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Umfassende Erneuerung beschert EVN-Wasserkraftwerk Ochsenburg erheblichen Erzeugungsschub9 min read

5. Feber 2024, Lesedauer: 7 min

Umfassende Erneuerung beschert EVN-Wasserkraftwerk Ochsenburg erheblichen Erzeugungsschub9 min read

Lesedauer: 7 Minuten

In der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten hat die evn naturkraft Erzeugungsgesellschaft m.b.H., eine Tochtergesellschaft der EVN AG, das fast 100 Jahre alte Kleinwasserkraftwerk Ochsenburg grundlegend erneuert. Bei der Modernisierung des Traditionskraftwerks wurden die Wasserfassung am Ochsenburger Werkskanal und das Maschinengebäude komplett neu errichtet. Trotz unveränderter Fallhöhe und Ausbauwassermenge konnte die vormals auf ca. 420 kW ­limitierte Engpassleistung auf knapp 500 kW gesteigert werden. Zu verdanken ist dies einer modernen Kaplan-Turbine in vertikalachsiger Bau­form vom Fabrikat Kochendörfer, die so­wohl unter Teillast als auch bei ­ vollem Wasserdargebot eine hocheffiziente Stromproduktion gewährleistet. Der im nahe­gelegenen Ober-Grafendorf ansässige­ Automatisierungsspezialist Schubert CleanTech GmbH lieferte das komplette elektro- und leittechnische Equipment der Anlage. Dank der weitreichenden Modernisierung steigerten sich die Engpassleistung und das Regelarbeitsvermögen des neuesten EVN-Kleinwasserkraftwerks um jeweils ca. 20 Prozent.

Kraftwerk Ochsenburg Gruppenfoto
Schubert-Projektleiter Andreas Griessler, Leiter EVN Betriebsgruppe St. Pölten Christian Strohmayr und Projektleiter Paul Gessl von der Abteilung Wasserkraft Instandhaltungsplanung (v.l.) ziehen unisono ein positives Fazit über die Erneuerung des Kraftwerks Ochsenburg.
© zek

Das 1928 erstmals in Betrieb genommene Wasserkraftwerk Ochsenburg gehörte früher zur Baumwollspinnerei und Zwirnerei Harlander Coats, deren Werke sich auf die heutigen St. Pöltner Stadtteile Harland, Ochsenburg und Stattersdorf verteilten. Das Unternehmen, das zu seinen Hochzeiten bis zu 1.400 Mitarbeiter beschäftigte, hatte sich ab 1870 im Süden der Landeshauptstadt angesiedelt und seine Produktionsstätten in den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten sukzessive erweitert. Zur Unternehmensinfrastruktur zählten auch sieben Kleinwasserkraftwerke, die im Laufe der Zeit an den lokalen Mühlbächen und Werkskanälen errichtet worden waren. Dazu gehörte auch das Kraftwerk Ochsenburg, das 1928 am Ochsenburger Werkskanal erstmals Strom für Harlander Coats produzierte. Nachdem das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen 1991 endgültig den Betrieb eingestellt hatte, wurde das Kleinwasserkraftwerk Ochsenburg noch im selben Jahr vom niederösterreichischen Landesenergiedienstleister EVN erworben.

 

Neubau beste Option
Rund 30 Jahre nach der Übernahme habe die EVN eine umfassende Erneuerung der Anlage beschlossen, erklärt Christian Strohmayr, Leiter der EVN-Betriebsgruppe St. Pölten beim zek HYDRO-Lokalaugenschein in Ochsenburg: „Das Kraftwerk hatte nach annähernd 100-jähriger Betriebsdauer im Prinzip sein technisches Lebensende erreicht. So sind am Wasserschloss bereits Risse und Undichtigkeiten aufgetreten, auch der aus dem Jahr 1928 stammende Maschinensatz mit einer vertikal­achsigen Kaplan-Turbine war nicht mehr im besten Zustand – beispielsweise hätte die Isolation des Generators jederzeit kaputt­gehen können.“ EVN-Projektleiter Paul Gessl von der Abteilung Wasserkraft Instandhaltungsplanung ergänzt, dass auch die zeitliche Komponente einen gewichtigen Anteil an der Entscheidung für das Erneuerungsprojekt bildete: „Die an den Kraftwerksstandort angrenzenden Grundstücke hatte ein Immobilien­entwickler erworben, der dort die Errichtung mehrerer Einfamilienhäusern geplant hatte. Damit die zukünftigen Kraftwerksanrainer nicht durch die Bauarbeiten beeinträchtigt werden, wollte man die Anlagenerneuerung möglichst rasch in die Realität umsetzen.“

Kraftwerk Ochsenburg Einheben Leitapparat 122 x 91 mm
EVN-Projektleiter Paul Gessl (l.) beim Einheben des Turbinen-Leitapparats durch Kochendörfer-Techniker im Jänner 2023
© EVN

Druckrohrleitung blieb erhalten
Paul Gessl fährt fort, dass das Behördenverfahren grundsätzlich rasch über die Bühne gegangen sei: „Grundsätzlich war wegen der Kraftwerksleistung von unter 500 kW das Magistrat der Stadt St. Pölten und nicht das Land Niederösterreich für das Projekt zuständig. Da die neue Anlage wieder am selben Standort errichtet wurde und sowohl die Ausbauwassermenge als auch die Fallhöhe unverändert geblieben sind, verlief das Bewilligungsverfahren vergleichsweise schnell.“ Nach dem Erhalt der wasserrechtlichen Bewilligung und der öffentlichen Ausschreibung, bei der sich eine ganze Reihe von bewährten Branchenspezialisten für die Ausführung qualifizierten, konnte das Projekt im April 2022 in die Umsetzungsphase übergehen. So wurde für die Generalplanung des Projekts die im Sektor Wasserbau vielfach bewährte IBL Ziviltechniker GmbH beauftragt, die ihre Kompetenz bereits bei der zwischen 2020 und 2021 durchgeführten Erneuerung des EVN-Kleinwasserkraftwerks Brandstatt im niederösterreichischen Scheibbs unter Beweis gestellt hatte. Christian Strohmayr weist darauf hin, dass ein zentraler Teil der Anlagen­infrastruktur trotz ihres fortgeschrittenen Alters von der Erneuerung unberührt blieb: „Die aus genieteten Stahlrohren bestehende Druckrohrleitung DN2500 mit einer Länge von ca. 68 m, die seit 1928 zur Ausleitung des Triebwassers genutzt wurde, weist gemäß TÜV-Inspektion keinerlei Schäden oder Materialermüdungen auf und musste somit nicht erneuert werden.“ Projektleiter Gessl ergänzt, dass auch bei der Wehranlage und dem Maschinengebäude gewisse Teile der baulichen Infrastruktur erhalten geblieben sind: „Die hangseitige Ufermauer an der Wasserfassung wurde geringfügig angepasst. Dort wurden nur 30 cm der alten Bausubstanz entfernt, danach hat man darauf eine neue Betondecke eingezogen. Beim Maschinengebäude wurde das neue Saugrohr etwas höher platziert als sein Vorgänger, wodurch in weiterer Folge teilweise auf die bestehende Bodenplatte des Bauwerks aufgebaut werden konnte.“

Kraftwerk Thaller Ochsenburg Rechenreiniger
Den gesamten Stahlwasserbau lieferte der oberösterreichische Kleinwasserkraftallrounder Jank GmbH. Die Dachkonstruktion der Rechenreinigungsmaschine wurde wie das Krafthaus mit Solarpaneelen bestückt.
© zek

Bewährter Stahlwasserbau sorgt für freien Zufluss
An der Wasserfassung wurde das einstige Streichwehr durch eine hydraulisch bewegte Wehrklappe ersetzt, die wie das übrige Stahlwasserbauequipment vom Kleinwasserkraftallrounder Jank GmbH stammt. Der Lieferumfang der Oberösterreicher umfasste zudem einen 14 m langen und 1,7 m hohen horizontalen Schutzrechen für den Seiteneinlauf der Wasserfassung inklusive einer dazugehörigen Rechenreinigungsmaschine. Der elektromechanisch angetriebene Rechenreiniger mit Pegelregelung befreit die knapp 24 m² große Rechenfläche zuverlässig von Geschwemmsel und führt dieses über den Grundablassschütz mit aufgesetzter Spülklappe auf direktem Weg in den Unterwasserbereich ab. Betriebsgruppenleiter Strohmayr lässt nicht unerwähnt, dass horizontale Schutzrechensysteme generell einen großen Vorteil für Kraftwerksbetreiber mit sich bringen: „Das Kraftwerk Ochsenburg ist unsere vierte Anlage seit 2018, deren Einlauf mit einem horizontalen Schutzrechen ausgestattet wurde. Seit diese Systeme in Betrieb sind, funktioniert der Wassereinzug an diesen Kraftwerken ohne nennenswerte Probleme. Zudem wurde in Ochsenburg auch die eigentlich für den Schutz vor Witterungseinflüssen konzipierte Dachkonstruktion der Rechenreinigungsmaschine mit Solarpaneelen bestückt, womit wir nun auch die Kraft der Sonne an der Wasserfassung nutzbar machen.“

Wirkungsgradstarke Kaplan-Turbine
Das an der gleichen Position in zweckmäßiger Betonbauweise hochgezogene Krafthaus wurde an zwei Seiten ebenso mit Solarpaneelen bestückt. Das elektromechanische Herzstück im Inneren des Gebäudes stammt vom deutschen Wasserkraftexperten Kochendörfer. Konkret handelt es sich dabei um eine doppeltregulierte Kaplan-Maschine in vertikal­achsiger Bauform mit direkt gekoppeltem Generator. „Obwohl wir beim Kraftwerk Ochsenburg weiterhin eine Ausbauwassermenge von 10 m³/s nutzen, wurde die Turbine für 12 m³/s Durchfluss ausgelegt, falls die EVN zukünftig um eine höhere Ausbauwassermenge am Standort ansuchen sollte“, merkt Paul Gessl an. Trotz der unveränderten Ausbauwassermenge und Fallhöhe konnte die vormals auf ca. 420 kW begrenzte Engpassleistung der Anlage auf 495 kW gesteigert werden. Zu verdanken ist dieses beachtliche Leistungsplus, das sich naturgemäß auch auf das Erzeugungspotential auswirkt, der modernen Wasserkrafttechnologie. Neben der um ca. 18 Prozent gesteigerten Engpassleistung des Kraftwerks kommt die ­Kochendörfer-Turbine dank ihrer doppelten Regulierfähigkeit mittels verstellbarer Lauf­radflügel und Leitapparat auch mit stark verringertem Wasserdargebot bestens zurecht und kann in einem breiten Teillastbereich äußerst effizient Strom erzeugen. Zuständig für das Engineering der Turbine war die aus St. Pölten stammende Hydro Power & Welding Experts GmbH (HPWE), die mit dem Partnerunternehmen Kochendörfer schon eine ganze Reihe von Wasserkraftprojekten im In- und Ausland realisiert hat. Komplettiert wird der Maschinensatz durch den ebenfalls vertikal­achsigen Synchron-Generator vom Hersteller TES Vsetín, der vom Kaplan­-Laufrad in 4-flügeliger Ausführung mit 272,7 U/min angetrieben wird. Der ebenfalls im Kochendörfer Lieferumfang enthaltene Generator besitzt für die optimale Temperierung bei der wärmeintensiven Stromproduktion eine Wasserkühlung und wurde auf 400 V Spannung und 651 kVA Nennscheinleistung ausgelegt.

Kraftwerk Ochsenburg Visualisierung Steuerung 90 x 60 mm
Visualisierung der Kraftwerkssteuerung von der Schubert CleanTech GmbH
© Schubert CleanTech

Moderne Regelungstechnik vom Automatisierungsexperten
Das gesamte elektro- und leittechnische Equipment der Anlage stammt von den Automatisierungsexperten der Schubert CleanTech GmbH, die im nur ca. zehn Kilometer von Ochsenburg entfernten Ober-Grafendorf ansässig sind. „Die Kraftwerksbetreiber sind für Schubert alte Bekannte, wir haben bereits seit den 1980er Jahres eine Vielzahl von Projekten für die EVN umgesetzt“, sagt Schubert-Projektleiter Andreas Griessler: „Der für uns besonders interessante Punkt bei diesem Projekt war die Einbindung der Photovoltaik-Anlage in das Wasserkraftwerk – dieser Aspekt stellte für uns eine Premiere dar. Mit der an ein Batteriesystem gekoppelten Photovoltaik-Anlage kann das Kraftwerk bei entsprechenden Witterungsbedingungen seinen Eigenbedarf mit Sonnenenergie abdecken.“ Andreas Griessler fährt fort, dass diese Ausführung zwei wesentliche Vorteile für die Anlage mit sich bringt. So kann bei einem großfläch­igen Netzausfall die separate Lagerschmierung vom Maschinensatz durch das Batteriesystem aufrechterhalten werden. Dies gilt auch für die ebenfalls im Schubert-Auftragsumfang enthaltene Kraftwerkssteuerung, die im Fall eines Blackouts weiter durch den Batteriespeicher versorgt wird. „Eine weitere Besonderheit war die Vorgabe der EVN, den im Unterwasserbereich platzierten Wärmetauscher, der für die Kühlung des Generators zuständig ist, auch für die Kühlung des Maschinengebäudes zu verwenden. Davon profitieren in erster Linie die elektrotechnischen Kraftwerkskomponenten, die in der Regel für Temperaturen von etwas mehr als 40° Celsius ausgelegt sind. Die Bauteile sind dadurch vor Überhitzung geschützt, was sich in weiterer Folge natürlich positiv auf deren Lebensdauer auswirkt. Außerdem kann der Wärmetauscher durch den Einsatz von Mischventilen während der kalten Jahreszeit auch umgekehrt zum Heizen des Gebäudes verwendet werden“, erklärt Andreas Griessler, der retrospektiv auf ein weiteres erfolgreiches Schubert-Projekt für die EVN zurückblickt.

Stromausbeute geht deutlich nach oben
„Glücklicherweise blieben wir während der Umsetzungsphase von größeren Unwetterereignissen verschont, die Bauarbeiten konnten somit reibungslos realisiert werden“, sagt Paul Gessl. Sämtliche Stahlwasserbaukomponenten waren bereits 2022 montiert, auch die Bauarbeiten wurden noch vor den Weihnachtsfeiertagen des Vorjahres abgeschlossen. Nach dem Jahreswechsel standen noch die finalen Installationsarbeiten am Maschinensatz und der elektrotechnischen Ausrüstung am Programm. Rund zehn Monate nach dem Abstellen der alten Anlage ging das im Prinzip völlig neue Kleinwasserkraftwerk Ochsenburg erstmals ans Netz. „Mittlerweile läuft das Kraftwerk schon seit mehreren Monaten im Regelbetrieb. Die bisherigen Betriebserfahrungen sind durchwegs positiv, was uns als Betreiber natürlich sehr glücklich macht – ich kann den an der Realisierung beteiligten Unternehmen allesamt ein gutes Zeugnis ausstellen“ resümiert Christian Strohmayr, dessen Betriebsgruppe für insgesamt 25 EVN-Kleinwasserkraftwerke zuständig ist. Dass sich die grundlegende Erneuerung des Kraftwerks, in welche die EVN ca. 3,2 Millionen Euro investierte bezahlt macht, beweist die erhebliche Steigerung des Regelarbeitsvermögens. Während die Anlage vor dem Umbau durchschnittlich um die 2,8 bis 3 GWh Strom produziert hat, rechnet die EVN nun mit einer jährlichen Stromausbeute von ca. 3,6 GWh. Nach der mustergültigen Erneuerung des Kraftwerks Ochsenburg hat die EVN laut Christian Strohmayr bereits ein weiteres Moder­nisierungsprojekt am Ochsenburger Werks­kanal ins Auge gefasst. Gemeint ist damit das Unterliegerkraftwerk Neumühle, dessen Erneuerung schon bald in die Realität umgesetzt werden könnte.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 5/2023

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