UNESCO-Welterbe-Gemeinde Hallstatt nutzt ihr Trinkwasser auch zur Stromgewinnung6 min read
Lesedauer: 4 MinutenIn der für ihre beeindruckende Naturkulisse international bekannten UNESCO-Welterbe-Gemeinde Hallstatt in Oberösterreich ging noch vor dem vergangenen Jahreswechsel ein neues Trinkwasserkraftwerk ans Netz.
Die wenige Kilometer vom Ortskern im Echerntal errichtete Kleinanlage wurde im Zuge der Erneuerung der Trinkwasserzuleitungen ins örtliche Wasserversorgungsnetz integriert. Realisiert wurde der Kraftwerksbau in kooperativer Weise von den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) und der Gemeinde Hallstatt. Diese Partnerschaft hatte bereits beim Bau des Kleinwasserkraftwerks Hallstatt vor wenigen Jahren in unmittelbarer Nähe zum Trinkwasserkraftwerk sehr gut funktioniert. Das vormals mittels Druckbrechern bewusst vernichtete Energiepotential der örtlichen Wasserversorgung wird für die Stromproduktion der Neuanlage im Ausmaß von durchschnittlich 500.000 kWh/a nun höchst sinnvoll verwendet.
Bereits fünfeinhalb Jahre ist es her, dass im Juli 2014 die Fertigstellung eines von den ÖBf und der Gemeinde Hallstatt realisierten Kleinwasserkraftwerks gebührend gefeiert wurde. Die Entstehung dieser speziell für den Volllastbetrieb optimierten Anlage mit einer Engpassleistung von 4,3 MW ist dem jahrzehntelang von Seiten der Gemeinde, den ÖBf sowie dritter Parteien angedachten Vorhaben zu verdanken, im Zuge einer Leitungssanierung ein Trinkwasserkraftwerk zu errichten. Projektiert wurde der Bau schließlich gemeinsam durch die ÖBf und die Gemeinde. „Für den Bau eines Trinkwasserkraftwerks wurden in Abstimmung mit dem Land Oberösterreich verschiedene Variantenstudien angestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Errichtung eines Kleinwasserkraftwerks statt einer Trinkwasserkraftanlage in gesamtheitlicher Sicht die insgesamt bessere Lösung darstellt““, erklärt ÖBf-Projektleiter Gerhard Breitenbaumer. Als rechtlicher Rahmen wurde die Hallstatt Wasserkraft GmbH gegründet, an der die Gemeinde zu 49 Prozent beteiligt ist, die restlichen 51 Prozent der Gesellschaftsanteile halten die ÖBf. Die schließlich innerhalb von ca. 11 Monaten zwischen November 2012 und September 2013 errichtete Anlage nutzt jährlich rund ein Drittel der Gesamtschüttung des Gewässers Waldbach. Eine 2,5 km lange Druckrohrleitung führt das Triebwasser über 330 m Bruttofallhöhe zur Turbinierung ins Krafthaus. Der vergleichsweise geringe Ausbaugrad wird durch eine hohe Volllaststundenzahl im Ausmaß von rund 5.300 h/a ausgeglichen, im Regeljahr erzeugt die 6-düsige vertikale Pelton-Turbine rund 23 GWh Strom.
Trinkwasserkraftwerk 2018 realisiert
Obwohl der Bau des Kleinwasserkraftwerks im Hallstätter Ortsteil Echerntal Vorrang hatte, konnte das Trinkwasserkraftwerk – wenn auch in kleinerer Variante als ursprünglich geplant – im Vorjahr in die Realität umgesetzt werden. Im Rahmen der notwendigen Erneuerung der ursprünglich in den 1950er Jahren verlegten Trinkwasserleitungen wurde die Gelegenheit genutzt, das vormals in Druckbrecherschächten vernichtete Energiepotential der Klausbrunnquellen zur Stromgewinnung zu nutzen. Planung und Umsetzung erfolgten wie beim Bau des Wasserkraftwerks erneut in kooperativer Manier zwischen der Gemeinde Hallstatt und den ÖBf. In rechtlicher Hinsicht gehört das Projekt zur Hallstatt Wasserkraft GmbH, der Gerhard Breitenbaumer als Geschäftsführer vorsteht. Der Hallstätter Wassermeister Christian Amon betonte beim zek HYDRO-Lokalaugenschein die Güte des lokalen Trinkwassers: „Über die hohe Qualität unseres Trinkwassers, dessen Haupteinzugsgebiet das Dachsteingebiet bildet, können wir uns sehr glücklich schätzen. Ergänzend zu den Bergquellen können als zweites Standbein der örtlichen Wasserversorgung zwei tiefe Brunnen genutzt werden, mit denen der Trinkwasserbedarf ebenfalls zur Gänze abgedeckt werden kann.“
Baustelle in UNESCO-Welterbestätte
Wie bei der Errichtung des Kleinwasserkraftwerks – dessen Bauaufwand sich allerdings ungleich größer darstellte – galt es auch beim Trinkwasserkraftwerk, während der Umsetzungsphase höchste Rücksicht auf die Natur im Projektgebiet zu nehmen. In der zum UNESCO-Welterbe zählenden Gemeinde hat dieser Thematik stets höchste Priorität, sagt Projektleiter Breitenbaumer und betont, dass hoher Bedacht darauf gelegt wurde die landschaftlichen Eingriffe so gering wie möglich zu halten. Breitenbaumer ergänzt, dass, abgesehen von den obligatorischen Baggerarbeiten für den Leitungstausch, so gut wie keine Erdbewegungen notwendig waren. Umgesetzt werden konnte das Projekt innerhalb von rund 6 Monaten, nach dem Baustart im Juni 2018 konnte noch vor dem vergangenen Jahreswechsel während des Dezembers der Übergang in den Regelbetrieb erfolgen. Darüber hinaus hatte man schon während der Errichtung des Wasserkraftwerks verschiedene bauliche Vorleistungen ausgeführt, die sich nun günstig auf die Sanierung der Trinkwasserleitungen auswirkten, etwa hinsichtlich der in einer gemeinsamen Trasse verlaufenden Energieableitung. Außerdem war bereits 2013 ein Trinkwasserleitungsabschnitt in der Nähe der Quellfassung erneuert worden. Die nun komplett erneuerte Versorgungsleitung hat eine Gesamtlänge von rund 980 m und besteht fast zu Gänze aus lebensmitteltauglichen Gussrohren der Dimension DN250 und DN150.
Volllastbetrieb als Dauerzustand
Die Zentrale des Trinkwasserkraftwerks wurde in zweckmäßiger Bauweise optisch unauffällig in eine natürliche Hanglage integriert. Bis auf die kalten Wintermonate, in der die Quellschüttungen zurückgehen, kann das Trinkwasserkraftwerk weite Teile des Jahres unter Volllast produzieren. Zur Stromgewinnung kann der aus einer 1-düsigen Pelton-Turbine und einem Synchron-Generator bestehende Maschinensatz fast 200 m Bruttofallhöhe sowie eine Ausbauwassermenge von 45 l/s nutzen, bei vollem Zufluss erreicht die Turbine eine Engpassleistung von 68 kW. Da der maximale Hallstätter Versorgungsbedarf mit 12 l/s abgedeckt ist, werden nach der Turbinierung bis zu 33 l/s in den am Krafthaus vorbeifließenden Waldbach rückgeleitet. Geliefert wurde die in horizontaler Bauart gefertigte Pelton-Maschine vom Vorarlberger Turbinenspezialisten Lingenhöle Technologie GmbH. Die Maschinenbauer aus Feldkirch genießen in der Branche einen hervorragenden Ruf als zuverlässiger Partner für Klein- und Kleinstwasserkraftanlagen und können speziell bei Trinkwasseranlagen auf eine ganze Reihe von Referenzen verweisen. Dem Einsatzzweck entsprechend wurden die wasserberührten Teile der Pelton-Turbine aus hygienisch einwandfreiem Edelstahl gefertigt. Der Strahlabweiser wird wasserhydraulisch geregelt, die Steuerung des Absperrorgans und des Bypass erfolgt auf elektrischem Weg mittels Servomotoren.
Die kinetische Bewegungsenergie des mit 1.500 U/min drehenden Pelton-Laufrads wird von einem direkt in horizontaler Richtung gekoppelten Synchron-Generator in elektrischen Strom umgewandelt. Gefertigt wurde die für höchste Wirkungsgrade optimierte Maschine der Serie SDB vom deutschen Generatoren-Spezialisten EME Elektromaschinenbau Ettlingen GmbH. Bei den Maschinen der Baureihe SDB wird das Kühlmedium Luft besonders effektiv an die zu kühlenden Wicklungsteile im Inneren der Maschine geführt. Darüber hinaus stehen EME-Generatoren für eine sorgfältige Materialauswahl, fachgerechte Auslegung für den Einsatzbereich sowie höchste Fertigungsqualität. Für das neue Trinkwasserkraftwerk in Hallstatt wurde der Generator auf eine Frequenz von 50 Hz, eine Spannung von 400 V sowie eine Nennscheinleistung von 76,4 kVA ausgelegt.
500.00 kWh/a Regelarbeitsvermögen
In Sachen Elektro- und Leittechnik setzte man auf das Know-how der Firma Siemens Abteilung Prozessautomatisierung für Wasser- und Abwasseranlagen aus Salzburg. Der Auftrag umfasste die komplette EMSR-Ausrüstung für die Quellsammelstube, die Restwasserpegelmessung und die Kraftwerksanlage. Die grundsätzliche Regelung des Kraftwerks erfolgt über die Pegelerfassung mittels Sonde in der Quellsammelstube, wobei die Siemens Steuerung SIMATIC ET200SP für die Einbindung der Signale und Messungen zuständig ist. Zur Kommunikation mit der Zentrale dient ein Lichtwellenleiter-Kabel, das bei der Rohrsanierung mitverlegt wurde. Im Bachbett nahe der Quellstube kommt ebenfalls eine Siemens-Pegelsonde zum Einsatz. Damit ist in den wasserarmen Monaten sichergestellt, dass das Trinkwasserkraftwerk entsprechend gedrosselt wird, um die geforderte Restwasserabgabe sicherzustellen. Als zentrale Kraftwerkssteuerung kommt die weltweit im Automatisierungsbereich eingesetzte SIMATIC S7-1500 zum Einsatz. Diese ist neben der Regelung der Stromproduktion dafür zuständig, im Falle eines Anlagenstillstands die Regelung des Bypass in Gang zu setzen, und die Trinkwasserversorgung der Gemeinde unterbrechungsfrei aufrecht zu erhalten. Bedient wird die Anlage im Krafthaus mittels Steuerungs-Visualisierung auf einem 15“-Touch-Display, darüber hinaus sorgte Siemens für die Anbindung an das übergeordnete Leitsystem der Bundesforste.
Mittlerweile läuft die Stromproduktion des Trinkwasserkraftwerks im Echerntal seit fast einem Jahr quasi im Dauerbetrieb. Gerhard Breitenbaumer zeigt sich rückblickend sehr zufrieden mit der Errichtung und dem Endergebnis des ersten ÖBf-Trinkwasserkraftwerks: „Es war von Beginn an klar, dass der Standort für den Einbau einer Kraftwerksanlage gut geeignet ist. Dass die bauliche Umsetzung auch noch schnell und reibungslos über die Bühne gegangen ist, war natürlich sehr erfreulich. Den Endnutzen sehen wir nun beim Regelarbeitsvermögen der Anlage im Ausmaß von jährlich rund 500.000 kWh – für ein Kraftwerk dieser Größenordnung ist das schon sehr beachtlich.“
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