gab es unterschiedlichste Initiativen und Bestrebungen zur Nutzung der Wasserkraft an diesem Fluss-abschnitt. „Letztlich kam die Initialzündung zum Projekt aber durch die Projektentwicklungs-gesellschaft INFRA aus Innsbruck die neben einem optimalen technischen Konzept auch ein wegweisendes Geschäftsmodell zur Beteiligung der Standortgemeinden am Projekt entwickelt hat“, erklärt Jakob Klimmer. Der langjährige Leiter des EWA St. Anton ist einer von drei Geschäftsführern der Wasser-kraft Stanzertal GmbH. Neben ihm gehören DI Wolfgang Widmann von der INFRA und Michael Hold von den EW Reutte der Geschäftsführung an. Während Hold für die kaufmännischen Agenden verantwortlich zeichnet, ist Widmann für die technischen Belange zuständig. Klimmer war mit der Organisation vor Ort und den Behördengesprächen betraut. Er lieferte in einem ausführlichen Gespräch auch die wesentlichen Informationen für diesen Bericht.

Gemeinden werden Betreiber
Die Geschäftsführer erkannten von Beginn an den Sinn und das Potenzial des von INFRA entwickelten Beteiligungsmodells am Kraftwerksprojekt: „Entscheidend war, dass wir nicht nur EVUs, sondern auch die Standortgemeinden in das Beteiligungsmodell einbinden wollten. Im Gegensatz zur Mehrzahl der üblichen Kraftwerksprojekte wurden die Gemeinden nicht entschädigt, sondern Mit-eigentümer des Kraftwerks. Auf diese Weise konnten alle vier Stanzertaler Gemeinden, sowie die Gemeinde Zams gewonnen werden, sämtliche Gemeindebeschlüsse erfolgten einstimmig.“ An der Wasserkraft Stanzertal GmbH halten heute die vier Standortgemeinden Flirsch, Pettneu, St. Anton und Strengen jeweils 6,25 Prozent, 5 Prozent gingen an die Gemeinde Zams. Größter Anteilseigner ist das EW Reutte mit 34 Prozent, weitere 11 Prozent hält das EWA St. Anton, 15 Prozent haben sich die STW Imst gesichert und weitere 10 Prozent hält derzeit der  Projektentwickler INFRA. INFRA wird ihre Anteile nach erfolgreicher Inbetriebnahme des Projektes abgegeben. Interessenten dafür gäbe es bereits, heißt es. Was dieses Beteiligungsmodell für die einzelnen, zum Teil nicht allzu finanzstarken Gemeinden bedeutet, brachte Strengens Bürgermeister Haralds Sieß anlässlich der Andrehfeier auf den Punkt: „Das Kraftwerk ermöglicht uns Gemeinden, in die Zukunft der Region zu investieren.“ Wenig verwunderlich, dass aus den Gemeinden keinerlei Widerstände aufgekommen waren. Mit insgesamt 52 Grundstückeigentümern wurde in relativ kurzer Zeit eine Einigung erzielt. Warum sich mit dem EW Reutte ein EVU aus dem Außerfern an dem Projekt beteiligt hat, liegt daran, dass das Unternehmen an die Zukunft der Wasser-kraft glaubt und bestrebt ist, seine Eigenerzeugung aus der erneuerbaren Energie Wasserkraft auszubauen.

Zweitbieter springt in die Presche
Im Jahr 2011 waren die Planungen für das Projekt bereits so weit gediehen, dass es im Herbst desselben Jahres eingereicht werden konnte. Die Behördenverfahren wurden 2012 abgewickelt, gleichzeitig wurden die Verhandlungen mit den Gemeinden geführt. „Bereits im Frühjahr 2012 haben wir mit der Erstellung der Bau-Ausschreibung begonnen, wenig später sind dann schon alle Behördenbescheide und Genehmigungen auf dem Tisch gelegen. Wir wollten ursprünglich bereits im Dezember 2012 starten, haben den eigentlichen Baubeginn dann aber auf Februar 2013 verschoben.“ Kurze Zeit nach Baubeginn passierte allerdings das erste und zugleich einzige Missgeschick, das das Projekt ereilen sollte. Eine der beauftragten Baufirmen war in die Pleite geschlittert, wodurch eine Bauverzögerung drohte. Doch der Schock war von kurzer Dauer. Zweitbieter Strabag gründete daraufhin eine Bau-ARGE mit Hinteregger Bau, und die Bauarbeiten konnten erneut unter Hochdruck fortgesetzt werden. Während diese Bau-ARGE für den Bau von Wasserfassung und Krafthaus verantwortlich zeichnete, hatte eine weitere Bau-ARGE, und zwar von Östu-Stettin und Hinteregger Bau, die Errichtung des Stollens übernommen.

s16-Unterführung erfordert viel Fingerspitzengefühl
„Der Stollenbau war natürlich die ganz große Herausforderung im gesamten Bauvorhaben“, so der Tiroler Projektkoordinator. Vor allem die bergmännische Durchörterung für den Einlaufstollen unterhalb der angrenzenden Arlberg-Schnellstraße, aber auch jene in unmittelbarer Nähe zur Bahntrasse entpuppten sich als besonders heikel. Eine Überdeckung von gerade einmal 4 Metern lag zwischen der dreispurigen Schnellstraße und dem auszubrechenden Stollen. Gute Gründe also, warum die Baufirma anstatt der ursprünglich geplanten Rohrdurchpressung mit einem Stahlbetonrohr die Unterführung der S16 und der ÖBB-Trasse mittels bergmännischen Vortriebes eines Kleinstollens mit sehr aufwändigen Auskleidungsmaßnahmen realisierte – und dabei mit größtmöglicher Vorsicht zu Werke ging. Aus Sicherheitsgründen wurden aufwändige Messsysteme installiert, die im Sekundentakt jede noch so kleine Bewegung im Untergrund detektierten. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, etwaige Setzungen sind zur Gänze ausgeblieben und durch die aufwändigen Sicherungen im Rahmen der Errichtung des Kleinstollens ist diese Unterführung nun generell sehr gut gesichert.

TBM frisst sich durch den Berg
Während im Bereich des Fenster- und des Einlassstollens im konventionellen Sprengvortrieb gearbeitet wurde, kam für den Ausbruch des Triebwasserstollens eine 380 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschine (TBM) zum Einsatz, die sich über eine Länge von 4 Kilometern durch den Untergrund im Stanzertal fressen sollte. Und dies ging im Wesentlichen ohne größere Komplikationen vonstatten. Lediglich ein paar wenige geologische Störzonen, die auf einer Gesamtlänge von 4 km etwa 380 m ausmachten, drosselten ein wenig das rasante Vortriebs-tempo. „Die geologischen Störzonen waren im Grund alle so prognostiziert. Wir wussten also, was uns erwartet. In diesen Bereichen war es erforderlich, direkt hinter dem Bohrkopf Sicherungsarbeiten mit Stahlbögen und Spritzbeton durchzuführen. Das braucht natürlich ein wenig Zeit“, so der Projektkoordinator. Der 120 m hohe Lotschacht inklusive Wasserschloss mit 3 bis 4 m Durchmesser wurde anschließend im so genannten Alimak-Verfahren, einem seit mehr als einem halben Jahrhundert im Untertagebau bewährten „Über-Kopf-Ausbruch“, hergestellt. Dabei wird in einem Team von zwei bis drei Personen – von der Alimak-Aufbruchbühne aus – in mehreren Arbeitsschritten von Hand gebohrt und abgesprengt. Das ausgebrochene Material wird danach ausgeräumt und entsorgt, bevor die Alimak-Bühne erneut nach oben gefahren wird. Der Boden des Triebwasserstollens wurde mittels Sohltübbingen ausgekleidet. Dabei handelt es sich um hochwertige Betonfertigteile, geliefert vom österreichischen Hersteller Katzenberger Fertigteilindustrie, dem Tiroler Schwesterunternehmen von MABA Fertigteilindustrie. Insgesamt wurden 1.270 Stück dieser Bettontübbinge verbaut. Ein jeder dieser Tübbinge mit einer Länge von 3 m und einer Breite von 1,3 m bringt ein Gewicht von 2,5 Tonnen auf die Waage. Eine hohe Qualität ist unbedingte Voraussetzung, stellen diese Sohltübbinge doch die Endauskleidung des Bodens des Triebwasserstollens dar.

Stamser Spezialist liefert Stahlrohre
Auch die Stahlrohre für die Druckrohrleitung konnten von einem Tiroler Unternehmen bezogen werden. Die ALPE Kommunal- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG, die seit 25 Jahren von ihrem Sitz in Stams aus Rohrlösungen für Wasserkraft- und diverse andere Projekte liefert, zeichnete für die Lieferung der Stahlrohre verantwortlich. Für die Stollenausleitung wurden spiralgeschweißte Stahlrohre DN2000 mit einer Stangenlänge von 12 m, innen mit Epoxypulverbeschichtung und außen einer hochwertigen Polyethylen-Umhüllung im Dreischichtverfahren hergestellt, geliefert. Als Besonderheit wurden sämtliche Stahl-rohre bereits werksseitig mit erforderlichen Gehrungsschnitten oder Abgängen (z.B. Mannloch) produziert. Die Gesamtlänge der Ausleitung bis zum Krafthaus beträgt 500 m. Angeliefert wurden die Rohre von der Türkei bis Triest per Schiff, danach wurden sie mit Lkws zur Baustelle gebracht. Für die Errichtung der Druckrohrleitung konstruierten die Montage-Spezialisten von Östu Stettin einen speziellen Wagen, auf dem die 12 m langen Rohre zu ihrem Einbauort verfrachtet wurden. An-schließend wurden sie auf Rohrsättel versetzt und verschweißt – im Bereich der flachen Rohrleitung von außen, im Druckschacht von innen. Besonders die Verlegung der Rohre im senkrechten Lotschacht sei besonders anspruchsvoll gewesen. Als Druckschachtpanzerung wurden spiralgeschweißte Stahlrohre DN2200, innen mit Epoxybeschichtung, außen rohschwarz, in Stangenlänge 6m eingesetzt. Diese Stahlrohre wurden werksseitig mit Verpressbohrungen für die nach der Verlegung erforderlichen Betonverpressung geliefert. Im Kraftwerksbereich wurden die letzten Meter der Rohrleitung mit Sandbeton einbetoniert und aufgrund der geringen Überdeckung mit einer Betonplatte abgedeckt.

Wenig Platz für Baustelle Wasserfassung und Krafthaus
Die Arbeiten am unterirdischen Triebwasserweg zwischen Flirsch und Strengen stellten zwar den aufwändigsten Teil des Bauprojektes dar, waren aber beileibe nicht die einzige bauliche Herausforderung. Auch die Arbeiten und im Speziellen die Vorarbeiten für das Maschinenhaus in Strengen entpuppten sich als sehr anspruchsvoll. Zwar war der Aufwand für die Erschließung der Baustelle gering – lediglich ein Forstweg musste ein wenig verlängert und die Zufahrtsbrücke verstärkt werden -, doch die Hangsicherungsmaßnahmen waren spektakulär. Klimmer: „Es musste eine 20 m hohe Betonspritzwand, durch Anker-balken gesichert, gebaut werden. Das war unumgänglich.“

Noch größere Hürden warteten an der Baustelle Wasserfassung in Flirsch auf die Bauteams. Vor allem die räumliche Beengtheit zwischen Bahntrasse und Bundesstraße lief ein wenig der Tatsache zuwider, dass eine relativ großzügige Wasserfassung mit drei Entsanderbecken, der Wehranlage, dem Triebwassereinlauf und der Fischaufstiegshilfe zu errichten war. Um für eine sichere Baugrube zu sorgen, wurde eine massive Bohrpfahlwand mit einer Rückverankerung zum Bahndamm erstellt. 100 Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 1,20 m und einer Länge von 15 m wurden dafür in den Untergrund getrieben. Vom Bauablauf sah das konkret so aus, dass die so genannten Mantelrohre wie bei einer Kernbohrung in den Boden gedrückt wurden. Mittels einer speziellen Baggerschaufel wurde danach das Material im Rohr-inneren herausgeholt und mit Beton verfüllt. „Auch bei diesem Arbeits-schritt waren akribische Sicherheitsmessungen von größter Bedeutung. Ein Ketteninklinometer hat während der Bauarbeiten permanent eventuelle Verformungen der Bahngeleise gemessen. Nur so war zu gewährleisten, dass es zu keinen Schäden an der Bahntrasse kommt.“

Viel Know-how im Fassungsbereich
Die stahlwasserbauliche Ausrüstung der Wasserfassung konnte vom Bauherrn an ein weiteres etabliertes Unternehmen aus Österreich vergeben werden, die Braun Maschinenfabrik. Die erfahrenen Stahlwasserbauer aus Vöcklabruck, die seit fast 60 Jahren bewährte Lösungen für Wasserkraftwerke liefern, konnten den Auftrag für sich verbuchen. Konstruiert, geliefert und montiert wurden dabei eine 11 m breite Wehrklappe, ein Dotierschütz, Einlaufrechen, Absperrschütze, sowie eine verfahrbare horizontale Rechenreinigungsmaschine, die den Einlaufbereich des Seiteneinzugs in Flirsch von ankommendem Schwemmgut sauber hält. Das erfahrene Unternehmen aus Vöcklabruck konnte die an ihn gestellten Erwartungen zur vollsten Zufriedenheit der Bau-herren erfüllen. Gleiches trifft auch auf das spezielle Entsandungssystem zu, das die KW Stanzertal GmbH zum Einsatz bringt. Man vertraute dabei auf das neue, von der Hochschule Rappersvil entwickelte Sandabzugssystem (HSR). Der große Vorteil des Systems: Es kann auch bei laufendem Betrieb gespült werden und minimiert damit etwaige Produktionsverluste. Ein weiterer Bonuspunkt ist, dass die Spülwassermenge bei rund 1/6 gegenüber konventionellen Anlagen liegt. Das neue Abzug-System weist durch seine geringen Realisierungs- und Betriebskosten auch nachhaltige Vorteile auf.

Ideallösung mit 18 Düsen
Nach Abschluss der wichtigsten Bauarbeiten am Maschinenhaus war die Zeit für Baulos 4 – der elektromaschinellen und e-technischen Aus-rüstung des Kraftwerks – gekommen. Im Rahmen der Ausschreibung hatte sich der Tiroler Wasserkraftspezialist Geppert durchgesetzt, der den Auftrag für die Konstruktion und Lieferung von drei baugleichen, vertikalachsigen 6-düsigen Peltonturbinen erhalten hatte. „Das war im Grunde für unsere Rahmenbedingungen die ideale Maschinenlösung. Wir haben in einer Variantenstudie auch eine Variante mit einer großen und einer kleineren Francis-Turbine im Größenverhältnis 2/3 zu 1/3 untersucht. Die große Francis-Turbine hätte somit 8 MW, die kleinere 4 MW gehabt. Natürlich hätte die 8 MW-Maschine unter Volllast Wirkungsgradvorteile gehabt, aber die 4 MW-Turbine wäre zu groß für die ganz kleinen Wassermengen, die wir im Winter haben – oder in der Nacht, wenn der Stollen wieder langsam aufgefüllt wird. Somit war die Wahl  aus technischen Gründen mit drei 6-düsigen Peltonmaschinen perfekt. Bei 75 Prozent Düsenöffnung erreichen sie den Bestpunkt und bringen je 4,5 MW“, betont Klimmer. Er verweist darauf, dass die Geppert-Turbinen auch noch mit einer Minimalbeaufschlagung von 200 l/s betrieben werden können. Er hebt darüber hinaus die große Laufruhe der Turbine heraus: „Wird die Anhebepumpe angeworfen, kann man das Laufrad sogar mit der Hand andrehen. Im Leerlauf braucht sie eine gefühlte Ewigkeit, bis sie zum Stehen kommt. Im Betrieb wird sie daher bei 10 Pro-zent Drehzahl automatisch herunter gebremst.“

Synchron-Bolide Made-in-Austria
Direkt an die Peltonturbinen gekoppelt, die mit innenliegender Düsensteuerung ausgeführt wurden, wurden drei leistungsstarke Synchrongeneratoren aus dem Hause ELIN Motoren GmbH installiert. Es handelt sich dabei um wassergekühlte Maschinen mit einer PMG Erregermaschine. Die Leistung liegt bei 6000 kVA, die Nennspannung bei 6.300 V. Der mit 375 Upm drehende Synchrongenerator ist mit zahlreichen Nut-, Statorkern-, Lager- und Luftthermometern ausgerüstet. Weiters besitzt jede der Maschinen eine eigene Stillstandsheizung. 50 Tonnen bringt jeder der Generatoren auf die Waage, für  deren Anlieferung die Brücke zum Krafthausstandort extra verstärkt werden musste. ELIN Generatoren zeichnen sich durch ausgezeichnete Wirkungsgrade, sowie durch hohe Langlebigkeit aus. Nicht umsonst gilt das Unternehmen als so genannter Lifecycle-Partner, der über die gesamte technische Lebensdauer der Maschine dem Betreiber mit Rat und Tat zur Seite steht. Noch immer gibt es heute Kraftwerke, in denen 100 Jahre alte Generatoren aus dem Hause ELIN anstandslos ihren Dienst versehen. 

Stollenbewirtschaftung erfordert Finesse der E-Technik-Spezialisten
Gemeinsam mit Geppert und ELIN Motoren bildete der niederösterreichische Spezialist für E-Technik und Steuerungstechnik Schubert Elektroanlagen jenes Dreigestirn, das für Baulos 4 – also für die gesamte elektromechanische Ausrüstung der Gesamtanlage – verantwortlich zeichnete. August 2013 startete das Team von Schubert unter Leitung des Projektverantwortlichen Ing. Mario Manseder in das Kraftwerksprojekt, das für Schubert das bislang komplexeste und größte in der langen Firmengeschichte werden sollte. „Ab der Generatorklemme lag die Hauptverantwortung für die gesamte Mess-, Steuerungs- und Regel-technik bei Schubert. Sie reicht vom An-schluss an das öffentliche Stromnetz, die Installation von Notstromaggregaten und einer Sicherheitsstromversorgung über die gesamte Elektroinstallation, den Einbau einer Brandmeldeanlage, der Sicherheitsbeleuchtungen bis hin zur Gebäude-, Mess- und Netzwerk-technik und der Einbindung der neuen Prozessleittechnik in die bestehende Wartetechnik der EWA St. Anton“, erklärt Mario Manseder. Darüber hinaus war das Team von Schubert im Bereich Krafthaus für ein weiteres Bündel an Maßnahmen und Leistungen zuständig – angefangen von der Mittelspannungsschaltanlage mit Verkabelung und Verteilung, die Maschinen- und Eigenbedarfs-transformatoren, über die Niederspannungsschaltschränke bis hin zur Maschinensteuerung, die Prozessleittechnik und die zugehörige Visualisierung. Zu den anspruchsvollsten Herausforderungen zählte dabei die Programmierung der Speicherstollenbewirtschaftung. Manseder: „Für uns lautete die Zielsetzung, die Steuerung und Regelung des Kraftwerks an den Kurvenverlauf der Strommarktpreise anzupassen. Auf diese Weise kann die Betreiberin die maximale Rendite aus der Strom-produktion lukrieren.“ Am Ende summierte sich der gesamte zeitliche Aufwand für das Team von Schubert Elektroanlagen auf 23.000 Stunden.

Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt
Ein nicht unwesentlicher Aspekt betrifft die Steuerung der Restwasser- und Fischtreppen-dotierung, die völlig unabhängig vom Kraft-werksbetrieb gestaltet wurde. Dies ist absolut notwendig, um die sichere Dotierung in diesem Bereich auch dann sicherzustellen, wenn das Kraftwerk stillsteht. Generell spielten ökologische Überlegungen und Maßnahmen beim neuen Kraftwerk Stanzertal ein wichtige Rolle: „Die Restwasservorgabe ist monatlich gestaffelt vorgegeben, mindestens müssen aber 1,2 m3/s in der Rosanna verbleiben. Damit ist das Kraftwerk Stanzertal eines der ersten Was-serkraftwerke in Österreich, das die neuesten Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie zur Gänze umgesetzt hat.“ Auch in Hinblick auf das gereinigte Abwasser aus der ARA Flirsch kommt dem neuen Kraftwerk eine wichtige Rolle zu. Da die Restwasserstrecke absolut frei von jeglichen ökologischen Belastungen bleiben muss, darf hier auch das gereinigte Abwasser nicht eingeleitet werden. Es wird durch den Zugangsstollen direkt in die Triebwasserleitung gepumpt. Klimmer: „Zu diesem Zweck wurden in der ARA drei frequenzgeregelte Pumpen installiert, mit denen bis zu 300 l/s hochgepumpt werden können. Das Ganze funktioniert vollautomatisch auf Basis einer Pegelregelung.“

Umwegrentabilität für Region
Ein Projekt dieser Größenordnung bringt üblicherweise auch spürbare wirtschaftliche Impulse für die Region. In diesem Fall waren es alleine in der Bauphase von März 2013 bis Oktober 2014 rund 12 Mio. Euro, die in die regionale Wirtschaft flossen. „Wir haben zu dieser Zeit rund 80 Arbeiter auf der Baustelle gehabt. In den ‚Stoßzeiten‘, als zugleich Wasserfassung und Triebwasserstollen gebaut wurden, waren es sogar 150. In Summe bedeutete das für unsere Hotels, Pensionen und Gasthöfe ein Plus von 50.000 Nächtigungen. Entsprechende Kommunalsteuern entfielen dabei auf die Gemeinden Flirsch und Strengen“, heißt es von Seiten der Verantwortlichen. Die drei Geschäftsführer der Betreibergesellschaft zeigen sich mittlerweile auch sehr zufrieden über die ersten Produktionsmonate, die das Kraftwerk bereits hinter sich hat. Seit Ende Oktober 2014 wird im neuen KW Stanzertal Strom erzeugt. Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme von Maschine I wurde schon ein Monat später – im November – Maschine II in Betrieb genommen, Maschine III folgte schließlich im Dezember. „Trotz des Probebetriebs haben wir bis jetzt die kalkulierte Winterhalbjahresmenge erreicht“, sagt der Geschäftsführer. Er verweist darauf, dass das Kraftwerk schon in seinen ersten Betriebs-wochen und -monaten strikt nach den Kurvenbewegungen der Börsenpreise produziert hat. Essentiell dafür: der Speicherstollen, der in der Regel tagsüber leer gefahren und über Nacht wieder gefüllt wird. Das Speichervolumen des gesamten Stollens beträgt circa 50.000 m3. Die Maschinensteuerung ist so ausgelegt, dass der Stollen praktisch völlig leer gefahren werden kann, ehe die Maschinen dann automatisch herunterregeln. Die Betriebsführung hat die EWA St. Anton von ihrer Zentralwarte aus übernommen.

Ein Projekt für 100 Jahre
Das Kraftwerksprojekt im Rückspiegel kann der erfahrene Tiroler Wasserkraftfachmann zufrieden resümieren. Trotz einiger erheblicher Herausforderungen gelang es, das komplexe Bauprogramm in der vorgegeben Zeit abzuwickeln. Zum Glück blieben sämtliche Baustellen von Hochwässern oder anderen Malheurs verschont. Auch vor dem Hinter-grund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen für die Wasserkraft in Mitteleuropa sieht er das Projekt äußerst positiv: „Der Börsenstrompreis ist seit unserem Baubeschluss bis zum heutigen Tag um 40 % gefallen. Das ist für die Finanzierung kritisch, aber man darf nicht vergessen, dass Wasserkraft langlebig ist. Dieses Projekt ist für 100 Jahre ausgelegt. Und – ich kenne schließlich kein größeres Wasserkraftprojekt der Vergangenheit, das nicht mit der Situation konfrontiert war, dass der Strompreis auf- und abgeht.“

Projekt bleibt im Kostenrahmen
Der zweite ganz wesentliche Punkt ist das erfolgreiche Beteiligungsmodell, wodurch das Kraftwerk Stanzertal zu einem ganz besonderen Projekt geworden ist. „Wenn die Region und die Gemeinden eingebunden sind, gibt es viel weniger Probleme. Viele Kräfte ziehen an einem Strang – und auch die Kooperation mit den Behörden war in der Folge vorbildlich. Nur so konnten wir das Projekt in dieser kurzen Zeit umsetzen“, so der Projektkoordinator. In Summe haben die Projektpartner in das Kraftwerk 58 Mio. Euro in das Kraftwerksprojekt investiert. Damit hat die Projektleitung die ursprünglich veranschlagten Kosten sogar um knapp 1 Mio. Euro unterboten. Ein weiterer Grund also, dem Projektkoordinator ein Lächeln abzuringen.

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